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4.1 Reproduktiv-materielle Dimension

4.1.3 Existenzsorgen im Zuge der Covid-19 Pandemie

Zwei der befragten Personen berichteten von finanziellen Belastungen und unsicheren Arbeitsverhältnissen, die sich durch die Covid-19 Pandemie für die BetreuerInnen ergaben.

Primärer Auslöser hierfür waren die Grenzschließungen im Frühjahr 2020, welche den BetreuerInnen wenig Planbarkeit ermöglichten und flexible Absprachen mit KollegInnen erforderlich machten. Zudem bestand Unsicherheit darüber, wann und wie die Grenzen passiert werden können. Die Fahrtkosten und Kosten für den Grenzübertritt erforderlichen Testungen mussten von den BetreuerInnen teilweise selbst gezahlt werden. Eine der befragten Personen befand sich zum Zeitpunkt des Interviews bezüglich des Lebensunterhalts und der Arbeitsplatzsicherheit in einer sehr unsicheren Lage:

„Also zurzeit […] weiß ich nicht was ich machen sollen, wegen Coronavirus. Und ich weiß auch nicht was kommen wird. Morgen muss ich nach T. fahren, um einen Coronavirus zu machen, was 80 Euro kostet. Und dann muss ich nach Österreich reisen, was noch dazu 100 Euro ist, um zu meiner Arbeit zu gehen und jetzt grad hab ich seit dreieinhalb Monaten nicht mehr gearbeitet. Ich weiß nicht ganz genau, wie sich das alles ausgeht.“

(Daniela, Z. 152-156)

46 4.2 Sozial-Kommunikative Dimension

Die Oberkategorie „sozial-kommunikative Dimension“ beschreibt die sozialen und kommunikativen Aspekte der 24h-Betreuung und setzt sich aus den Kategorien Nähe zu KlientInnen, Rolle der Familien der KlientInnen, soziales Netz und Sprachbarrieren zusammen.

Die Aspekte finden teils eine positiv und belohnende, teils eine herausfordernde und negative Bewertung. Im Folgenden wird die Dimension näher geschildert.

Kategorie Definition

Nähe zu KlientInnen Äußerungen über die sowohl räumliche als auch emotionale Nähe zu den KlientInnen Privatsphäre Äußerungen zur Privatsphäre während der

Betreuungen

Innige Beziehung Äußerungen über die als positiv erlebten Aspekte der Nähe zu KlientInnen

Herausforderungen Äußerungen über die durch die Nähe entstehenden Herausforderungen für die BetreuerInnen

Rolle der Familien der KlientInnen Äußerungen über die Rolleneinnahme von Angehörigen der KlientInnen

Kooperation Äußerungen über die für die Betreuung

notwendige Kooperation mit den Angehörigen

Gestaltung von Betreuungsinhalten und Einkommenshöhe

Äußerungen über die Rolle der Familien bei der Gestaltung von Betreuungsinhalten und Einkommenshöhe

Soziales Netz Äußerungen über das soziale Netz der BetreuerInnen

Vernetzung mit KollegInnen Äußerungen über Bedeutung und Inhalt der Vernetzung mit KollegInnen aus der 24h-Betreuung

47 Beziehung zur eigenen Familie und

Freunden

Äußerungen zu der Beziehung zur eigenen Familie und Freunden in Rumänien

Sprachbarriere Äußerungen über Sprachbarrieren in der Betreuungsarbeit

Tabelle 2: Überblick über die Unterkategorien (Hervorhebung durch fette Schrift) und Subkategorien (Hervorhebung durch kursive Schrift) der „sozial-kommunikativen Dimension“

4.2.1 Nähe zu KlientInnen

Wie der Bezeichnung der „24h“-Betreuung bereits zu entnehmen ist, handelt es sich bei der Betreuungsform um eine Art Rund-um-die-Uhr Service, was eine zumindest räumliche Nähe zwischen KlientInnen und BetreuerInnen bereits impliziert. Im Hinblick auf die Privatsphäre berichteten die BetreuerInnen, zwei Stunden Pause am Tag zu haben, welche sie zur Erledigung privater Angelegenheiten, wie Wäsche waschen, Bankgeschäfte erledigen, Lebensmittel kaufen und Telefonate mit der Familie in Rumänien verwendeten. Eine Betreuerin berichtete davon, in der Vergangenheit über Monate hinweg keine zwei Stunden Pause am Tag gehabt zu haben. Insgesamt wurden die zwei Stunden als zu knapp empfunden, um private Erledigungen und Erholung zu vereinbaren. Aus diesem Grund sah sich eine Betreuerin in der aus ihrer Sicht privilegierten Lage, während ihrer Betreuungsarbeit in Begleitung ihrer Klientin private Arztbesuche ausführen zu können:

„Also bei mir ist es schön, weil […] ich geh auch manchmal zum Arzt. Aber ich gehe einfach zusammen mit meiner Patientin. Und das heißt, ich nehme sie im Rollstuhl und kann einfach mit ihr zusammen gehen, also zum Beispiel den Arzttermin erledigen. Aber das liegt daran, dass ich sehr gut in der Familie integriert bin und das auch wegen der Familie akzeptiert ist.“ (Maria, Z.432-436)

Bezüglich der nächtlichen Schlafsituation wurden von den BetreuerInnen unterschiedliche Vereinbarungen berichtet: Ein Betreuer verfügte über eine eigene Wohnung auf einem anderen Stockwerk, eine andere Betreuerin hielt sich je nach Bedarf in der Nacht zum Aufstehen bereit und eine weitere Betreuerin schilderte, in den letzten beiden Lebensmonaten einer Klientin in deren Zimmer geschlafen zu haben, um sie bei nächtlichen Toilettengängen zu begleiten. Einige BetreuerInnen berichteten, dass im Rahmen ihrer

48 Betreuungstätigkeit über die rein räumliche Nähe hinaus innige Beziehungen zu ihren KlientInnen entstehen würden. Eine Betreuerin beschrieb ihre aktuelle Klientin wie folgt:

„Sie ist meine beste Freundin. Oder ich bin die beste Freundin (lacht) und wir haben so ein schönes Verhältnis. Und sie ist glücklich mit mir. Und ich bin glücklich mit ihr.“

(Maria, Z. 62-63)

Eine verwitwete Betreuerin erzählte von bereichernden Ausflügen und anregenden Unterhaltungen mit ihrem Klienten und beschrieb, in dessen Familie eine „zweite Familie“

gefunden zu haben. Auch eine weitere Betreuerin schilderte eine enge Beziehung zu zwei Frauen, aus einem Betreuungssetting in der Vergangenheit:

„Habe ich dort zwei ganz nette Schwester gepflegt. Sie waren ganz, ganz nett und lustig und ehrlich gesagt, meine erste Turnus war so schön und ich habe mit diese Damen so gut gearbeitet […] Und die haben mir immer gesagt, du sollst dir keine Gedanken machen, wir sind zufrieden und wir werden dir helfen und so. Und die haben das wirklich gemacht. Die waren 90 und 87 Jahre alt. Aber so lustige Damen und so lieb. Die sind immer in meiner Seele geblieben.“ (Felicia, Z. 178-183)

Die im Arbeitssetting der 24h-Betreuung geltende große Nähe zu den KlientInnen sorgte jedoch auch zu einer Vielzahl von berichteten Herausforderungen. Eine Betreuerin berichtet:

„Es ist eine sehr schwierige Arbeit vor allem, weil es ist eine Arbeit, die eigentlich mehrere Qualifikationen zusammen bringt. Also jetzt zum Beispiel wir müssen echt auch Freunde sein, auch Krankenschwester, auch Psychologin, auch Koch, Putzfrau, alles was ein Mensch braucht.“ (Sofia, Z. 7-10)

Darüber hinaus wurde das Sterben und teilweise die Sterbebegleitung von KlientInnen, zu denen die BetreuerInnen eine „tiefe Beziehung“ eingegangen hatten, als sehr belastend wahrgenommen. Eine Betreuerin reflektierte darüber, derartige Situationen als so belastend empfunden zu haben, dass sie nunmehr versuche, keine sterbebegleitenden Betreuungen mehr anzunehmen. Auf der anderen Seite sah sie es aber als „menschlich“, zu ihrer aktuellen Klientin nach drei Jahren Betreuungsarbeit eine Beziehung aufgebaut zu haben. Ein anderer Betreuer empfand vor allem Betreuungssituationen als belastend, in welchen er dauerhaft dem schwierigen Sozialverhalten von KlientInnen ausgesetzt war und mit diesem einen Umgang finden musste. Beispielsweise machte es den Betreuer häufig nervös, beim Verschwinden einer dementen Klientin entscheiden zu müssen, wann und ob die Polizei beziehungsweise Angehörige benachrichtigt werden sollten. Als belastend erlebte der

49 Betreuer auch die Situation, als ein dementer Klient ihn fälschlicherweise dafür anzuzeigen versuchte, Geld von ihm gestohlen zu haben. Auch bei seiner aktuellen Klientin sei er starkem Stress ausgesetzt, da er sich durch deren autoritäres Verhalten sehr kontrolliert fühle und Absprachen mit ihr häufig nicht möglich seien, da die Klientin Gespräche abrupt beende. Eine weitere belastende Situation beschrieb der Betreuer, als ein dementer Klient gegen sein Anraten in Kombination mit der Tabletteneinnahme Alkohol trank, was folgende Situation nach sich zog:

„Und dann am nächsten Morgen habe ich ihn gefunden mit seinen Fäusten komplett angespannt […] und ich wollte versuchen seine Fäuste aufzumachen. Ich habe auch auf sein Gesicht geschaut, ob er irgendwie einen Herzinfarkt kriegt oder so, weil ich wusste nicht was los ist. Und das Gesicht hat ganz normal ausgeschaut. Aber ich konnte ihn nicht überreden, die Fäuste aufzumachen. Ich habe einfach gemerkt, dass er gesundheitlich okay ist, aber er war komplett nur in seinem Kopf. Er war nicht mehr in der Wirklichkeit, sondern hat echt so einfach in seinem Delirium gelebt. […] Irgendwie habe ich dann geschafft seine Fäuste aufzumachen und dann konnte ich weiter die Pflege machen für den Tag.“ (Hendriko, Z. 196-207)

4.2.2 Rolle der Familien der KlientInnen

Eine Kooperation mit den Angehörigen wurde von den BetreuerInnen als wichtig erachtet.

Zum einen aus dem organisationalen Aspekt heraus, dass beispielsweise Arztbesuche nach Rücksprache mit den Familien abgehalten wurden oder bei einer Verschlechterung des Zustands der KlientInnen ein Umgang damit gemeinsam besprochen wurde. Die Tatsache, dass manche Familien die KlientInnen nur wenig besuchten, wurde unterschiedlich bewertet und war von der Zufriedenheit der Familien und der Schwere der Erkrankung der KlientInnen abhängig: Eine Betreuerin beschrieb den mangelhaften Eindruck, welchen die Familien bei wenigen Besuchen von den KlientInnen gewinnen würden:

„[…] Die Familie könnte auch nicht so richtig beobachten, wie der Zustand von den Patienten ist. Weil sie kommt, bleibt nur eine Stunde und die könnte nicht beobachten alle Sache. Und dann glauben, naja warum beschwert diese Betreuerin so viel, weil ich habe gesehen dass die Mama ganz normal ist.“ (Felicia, Z. 34-36)

Die Betreuerin führte außerdem aus, dass die Familie nicht durch eine Betreuerin ersetzt werden könne, da diese besonders bei an Demenz erkrankten KlientInnen zentral sei, um für

50 diese einen Bezug zur Realität zu schaffen. Ein anderer Betreuer hingegen zeigte sich einverstanden mit einem Betreuungssetting, in welchem die Angehörigen nur alle zwei Wochen zu Besuch kamen und in welchem die Angehörigen „keine Rolle“ spielten, jedoch ihre Zufriedenheit mit der Arbeit des Betreuers zeigten. Eine besonders große Rolle spielten die Familien der KlientInnen bei der Gestaltung von Betreuungsinhalten und Einkommenshöhe.

Teilweise laufe die Gestaltung sowohl der Betreuungsinhalte als auch der Einkommenshöhe kooperativ ab, das heißt, die BetreuerInnen und Familien einigten sich auf bestimmte Vertragsinhalte und einen bestimmten Lohn. Im positiven Fall richte sich die Betreuungstätigkeit nach dem Vertrag, beziehungsweise stimme die Familie bei einer Lohnänderung einer Veränderung des Vertrages zu. Daneben berichtete eine Betreuerin von einem flexiblen Umgang mit den vertraglich festgesetzten Betreuungsinhalten, wonach beide Seiten von dieser Flexibilität profitierten. Sie wolle nicht „schuldig“ bleiben, wenn die Familien ihr helfen und würde sich demnach auch nicht „hundertprozentig“ an die vertraglichen Regelungen halten. Andere BetreuerInnen berichteten von konfliktbehafteten Aushandlungen mit den Familien über Betreuungsinhalte, wenn von Seiten der Familie gefordert werde, zusätzliche Haushalts- oder Gartenarbeit zu übernehmen. Diese Tätigkeiten wurden teilweise, sogar mit Freude, übernommen. In anderen Fällen führten solche Forderungen zu Konflikten oder Kündigungen. Eine Betreuerin beispielsweise sah ihren Lohn von 55 Euro pro Tag als nicht angemessen an, da sie zusätzlich Putz- und Haushaltsarbeiten für Angehörige der Klientin übernahm. Als einer Bitte um Lohnerhöhung auf 60 Euro am Tag von der Familie nicht zugestimmt wurde, kündigte sie. Die Forderungen der Familie, Aufgaben zu übernehmen, die über die Vertragsbestimmungen hinaus gehen, bezogen sich in einem geschilderten Fall auch auf die medizinische Behandlung. So verlangten einige Familien von den BetreuerInnen, die Medikamentenübergabe an die KlientInnen zu übernehmen, obwohl sie zu dieser Tätigkeit nicht befugt seien:

„Wir sind Pflegerinnen, wir sind ausgebildete Pflegerinnen. Und wir haben bestimmte Sachen, die wir dürfen machen und sind paar Sachen, was darfst überhaupt nicht machen, ja? Und deswegen kommt auch x-mal Diskussionen, warum in diese Familie ist eine Pflegerin und sie macht das und das und das und du machst das nicht. Wieder zweite Teil von Theater, ja?“ (Maria, Z.156-159)

Ein Betreuer berichtete davon, vom Sohn seines Klienten darum gebeten worden zu sein, den Betreuungsturnus zu verlängern, wurde aber anschließend nicht dafür bezahlt. Die Situation,

51 als ihn der Sohn ein weiteres Mal darum bat, länger zu bleiben, beschrieb der Betreuer wie folgt:

„Zum zweiten Mal habe ich einfach komplett abgesagt, dass ich nicht länger bleibe und er hat mir immer dauernd gesagt, ja aber das ist deine Verantwortung, du musst bleiben, das ist deine Verantwortung.“ (Hendriko, Z. 143-145)

Andere Betreuerinnen berichteten davon, ihren Betreuungsturnus, vor allem während der Covid-19 Pandemie, freiwillig verlängert zu haben.

4.2.3 Soziales Netz

Fünf der sieben Interviewten wechselten sich bei der Betreuung ihrer KlientInnen mit weiteren KollegInnen ab, was eine Vernetzung untereinander notwendig macht. Einerseits betraf das organisationale Absprachen, wer wann die Betreuungen übernimmt oder gegebenenfalls spontan einspringen kann. Auf der anderen Seite waren auch Besprechungen die Teamdynamik betreffend notwendig: Dies sei zum einen notwendig, um gerade bei dementen KlientInnen einen möglichst konsistenten, routinierten Betreuungsstil gewährleisten zu können. Zum anderen sollten Probleme in der Kommunikation, beispielsweise das Hierarchieempfinden betreffend, besprochen werde:

„[…] Das ist der andere wichtige Punkt für eine gute, funktionierende Arbeit, dass man gut kommuniziert und gut versteht mit den Kolleginnen, mit denen man tauscht. […] Es sind manchmal Probleme, wenn einige Pflegerinnen irgendwie versuchen mehr autoritär zu sein, wie Chefinnen. Und dann kommt es zu Schwierigkeiten, weil […] manchmal sind sie noch mehr autoritär als die Familie des Patienten.“ (Daniela, Z.103-112)

Andere BetreuerInnen betonten eher die entscheidende Rolle der Vernetzung mit anderen KollegInnen über Facebook-Gruppen. Diese Gruppen würden eine Plattform bieten, um sich gegenseitig bei schwierigen Situationen in der Betreuung zu unterstützen oder KollegInnen über Neuigkeiten zu informieren, welche die institutionelle Ebene der 24h-Betreuung betreffen. Folgendes Zitat betont die Bedeutung der Vernetzungsgruppen unter KollegInnen im Internet für rechtliche Belange:

„Meine Rechte sind alle in Facebook. Die Rechte, das wird alles nur so auf Facebook besprochen. […] Die Information wird einfach weitergeleitet. Jede hat schon

52 Erfahrungen und weiß ein bisschen, was fair ist und was nicht und wie weit die Rechte gehen.“ (Adriana, Z.240-243)

Zudem würde in diesen Gruppen besprochen werden, von welchen Agenturen konkret abzuraten sei, da man dort schlechte Arbeitsbedingungen zu erwarten habe. Auch für eine Art Supervision spielt der Austausch mit KollegInnen eine zentrale Rolle. Auf die Frage nach Supervisionsmöglichkeiten bei emotional belastenden Situationen am Arbeitsplatz verwiesen die BetreuerInnen auf den Austausch unter KollegInnen:

„Also nur wir zwischen Kolleginnen können darüber sprechen oder halt mit unserer Familie […] Nein, nein, nein, nein [es gibt nichts Organisiertes]. Ein Psychologe, nein.

Nein, wir sind unser Psychologe. (lacht)“ (Sofia, Z.91-93)

Die familiären und freundschaftlichen Beziehungen in Rumänien betreffend berichteten die BetreuerInnen von einem Rückhalt und einer Wertschätzung der Familien und Freunde. Es werde versucht, besonders mit den Familien viel Kontakt zu halten, da diese die Präsenz der BetreuerInnen in Rumänien vermissen würden. Auf der anderen Seite merkte eine Betreuerin an, dass ihre Tochter nicht so ein entspanntes Leben führen könnte, wenn sie nicht in Österreich arbeiten würde. Eine weitere Betreuerin schilderte die Auswirkung ihrer häufigen Abwesenheit auf die Beziehungen in Rumänien:

„Und dass du richtig verstehst, wie lange wir weg sind. Wir verloren alles unsere Freunde. Und […] du verlierst einfach die Beziehungen zu deinen Freunden, mit deinen Bekannten und so. […] Und dann als Betreuerin, wir haben auch nicht mehr ein eigenes Leben. […] Ich habe sehr viel von meinem eigenen Leben verloren. Weil wann du denkst, ich bin in diese Bereiche gekommen, weil waren meine Kinder ganz klein (unv.). Kleine Tochter, sie war vier Jahre alt, wann habe ich diesen Job angefangen.“ (Felicia, Z. 416-423)

4.2.4 Sprachbarriere

Das Erlernen der deutschen Sprache wurde als essentiell für die Betreuung angesehen, bedürfe aber einer hohen Lernbereitschaft und eines hohen Engagements der BetreuerInnen.

Die Sprachkompetenz spielte eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation mit den Familien der KlientInnen. Von einer missverständlichen Kommunikation mit KlientInnen wurde kaum berichtet. Problematischer stellte sich laut einer Betreuerin die Sprachbarriere in

53 der postalischen Kommunikation mit WKO (Wirtschaftskammer Österreich) und Sozialversicherungsanstalt dar:

„Ich kann Deutsch. Aber ich rede einfach so, einfache Sprache, ja? Was ich brauche in ein Haus. Ich kann nicht so besondere Worte benutzen, welche die in Korrespondenz benutzt, weißt du? Ich habe auch beobachtet, für die Österreicher ist auch schwer so Briefe zu lesen. Und die schicken uns so komplizierte Briefe, das ist grauselig, ist grauselig.“ (Felicia, Z. 357-360)

Zudem bemängelte die Betreuerin das Fehlen von rumänischsprachigen BeraterInnen in diesen Institutionen.

Auch für die Arbeitsplatzunsicherheit stellte die Sprachbarriere einen entscheidenden Faktor dar. Viele BetreuerInnen mit geringen Deutschkenntnissen würden einen Vertrag unterschreiben, deren Inhalt sie nicht verstehen. Nach ein paar Wochen stelle sich dann heraus, dass die vertraglich festgelegten Betreuungsinhalte zu hoch angesetzt und somit nicht erfüllbar seien. Auch würden geringe Deutschkenntnisse dazu führen, einen geringeren Lohn zu akzeptieren. Laut Aussage einer Betreuerin ergäben sich durch die geringen Deutschkenntnisse von BetreuerInnen sogar Vorteile für die Agenturen:

„Die Agenturen bevorzugen die Pflegerinnen, die nicht Deutsch sprechen. Der Trick liegt daran, dass meistens es nicht passt, mit der Pflegerin, wenn sie nicht Deutsch kann. Aber das Interesse der Agentur ist, diese Kommission einzunehmen, dass sie eine Pflegerin gefunden haben. Wenn sie dann gewechselt ist, dann bekommen sie wieder die Kommission.“ (Adriana, Z.255-259)

4.3 Rechtlich-Institutionelle Dimension

Die Oberkategorie „rechtlich-institutionellen Dimension“ behandelt die institutionell vorgegebenen sozialen Rechte und Partizipationschancen der BetreuerInnen und lässt sich weiter in folgende Unterkategorien aufteilen: Vermittlungsagenturen, Kritik am Modell der Selbstständigkeit, Interessensvertretung, Supervision, Qualifikation und soziale Sicherungssysteme. Die folgende Tabelle gibt zudem eine Übersicht über weitere Unterteilungen in Subkategorien und wird anschließend näher erläutert:

54

Kategorie Definition

Vermittlungsagenturen Äußerungen, die sich auf die Tätigkeiten der Vermittlungsagenturen beziehen

Positive Aspekte Äußerungen über eine positive Bewertung der Vermittlungsagenturen

Kritik Äußerungen über eine kritische Bewertung der

Vermittlungsagenturen

Kritik am Modell der Selbstständigkeit Äußerungen über eine kritische Wahrnehmung des Selbstständigenmodells

Interessensvertretung Äußerungen über die Repräsentation und Adressierung von Interessen

Qualifikation Äußerungen über verschiedene Formen der Qualifikationserlangung in der 24h-Betreuung Ausbildung Äußerungen über die dreimonatige Ausbildung

zur 24h-Betreuerin

Eigeninitiative Äußerungen über den Stellenwert von Eigeninitiative bei der Erlangung von Kompetenzen

Weiterbildung Äußerungen über den Bedarf beziehungsweise das Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten Soziale Sicherungssysteme Äußerungen zu den für die BetreuerInnen

geltenden sozialen und Sicherungssysteme Krankenstand Äußerungen über Regelungen, welche den

Krankenstand betreffen Altersvorsorge

Äußerungen zu den erwarteten Pensionszahlungen und den damit verbundenen Sorgen

Tabelle 3:Überblick über die Unterkategorien (Hervorhebung durch fette Schrift) und Subkategorien (Hervorhebung durch kursive Schrift) der „rechtlich-institutionellen Dimension“

55 3.3.1 Vermittlungsagenturen

Drei der Befragten arbeiteten zum Befragungszeitraum in einem über eine Agentur vermitteltem Betreuungssetting, alle weiteren Befragten haben in der Vergangenheit Erfahrungen mit Vermittlungsagenturen gemach. Die Arbeit über eine Vermittlung biete laut einer Betreuerin den Vorteil, die Suche nach KlientInnen abgenommen zu bekommen. In den Berichten der BetreuerInnen war von „guten“ und „schlechten“ Agenturen die Rede. „Gute“

Agenturen würden sich durch faire Vertragsbedingungen, was die Gehälter und Kommissionszahlungen angeht auszeichnen. Zudem würde man bei „guten“ Agenturen Unterstützung bei schwierigen Betreuungssettings und KlientInnenwechsel finden:

„[…] Der Chef von Agentur, können wir so sagen, ja ich kann jederzeit glaub anrufen.

Obwohl ist Nacht oder Tag.“ (Maria, Z.199-200)

Die GesprächspartnerInnen gingen in ihren Schilderungen jedoch mehr auf die Kritik an

„schlechten“ Agenturen ein: Am häufigsten genannt wurden dabei die hohen Kommissionszahlungen, welche in keinem Verhältnis zu der Dienstleistung der Agenturen stünden. Eine Betreuerin berichtete davon, dass während der Covid-19 Pandemie die Familie ihres Klienten monatlich 400 Euro Kommission an die Agentur zu zahlen gehabt hätte und führte fort:

„Für dieses Geld bin es eigentlich ich, die die Arbeit macht. Die Agentur macht gar nichts dafür. Das ist eigentlich das Geld, was ich arbeite.“ (Sofia, Z. 152-154)

Kommissionszahlungen müssten teilweise sowohl von den Familien als auch von den BetreuerInnen bezahlt werden. Die hohen Kommissionszahlungen gaben einige BetreuerInnen als Grund dafür an in ein privates Betreuungssetting gewechselt zu haben.

Zudem würden „schlechte“ Vermittlungsagenturen vor Betreuungsantritt sowohl die Schwere des Krankheitsgrades der KlientInnen als auch die tatsächliche Gehaltshöhe nicht offenlegen:

Zudem würden „schlechte“ Vermittlungsagenturen vor Betreuungsantritt sowohl die Schwere des Krankheitsgrades der KlientInnen als auch die tatsächliche Gehaltshöhe nicht offenlegen: