7. Handlungskompetenz im Garten- und Landschaftsbau
7.2 Entwicklung eines lernfeldstrukturierten Rahmenlehrplans
7.2.2 Exemplarische Lernfelder
Die genannten Handlungsfelder liefern Elemente für einen vorzuschlagenden Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, indem jeweils die kognitiven Fähigkeiten und berufstypischen Handlungen ermittelt werden, sodass sie unter Berücksichtigung gesellschaftlich und individuell bedeutsamer Handlungszusammen-hänge als Lernfelder didaktisch erschlossen werden können (vgl. BADER & SCHÄFER 1998, S. 229 ff.).
27 Im Hinblick auf eine mögliche Verordnungsnovellierung im Gartenbau beauftragte der BGL-Ausschuss Berufsbildung eine interne Arbeitsgruppe „Zukunft Berufsbildung“ unter der Leitung von BGL-Vizepräsident Carsten Henselek zum Zweck der Überprüfung der VO’96. An dieser Diskussion war auch der Autor vom 15. September 2011 bis 18. Dezember 2012 beratend beteiligt, um eine Empfehlung an den BGL-Ausschuss Berufsbildung zu formulieren.
28 Mit der neuen Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung vom 27. Juni 2013 wurden die rechtlichen Grundlagen für die Erteilung des neuen Sachkundenachweises im Pflanzenschutz geschaffen. Nach neuem Recht reicht die abgeschlossene Berufsausbildung zum Gärtner der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau aus, um die erforderliche Sachkunde zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und zur Beratung zum Pflanzenschutz zu belegen. Die dazu benötigte berufliche Handlungskompetenz eines Landschaftsgärtners ist in Tabelle 3 unter 7e) und 8c) sowie 1d) berücksichtigt. Bei zeitnaher Vorlage des Gehilfenbriefes wird ohne weitere Sachkundeprüfung der jetzt befristet gültige Sachkundenachweis in Form eines Ausweises ausgestellt.
„Lernfelder orientieren sich am Kompetenzbegriff und keinesfalls allein an verwertbaren Qualifikationen, die sich aus beruflichen Handlungsfeldern ergeben. Lernfelder müssen dazu anleiten, über Fachkompetenz auch Human- und Sozialkompetenz zu entwickeln“ (BADER 2003, S. 212; vgl. auch HASS 2011, o. S.).BADER unterscheidet zwischen Dimensionen und Akzentuierungen von beruflicher Handlungskompetenz. Berufliche Handlungskompetenz umfasst hiernach die Dimensionen Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz, die nicht isoliert auf-treten, sondern wechselseitig miteinander vernetzt sind (vgl. BADER 2003, S. 212). Bildlich lässt sich dieses Modell beruflicher Handlungskompetenz nach BADER wie folgt darstellen (s. Abb. 7).
Abb. 7: Vernetzung der Dimensionen beruflicher Handlungskompetenz (vgl. BADER 2003, S. 212; HASS 2011, S. 3)
Jede der drei Dimensionen beruflicher Handlungskompetenz schließtdie spezifischen Dimen-sionen Methoden-, Lern- und kommunikative Kompetenz als Voraussetzungen mit ein, wes-halb diese keine unabhängigen Dimensionen darstellen, sondern nur prägnante Akzentuierun-gen beruflicher Handlungskompetenz sind. BADER spricht in diesem Zusammenhang von instrumentellen Kompetenzen (vgl. BADER 2003, S. 212).
Das Modell bietet sich für die Entwicklung eines möglichen Rahmenlehrplans für den Ausbil-dungsberuf Gärtner der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau an, weil der Erwerb beruf-licher Handlungskompetenz durch die Auszubildenden laut KMK das übergreifende Ziel der Ausbildung ist (vgl. Kap 6.2.2). Hiernach ist die berufliche Handlungskompetenz zu verste-hen „als die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflicverste-hen,
gesellschaft-lichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verant-wortlich zu verhalten“ (KMK 2007, S. 10).
Da es bisher offiziell keine definierten Lernfelder für den Gartenbau gibt (vgl. BRÄUER &
HASS2010, S. 10), geht der Formulierung möglicher Lernfelder für die Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau gemäß dem Prinzip der „didaktischen Kette“ von BRÄUER (2010) eine ausführliche Analyse berufstypischer Tätigkeiten voraus, sodass die beruflichen Anforderun-gen und die dabei zu erwerbenden Kompetenzen erfasst werden können. Unter Bezug darauf werden sodann beispielhafte Lernsituationen entwickelt, aus denen Lehr-Lern-Arrangements hervorgehen, welche das pädagogische Experiment an den sechs Kooperationsschulen konsti-tuieren (vgl. Kap. 7.2.3).
