• Keine Ergebnisse gefunden

4. Ergebnisse

4.3 Rechtlich-Institutionelle Dimension

3.3.2 Kritik am Modell der Selbstständigkeit

Die Selbstständigkeit der BetreuerInnen geht mit bürokratischen Abwicklungen über das Finanzamt, die WKO und die Sozialversicherungsanstalt einher, welche von den BetreuerInnen als belastend erlebt wurden. So müssten die BetreuerInnen für die behördlichen Angelegenheiten mit beispielsweise WKO oder Sozialversicherungsanstalt eine Adresse in Österreich angeben, welche in der Regel der Adresse ihrer KlientInnen entspreche. Wechseln BetreuerInnen den Arbeitsplatz und somit ihre Adresse, würden des Öfteren Verzögerungen in den Postnachsendungen auftreten. In einigen Fällen würde dadurch Fristen von fälligen Zahlungen verpasst werden. Eine weitere Betreuerin schildert, wie trotz formeller Selbstständigkeit die Kriterien ihrer Tätigkeit davon abweichen:

„[…] Wir arbeiten nicht als Gewerbe. Wir sind mit Gewerbe, aber […] ist so eine so große Diskrepanz zwischen Gewerbesystem und unsere Arbeit. Weil Gewerbe bedeutet, dass ich kann arbeiten, wann ich will, ja? Und wieviel ich will. Aber (unv.) ich sollte hier meine Turnus machen, ich darf nicht meine Patient alleine lassen oder weggehen […], ohne dass meine Kollege schon hier sein, ja? Das ist wirklich nicht Gewerbe.“ (Felicia, Z. 347-352)

57 3.3.3 Interessensvertretung

Auf die Frage der Interviewerin, ob und auf welche Weise die BetreuerInnen sich repräsentiert sähen, gab es sehr breit gestreute Rückmeldungen. Eine Antwort lautete:

„Also ich habe nie konkret darüber gehört. Ich weiß das nicht. Das einzige, was ich gehört hab, dass es in Wien ein Anwaltsbüro gibt, was sich damit beschäftigt […]

also uns unterstützt.“ (Daniela, Z. 209-210)

Auch eine weitere Betreuerin berichtete keine Kenntnis über eine Repräsentation zu haben.

Andere Betreuerinnen nannten die Möglichkeit über die WKO VertreterInnen für die eigene Fachgruppe wählen können. Eine Betreuerin merkte jedoch an, dass man der aktuellen Vertreterin nicht trauen könne, da diese selbst Leiterin mehrerer Agenturen sei. Die wirkliche Repräsentation der 24h-Betreuung würde über ein selbstorganisiertes Netzwerk von BetreuerInnen passieren, die sich öffentlich für die Einhaltung ihrer Rechte stark machen. Eine weitere Betreuerin berichtete von der Möglichkeit sich bei „Vidaflex“, einer Gewerkschaftsinitiative für Selbstständige, anmelden zu können und dort bei Bedarf rechtlichen Beistand erhalten zu können. Jedoch misstraue sie der dortigen rumänischen Repräsentation und habe sich bislang gegen eine Anmeldung entschieden.

3.3.4 Qualifikation

Sechs der Befragten absolvierten in Rumänien eine dreimonatige Ausbildung, welche in Österreich als Voraussetzung für die 24h-Betreuung gilt. Eine Person absolvierte in Rumänien eine dreijährige Pflegeausbildung. Laut der BetreuerInnen würde die dreimonatige Ausbildung Grundwissen vermitteln, was beispielsweise die Grundpflege angeht. Die Krankheitsbilder der KlientInnen seien aber zu divers, als dass man im Rahmen der Ausbildung ausreichend darauf vorbereitet werden könne. Eine Betreuerin berichtete von ihrer Schwierigkeit mit dem erstmaligen Umgang mit Parkinson eines Klienten:

„[…] Ich hatte einen Patienten mit Parkinson, wo ich eigentlich keine Ahnung hatte, was genau die Symptome von der Krankheit sind. Und zum Beispiel, dass sie sehr, sehr oft pinkeln müssen und auch ganz oft während der Nacht […] Und dann auch so Zeiten, wo sie ganz depressiv sind, dann musste ich einfach die Psychologin sein und ich wusste gar nicht, wie ich reagieren soll, was ich ihnen sagen sollte auch.

