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6. Theoretische Ausgangsposition

6.3 Kompetenzmodelle

6.3.1 Handlungsorientierung

Bereits vor der Verankerung des Konzepts der Handlungskompetenz in den Rahmenlehrplä-nen für den berufsbezogeRahmenlehrplä-nen Unterricht wurde Ende der 1980er Jahre in den Ausbildungs-ordnungen der Erwerb einer beruflichen Handlungsfähigkeit als Ziel der beruflichen Ausbil-dung betont. Hiernach sollte die AusbilAusbil-dung zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigen, die insbesondere selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren einschließt (vgl. BMELF 1996, § 3 Abs. 2 VO’96); ein Prinzip, das offenkundig seine Gültig-keit nicht verloren hat. Somit liegt auch in der vorliegenden Arbeit dem Ziel der Handlungs-orientierung die Hypothese zugrunde, dass Handlungskompetenz durch Lehr-Lern-Arrangements gefördert werden kann. Dem steht ggf. das Erfordernis, die Konzeption der Prüfungsaufgaben veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, nicht im Wege.

Auf vorbildliche Weise hat BADER diese Anforderungen zusammengefasst (vgl. BADER 2004, S. 62 ff.). Er sieht Handlungsorientierung u. a.

… als didaktisch-methodisches Prinzip im Sinne des Lernens an Sachverhalten und Problemen, die eine Entsprechung im Erfahrungsraum der Lernenden haben oder absehbar erhalten werden,

… als Gestaltung von Lernprozessen, in denen die Lernenden möglichst durch selbst-ständiges Handeln lernen, mindestens jedoch durch aktives Tun, jedenfalls nicht allein durch gedankliches Nachvollziehen von Handlungen anderer,

… als Lernen an konkreten Handlungen, deren Ergebnis nicht aufgrund gesicherter Erkenntnisse (zum Beispiel der Naturwissenschaften) feststeht, sondern offen ist,

… als Orientierung der Kommunikation an den Handlungsbedürfnissen der Kommu-nikationspartner,

… als Planung und Gestaltung von Lernprozessen mit dem Ziel der Fähigkeit, aus gewonnenen Erkenntnissen (im weitesten Sinne) gesellschaftliche Konsequenzen zu ziehen, d. h, der Einsicht die Tat folgen zu lassen, um vorgefundene Situationen in Richtung auf Ziele, die als erstrebenswert erkannt werden, mit den geplanten Methoden zu verändern und schließlich

… als vorbereitende Kompetenzentwicklung zur Bewältigung nicht vorhersehbarer beruflicher, gesellschaftlicher und individueller Anforderungen.

Die didaktische Implikation der Handlungsorientierung in Lehr-Lern-Prozessen lässt sich auf die Handlungsregulationstheorie zurückführen. Diese Theorie orientiert sich an Regelkreisen, die das Denken und Handeln miteinander verbinden (vgl. HACKER 1973, S. 92). Das so orientierte Vorgehen erfordert in der Ausbildung einen hohen Aufwand. Im Betrieb und in der Berufsschule fehlen „vielerorts noch Entsprechungen durch geeignete Formen der Ausbil-dungs- und Arbeitsorganisation, die vollständige Handlungen tatsächlich auch zulassen“

(BADER 2004, S. 62).

Handlungsorientierung dient in diesem Verständnis der Zielklärung beruflicher Bildung.

Im Zuge der Auseinandersetzung mit diesem Modell wurde die in Kapitel 6.2.1 entfaltete Ausdifferenzierung der Handlungskompetenz in die vier Kompetenzdimensionen Fach-, Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenz eingeführt. Die Formulierung „selbstständiges Pla-nen, Durchführen und Kontrollieren“ wird nicht nur als Ausdruck von Handlungsorientierung in die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen aufgenommen, Handlungsorientierung dient auch als Leitbild für die didaktische Gestaltung des Berufsschulunterrichts: „Die Zielsetzung der Berufsausbildung erfordert es, den Unterricht an einer auf die Aufgaben der Berufsschule zugeschnittenen Pädagogik auszurichten, die Handlungsorientierung betont und junge Men-schen zu selbstständigem Planen, Durchführen und Beurteilen von Arbeitsaufgaben im Rah-men ihrer Berufstätigkeit befähigt“ (KMK 2007, S. 12).