Der projektierte Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, ist an die „Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe“ vom 1. September 2007 gebunden. „Lernfelder sind durch Zielformulierungen, Inhalte und Zeit-richtwerte beschriebene thematische Einheiten, die an beruflichen Aufgabenstellungen und Handlungsabläufen orientiert sind“ (KMK 2007, S. 17; KMK 2000, S. 14). Hiernach gelten die nachstehenden Definitionen und Regeln:
- Die Bezeichnung der einzelnen Lernfelder drückt die jeweilige Kernkompetenz der übergeordneten beruflichen Handlung möglichst kurz, aussagekräftig und aktiv aus, ohne dabei den Charakter einer Überschrift zu verlieren. Jede Bezeichnung soll in Form eines Kurztextes – ähnlich dem Leistungsverzeichnis eines Bauvorhabens – die fachliche Handlungskompetenz zum Ausdruck bringen, die am Ende des Lern-prozesses eines Lernfeldes im Rahmen der Ausbildung zu entwickeln ist.
- Die Zielformulierung eines Lernfeldes legt erforderliche Lernhandlungen fest, die aus kompetenzorientierten Anforderungen abgeleitet werden. Zielformulierungen beschreiben Kompetenzen, die am Ende eines Lernfeldes von den Lernenden im Sinne umfassender beruflicher Handlungskompetenz erreicht werden können.
- Die Inhalte beschreiben Mindestanforderungen, die zur Erreichung des Ausbil-dungsziels erforderlich sind. Diese Inhalte sind nach dem Prinzip der Exemplarität ausgewählt und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dies bietet die Mög-lichkeit der Umsetzung neuer, ergänzender, regionaler beruflicher und
gesellschaft-licher Entwicklungen sowie schulspezifischer Schwerpunkte.
Auf spezielle berufsbezogene mathematische und zeichnerische Fähigkeiten neh-men die Inhalte der exemplarischen Lernfelder keinen Bezug, da diese vielmehr In-halt schulinterner Curricula sein sollten. Sie berücksichtigen neben den arbeitstypi-schen Tätigkeiten durchgängig die besonderen Charakteristika des Berufes wie z. B. betriebswirtschaftliches Denken, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sowie Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz.
- Für jedes Lernfeld ist ein antizipierter Zeitrichtwert für die Behandlung im Unter-richt festgelegt. Ausgehend von 40 UnterUnter-richtswochen pro Ausbildungsjahr soll dieser Umfang im Hinblick auf die organisatorischen Gegebenheiten der Berufs-schule durch 20 teilbar sein und in der Regel 80 Unterrichtsstunden nicht über-schreiten.
Die hier vorgeschlagene Auswahl exemplarischer Lernfelder für den Ausbildungsberuf Gärt-ner der Fachrichtung Garten-und Landschaftsbau (vgl. Tab. 4) entspricht grundsätzlich diesen KMK-Vorgaben. Da es sich bei den exemplarisch vorgeschlagenen Lernfeldern nicht um einen effektiv gültigen Rahmenlehrplan handelt, kommt eine abweichende Nummerierung der Lernfelder mit römischen Ziffern zur Anwendung, damit keine Verwechslung mit etwaigen real existierenden Lernfeldern entstehen kann.
Der Umfang für den berufsbezogenen Unterricht ist an den bundeseinheitlichen, vorläufigen
„Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Gärtner/Gärtnerin“ vom 8. Dezember 1995 ange-lehnt. Dieser weist im ersten Ausbildungsjahr (Grundstufe) 320, im zweiten und dritten Aus-bildungsjahr (Fachstufe 1 und 2) jeweils 280 Unterrichtsstunden aus. In der nachstehenden tabellarischen Übersicht von Lernfeldern sind die angenommen Zeitrichtwerte den einzelnen Ausbildungsjahren zugeordnet und pro Ausbildungsjahr aufsummiert (s. Tab. 4).