Zeiten, wo sie auch einfach bipolar sind. 10 Minuten sind sie okay, dann nächste 10

58 Minuten weinen sie. Und es sind einfach Probleme, die dann schwierig anzugehen sind.“ (Maria, Z. 315-321)

Einen Umgang mit den Erkrankungen fänden die BetreuerInnen durch die Erfahrung, welche sie im Laufe von Betreuungen sammelten. Als entscheidend wurde dabei das Zeigen von Eigeninitiative und Interesse genannt:

„Und was hast du mich gefragt, ob diese Ausbildung reicht. Diese Ausbildung reicht, wann du auch Interesse hast und wirklich Praktikum machen willst.“ (Felicia, Z. 232-234)

Weiter führte die Betreuerin aus habe sie sich in einem Krankenhaus fünf Tage von einem Arzt einschulen lassen, um selbstständig die Pflege für einen schwer erkrankten Klienten übernehmen zu können. Ihr Grundwissen in der Pflege habe sie sich zudem über zwei Jahre hinweg von dem mobilen Pflegedienst eines Klienten beibringen lassen. Interesse an Weiterbildungen bestehe im Allgemeinen, jedoch sei eine Teilnahme daran schwer umzusetzen:

„Also es gibt auf jeden Fall weitere Bildungsmöglichkeiten. Ich weiß nicht ganz genau welche die sind. Aber es ist für uns sehr, sehr teuer und man kann es sich sowieso nicht leisten, weil wenn man irgendwo geht eine Weiterbildung zu machen, dann muss man seinen Patienten alleine lassen und das akzeptiert niemand. […] Und man müsste es selbst zahlen.“ (Sofia, Z. 209-212)

4.3.5 Soziale Sicherungssysteme

Laut der Aussage zweier BetreuerInnen würde im Fall eines Krankenstands das Gehalt nicht weitergezahlt werden. Zwei BetreuerInnen konnten keine konkreten Angaben zu der Regelung in diesem Fall machen, glücklicherweise sei es noch nie zum Fall eines Krankenstands gekommen. Eine Kollegin, so berichtete eine Betreuerin, hätte trotz 40 Grad Fieber die Betreuung normal weiterführen müssen. Als Kündigungsfrist wurden für beide Seiten ein oder zwei Wochen angegeben. Vier der Befragten äußerten zudem konkrete Sorgen, die Altersvorsorge betreffend. Laut Aussage der interviewten Personen stünden den BetreuerInnen pro geleistetem Arbeitsjahr in Österreich 10 Euro Pensionszahlung pro Monat zu. Eine der Befragten gibt an, in Zukunft zu einer Festanstellung im Rahmen eines mobilen Pflegedienstleisters in Österreich wechseln zu wollen, um eine höhere Pensionszahlung zu

59 erzielen. Besonders besorgt um die Altersvorsorge zeigte sich eine weitere Betreuerin, welche in der Vergangenheit Schwarzarbeit in Deutschland leistete:

„Ich bin jetzt 51, ich habe noch zehn Jahre. Aber mit die Rente, was kann ich sagen […] Wie hab ich dir schon erzählt, ich habe 22 Jahre gearbeitet, 10 Jahre habe ich schwarz gearbeitet ja? Und seit 12 Jahre bin ich da [in Österreich]. Aber wir bekommen nicht so eine Pension […] Wenn wir in die Rente gehen, wir bekommen 10 Euro pro Monat für jedes Arbeitsjahr. Das bedeutet, nach 12 Jahre werde ich bekommen 120 Euro Rente.“ (Felicia, Z. 363-369)

4.4 Status-Anerkennungsdimension

Die Oberkategorie „Status-Anerkennungsdimension“ gibt die Anerkennung und den Statusgewinn wieder, welche die BetreuerInnen über die berufliche Tätigkeit erleben. Die Dimension gliedert sich in die Unterkategorien Anerkennung auf Gesellschaftsebene und Anerkennung am Arbeitsplatz auf, deren weitere Subkategorien in folgender Tabelle dargestellt werden:

Kategorie Definition

Anerkennung auf Gesellschaftsebene Äußerungen darüber, wie die BetreuerInnen Anerkennung auf gesellschaftlicher Ebene erleben Ambivalente Anerkennung der

rumänischen Gesellschaft

Äußerungen über die teils positive, teils negative Sicht der rumänischen

Gesellschaft auf die Tätigkeit BetreuerInnen in Österreich Mangelnde Anerkennung von der