Auf der Grundlage lerntheoretischer und didaktischer Erkenntnisse werden von der KMK u. a. folgende Orientierungspunkte genannt, die bei der Unterrichtsplanung zu berücksich-tigen sind. Einzubeziehen sind:

- reale, berufliche Situationen, die für die Berufsausübung bedeutsam sind,

- Handlungen, die möglichst selbst ausgeführt bzw. gedanklich nachvollzogen werden, - Handlungen, die selbstständig geplant, durchgeführt, überprüft und abschließend

bewertet werden, und schließlich

- Handlungen, die ein ganzheitliches Erfassen der beruflichen Wirklichkeit fördern und Bezüge zu sozialen Prozessen herstellen (vgl. KMK 2007, S. 12).

Obwohl damit eine stärkere Fokussierung auf die Ergebnisse beruflichen Lernens gefordert wird, konnten weder in den vorhandenen Ausbildungsordnungen noch in den geltenden Rah-menlehrplänen tragende Grundlagen für eine Überwindung einer einseitig inhaltsbezogenen Ausrichtung der Berufsausbildung für Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, erkannt werden. Dabei gilt es zu beachten, dass sich die Diskussion um den Paradigmen-wechsel von der Input- zur Kompetenz- und Outcome-Orientierung auf nationaler wie auf europäischer Ebene zunehmend auf Umsetzungs- und Operationalisierungsprobleme verlagert hat (vgl. STRAKA 2004, S. 69 ff.).

Europäischer Qualifikationsrahmen

Bei dem am 23. April 2008 vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat ange-nommenen Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR) handelt es sich um ein Instrument zur Klassifizierung von Qualifikationen zu Bündeln von Kompeten-zen. Der Rahmen kann zur Entwicklung von Qualifikationen genutzt werden. Qualifikationen werden als Lernergebnisse („learning outcomes“) klassifiziert, die sich unabhängig von Bildungsabschlüssen auf Tätigkeitsanforderungen und Kompetenzprofile beziehen lassen.

Das Kernstück des EQR sind acht Referenzniveaus, die beschreiben, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen die Lernenden aus formaler, non-formaler und informeller Bildung haben, unabhängig davon, wo diese Qualifikationen erworben wurden.

Die im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verwendete Definition von Kompetenz kommt dem deutschen Verständnis von beruflicher Handlungskompetenz sehr nahe: „Kompetenz kann als Befähigung definiert wer-den, komplexe Anforderungen in einem spezifischen Kontext (unter Nutzung von Kenntnis-sen, Fertigkeiten und Fähigkeiten) durch eine erfolgreiche Handlung entsprechen zu können.

Kompetente Performanz oder effektive Handlung impliziert dabei die Mobilisierung von

Wissen, kognitiven und praktischen Fertigkeiten sowie soziale und verhaltensbezogene Kom-ponenten wie Einstellung, Emotion, Werte und Motivationen“ (RYCHEN & SALGANIK 2003, S. 43).

Kompetenzen haben demnach mit der Fähigkeit zu tun, „in entscheidungsoffenen, komplexen, oft chaotischen Situationen ‚self directed‘, d. h. selbst organisiert zu handeln. Kompetenz lässt sich nicht definieren, ohne aktuelles Handeln und dessen Ergebnisse (Performanz) zu betrach-ten“ (BIBB 2007). Kognitive Fähigkeiten fallen genauso unter die Kompetenzdimension Fachkompetenz, wie auch implizites Wissen und praktische Fertigkeiten dieser Dimension zugeordnet werden können. Emotional und motivational verankerte Werte gehören in die Kompetenzdimension Selbstkompetenz, im weiteren Sinne auch zur Sozialkompetenz.

Tab. 1: Systematik der Qualifikationen des Europäischen Qualifikationsrahmens (EG 2008, S. 12 f.)

Kenntnisse Fertigkeiten17 Kompetenz

Theorie- und/oder

Fakten-wissen kognitive Fertigkeiten (un-ter Einsatz logischen, intui-tiven und kreaintui-tiven Den-kens) und praktische Fer-tigkeiten (Geschicklichkeit und Verwendung von Me-thoden, Materialien, Werk-zeugen und Instrumenten)

im Sinne der Übernahme von Verantwortung und Selbstständigkeit

Die Kompetenzen werden im Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR) nicht berufsspezifisch formuliert, sie fassen in bestimmter Weise Fähigkeiten zusam-men, die sich in ihrer einzelnen Ausprägung berufsspezifisch ausformulieren lassen. Der EQR als ein übernationaler Rahmen ist der Versuch, Kompetenzniveaus zu spezifizieren, auf denen sich Lernergebnisse domänenübergreifend formulieren lassen. Der EQR bedeutet eine Abkehr vom input-orientierten System und eine Verschiebung auf outcome-orientierte Lernergeb-nisse. Außerdem fördert der EQR das lebenslange Lernen durch seine Unabhängigkeit von der Unterscheidung zwischen formalem, non-formalem und informellem Lernen.

17 Der im englischen Original verwendete Begriff „skills“ wird in der deutschen Version des EQR unglück-licherweise zusammenfassend mit „Fertigkeiten“ übersetzt, obgleich „Fähigkeiten“ gemeint sind. Diese wer-den im Weiteren mit „cognitive“ und „practical“ im Sinne „kognitiver Fähigkeiten“ (unter Einsatz logischen, intuitiven und kreativen Denkens) und „praktischer Fähigkeiten sowie Fertigkeiten“ (Geschicklichkeit und Verwendung von Methoden, Materialien, Werkzeugen und Instrumenten) beschrieben (vgl. EC o. J.).

Deutscher Qualifikationsrahmen

Der Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR) regt die Mitglied-staaten an, eigene nationale Qualifikationsrahmen zu entwickeln, die sich auf den EQR bezie-hen und damit gewährleisten, dass sich alle nationalen Qualifikationen ab 2012 auf ein ent-sprechendes EQR-Niveau beziehen lassen. Diese Niveaus sollen dadurch untereinander ver-gleichbar sein, dass die nationalen Qualifikationsrahmen auf dem Prinzip des „Learning Outcomes“ basieren.

In Deutschland wurde der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) bis 2011 entwickelt. Zur Erarbeitung dieses DQR haben Bund und Länder eine gemeinsame Koordinierungsgruppe (B-L-KG DQR) eingerichtet und darüber hinaus einen Arbeitskreis

„Deutscher Qualifikationsrahmen“ (AK DQR) einberufen, um weitere relevante Akteure – Einrichtungen der Hochschulbildung und der beruflichen Bildung, Sozialpartner und Exper-ten aus Wissenschaft und Praxis – in den Erarbeitungsprozess des DQR einzubeziehen.

Aus der Perspektive der Berufsbildung bietet sich an, die in der Beschreibung beruflicher Handlungskompetenz anerkannte Unterteilung in fachliche, personale, soziale und methodi-sche Fähigkeiten zum Ausgangspunkt der Überlegungen von Kompetenzdimensionen in einem DQR zu machen. Eine Ausdifferenzierung der Kompetenzdimension „Fachliche Fähigkeiten“ in Kenntnisse (kognitiv) und Fertigkeiten (funktional) ist dabei möglich (vgl.

HANF & REIN2006).

Tab. 2: Systematik der Qualifikationen des Deutschen Qualifikationsrahmens (BMBF 2011, S. 5)

Fachkompetenz Personale Kompetenz

Wissen Fertigkeiten18 Sozialkompetenz Selbstständigkeit Tiefe und Breite Instrumentale und

systematische

Während beim EQR zwischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen unterschieden wird, unterteilt der DQR, wie in Tab. 2 ersichtlich, zwei Kompetenzdimensionen: „Fachkom-petenz“ und „Personale Kom„Fachkom-petenz“. Die Fachkompetenz gliedert sich in „Wissen“ und

„Fertigkeiten“, die „personale Kompetenz“ in „Sozialkompetenz“ und „Selbstständigkeit“ zu

18 Im DQR wird ebenfalls wie im EQR der Begriff „Fertigkeiten“ verwendet: „Fertigkeiten bezeichnen die Fähigkeit, Wissen anzuwenden und Know-how einzusetzen, um Aufgaben auszuführen und Probleme zu lö-sen“ (BMBF 2011, S. 8).

einer so genannten „Vier-Säulen-Struktur“. „Methodenkompetenz wird als Querschnitts-kompetenz verstanden und findet deshalb in der DQR-Matrix nicht eigens Erwähnung“

(BMBF 2011, S. 4).

Die große Bedeutung der beruflichen Bildung für das deutsche Bildungssystem wurde bei der Einführung des Deutschen Qualifikationsrahmens am 31. Januar 2012 deutlich. Nach dem Spitzengespräch zwischen Bund, Ländern und Sozialpartnern sollen bei prinzipieller Anerkennung der Gleichwertigkeit von allgemeinbildender und beruflicher Bildung

„die allgemeinbildenden Schulabschlüsse dem Rahmen zunächst nicht zugeordnet werden.

[…] Zugleich wurde jedoch beschlossen, dass zweijährige berufliche Erstausbildungen auf Niveau 3 und drei- und dreieinhalbjährige Erstausbildungen auf Niveau 4 eingestuft werden“

(BMBF 2012).

Der DQR geht dabei nur von formal erworbenen Output-Qualifikationen aus und ist insoweit nicht mit dem EQR sowie anderen outcome-orientierten Qualifikationsrahmen vergleichbar.

Deshalb sieht es TÖNNIESals ehemaliger BGL-Bildungsreferent „als sinnvoll an, einen nur auf diesen Beruf (Sektor) zutreffenden, sektoralen Qualifikationsrahmen zu erarbeiten“

(TÖNNIES 2013, pers. Mitteilung).

Sektoraler Qualifikationsrahmen

Im Rahmen des EQR wird in Verträgen der Europäischen Gemeinschaft (EG) oft von Sektor-qualifikationen gesprochen, die Vereinbarungen von europäischen Sozialpartnern auf Bran-chenebene zum Ausdruck bringen wollen. Dieser Ansatz sektoraler Initiativen mit nationalen Qualifikationen ist bedeutsam für die vorliegende Forschungsarbeit, da er anerkennt, dass

„sektorale Standards und Qualifikationen außerhalb der nationalen Rahmen und Systeme entwickelt werden und […] auf die Notwendigkeit europäischer bzw. internationaler Bil-dungs- und Ausbildungslösungen abheben“ (BIBB 2007, Anlage 2).

Die Kommission empfiehlt, „sektorale Initiativen so zu entwickeln, dass sie mit den nationa-len Rahmenwerken kompatibel sind“ und dass „zwischen den Qualifikationen in den betref-fenden sektoralen Rahmen und den Niveaudeskriptoren des EQR eine klare und nachvoll-ziehbare Verbindung vorhanden sein sollte“ (vgl. BIBB 2007, Anlage 2). Dadurch wäre eine Übersetzbarkeit von Sektorqualifikationen in nationale Qualifikationsrahmen gegeben.

Die Entscheidung, sektorale Initiativen mit einem EQR zu verbinden, sollte dezentral und durch die Akteure selbst, durch die von ihnen ernannten Gremien und die Vertreter der auf nationaler Ebene für Qualifikationen zuständigen Behörden erfolgen. Besonders aktiv und fortgeschritten sind mit Blick auf europäische Qualifikationen u. a. die Landwirtschaft und der Bau (vgl. BIBB 2007, Anlage 2).

Entscheidend für die vorliegende Arbeit ist es nicht, die berufsständische Auseinandersetzung um Möglichkeiten und Chancen eines sektoralen Qualifikationsrahmens für den Beruf des Landschaftsgärtners hinsichtlich einer Verwertbarkeit ausgebildeter Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt in Europa zu führen, sondern vielmehr, Kriterien beruflicher Handlungs-kompetenz im Rahmen der dualen Berufsausbildung zum Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, für die Entwicklung sektoraler Standards und Qualifikationen festzulegen und diese in ein praxistaugliches Kompetenzmodell für den Lernort Berufsschule angemessen zu übertragen.