Tab. 4: Zeitrichtwerte (Unterrichtsstunden) für exemplarisch ausgewählte Lernfelder für den Ausbildungsberuf Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, nach Ausbildungsjahr (vgl. BRÄUER & HASS2010, S. 10)
Lernfelder Zeitrichtwerte
in Unterrichtsstunden
Nr. 1.Jahr 2.Jahr 3.Jahr
I Gärtner werden 40
II Pflanzen verwenden 80
III Boden bearbeiten 40
IV Pflanzen ernähren und schützen 80
V Pläne lesen und zeichnen 40
VI Baustellen einrichten 40
VII Vermessungsarbeiten durchführen 40
VIII Erdarbeiten durchführen 20
IX Befestigte Flächen herstellen und entwässern 80
X Treppen und Mauern herstellen 40
XI Wasseranlagen herstellen 40
XII Vegetationstechnische Arbeiten ausführen 60
XIII Vegetationstechnische Pflegemaßnahmen durchführen 40
XIV Bauwerke begrünen 40
XV Spezielle Bauwerke in Außenanlagen herstellen 60
XVI Betriebswirtschaftlich handeln 80
XVII Themengärten ausarbeiten 40
XVIII Sportplätze bauen und pflegen 20
Summen: insgesamt 880 Stunden 320 280 280
Die Konzeption der 18 exemplarischen Lernfelder des projektierten Rahmenlehrplans für Gärtner der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau sieht vor, dass jeweils sechs Lernfelder pro Ausbildungsjahr bearbeitet werden. Der Entwurf ist so angelegt, dass die ersten sechs Lernfelder sowohl fachrichtungsübergreifend als auch -spezifisch organisiert werden können.
Die lernfeldgebundene Arbeit im zweiten und dritten Ausbildungsjahr orientiert sich grund-sätzlich an der Arbeitsorganisation im Kontext einer landschaftsgärtnerischen Baustelle.
Voraussetzung dafür ist eine fachrichtungsspezifisch getrennte Unterrichtsorganisation, die quantitativ mit den aktuellen Ausbildungszahlen und qualitativ mit den veränderten Ansprü-chen an eine handlungs- und kompetenzorientierte Ausbildung am Lernort Berufsschule begründet ist. Dies weicht vom Konzept der beruflichen Grundbildung aller Fachrichtungen im ersten, der fachrichtungsübergreifenden Fachbildung im zweiten und der fachrichtungs-spezifischen Fachinhalte im dritten Ausbildungsjahr ab.
Die dargestellte Reihenfolge der exemplarischen Lernfelder hat damit zumindest teilweise eine kumulative Struktur. Die Lernfelder können sowohl aufeinander aufbauend als auch parallel unterrichtet werden. Grundsätzlich jedoch erscheint die Einhaltung der Reihenfolge zweckmäßig und diese Auffassung wurde in einer Befragung von Berufsschullehrern sowie Vertretern des Berufsstandes mehrheitlich unterstützt (vgl. BRÄUER & HASS2010, S. 9 ff.).
Für das geplante pädagogische Experiment im berufsbezogenen Unterricht der Kooperations-schulen wurden das Lernfeld XI „Wasseranlagen herstellen“ und das Lernfeld XIV „Bauwer-ke begrünen“ ausgewählt (vgl. Kap. 5.7). Die nachfolgenden Tabellen 5 und 6 stellen für diese Auswahl die Ziele und Inhalte der Ausbildung gemäß der KMK-Handreichung mit Zielformu-lierungen, Inhalten und Zeitrichtwerten zusammen.
Tab. 5: Exemplarisches Lernfeld XI „Wasseranlagen herstellen“ des projektierten Rahmenlehrplans für Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau
Lernfeld XI
Wasseranlagen herstellen
Gärtner: Garten- und Landschaftsbau2. Ausbildungsjahr Zeitrichtwert 40 h
Ziel:
Die Schülerinnen und Schüler referieren über rechtliche, gestalterische und technische Aspekte beim Bau von Wasseranlagen.
Die Schülerinnen und Schüler prüfen Möglichkeiten für die Sanierung vorhandener Teichanlagen. Sie suchen typische Fehlerquellen bei Bau und Pflege von Gartenteichen, analysieren Mängel und unter-breiten Vorschläge zu deren Beseitigung. Sie erstellen Hinweise für Wartungs- und Pflegearbeiten und führen diese exemplarisch durch.
Die Schülerinnen und Schüler überprüfen Möglichkeiten der Erweiterung von Teichen um einen Bachlauf. Sie gestalten Bachläufe, dimensionieren Pumpen und Rohrleitungen und entwickeln Gestal-tungsvorschläge für die Bepflanzung. Sie dokumentieren ihre Ergebnisse in Skizzen, Pflanzlisten und Berechnungen.
Die Schülerinnen und Schüler recherchieren die Funktionsweise von Schwimmteichen und beschrei-ben das Prinzip der Wasserreinigung. Sie vergleichen Ein-, Zwei-, Mehrkammersysteme, analysieren Füllwasser und leiten die Eignung nach anerkannten Richtlinien ab.
Die Schülerinnen und Schüler beraten im Kundengespräch die Auftraggeber. Sie demonstrieren die Funktionsweise geplanter Teichtechnik und weisen auf Sicherheitsmaßnahmen und Schutzbestim-mungen hin. Sie übergeben erstellte Materiallisten.
Inhalte:
Teiche, Becken, Wasserläufe Standortwahl
Teichbauweisen (stabile und labile Bauweisen) Kapillarsperre, Teichrandgestaltung, Kiese Teichzonierung, Teichbepflanzung
Sumpf- und Wasserpflanzen (Pflanzenkenntnisse) Lebensraum Teich
Schwimmteiche
Ausstattung von Wasseranlagen Wasserqualität
Wasserreinigung Pflegemaßnahmen
Materialbedarfs- und Kostenrechnung
Tab. 6: Exemplarisches Lernfeld XIV „Bauwerke begrünen“ des projektierten Rahmenlehrplans für Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau (vgl. BRÄUER & HASS2010, S. 11)
Lernfeld XIV
Bauwerke begrünen
Gärtner: Garten- und Landschaftsbau3. Ausbildungsjahr Zeitrichtwert 40 h
Ziel:
Die Schülerinnen und Schüler beziehen Standpunkt zu Vor- und Nachteilen der Bauwerksbegrünung.
Sie wägen Nutzen und Kosten gegeneinander ab.
Sie verwenden geeignete Pflanzen bzw. Pflanzengesellschaften für die jeweiligen Standorte und ferti-gen Pflanzpläne an. Sie beschreiben und zeichnen Schichtenaufbauten der verschiedenen Begrünungs-situationen und wählen geeignete Materialien bzw. Substrate aus. Sie bewerten die für die Bauwerks-begrünung benötigten Materialien hinsichtlich ihrer Umweltverträglichkeit und beurteilen die Nach-haltigkeit verschiedener Bauweisen.
Die Schülerinnen und Schüler berücksichtigen technische Einrichtungen für Be- und Entwässerungs-maßnahmen. Sie strukturieren den Arbeitsablauf unter besonderer Berücksichtigung betriebswirt-schaftlicher Aspekte. Sie erkunden und vergleichen Preise für Pflanzen und Materialien für die Bau-werksbegrünung. Die Schülerinnen und Schüler setzen bei Pflegemaßnahmen in Innenräumen auf biologische Pflanzenschutzmaßnahmen. Sie entwickeln in Abhängigkeit von der Begrünungssituation Pflegepläne.
Die Schülerinnen und Schüler bewerten ihre Arbeitsergebnisse zur Optimierung der Arbeitsorganisati-on. Sie erstellen für bearbeitete Aufgaben Materialbedarfslisten.
Inhalte:
Pflanzen und -gesellschaften für die Dachbegrünung (Pflanzenkenntnisse) Begrünungssysteme
Pflanzen für Innenräume (Pflanzenkenntnisse) Pflege, Pflanzenschutz und Düngung
Vertragsrechtliche Aspekte, Haftung, Gewährleistung Be- und Entwässerungsmaßnahmen
Mengenbedarf und Kostenermittlung
Durch die Ausrichtung an den in Kapitel 7.2.1 angeführten fachspezifischen Handlungs-feldern und durch eine Orientierung an beruflichen Qualifikationen wird durch die 18 exemp-larischen Lernfelder die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz im Sinne des Bildungsauftrags der Berufsschule angestrebt.
Damit verknüpfen die Lernfelder die notwendigen fachlichen und fachsystematischen Inhalte mit Kompetenzen in beruflichen Anwendungszusammenhängen. An die Stelle des fachsyste-matisch strukturierten Lehrplans vom 8. Dezember 1995 tritt ein berufsorientierter, hand-lungslogischer und handlungssystematischer Rahmenlehrplan.
Die ausführliche Darstellung der vom Autor nach Zielformulierungen, Inhalten und Zeit-richtwerten strukturierten 18 Lernfelder des projektierten Rahmenlehrplans für den Ausbil-dungsberuf Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, befindet sich in der Anlage.