österreichischen Gesellschaft

Äußerungen über die als zu gering empfundene Anerkennung für die 24h-Betreuung durch die österreichische Gesellschaft

Diskriminierungserfahrungen Äußerungen über

Diskriminierungserfahrungen im Rahmen der Betreuungsarbeit

60

Statusgewinn Äußerungen über den Statusgewinn in

Rumänien, welcher über die transnationalen Betreuung erzielt werden kann

Anerkennung am Arbeitsplatz Äußerungen über die erlebte Anerkennung am Arbeitsplatz Wertschätzung durch KlientInnen/Familien Äußerungen über wertschätzendes

Verhalten der KlientInnen und Familien Verwehrung von Grundbedürfnissen Äußerungen über Situationen, in

welchen den BetreuerInnen die Deckung von Grundbedürfnissen nicht gestattet wurde

Tabelle 4: Überblick über die Unterkategorien (Hervorhebung durch fette Schrift) und Subkategorien (Hervorhebung durch kursive Schrift) der „Status-Anerkennungsdimension“

4.4.1 Anerkennung auf Gesellschaftsebene

Die BetreuerInnen berichteten von einer ambivalenten Anerkennung der rumänischen Gesellschaft. Einige Personen in Rumänien sähen die BetreuerInnen als stark und ambitioniert an, insgesamt wurde aber mehrheitlich von einer geringschätzenden Haltung den BetreuerInnen gegenüber berichtet. Diese ist primär durch eine Degradierung der Betreuungsarbeit als reines „Popowischen“ gekennzeichnet. Eine der GesprächspartnerInnen betonte, dass derartige Äußerungen sie nicht persönlich träfen, da sie sich des Wertes ihrer Unterstützung für ihre KlientInnen bewusst sei. Ihr Wissen darüber, in einigen Fällen sogar Sterbebegleitung geleistet zu haben, sei für sie wichtiger als die Geringschätzung aus der rumänischen Bevölkerung. In diesem Fall geht die Geringschätzung aus dem Umfeld mit der Wahrnehmung und Betonung des eigenen Status einher. Auch eine weitere Betreuerin bezog sich bei ihrem Umgang mit degradierenden Worten bezüglich des „Popowischens“ auf ihren Status - in diesem Fall auf den finanziellen Aspekt ihres Status:

„Und wenn sie dann von mir Geld ausleihen wollen, gebe ich es ihnen nicht. Ich sage, es stinkt nach Scheiße.“ (Adriana, Z.328-329)

Zudem berichteten die BetreuerInnen , dass sie von Personen aus Rumänien verspottet.

Manche RumänInnen würden behaupten, die BetreuerInnen befänden sich in einer

61 romantischen Beziehung mit ihren Klienten. Einige solcher Fälle gebe es zwar, so eine Betreuerin, allerdings würde von wenigen Fällen auf alle BetreuerInnen verallgemeinert werden. Aufgrund der geringschätzenden Meinung in Rumänien fühle sich eine Betreuerin dort nicht mehr zuhause, sie fühle sich aber auch in Österreich nicht zuhause. Zu der mangelnden Anerkennung der österreichischen Gesellschaft äußerte sich eine Betreuerin dahingehend, dass ihrer Meinung nach in Österreich eine große Abhängigkeit von rumänischen BetreuerInnen bestünde, die BetreuerInnen jedoch mit unzureichendem Respekt behandelt und ausgenutzt würden:

„[…] Das österreichische System braucht so viele Pflegekräfte und trotzdem macht es nichts für uns, weißt du? Alle machen die Augen zu, weil die Agentur hat Interesse, dass die Betreuerinnen hier sind. Die Regierung hat auch Interesse, dass das System gut funktioniert ja? Und was ist mit den Betreuerinnen? Interessiert auch niemanden.“ (Felicia, Z. 306-310)

Zudem berichtet dieselbe Betreuerin davon, sich durch die Veränderungen des Betreuungsgesetzes 2007 eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Österreich erwartet zu haben. Im Gegenteil dazu hätten sich die Bedingungen aber eher verschlechtert und sie werde versuchen, wenn möglich, in die Schweiz oder nach Deutschland zu wechseln.

