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4. Ergebnisse

4.1 Reproduktiv-materielle Dimension

4.1.1 Lebensunterhalt

Äußerungen über die Zufriedenheit mit der Einkommenshöhe in der 24h-Betreuung

Erweiterte finanzielle Fürsorge Äußerungen über die Notwendigkeit für Familienmitglieder finanzielle Sorge zu tragen Arbeitsplatzunsicherheit Äußerungen, die sich auf die wahrgenommene

aktuelle und zukünftige Arbeitsplatzunsicherheit beziehen

Existenzsorgen im Zuge der Covid-19 Pandemie

Äußerungen über die Konsequenzen der Covid-19 Pandemie auf den Lebensunterhalt und die Arbeitsplatzsicherheit

Tabelle 1: Überblick über die Unterkategorien (Hervorhebung durch fette Schrift) und Subkategorien (Hervorhebung durch kursive Schrift) der „reproduktiv-materiellen Dimension“

4.1.1 Lebensunterhalt

Das angegebene monatliche Gehalt der Befragten schwankt zwischen 800 und 2520 Euro, dementsprechend unterschiedlich fiel auch die Zufriedenheit mit dem Gehalt aus. Auch wenn die befragten Personen selbst mit ihrem Einkommen zufrieden waren, gaben sie an, in der Vergangenheit für weniger Geld gearbeitet zu haben oder BetreuerInnen zu kennen, deren Gehalt für den Lebensunterhalt nicht ausreicht. Aus Sicht der BetreuerInnen werde auch unterschätzt, dass das durch den Betreuungsmonat erzielte Einkommen für den folgenden Pausemonat reichen müsse. Die Betreuerin mit dem geringsten Einkommen gab an, auch kombiniert mit dem Verdienst ihres Ehemannes nur schwer für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen zu können. Sie wies darüber hinaus auf die Unverhältnismäßigkeit von Lebenskosten und Einkommen in Rumänien hin:

„Also die Leute sind sehr froh, dass sie Gelegenheit haben, in Österreich arbeiten zu gehen, weil es eben einen besseren oder gerechteren Lohn gibt. Weil es kommt oft vor, dass in Rumänien Lebensmittel teurer sind als in Österreich und trotzdem viel weniger verdient wird. Also jetzt ganz konkret als Beispiel.: Es gibt echt Waschmittel, die in

43 Österreich viel qualitativer sind und doch auch noch billiger sind als in Rumänien.“

(Daniela, Z.236-240)

Mit einem geringen Einkommen zeigten die Befragten einen unterschiedlichen Umgang: Eine Befragte realisierte nach Austausch mit KollegInnen, dass ihr bisheriger Tagessatz von 38 Euro nicht angemessen sei und trat anschließend selbstbewusst in die Verhandlung mit der Familie ihres Klienten. Als diese einer Gehaltserhöhung nicht zustimmten, kündigte sie. Zwei der Befragten schätzten ihr aktuelles Einkommen als nicht angemessen und zu gering ein, schienen diesen Umstand aber zu akzeptieren. Die GesprächspartnerInnen gaben an, dass je nach Vereinbarung mit den Familien der Klienten die Fahrtkosten von und nach Rumänien sowie die Zahlung der Sozialversicherung übernommen werden. Geschah dies nicht, verstärkte sich die Notlage der BetreuerInnen. Eine der Befragten nannte die Steuerfreigrenze von 11.000 Euro bei Selbstständigen zudem als zusätzlichen großen Stressfaktor, da man dadurch dauerhaft die geleisteten Arbeitsstunden im Blick zu behalten habe:

„[…] Man hat immer die Angst, dass man diese 11.000 Eurogrenze überschreitet. Und wenn man die überschreitet, muss man Steuern zahlen, ganz viel und auch die Krankenversicherung ist teuer. Man würde einfach ganz viel Geld verlieren. Und es gibt dann immer diese ständige Angst, dass man diese Grenze überschreitet […] oder einfach einrechnet, wieviel man nicht arbeitet.“ (Maria, Z. 413-418)

Sechs der interviewten Personen berichteten, für weitere Angehörige finanzielle Sorge zu tragen. So berichtet eine Betreuerin beispielsweise:

„Ich kann sagen, von diesem Geld ich konnte bisschen helfen meinen Sohn. Wann er hat große Einkauf, zum Beispiel neue Auto oder seine Wohnung renoviert in Deutschland.

[…] Aber so wie hab ich gesagt, ich bin sparsam. Nicht so viel Luxus für mir, weil ich bin alt genug, hab ich alles und so.“ (Irina, Z. 67-70)

Teilweise wurde der Entschluss in der 24h-Betreuung aktiv zu werden durch eine finanzielle Notlage ausgelöst. So berichtete eine Betreuerin, dass die Schulden, die sie für die Operation ihres Kindes hätte zahlen müssen, der auslösende Grund für die Entscheidung gewesen sein.

Auch eine weitere Betreuerin hielt fest, ihre Familie finanziell unterstützen zu müssen:

„Und darum habe ich es nie als schwer oder einfach beurteilt, sondern als notwendig.“

(Maria, Z. 29-30)

44 4.1.2 Arbeitsplatzunsicherheit

Eine der Befragten äußerte eine geringe Arbeitsplatzunsicherheit, welche sie mit ihrer Nationalität und den für sie dazugehörigen Attributen begründete. Rumänische BetreuerInnen würden demnach aufgrund ihres warmen Herzens und ihrer empathischen Arbeitsweise bevorzugt. Auch zwei weitere BetreuerInnen, die über ein gutes Verhältnis zu den Klienten und deren Familien berichteten, gingen davon aus, bis zum Tod der Klienten die Betreuungstätigkeit an der gleichen Stelle fortsetzen zu können. Vier BetreuerInnen berichteten jedoch von Aspekten hoher Arbeitsplatzunsicherheit. Zum einen bedeute das Versterben von KlientInnen auch einen unvorhersehbaren Arbeitsplatzwechsel. Eine Betreuerin berichtete von sechs Wechseln innerhalb eines Jahres aufgrund des Versterbens von KlientInnen oder nicht passenden Betreuungsfgeschiehtsettings. Prinzipiell gelte eine ein- bis zweiwöchige Kündigungsfrist, welche beiden Seiten eine sehr kurzfristige Beendigung des Betreuungsverhältnisses ermögliche. Nutznießer seien dabei die Familien der KlientInnen:

„Das heißt, die Familie können auch für die Pflegerin entscheiden, wenn sie sich keine Pflege wünschen über den Sommer. Können einfach sagen, okay, du wir brauchen dich nicht mehr. Und die Kündigungsfrist für beide Seiten ist eine Woche. Damit die Agentur Zeit hat jemand anderes zu finden in der einen Woche.“ (Daniela, Z.161-164)

Eine Person berichtete davon, dass ihm, nachdem er dem Wunsch der Familie des Klienten, den Betreuungsmodus zu verlängern, nicht nachkommen wollte, einige Tage später gekündigt wurde. Interessant im Hinblick auf die Arbeitsplatzunsicherheit waren auch die Schilderungen des einzigen männlichen Interviewpartners, bei welchem die Geschlechtszugehörigkeit und vor allem die damit assoziierte körperliche Stärke eine Rolle für die Arbeitsplatzunsicherheit spielte: Einerseits würden männliche Betreuer für schwer körperlich beeinträchtigte oder aggressive KlientInnen bevorzugt werden, auf der anderen Seite berichtete er von der Kündigung von Seiten einer sehr aktiven Klientin, die sich einen jüngeren, fitteren Mann als Betreuer wünschte. Eine weitere Betreuung betreffend berichtete der Interviewpartner vom eifersüchtigen Verhalten des Ehemannes eines zu betreuenden Ehepaares, das sich letztendlich bis hin zu einem Betreuungsabbruch entwickelte:

„Und dann nach einer Woche […], wo ich den Vertrag unterschreiben wollte, haben sie gesagt, nein eigentlich passt es nicht. Aber das Komische dran war, sie haben nicht gesagt es passt nicht, weil du ein Mann bist und es gibt eben dieses Problem. Sondern

45 sie haben gesagt, ja du kannst nicht hier arbeiten, weil du hast mit dem falschen Handtuch einige Teller falsch abgewischt. Und einfach so ein Grund, der eigentlich gar kein Sinn ergibt und danach habe ich rausgefunden, dass eben der entscheidende Grund war, dass ich ein Mann bin.“ (Hendriko, Z. 285-291)

Einige BetreuerInnen zeigten sich stolz über die große Anzahl rumänischer BetreuerInnen in Österreich. Eine Betreuerin mit zehn Jahren Berufserfahrung äußerte jedoch Zweifel an der weiterhin großen Nachfrage nach rumänischem Betreuungspersonal, da ihrer Ansicht nach die Forderungen der NeueinsteigerInnen nicht im Verhältnis zu deren Kompetenzen stünden:

„[…] In der letzten Zeit wir verlangen mehr, als wir können anbieten. Sind viele Frauen ohne Erfahrung, ohne Ausbildung, ohne deutsche Sprache. Ohne Ahnung, was Pflege heißt, ja? Und so eine kommt in Österreich und sagt von Anfang an, ich möchte 80 Euro pro Tag verdienen. Ich möchte drei, vier Stunden pro Tag frei haben. Ich möchte, ich möchte, ich möchte. Ich möchte. Und dann kommt natürlich die andere Frage. Für alles was du verlangst, was bietest du an, ja?“ (Maria, Z. 244-249)

4.1.3 Existenzsorgen im Zuge der Covid-19 Pandemie

Zwei der befragten Personen berichteten von finanziellen Belastungen und unsicheren Arbeitsverhältnissen, die sich durch die Covid-19 Pandemie für die BetreuerInnen ergaben.

Primärer Auslöser hierfür waren die Grenzschließungen im Frühjahr 2020, welche den BetreuerInnen wenig Planbarkeit ermöglichten und flexible Absprachen mit KollegInnen erforderlich machten. Zudem bestand Unsicherheit darüber, wann und wie die Grenzen passiert werden können. Die Fahrtkosten und Kosten für den Grenzübertritt erforderlichen Testungen mussten von den BetreuerInnen teilweise selbst gezahlt werden. Eine der befragten Personen befand sich zum Zeitpunkt des Interviews bezüglich des Lebensunterhalts und der Arbeitsplatzsicherheit in einer sehr unsicheren Lage:

„Also zurzeit […] weiß ich nicht was ich machen sollen, wegen Coronavirus. Und ich weiß auch nicht was kommen wird. Morgen muss ich nach T. fahren, um einen Coronavirus zu machen, was 80 Euro kostet. Und dann muss ich nach Österreich reisen, was noch dazu 100 Euro ist, um zu meiner Arbeit zu gehen und jetzt grad hab ich seit dreieinhalb Monaten nicht mehr gearbeitet. Ich weiß nicht ganz genau, wie sich das alles ausgeht.“

(Daniela, Z. 152-156)

46 4.2 Sozial-Kommunikative Dimension

Die Oberkategorie „sozial-kommunikative Dimension“ beschreibt die sozialen und kommunikativen Aspekte der 24h-Betreuung und setzt sich aus den Kategorien Nähe zu KlientInnen, Rolle der Familien der KlientInnen, soziales Netz und Sprachbarrieren zusammen.

Die Aspekte finden teils eine positiv und belohnende, teils eine herausfordernde und negative Bewertung. Im Folgenden wird die Dimension näher geschildert.

Kategorie Definition

Nähe zu KlientInnen Äußerungen über die sowohl räumliche als auch emotionale Nähe zu den KlientInnen Privatsphäre Äußerungen zur Privatsphäre während der

Betreuungen

Innige Beziehung Äußerungen über die als positiv erlebten Aspekte der Nähe zu KlientInnen

Herausforderungen Äußerungen über die durch die Nähe entstehenden Herausforderungen für die BetreuerInnen

Rolle der Familien der KlientInnen Äußerungen über die Rolleneinnahme von Angehörigen der KlientInnen

Kooperation Äußerungen über die für die Betreuung

notwendige Kooperation mit den Angehörigen

Gestaltung von Betreuungsinhalten und Einkommenshöhe

Äußerungen über die Rolle der Familien bei der Gestaltung von Betreuungsinhalten und Einkommenshöhe

Soziales Netz Äußerungen über das soziale Netz der BetreuerInnen

Vernetzung mit KollegInnen Äußerungen über Bedeutung und Inhalt der Vernetzung mit KollegInnen aus der 24h-Betreuung

47 Beziehung zur eigenen Familie und

Freunden

Äußerungen zu der Beziehung zur eigenen Familie und Freunden in Rumänien

Sprachbarriere Äußerungen über Sprachbarrieren in der Betreuungsarbeit

Tabelle 2: Überblick über die Unterkategorien (Hervorhebung durch fette Schrift) und Subkategorien (Hervorhebung durch kursive Schrift) der „sozial-kommunikativen Dimension“

4.2.1 Nähe zu KlientInnen

Wie der Bezeichnung der „24h“-Betreuung bereits zu entnehmen ist, handelt es sich bei der Betreuungsform um eine Art Rund-um-die-Uhr Service, was eine zumindest räumliche Nähe zwischen KlientInnen und BetreuerInnen bereits impliziert. Im Hinblick auf die Privatsphäre berichteten die BetreuerInnen, zwei Stunden Pause am Tag zu haben, welche sie zur Erledigung privater Angelegenheiten, wie Wäsche waschen, Bankgeschäfte erledigen, Lebensmittel kaufen und Telefonate mit der Familie in Rumänien verwendeten. Eine Betreuerin berichtete davon, in der Vergangenheit über Monate hinweg keine zwei Stunden Pause am Tag gehabt zu haben. Insgesamt wurden die zwei Stunden als zu knapp empfunden, um private Erledigungen und Erholung zu vereinbaren. Aus diesem Grund sah sich eine Betreuerin in der aus ihrer Sicht privilegierten Lage, während ihrer Betreuungsarbeit in Begleitung ihrer Klientin private Arztbesuche ausführen zu können:

„Also bei mir ist es schön, weil […] ich geh auch manchmal zum Arzt. Aber ich gehe einfach zusammen mit meiner Patientin. Und das heißt, ich nehme sie im Rollstuhl und kann einfach mit ihr zusammen gehen, also zum Beispiel den Arzttermin erledigen. Aber das liegt daran, dass ich sehr gut in der Familie integriert bin und das auch wegen der Familie akzeptiert ist.“ (Maria, Z.432-436)

Bezüglich der nächtlichen Schlafsituation wurden von den BetreuerInnen unterschiedliche Vereinbarungen berichtet: Ein Betreuer verfügte über eine eigene Wohnung auf einem anderen Stockwerk, eine andere Betreuerin hielt sich je nach Bedarf in der Nacht zum Aufstehen bereit und eine weitere Betreuerin schilderte, in den letzten beiden Lebensmonaten einer Klientin in deren Zimmer geschlafen zu haben, um sie bei nächtlichen Toilettengängen zu begleiten. Einige BetreuerInnen berichteten, dass im Rahmen ihrer

48 Betreuungstätigkeit über die rein räumliche Nähe hinaus innige Beziehungen zu ihren KlientInnen entstehen würden. Eine Betreuerin beschrieb ihre aktuelle Klientin wie folgt:

„Sie ist meine beste Freundin. Oder ich bin die beste Freundin (lacht) und wir haben so ein schönes Verhältnis. Und sie ist glücklich mit mir. Und ich bin glücklich mit ihr.“

(Maria, Z. 62-63)

Eine verwitwete Betreuerin erzählte von bereichernden Ausflügen und anregenden Unterhaltungen mit ihrem Klienten und beschrieb, in dessen Familie eine „zweite Familie“

gefunden zu haben. Auch eine weitere Betreuerin schilderte eine enge Beziehung zu zwei Frauen, aus einem Betreuungssetting in der Vergangenheit:

„Habe ich dort zwei ganz nette Schwester gepflegt. Sie waren ganz, ganz nett und lustig und ehrlich gesagt, meine erste Turnus war so schön und ich habe mit diese Damen so gut gearbeitet […] Und die haben mir immer gesagt, du sollst dir keine Gedanken machen, wir sind zufrieden und wir werden dir helfen und so. Und die haben das wirklich gemacht. Die waren 90 und 87 Jahre alt. Aber so lustige Damen und so lieb. Die sind immer in meiner Seele geblieben.“ (Felicia, Z. 178-183)

Die im Arbeitssetting der 24h-Betreuung geltende große Nähe zu den KlientInnen sorgte jedoch auch zu einer Vielzahl von berichteten Herausforderungen. Eine Betreuerin berichtet:

„Es ist eine sehr schwierige Arbeit vor allem, weil es ist eine Arbeit, die eigentlich mehrere Qualifikationen zusammen bringt. Also jetzt zum Beispiel wir müssen echt auch Freunde sein, auch Krankenschwester, auch Psychologin, auch Koch, Putzfrau, alles was ein Mensch braucht.“ (Sofia, Z. 7-10)

Darüber hinaus wurde das Sterben und teilweise die Sterbebegleitung von KlientInnen, zu denen die BetreuerInnen eine „tiefe Beziehung“ eingegangen hatten, als sehr belastend wahrgenommen. Eine Betreuerin reflektierte darüber, derartige Situationen als so belastend empfunden zu haben, dass sie nunmehr versuche, keine sterbebegleitenden Betreuungen mehr anzunehmen. Auf der anderen Seite sah sie es aber als „menschlich“, zu ihrer aktuellen Klientin nach drei Jahren Betreuungsarbeit eine Beziehung aufgebaut zu haben. Ein anderer Betreuer empfand vor allem Betreuungssituationen als belastend, in welchen er dauerhaft dem schwierigen Sozialverhalten von KlientInnen ausgesetzt war und mit diesem einen Umgang finden musste. Beispielsweise machte es den Betreuer häufig nervös, beim Verschwinden einer dementen Klientin entscheiden zu müssen, wann und ob die Polizei beziehungsweise Angehörige benachrichtigt werden sollten. Als belastend erlebte der

49 Betreuer auch die Situation, als ein dementer Klient ihn fälschlicherweise dafür anzuzeigen versuchte, Geld von ihm gestohlen zu haben. Auch bei seiner aktuellen Klientin sei er starkem Stress ausgesetzt, da er sich durch deren autoritäres Verhalten sehr kontrolliert fühle und Absprachen mit ihr häufig nicht möglich seien, da die Klientin Gespräche abrupt beende. Eine weitere belastende Situation beschrieb der Betreuer, als ein dementer Klient gegen sein Anraten in Kombination mit der Tabletteneinnahme Alkohol trank, was folgende Situation nach sich zog:

„Und dann am nächsten Morgen habe ich ihn gefunden mit seinen Fäusten komplett angespannt […] und ich wollte versuchen seine Fäuste aufzumachen. Ich habe auch auf sein Gesicht geschaut, ob er irgendwie einen Herzinfarkt kriegt oder so, weil ich wusste nicht was los ist. Und das Gesicht hat ganz normal ausgeschaut. Aber ich konnte ihn nicht überreden, die Fäuste aufzumachen. Ich habe einfach gemerkt, dass er gesundheitlich okay ist, aber er war komplett nur in seinem Kopf. Er war nicht mehr in der Wirklichkeit, sondern hat echt so einfach in seinem Delirium gelebt. […] Irgendwie habe ich dann geschafft seine Fäuste aufzumachen und dann konnte ich weiter die Pflege machen für den Tag.“ (Hendriko, Z. 196-207)

4.2.2 Rolle der Familien der KlientInnen

Eine Kooperation mit den Angehörigen wurde von den BetreuerInnen als wichtig erachtet.

Zum einen aus dem organisationalen Aspekt heraus, dass beispielsweise Arztbesuche nach Rücksprache mit den Familien abgehalten wurden oder bei einer Verschlechterung des Zustands der KlientInnen ein Umgang damit gemeinsam besprochen wurde. Die Tatsache, dass manche Familien die KlientInnen nur wenig besuchten, wurde unterschiedlich bewertet und war von der Zufriedenheit der Familien und der Schwere der Erkrankung der KlientInnen abhängig: Eine Betreuerin beschrieb den mangelhaften Eindruck, welchen die Familien bei wenigen Besuchen von den KlientInnen gewinnen würden:

„[…] Die Familie könnte auch nicht so richtig beobachten, wie der Zustand von den Patienten ist. Weil sie kommt, bleibt nur eine Stunde und die könnte nicht beobachten alle Sache. Und dann glauben, naja warum beschwert diese Betreuerin so viel, weil ich habe gesehen dass die Mama ganz normal ist.“ (Felicia, Z. 34-36)

Die Betreuerin führte außerdem aus, dass die Familie nicht durch eine Betreuerin ersetzt werden könne, da diese besonders bei an Demenz erkrankten KlientInnen zentral sei, um für

50 diese einen Bezug zur Realität zu schaffen. Ein anderer Betreuer hingegen zeigte sich einverstanden mit einem Betreuungssetting, in welchem die Angehörigen nur alle zwei Wochen zu Besuch kamen und in welchem die Angehörigen „keine Rolle“ spielten, jedoch ihre Zufriedenheit mit der Arbeit des Betreuers zeigten. Eine besonders große Rolle spielten die Familien der KlientInnen bei der Gestaltung von Betreuungsinhalten und Einkommenshöhe.

Teilweise laufe die Gestaltung sowohl der Betreuungsinhalte als auch der Einkommenshöhe kooperativ ab, das heißt, die BetreuerInnen und Familien einigten sich auf bestimmte Vertragsinhalte und einen bestimmten Lohn. Im positiven Fall richte sich die Betreuungstätigkeit nach dem Vertrag, beziehungsweise stimme die Familie bei einer Lohnänderung einer Veränderung des Vertrages zu. Daneben berichtete eine Betreuerin von einem flexiblen Umgang mit den vertraglich festgesetzten Betreuungsinhalten, wonach beide Seiten von dieser Flexibilität profitierten. Sie wolle nicht „schuldig“ bleiben, wenn die Familien ihr helfen und würde sich demnach auch nicht „hundertprozentig“ an die vertraglichen Regelungen halten. Andere BetreuerInnen berichteten von konfliktbehafteten Aushandlungen mit den Familien über Betreuungsinhalte, wenn von Seiten der Familie gefordert werde, zusätzliche Haushalts- oder Gartenarbeit zu übernehmen. Diese Tätigkeiten wurden teilweise, sogar mit Freude, übernommen. In anderen Fällen führten solche Forderungen zu Konflikten oder Kündigungen. Eine Betreuerin beispielsweise sah ihren Lohn von 55 Euro pro Tag als nicht angemessen an, da sie zusätzlich Putz- und Haushaltsarbeiten für Angehörige der Klientin übernahm. Als einer Bitte um Lohnerhöhung auf 60 Euro am Tag von der Familie nicht zugestimmt wurde, kündigte sie. Die Forderungen der Familie, Aufgaben zu übernehmen, die über die Vertragsbestimmungen hinaus gehen, bezogen sich in einem geschilderten Fall auch auf die medizinische Behandlung. So verlangten einige Familien von den BetreuerInnen, die Medikamentenübergabe an die KlientInnen zu übernehmen, obwohl sie zu dieser Tätigkeit nicht befugt seien:

„Wir sind Pflegerinnen, wir sind ausgebildete Pflegerinnen. Und wir haben bestimmte Sachen, die wir dürfen machen und sind paar Sachen, was darfst überhaupt nicht machen, ja? Und deswegen kommt auch x-mal Diskussionen, warum in diese Familie ist eine Pflegerin und sie macht das und das und das und du machst das nicht. Wieder zweite Teil von Theater, ja?“ (Maria, Z.156-159)

Ein Betreuer berichtete davon, vom Sohn seines Klienten darum gebeten worden zu sein, den Betreuungsturnus zu verlängern, wurde aber anschließend nicht dafür bezahlt. Die Situation,

51 als ihn der Sohn ein weiteres Mal darum bat, länger zu bleiben, beschrieb der Betreuer wie folgt:

„Zum zweiten Mal habe ich einfach komplett abgesagt, dass ich nicht länger bleibe und er hat mir immer dauernd gesagt, ja aber das ist deine Verantwortung, du musst bleiben, das ist deine Verantwortung.“ (Hendriko, Z. 143-145)

Andere Betreuerinnen berichteten davon, ihren Betreuungsturnus, vor allem während der Covid-19 Pandemie, freiwillig verlängert zu haben.

4.2.3 Soziales Netz

Fünf der sieben Interviewten wechselten sich bei der Betreuung ihrer KlientInnen mit weiteren KollegInnen ab, was eine Vernetzung untereinander notwendig macht. Einerseits betraf das organisationale Absprachen, wer wann die Betreuungen übernimmt oder gegebenenfalls spontan einspringen kann. Auf der anderen Seite waren auch Besprechungen die Teamdynamik betreffend notwendig: Dies sei zum einen notwendig, um gerade bei

Fünf der sieben Interviewten wechselten sich bei der Betreuung ihrer KlientInnen mit weiteren KollegInnen ab, was eine Vernetzung untereinander notwendig macht. Einerseits betraf das organisationale Absprachen, wer wann die Betreuungen übernimmt oder gegebenenfalls spontan einspringen kann. Auf der anderen Seite waren auch Besprechungen die Teamdynamik betreffend notwendig: Dies sei zum einen notwendig, um gerade bei