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Die Entwicklung von Handlungskompetenz wird als Ziel beruflicher Bildung angeführt.

Berufliche Handlungsfähigkeit zielt im Dualen System der Berufsausbildung am Lernort Betrieb auf die Entwicklung von Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten, die ein weit-gehend selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren beruflicher Tätigkeiten ermög-licht. Dabei wird berufliche Handlungsfähigkeit am Lernort Betrieb über die Dimensionen Fach-, Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz ausdifferenziert und Handlungskompetenz am Lernort Berufsschule über die Dimensionen Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz entfaltet.

Mit der „Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe“ des Sekretariats der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 9. Mai 1996 wurde das Lernfeldkonzept für den berufsbezogenen Bereich in der Berufsschule dualer Ausbildungsberufe verpflichtend für alle neuen und neu geordneten Berufe eingeführt.

An die Stelle traditioneller Fächer und der zugehörigen Fachwissenschaften treten kompe-tenzbasierte Lernfelder, die sich an beruflichen Tätigkeiten orientieren.

Während Rahmenlehrplanausschüsse auf dieser Grundlage sukzessive begannen, für aner-kannte Ausbildungsberufe neue, lernfeldstrukturierte Rahmenlehrpläne zu entwickeln, wird an den gartenbaulichen Berufsschulen zwar darüber diskutiert, im Zentralverband Gartenbau (ZVG) aber die Entwicklung eines lernfeldstrukturierten Rahmenlehrplans nicht entschieden vorangetrieben. Hintergrund der „zögerliche[n] Haltung zur Umsetzung des Lernfeld-konzepts“ (BRÄUER et al. 2007, S. 160) ist, dass der vorläufige „Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Gärtner/Gärtnerin“ am 8. Dezember 1995 unmittelbar vor der Einführung des Lernfeldkonzepts beschlossen worden war (vgl. HASS 2011, S. 2). Der gegenwärtig gül-tige Rahmenlehrplan beschreibt die Mindestanforderungen an den Ausbildungsberuf zum Gärtner in der zu jener Zeit üblichen Gliederung in Lerngebiete, Lernziele und Lerninhalte (vgl. KMK 1995). Er beschreibt nicht die unmittelbar im Unterricht zu fördernde Handlungs-kompetenz als übergreifendes gemeinsames Ziel der Ausbildung. Demnach gibt es derzeit keinen durch die KMK beschlossenen lernfeldstrukturierten Rahmenlehrplan für den berufs-bezogenen Unterricht für Gärtner, der der Ausbildungsordnung des Bundes nach dem

„Gemeinsamen Ergebnisprotokoll“ von 1972 entspricht.

Initiiert durch den Unterausschuss Berufliche Bildung der KMK verfolgten die Modell-versuchsverbünde NELE (10/1998 bis 12/2003) und SELUBA (10/1999 bis 09/2002) das Ziel der Implementation des Lernfeldkonzepts in ausgewählten Berufsgruppen. Über den Weg der

Modellversuche in den Bundesländern Bayern und Hessen sowie der Bundesländer Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen erhält auch die gärtnerische Berufsausbildung in den am Modellversuch beteiligten Bundesländern Unterstützung, auf deren Grundlage landeseigene, lernfeldstrukturierte Rahmenlehrpläne erarbeitet wurden. Es steht noch aus, die zum Teil offen formulierten Lernfelder für die Berufsschule in Form von Lernsituationen zu konkreti-sieren. Durch diese Aufgabe der Curriculumplanung und -entwicklung würde den Berufsschu-len und den dort Lehrenden mehr Selbstverantwortung übertragen (vgl. BUSCHFELD 2003, S. 1 ff.).

Ungeachtet dieser innovativen Modellversuchsarbeiten sind bisher praxisbezogene Beispiele handlungsorientierter und ganzheitlicher Unterrichtsverfahren im Gartenbau nur selten zu finden. Neben bestehenden motivationalen Vorbehalten, „ob der Paradigmenwechsel … tatsächlich zu einem besseren Ausbildungsergebnis führt und der zur Umstellung erforderli-che Aufwand gerechtfertigt [ist]“ (BRÄUER et al. 2007, S. 160), bezweifeln viele Lehrende gartenbaulicher Berufsschulen, dass sich die Lernenden mit realen bzw. realitätsnahen Situa-tionen am Lernort Berufsschule auseinandersetzen. Sie warten auf didaktisch-methodische Hilfestellungen und entsprechende Beispiele von Lehr-Lern-Arrangements, die, beruhend auf berufstypischen Tätigkeiten und Handlungen, die Kompetenzentwicklung fördern. Dabei ist mit dem Ziel einer umfassenden beruflichen Bildung auf eine ausgewogene Entwicklung der drei Dimensionen Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz zu achten; die entsprechenden Kompe-tenzen sind zu präzisieren und über geeignete Indikatoren zu konkretisieren (vgl. STRAKA &

MACKE 2003, S. 47).

Auf der Grundlage authentischer Aufgabenstellungen aus der beruflichen Praxis soll auf die-sem Wege zum einen die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz unterstützt werden, zum anderen gilt es, ein handlungsorientiertes, ganzheitliches und fächerübergreifendes Lernen zu ermöglichen. Damit werden die früheren input-orientierten Lehrpläne durch ein outcome-orientiertes Curriculum ersetzt, das sehr individuelle, regional spezifische Ausprä-gungen annehmen kann (vgl. SLOANE 2003, S. 36). Die Planung von auf Lernsituationen bezogenen, didaktisch begründeten Lehr-Lern-Arrangements erfordert sowohl fachdidak-tische als auch fachwissenschaftliche Argumente (vgl. BRÄUER & HASS2010, S. 10) sowie fundierte berufliche Erfahrungen bei den Lehrenden (vgl. HASS & PEISTRUP 2011).

Der didaktische Paradigmenwechsel von der Input-Orientierung zur Kompetenz- und Outcome-Orientierung wird durch die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) von 2005 forciert. Dieses Gesetz hebt den Erwerb von beruflicher Handlungskompetenz als Leit-ziel der Berufsausbildung hervor und schreibt ihn gesetzlich fest: „Die Berufsausbildung hat die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden

Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln“ (BMBF 2005,

§ 1 Abs. 3 BBiG). Der Begriff der beruflichen Handlungsfähigkeit wird im BBiG nicht näher definiert. Die Ausbildungsordnungen und Prüfungsanforderungen anerkannter Ausbildungs-berufe haben die beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten festzulegen (vgl. BMBF 2005, § 5).

Die „Verordnung über die Berufsausbildung zum Gärtner/zur Gärtnerin“ von 1996 enthält keine kompetenzformulierten Qualifikationen, beinhaltet aber durch die Nennung einzelner Schritte der vollständigen Handlung einen handlungsorientierten Ansatz. Denn der Auszubil-dende hat mit der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten auch zu lernen, seine Arbeit selbstständig zu planen, durchzuführen und zu kontrollieren: „Die in dieser Verordnung genannten Fertigkeiten und Kenntnisse sollen so vermittelt werden, dass der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 1 des Berufsbildungs-gesetzes befähigt wird, die insbesondere selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrol-lieren einschließt“ (BMELF 1996, § 3 Abs. 2 VO’96).

Grundlage curricularer Überlegungen bilden demzufolge nach gegenwärtiger Rechtslage die beruflichen Handlungsfelder des jeweiligen Ausbildungsberufs. Die gültige „Verordnung über die Berufsausbildung zum Gärtner/zur Gärtnerin“ vom 6. März 1996 enthält indessen keine Handlungsfelder (vgl. BMELF 1996, S. 376 ff.), wodurch das Setzen gemeinsamer Schwer-punkte und die Abstimmung des Lernens an den beiden Lernorten Berufsschule und Betrieb erschwert wird. Die Verordnung ist auf den Beruf Gärtner mit Spezialisierungen in Form von Fachrichtungen ausgerichtet, wodurch bereits das Berufsbild implizit fachrichtungsüber-greifende und -spezifische Positionen enthält. Auf der beruflichen Grundbildung im ersten Ausbildungsjahr baut die Fachbildung im zweiten und dritten Ausbildungsjahr auf, die dann explizit fachrichtungsübergreifende und -spezifische Inhalte umfasst.

Gemeinsame Kriterien bezüglich der Anforderungen an die berufliche Handlungskompetenz bei Gärtnern aller sieben Fachrichtungen5 gibt es nach Auskunft des ehemaligen Ausbildungs-referenten des Zentralverbandes Gartenbau HOLBECK (2008, pers. Mitteilung) nicht.

Auf gemeinsame Initiative der Fachhochschule Weihenstephan und des ZVG wurde im Zeit-raum 2007/2008 eine bundesweite Berufsfeldanalyse durchgeführt. Obgleich die Befragung von Hochschulabsolventen im Gartenbau keine Analyse von Arbeitsprozessen umfasste, enthält der vorgelegte Bericht unter anderem Angaben der Absolventen über die Wichtigkeit von Fähigkeiten und Kompetenzen aus der Perspektive der gewonnenen Berufserfahrung.

5 Der Ausbildungsberuf Gärtner erstreckt sich auf die sieben Fachrichtungen: Baumschule, Friedhofsgärtnerei, Garten- und Landschaftsbau, Gemüsebau, Obstbau, Staudengärtnerei und Zierpflanzenbau.

Demnach sind Verantwortungsübernahme, Flexibilität, Eigeninitiative, Lernbereitschaft, sicheres Auftreten und fächerübergreifendes Wissen ebenso wichtig wie Kommunikation/

Argumentationsfähigkeit, logisch-systematisches Denken, Menschenkenntnis, Durchset-zungsvermögen und fundierte praktische Kenntnisse (vgl. OHMAYER 2008, S. 28 ff.)6.

„Einen Kriterienkatalog gibt es“ laut TÖNNIES, ehemaliger Ansprechpartner für Aus- und Fortbildung sowie Bildungspolitik beim Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sport-platzbau e.V. (BGL) „berufsständisch nicht. […] Für die Ausübung des Berufs Landschafts-gärtner bedarf es [jedoch] weiterer Kompetenzen als jener, die von der Bundesagentur für Arbeit im BERUFENET7 für diesen Beruf ausgewiesen werden“ (TÖNNIES 2008, pers.

Mitteilung).

Um einem zentralen Anliegen des ehemaligen BGL-Präsidenten REDEKER entgegenzu-kommen, müssen die notwendigen Kompetenzen interpretiert, zusammengeführt und berufs-ständisch diskutiert werden. Denn durch die in den vergangenen Jahren veränderten Anforde-rungen an GaLaBau-Betriebe8 sind auch die Ansprüche an die Fähigkeiten des Nachwuchses gewachsen, sodass „die Berufsbildung einer Erneuerung [bedarf]“ (REDEKER 2010, S. 3).

„Wenn mit Bildung gemeint ist, dass man seinen Platz im Beruf findet, dann ist Bildung Aus-bildung. Daher der hohe Stellenwert des ‚Fachwissens‘“ merkt KÖRNER beim BGL-Kongress „Zukunftsstrategien für den Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau“ im Novem-ber 2012 in Berlin an. Fachwissen sei aNovem-ber schnell veraltet, „Kompetenzschulung“ werde immer wichtiger (vgl. KÖRNER 2012, S. 14). Damit stellt die Entwicklung von fachspezi-fischen Kompetenzen eine zentrale Aufgabe der Berufsausbildung im Garten- und Land-schaftsbau dar (vgl. WERNER 2011, S. 51 f.).

Zu dem Problem, dass keine fachspezifischen Kriterien beruflicher Handlungskompetenz für den Garten- und Landschaftsbau existieren, kommt hinzu, „dass Kompetenz als psycholo-gisches Konstrukt – als gedankliche Hilfskonstruktion für die Beschreibung von Dingen und Erscheinungen, die nicht direkt beobachtbar sind, sondern aus beobachtbaren Daten erschlos-sen werden können – sich einer direkten empirischen Überprüfung entzieht“ (JENEWEIN &

RICHTER 2001, S. 209). Es gibt demnach keine Verfahren für die unmittelbare Beobachtung

6 In der bereits nach fünf Jahren erneut durchgeführten Berufsfeldanalyse 2012/13 wurde diese Frage auch den Absolventen von Universitäten und (Fach-)Hochschulen gestellt. Interessanterweise haben sich die Ergebnis-se „gegenüber der äquivalenten Auswertung in der BerufsfeldanalyErgebnis-se 2007/08 nur in winzigen Nuancen geändert“ (OHMAYER2013, S. 31): Verantwortungsübernahme, sicheres Auftreten, Eigeninitiative, fächer-übergreifendes Wissen, Flexibilität, logisch-systematisches Denken, Lernbereitschaft ist nach Angaben der Absolventen ebenso wichtig wie Kommunikation/Argumentationsfähigkeit, Menschenkenntnis, fundierte praktische Kenntnisse und Durchsetzungsvermögen (vgl. OHMAYER2013, S. 32).

7 Datenbank für Ausbildungs- und Tätigkeitsbeschreibungen der Bundesagentur für Arbeit

8 Die veränderten Anforderungen an die Betriebe des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus implizieren eine Optimierung der Ausbildung, insbesondere an die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz von Landschaftsgärtnern (vgl. Kap. 7.1.1).

von Handlungskompetenzen, sondern nur indirekte Indikatoren für EQR und DQR. Dabei wird die berufliche Handlungskompetenz zum entscheidenden Kriterium für eine Verwert-barkeit auf dem Arbeitsmarkt in Europa, obwohl unterschiedliche Konstruktvorstellungen und Messverfahren in der beruflichen Bildung festzustellen sind (vgl. SEEBER & NICKOLAUS 2010, S. 10 ff.).

Weil das novellierte Berufsbildungsgesetz (BBiG) von 2005 den Erwerb beruflicher Hand-lungskompetenz als Leitziel der Berufsausbildung festlegt, muss jeder Lernende in Prüfungen nachweisen, „dass er die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten beherrscht, die notwendigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt und mit dem im Berufsschulunterricht zu vermittelnden, für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff vertraut ist“ (BMBF 2005,

§ 38 BBiG). Dafür gilt es insbesondere, „solche berufsrelevanten Aufgaben- und Problemstel-lungen zu entwickeln und einzubeziehen, deren Lösungen offen sind und die Abwägung von Zielen, die Entwicklung von Wegen und Handlungsschritten sowie die Begründung von Ent-scheidungen erfordern“ (SEEBER & NICKOLAUS 2010, S. 13).

Demnach müssen nach der Implementierung des Lernfeldkonzepts auch die gegenwärtig vorherrschenden Prüfungsformen eine Veränderung in Richtung auf die Beurteilung beruf-licher Handlungskompetenz erfahren, um „einen Bruch zwischen den Anforderungen im Lernfeldkonzept und den Realitäten der Prüfungen“ (BEEK et al. 2003, S. 86) zu vermeiden.

Dabei gilt es, die umfassenden neuen Ausbildungsziele zu würdigen und „neben der Fach- auch eine Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz des Einzelnen bei der Aufgabenstellung und Bewertung der Prüfung in einem gewissen Maße zu berücksichtigen“ (DIETZ 2003, S. 183).

Mit der Verabschiedung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (EQR) seitens der europäischen Institutionen im Jahre 2008 und eines an Kompetenzen aus-gerichteten Deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (DQR) gewinnen diese Fragen zur Durchführung von handlungs- und kompetenzorientierten Testaufgaben von Auszubildenden zunehmend an Bedeutung.

„Testverfahren, die auf die Überprüfung aus dem Kontext konkreter Arbeitsaufgaben heraus-gelöster Fertigkeiten und Fähigkeiten zielen, sind zwar den Methoden der Teststatistik leichter zugänglich, laufen aber Gefahr eine wesentliche Funktion beruflicher Prüfungen, nämlich die Überprüfung der Berufsfähigkeit, zu verfehlen“ (RAUNER et al. 2007, S. 4). Zudem bereiten Operationalisierung und Messung beruflicher Handlungskompetenz in den drei Dimensionen Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz zunächst Schwierigkeiten.

Bislang liegen noch keine wissenschaftlichen Forschungsarbeiten in der gärtnerischen Berufsausbildung vor, welche nicht nur theoretische Postulate entfalten, sondern auch Unter-richtseinheiten zur Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz in der Berufsschule vorstel-len und systematisch überprüfen sowie Testaufgaben erproben, die diese Handlungskom-petenz angemessen erfassen und bewerten.