Darüber hinaus wurden von zwei BetreuerInnen konkrete Diskriminierungserfahrungen geschildert, und zwar in Bezug auf die rumänische Nationalität. Eine Betreuerin zeigte sich verärgert darüber, dass sie in Österreich behandelt wurde, als käme sie aus „der dritten Welt“.

Sie sei zum Arbeiten da, weil jemand Hilfe brauche und nicht um gefragt zu werden, ob sie in Rumänien auch Äpfel und Bananen gesehen habe. Einer weiteren Betreuerin wurde im Rahmen der Besprechung ihres Gehalts gesagt, dass sie in Rumänien auch nicht mehr verdienen würde und sie somit zufrieden zu sein habe. Zudem wurde sie gefragt, wie es sei, 24 Stunden am Tag warmes Wasser zu haben. Eine Agentur erkundigte sich bei einer Betreuerin, ob sie ein Kopftuch trage und noch alle Zähne habe. Eine weitere Konfrontation der Betreuerin mit diskriminierendem Verhalten wird durch das folgende Zitat veranschaulicht:

„Das ist die Meinung von den Österreichern über uns. Dass wir kommen von Wald und wir sind so wild. Wir wissen nicht und so. Und manchmal hab ich auch diese Erfahrung gemacht, dass die Familie mir gesagt hat: […] Wir sind so froh, dass wir dich haben, weil du bist so eine intelligente Frau und so. Und du kennst so viele

62 Sachen und wir haben geglaubt, dass die […] welche Pflege machen, die sind Bauern.

Das ist eine richtige Meinung, was hier ist.“ (Felicia, Z.404-408)

Eine andere Betreuerin sah durch persönliche Entwicklung und Kompetenzerwerb in der Betreuungsarbeit das Potential eines Statusgewinns. Sie genieße es die Traditionen in Österreich zu lernen und fühle sich der österreichischen Kultur aufgrund ihres katholischen Glaubens verbunden. Besonders wichtig für sie sei das Erlernen einer neuen Sprache:

„Also momentan habe ich mich nicht entschieden, was ich in der Zukunft machen werde und sogar diese Entscheidung als Pflegerin in Österreich zu arbeiten habe ich mit dem Gedanken im Hintergrund so genommen, weil ich eigentlich Deutsch lernen wollte und das eine sehr gute Gelegenheit dafür ist. […] Mein Mann spricht sieben fremde Sprachen, ich konnte nur Rumänisch und Ungarisch […].“ (Daniela, Z. 225-233)

4.4.2 Anerkennung am Arbeitsplatz

Äußerungen über die empfundene Anerkennung am Arbeitsplatz gestalteten sich sehr divers.

Zunächst wird die als positiv empfundene Wertschätzung durch Klienten und Familien dargestellt: Zum Zeitpunkt der Interviews befanden sich die BetreuerInnen alle in Arbeitssettings, welche ihnen Anerkennung von den Klienten und deren Familien entgegenbrachte. Dabei ist jedoch anzumerken, dass sich die Äußerungen hauptsächlich auf die Familien bezogen. Äußerungen über die Art von Wertschätzung der KlientInnen wurden kaum gemacht. Eine Betreuerin fühlte sich von der Familie des Klienten anerkannt, obwohl es ihr an finanzieller Wertschätzung mangele. Eine weitere Betreuerin berichtetef, dass sie in ihrer aktuellen Stelle weitaus weniger Geld verdiene als in vorigen Stellen. Sie sei aber zufrieden, da sie von der Familie des Klienten viel Akzeptanz gezeigt bekomme. Den Grund für die ihr stets entgegengebrachte hohe Anerkennung von Familien sah eine weitere Betreuerin in ihrer Arbeitshaltung:

„Also ich habe mich immer anerkannt gefühlt, aber das liegt vielleicht auch an mir, weil ich immer eine gute Einstellung gehabt habe und immer sehr fleißig meine Arbeit gemacht habe und einfach eine gute Einstellung zu der Arbeit, das gerne gemacht habe.“ (Daniela, Z.74-77)

Eine weitere Betreuerin sah die Wertschätzung der Familien in direktem Zusammenhang mit der Arbeitsplatzsicherheit: Wenn die BetreuerIn gleich zu Beginn einen guten Eindruck mache

63 und gemocht werde, sei ihr der Arbeitsplatz sicher. Sei das nicht der Fall, müsse sie in Folge vermutlich den Arbeitsplatz wechseln. Wie bereits erwähnt erfuhren die BetreuerInnen an ihren aktuellen Arbeitsplätzen Wertschätzung. Im starken Gegensatz dazu standen die im Rahmen der Interviews berichteten negativen Erfahrungen, welche von den BetreuerInnen selbst gemacht wurden oder ihnen von Kolleginnen erzählt wurden. So berichteten die GesprächspartnerInnen von einigen Betreuungsverhältnissen, in denen Grundbedürfnisse verwehrt blieben. Die meisten Schilderungen bezogen sich dabei auf zu wenig oder

„schlechtes“ Essen. Die entsprechende Erfahrung verdeutlicht folgendes Zitat:

„Ich habe auch bittere Tränen ähm verloren in meinem Bett, ja, ja. Vielleicht hab ich stundenlang geweint manchmal. Hab ich Situationen gehabt, zum Beispiel war so:

Das ist mein Brot, das ist Brot von meinem Mann. Das ist meine Butter, das ist Butter von mein Mann. Aber war nichts für die Pflegerin. Und das war meine erste Stelle, wo ich Rukola vom Garten gegessen habe und Marillen […] vom Baum gepflückt und ich habe von meinem Geld Essen gekauft und habe es in meinem Zimmer versteckt.

Weil ich darf nicht mein Essen zusammen mit meinem Patienten essen, ja? […] Ich bin zurück nach Rumänien gekommen und mein Magen hat noch immer wehgetan, wegen so viel Hungern.“ (Maria, Z. 205-216)

Neben der mangelhaften Essensversorgung berichteten BetreuerInnen davon, dass ihnen kein richtiges Bett zur Verfügung gestellt wurde und ihnen eine Waschmöglichkeit und Ruhephasen verwehrt blieben. Als Beispiel einer solchen Arbeitsplatzbeschreibung wird das folgende Zitat angeführt:

„Es gibt Situationen […] du kannst nicht deine zwei Stunden frei nehmen. Du kannst nicht zum Arzt gehen. Du darfst überhaupt nichts machen. Du musst ab morgen ab sechs Uhr bis abends um elf stehen bleiben, ja? Und nicht sitzen, weil du bist bezahlt oder du bist meine Sklavin oder du bist eine Pflegerin oder.“ (Maria, Z. 122-126)

4.5 Sinnhaft-Subjektbezogene Dimension

Die Oberkategorie der „sinnhaft-subjektbezogenen“ Dimension beschreibt die Bedeutung, welche die BetreuerInnen ihrer Arbeit beimessen, beziehungsweise den im Rahmen der Tätigkeit erlebten Sinn. Die Oberkategorie wird in die Unterkategorien Identifikation und Bedeutsamkeit untergliedert, welche im Folgenden näher ausgeführt werden.

64

Kategorie Definition

Identifikation Äußerungen über die Form und das Ausmaß der Identifikation mit der Betreuungsarbeit

Bedeutsamkeit Äußerungen über die im Rahmen der

Betreuungsarbeit erlebte Bedeutsamkeit

„Helfen können” Äußerungen über die Möglichkeit im Rahmen der Betreuungstätigkeit anderen Menschen helfen zu können

Transgenerationale Fürsorge Äußerung zu der Bedeutung der Unterstützung älterer Generationen Interkultureller Dialog Äußerung über die Möglichkeit zur

interkulturellen Verständigung im Rahmen der Betreuungstätigkeit

Tabelle 5: Überblick über die Unterkategorien (Hervorhebung durch fette Schrift) und Subkategorien (Hervorhebung durch kursive Schrift) der „sinnhaft-subjektbezogenen Dimension“

4.5.1 Identifikation

Insgesamt zeigten die BetreuerInnen eine hohe Identifikation mit ihrer Tätigkeit. In einigen Fällen wurde angegeben die komplette Tagesgestaltung nach der Betreuungstätigkeit auszurichten, besonders wenn eine Rund-um-die-Uhr Rufbereitschaft gegeben war:

„Und ja am Abend, wenn ich dann noch Zeit habe mit ihnen [der Familie in Rumänien] zu sprechen, mache ich das. Aber ich muss auch immer sehr aufmerksam sein auch schlafen zu gehen, weil ich arbeite ja 24 Stunden und man weiß nie, wenn man dann wach sein muss während der Nacht.“ (Daniela, Z.118-121)

Keine der interviewten Personen gab an die Ergreifung des Berufs bereut zu haben, mehrheitlich wurde davon berichtet den Beruf bis zur Pensionierung weiter ausführen zu wollen. Eine Betreuerin berichtet davon für ihren Beruf als Betreuerin viele Opfer bringen zu müssen, vorrangig die lange Abwesenheit von ihrem Zuhause in Rumänien. Trotz negativer Aspekte ihrer Arbeit sei ihre Identifikation mit dem Beruf über die jahrelange Erfahrung gewachsen:

„Zu Anfang war ich so erschrocken von diesem Beruf. Aber jetzt ich finde das, das ist mein Beruf. Ich mach das seit 22 Jahre schon. Und ich werde nie akzeptieren, was die Leute von Österreich sagen, das ist deine Wahl. Ja das ist meine Wahl. Genauso

65 wie deine Wahl war, dass du Journalist sein oder Arzt […] Schwierigkeiten gibt’s in egal welchem Beruf. Du wirst nicht deine Beruf wechseln, ja? Ich weiß wie man die alte Leute pflegt, das ist meine. Ich weiß das machen. Und ich werde in diese Beruf bleiben.“ (Felicia, Z. 294-300)

Betont wurde von einigen BetreuerInnen zudem die Freude beziehungsweise Leidenschaft, die sie in ihre Arbeit tragen:

„Ich mach’s ganz gerne also und ganz freiwillig. Ich mache es nicht nur aus der finanziellen Sicht oder Perspektive. Sondern echt, weil es mir Spaß macht und ich es gerne mache. Und ich denke auch, man kann nicht eine Arbeit gut durchführen, wenn man es nicht gerne macht.“ (Sofia, Z. 121-123)

4.5.2 Bedeutsamkeit

Einige BetreuerInnen betonten in ihren Berichten den Aspekt des „Helfen Könnens“. Sie reflektierten über die eigene Rolle als unterstützend oder helfend und bewerteten diese durchweg positiv:

„Ich habe Wert, ich weiß, was ich mache und ich weiß, ich kann andere Leute unterstützen. Ich war paar Mal Sterbebegleiterin. Und das habe ich glaube ich mit Note eins gemacht.“ (Maria, Z.294-296)

Teilweise betonten BetreuerInnen bei ihren Berichten vom „Helfen Können“ auch die Wertschätzung, die damit einherging. So berichtete eine Betreuerin von der großen Dankbarkeit und Wertschätzung einer Klientin ihrer Person gegenüber, wenn sie diese in Konzerte oder Urlaube begleitet hatte. Eine weitere Betreuerin berichtete auf die Frage nach den schönsten Seiten ihrer Tätigkeit:

„Also die größte Erfüllung ist für mich, dass es am Ende, wo ich weggehen musste, ist er immer so nach mir gekommen und hat die ganze Zeit gesagt: „In sechs Wochen kommst du zurück, ja? Du kommst zurück in sechs Wochen.“ Ich hab mich sehr gut gefühlt, dass er nicht nur gesagt „Ja, gut, dass du jetzt gehst“ Sondern man konnte echt spüren, dass er mich gerne hier hat […]. Und ich hab die Erfüllung, ich hab eine alte Person geholfen, die einfach nicht mehr selbstständig ist und ich konnte ihm einfach helfen.“ (Sofia, Z.242-249)

Dieselbe Person weitete das „Helfen können“ zudem auf eine abstraktere Ebene aus. Laut ihrer Aussage gebe die 24h-Betreuung die Möglichkeit der transgenerationalen Fürsorge:

66

„Wir können uns einfach denken, sie sind wie unsere Großeltern und sie brauchen einfach Pflege oder in einer anderen Perspektive wir können denken, wenn wir so alt sein werden, dann würden wir uns auch wünschen, dass jemand auf uns schaut und das ist meine Motivation.“ (Sofia, Z.123-126)

Ebenso auf einer weiter gefassten Ebene beschrieb eine Betreuerin die Möglichkeit eines interkulturellen Dialogs, welcher sich im Zuge der 24h-Betreuung ergäbe:

Ebenso auf einer weiter gefassten Ebene beschrieb eine Betreuerin die Möglichkeit eines interkulturellen Dialogs, welcher sich im Zuge der 24h-Betreuung ergäbe: