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Ladinische Printmedien

Im Dokument Geschichte der ladinischen Literatur (Seite 117-141)

Die folgende Zusammenstellung und Beschreibung der ladinischen Printme-dien ist chronologisch nach dem Zeitpunkt ihres erstmaligen Erscheinens angeordnet.

La Zaites da Nadæl y dall’an nuef 1888/9

In Gröden muss bereits lange vor den ersten gedruckten ladinischen Zeitun-gen eine Art Jahresblatt geplant gewesen sein. Einen Hinweis darauf finden wir in der Korrespondenz → Cyprian Pescostas, wo unter dem Datum 20.12.1888 und der Schlussbemerkung „letzte nicht übersendete Correspon-denz“ kurze ironische Kommentare zum lokalen und politischen Geschehen enthalten sind, die für eine Publikation mit dem Namen La Zaites da Nadæl y dall’an nuef 1888/9 (Die Weihnachts- und Neujahrszeitungen 1888/9) bestimmt gewesen wären (vgl. Dorsch 1994, 250). Das Blatt wurde aber nicht gedruckt (vgl. Craffonara 2000 – 01, 161 FN 11).

Textprobe:

E sta ŝänt quant [= kaŋ] ch’i ne n’úel plù laurè per i Ferlegheri d’la fabriches, po feŝi dutg chiauza (per tudäsc: stricken); inŝi èi liet je instäss sula zaites da Vienna, – Pitl vadagn cäst! Neus de Gher-däina faŝassaŋ anca mietg [sic] a fè chiauzes che a zipplè popes y chiaväi per i ferlegheri. Ne vadagnoŋ plù tant de fè papaciúei. (Dorsch 1994, 250)

Nun, wenn diese Leute nicht mehr für die Verleger der Fabriken arbeiten wollen, dann beginnen sie alle zu stricken; so habe ich es selbst in den Wiener Zeitungen gelesen. – Für-wahr ein karger Gewinn! Wir Grödner täten auch besser daran, Strümpfe zu stricken, anstatt Puppen und Pferde für die Verleger zu schnitzen. Wir verdienen nicht einmal mehr so viel, um eine Friegelsuppe zu kochen.

L’amik di Ladiŋs – Der Ladinerfreund (1905)

Im Jahr 1905 erscheint in Innsbruck die erste dolomitenladinische Zeitung:

L’amik di Ladiŋs – Der Ladinerfreund mit dem Untertitel Prima zaitun ladina (Erste ladinische Zeitung) (vgl. Dorsch-Craffonara 1982, 155 – 158). Das Blatt wird als Monatszeitschrift angekündigt und ist sechs Seiten stark, zwei davon mit Anzeigen. Es enthält auch eine wissenschaftliche Beilage von vier halbformatigen Seiten. Als Herausgeber zeichnet → Wilhelm Moroder-Lusenberg , Innsbruck. Der Titelkopf zeigt einen Briefträger, der auf dem Dorfplatz von Urtijëi/St. Ulrich einer Frau eine Zeitung überreicht. Diese und alle weiteren Zeichnungen – für jedes ladinische Dolomitental eine typische Darstellung – stammen höchstwahrscheinlich vom Maler Josef Moroder-Lusenberg , bera Śepl da Jumbierch, dem berühmten Vater des Herausgebers.

Das Blatt bringt nach einer kurzen Erklärung über die ladinische Schreibweise Nachrichten aus allen ladinischen Tälern – Gröden, Gadertal, Enneberg, Fassa, Buchenstein und Ampezzo – jeweils im Idiom des Tales, mit deutscher Über-setzung. Das Feuilleton und die wissenschaftliche Beilage sind auf Deutsch verfasst und erscheinen in Folge in allen drei Nummern. Das Feuilleton, betreut von Karl Felix Wolff , bringt die Sage Die weißen Berge,119 und in der wissenschaftlichen Beilage, betreut von Theodor Gartner , erscheint der Artikel Versteckte Germanismen im Ladinischen von → Jan Batista Alton . Soziologisch

119 Hier noch mit dem etwas prosaischeren (aber den ursprünglichen ladinischen Mythos besser wiedergeben-den) Titel; später wird Wolff auf Die bleichen Berge / I Monti pallidi wechseln ( 1.2.2.). Dieser frühe Beleg im Umkreis der Ladinerbewegung weist bereits auf die (gutgemeinte) Ideologisierung des ladinischen Sa-gengutes von Seiten Wolffs hin (U. Kindl ).

und ethnografisch aufschlussreich sind die jeweils zwei Seiten mit – ebenfalls zum größten Teil auf Deutsch verfasster – Werbung. Es wird für Innsbrucker bzw. Tiroler, wie auch für Grödner Gasthäuser und Firmen geworben.

Die erste Nummer erschien am 15. Mai 1905, die zweite am 30. Mai und die dritte am 15. Juni. Da sich die erste Nummer verspätet hatte und zwölf Num-mern im Jahr vorgesehen waren, sollte die Zeitung zunächst 15tägig erschei-nen, doch leider blieb es bei diesen drei Nummern. Für das Scheitern des Zei-tungsprojektes wurden verschiedene Gründe angegeben (sogar das Fehlen einer einheitlichen ladinischen Schriftsprache, vgl. Volgger 1971, 369 – 370); im Wesentlichen waren jedoch die fehlenden finanziellen Mittel ausschlaggebend.

In der zweiten Nummer des Amik wird auf S. 9 120 der erste literarische Text veröffentlicht: das Gedicht A les rodunderes (An die Schwalben) von → Angelo Trebo mit der Autorenangabe J. F. (→ Jepele Frontull). Es wird eine tirole-risch-deutsche Übersetzung beigefügt mit der Angabe: „Übersetzung im deut-schen Dialekt der Ladiner“.

In der dritten Nummer ist auf S. 14 ein grödnerisches Gedicht mit „freier deutscher Übersetzung“ zum nahenden Fronleichnamsfest, Juebia dai Andli, zu lesen. Als Autor wird „Ein Mitglied der Christeiner Musikkapelle“ angegeben.

Das Gedicht ohne Titel ist 4 Strophen lang und zu je 4 vierhebigen Versen im Kreuzreim:

Śëŋ iel pa preš júebia dai andli, Der Antlastag ist nicht mehr weit, Mutaŋs, po furnideve bel Auf Mädchen, ziehet schön euch an, Dut plëines de pintes i zandli Mit Bänder, Spitzen ziert den Leib, I de sëida lučënt ŋ gurmel. Und legt die seidne Schürze an.

Taŋ bëŋ i mutoŋs k’la mutaŋs Sowohl die Burchen (sic!), wie die Mädchen Ašpíeta bel èrt suŋ k’š di Warten hart auf diesen Tag,

Ma l’íepa te n’áuta dla maŋs Doch er ist im Handumdrehen Daŋ porta, kël sèi da ve di. Vor der Tür, daß ich’s euch sag.

Amanko mo-ntant ke l’àn dant Vielmehr noch als das letzte Jahr Po këi da la mušiga se kunfertè, Ist auf das nahe Fest erfreut I ğapa pu dut n’auter guant, Die brave Musikantenschar Ke uniuŋ po si badli muštrè. Mit ihrem schönen, neuen Kleid.

‘Mpúe de supèrbia poi bëŋ avëi Etwas stolz darf sie auch sein, I s’a taŋ purvà a ‘mparè a sunè Denn sie lernte gar so fleißig I ko k’e audì dijaŋ da zakëi. Ihre Weisen lang schon ein;

Sai bëŋ debo bëŋ da la fe štlefè. Wie man hört, sind es bei dreißig.121

120 Die Seitenzahl ist ab der 1. Nummer durchgehend.

121 Wörtliche Übersetzung: Und wie ich jemanden sagen hörte / Können sie es richtig krachen lassen.

’l Ladin – Der Ladiner (1908)

Wilhelm Moroder-Lusenberg ließ sich vom Scheitern des Amik nicht entmu-tigen und startete bereits drei Jahre später einen zweiten Versuch, eine ladini-sche Zeitung herauszugeben. Am 15. April 1908 erschien in Brixen die Zei-tung ‘l Ladin – Der Ladiner. Schon am 15. Mai folgte jedoch die zweite und letzte Nummer. Das Titelblatt schmückte diesmal die Zeichnung eines patrio-tischen Tiroler Adlers mit einer Krone, der über das Sellamassiv und die Lang-kofelgruppe fliegt.

Wenn der Amik di Ladiŋs eine Volkszeitung sein wollte, so richtet sich ‘l Ladin eher an eine gebildete Leserschaft. Die einzelnen Beiträge (u. a. einer auf Valla-der und auf Katalanisch) werden nicht mehr durchgehend mit einer deutschen Übersetzung versehen. ‘l Ladin bringt keine Lokalnachrichten; es erübrigt sich auch eine wissenschaftliche Beilage. Der Anzeigenteil ist rein deutschsprachig (vgl. Dorsch-Craffonara 1982, 168). Auch ‘l Ladin veröffentlichte ladini-sche Literatur:

Auf der Titelseite der ersten Nummer finden wir das Gedicht Ai Ladins! von → Jan Batista Alton . Im Innenteil folgen noch einige humoristische Erzählungen:

Co che un dalla chiena ova fat a schi a apustè chaväi. Na pitla storia cunteda da bera Engl da Dla-ite (Wie ein Spielwarenhändler Pferde bestellen ging. Eine kleine Geschichte, erzählt von Herrn Engl aus dem inneren Tal). Auf Gröd-nerisch (S. 3).

Das Gedicht Ra bella Ampezzana (Die schöne Ampezzanerin) ohne Auto-renangabe. In Ampezzaner Mundart (→ Silvio Degasper) (S. 4).

‘l becè (Der Metzger) von → Hugo de Rossi auf Fassanisch (S. 4).

Co che se fèsh ta Fodòm a governè la famena (Wie man im Buchenstein die Ehefrau regiert), ohne Autorenangabe. In Buchensteiner Mundart (S. 4 – 5).

In der zweiten Nummer finden wir:

Fragment einer Satire aus Ampezzo vom Jahr 1848 (S. 11) ohne Autorenan-gabe (→ Joani Gregorio Demenego).122

A ci ch’an connësh i Ladins de ci luc ch’ei è. Do siur Titta da Collfosc (Woran man erkennt, aus welchem Dorf ein Ladiner stammt. Nach → Jan Batista Alton aus Kolfuschg) (S. 12 – 13).

L mok (Der Bauer) von → Hugo de Rossi (S. 13).

L’inkrešimun (Heimweh) (S. 13 – 14), gezeichnet mit J. F. (→ Jepele Frontull), doch es ist das Gedicht Desiderio ala patria von → Angelo Trebo.

Die Nummer schließt auf S. 14 mit dem selbstbewussten Gedicht Nous son Ladins, restòn Ladins! des Herausgebers Willi da Shumbjèrk, → Wilhelm Moro-der-Lusenberg (vgl. Craffonara 2000 – 01, 177 – 178 FN 55). Es beschwört die Ladiner im Geist des Ladinervereines von 1905, zusammenzuhalten und auf ihr Ladinertum zu achten. Das Gedicht beinhaltet fast programmatisch die von → Wilhelm Moroder-Lusenberg zeitlebens verfolgten Bemühungen.

Nous son Ladins, restòn Ladins! Ladiner sind wir, Ladiner bleiben wir!

Nous son dui fredes i surans Wir sind alle Brüder und Schwestern, Truep mill’ani bel adum, Viele tausend Jahre bereits beisammen;

Dashondes pume dui la mans Reichen wir uns doch alle die Hände,

Po saròns for un gran grum. Dann werden wir immer eine starke Gruppe sein.

Nous son Ladins, restòn Ladins! Wir sind Ladiner und bleiben Ladiner!

La patria nostra ie n ciastell de piera dura, Unsere Heimat ist eine Burg aus hartem Gestein, Fabricà da Die stess cun granda cura, Von Gott selbst gebaut mit viel Sorgfalt, I te chest s’al metù per guardians Und in diese hat er uns als Hüter gestellt, Nous Ladins tamez Tudesch i Talians. Uns Ladiner zwischen Deutsche und Italiener.

Ma nous son Ladins i restòn Ladins! Aber wir sind Ladiner und bleiben Ladiner!

122 Dieselben 9 Strophen werden 1915 wieder im Kalënder Ladin als Da una satila d’Ampezo del 1848 abge-druckt. Das Gedicht stammt in Wirklichkeit aus dem Jahre 1844.

Kokodek! (1905/1910)

Die Union Ladina in Innsbruck gab eine handschriftlich hektografierte Faschingszeitung mit dem Titel Kokodek! heraus. Davon liegen uns heute nur noch zwei Exemplare aus den Jahren 1905 und 1910 vor, doch aus einem Brief von → Hugo de Rossi an Franzeleto Bernard scheint hervorzugehen, dass jedes Jahr zu Fasching eine Nummer erschien (vgl. Craffonara 2000 – 01, 161).

Die erste Nummer des Kokodek! trägt kein Datum. Ihre Datierung schwankte deswegen zwischen 1905 (Dörrer 1940, 19) und 1909 (Elwert 1943 – 44, 41 FN 7; Dorsch-Craffonara 1982, 162 FN 29), auch weil auf dem Exemplar des Ferdinandeums Innsbruck [FB 9525/17] die Jahreszahl von Hand von 1905 auf 1909 ausgebessert worden ist. Es liegt nahe, dass das Exemplar von 1905 auch auf dem Ball der Dolomitenladinier in Innsbruck von 1909 verteilt wurde. Alessandro Margoni fand vor Kurzem in der Universitätsbibliothek Innsbruck (Signatur 100.001) ein Exemplar, das mit dem Namen des Heraus-gebers (Hg. v. Hugo von Rossi ), dem Datum (1 Jg. 1905) und dem Stempel

Tiroler Volksbund: Bundesgruppe der Dolomiten-Ladiner in Innsbruck versehen ist. Damit konnte die Datumsfrage endgültig geklärt werden.

Der Leseteil des Kokodek! von 1905 beginnt mit einer Übersicht über die ladi-nische Schreibweise und der kurzen Prosaerzählung auf Grödnerisch Ko ke Tone dl gran Jako feš i sedura ǯi a Ortisei a mutans (Wie Tone des großen Jako es anstellt und was er auf der Brautschau in St. Ulrich erleidet). Es folgt das unterfassanische Gedicht in 7 Vierzeilern Le touse da… (Die Mädchen von…), wohl von → Tita Piaz (vgl. Elwert 1943 – 44, 41 FN 7).123

Auf Grödnerisch mit Einsprengseln auf Fodom und Mareo folgt dann eine Einladung zum Ball dei Ladins (Ladinerball). Darauf folgen ein fassanischer Witz, vier kurze Anekdoten auf Buchensteinisch sowie der kurze Prosatext L avaron (Der Geizige), ebenso auf Buchensteinisch. Den Abschluss bilden das bekannte Gadertaler Schützenlied Sizzeri da Badia 1848 von → Cyprian Pescosta und zwei buchensteinische Witze. Die Zeitschrift hat insgesamt 8 Seiten.

Die Nummer aus dem Jahre 1910 beginnt auf der Frontseite mit zwei kurzen Witzen auf Fassanisch, L pitor (Der Maler) und Olà van po te Brajes? (Wo führt der Weg nach Prags?). Es folgen (S. 2) die Erzählung auf Buchensteinisch Berba Isepantone (Herr Josef Anton) und auf den S. 3 – 6 das 46 Strophen lange Gedicht La fiera de Sent Orsola (Der Markt an Sankt Ursula) von → Tita Piaz.

Auf S. 7 – 9 ist der mittlere Teil (V. 54 – 170) des Gedichtes Ko ke Seniëur Bepo Mahlknecht, ugrister d’Urtishëi, a da fe a giapè Stina del Sigat (Wie sich Herr Bepo Mahlknecht, Organist von St. Ulrich, anstellen muss, um Stina del Sigat zu bekommen) von → Matie Ploner abgedruckt; und ebenso auf S. 9 ist das 6 Strophen lange fassanische Gedicht Salamon zu lesen, das dem Gedicht bzw.

Lied Gardenera E aus den Jahren um 1856 entspricht (Chiocchetti 1995b, 175 – 176, → Giovan Battista Zacchia). S. 10 enthält das 4 Strophen lange enne-bergische Gedicht L famei (Der Hirte), das mit leichten Abweichungen dem Lied Dan sorédl belo trep (Lange vor Sonnenaufgang) von → Angelo Trebo ent-spricht, sowie eine kurze Anekdote auf Gadertalisch über den Haushalt eines Junggesellen. Den Abschluss auf S. 11 – 12 bilden das Lied Čantia panladina (Panladinisches Lied) von → Josef Flöss, das später als Olach’la Marmolada bekannt wurde, und ein weiterer kurzer Witz auf Fassanisch.

La difesa del Tirolo – Tiroler Wehr (1910 – 1914)

Am 15. Jänner 1910 erschien in Bozen die erste Nummer der Zeitung La difesa del Tirolo – Tiroler Wehr, ein vom Volksbund unterstütztes Organ, das sich der österreichtreuen und schutzlos der irredentistischen Propaganda

ausgesetz-123 In der Kopie des Ferdinandeum Innsbruck [FB 9333/17] ist der Titel mit Pozza ergänzt.

ten Welschtiroler und Ladiner annehmen sollte. Im Geleitwort lesen wir auf S.

2: „Das Blatt wird Nachrichten aus allen Tälern bringen und sich auch in ladi-nischen Mundarten versuchen.“ Für die ersten beiden Jahrgänge zeichnete Karl Felix Wolff als Schriftleiter.

Im ersten Jahrgang finden wir mehrere fassanische Beiträge (Nr. 1, 4; Nr. 4, 4 – 5), die buchensteinische Sage La Salvàrja (Die Waldfrau), niedergeschrie-ben und mit einer deutschen Übersetzung versehen von Karl Felix Wolff (Nr.

2, 3 – 4), weiters Beiträge in Nonsberger (Nr. 1, 5) und Fleimstaler Mundart (Nr. 6, 4 – 5).

Im zweiten Jahrgang wird auf Ladinisch den Fassanern der Kauf des Calënder Ladin empfohlen (Nr. 3, 3), und es finden sich noch einige dreisprachige Inse-rate. Damit war aber das Ladinische aus der Tiroler Wehr auch schon wieder verschwunden (vgl. Dorsch-Craffonara 1982, 170 – 171).

L’Komers dal Imperadu ai 18. d’Agost 1910 (1910)

Aus Anlass des 80. Geburtstages Kaisers Franz Josef I. am 18. August 1910 wurde von der Studentenverbindung Ladinia in Picolin ein Festkommers gehalten und in Folge eine Festzeitung mit dem Titel L’Komers dal Imperadu ai 18. d’Agost 1910 herausgegeben. Das Original dieser Zeitschrift ist uns nicht bekannt, doch existiert eine Abschrift davon auf den Verso-Blättern des Heftes Enneberger Lieder von Angelus Trebo, das im Besitz von Univ. Prof.

Heinrich Kuen war und nun im Archiv des ILMdR aufbewahrt wird [Libri I-00006]. Die Verso-Seite des Heftes enthält insgesamt 21 Gedichte, Sprü-che, Witze und Anekdoten, beginnend mit einem zehnstrophigen Gedicht mit dem Titel: Al commers dal Imperadu tigni ala „Ladinia“. Es folgen die Gedichte und Texte:

Ringrazia (Dankeschön),

Le bung dottur (Der gute Doktor),

Le corf i le jager (Der Rabe und der Jäger),

Le trafei da kater (Das Vierklee) (Prosa),

Invito (Einladung),

Le Vergissmeinnicht,

La nagola (Die Nelke),

La löm da Rara (Das Licht von Rara) (Sage),

Valc da stomë (Rätsel),

Tocë (ein Witz),

Zaitung,

Hirtenlied,

Witze und Anekdoten,

La sögra d’Antermoja, L Frakel da Miri sowie L Spiung da Borneck von Jan Batista Adang.

Studentenzeitschrift Ladinia (1911/1912/1920)

Wie Craffonara 2000 – 01 dargelegt hat, existierte im Gadertal im Jahrzehnt zwischen 1910 – 1920 eine Studentenverbindung, welche eine eigene Zeit-schrift („Stott Zeitung“ [Stadtzeitung] steht auf der Nummer von 1911) mit dem Titel Ladinia herausgab. Originalexemplare sind derzeit nur aus den Jah-ren 1911, 1912 und 1920 bekannt, doch dürften weitere Nummern, jeweils im August, erschienen sein. Nachdem die Jahresnummer vom August 1912 mit Terzo ann (Drittes Jahr) überschrieben ist, gehen wir davon aus, dass als erste Nummer die eben genannte Festzeitung L’Komers dal Imperadu ai 18. d’Agost 1910 anzusehen ist.

In der Ausgabe vom 18. August 1911 lesen wir im kleinen Aufsatz L’lingaz lading von Alfons Ties aus Al Plan/St. Vigil in Enneberg folgendes über die ladinische Literatur (hier in der Übersetzung von Craffonara [2000 – 01, 165], da das Original so gut wie unleserlich ist): „Und nachdem eine Ortschaft fehlt, die als Kulturzentrum wirken könnte und das Ladinische nur von einfachen Leuten gesprochen wurde, konnte die Sprache sich nicht weit entwickeln wie auch nicht die ladinische Literatur.“ Von den zwei Gedichten in dieser Ausgabe, All’ostì da Lundjarü (Dem Campiller Wirt) von Josef Taibon124 und La tgiantja di nütsch (Das Lied der Brautleute), ist das erste nur mehr teilweise und das zweite vollkommen unleserlich (vgl. Craffonara, 2000 – 01, 167 FN 30).

Die Ausgabe von 1912 bringt auf S. 9 den Text und die Melodie der Ćiantia dal jager (Jägerlied) von → Jepele Frontull (vgl. Craffonara, 2000 – 01, 171).

Die einzige bekannte Nachkriegsausgabe, jene von 1920, fällt durch die starke Präsenz des Deutschen auf. Von den insgesamt 12 Seiten sind neun auf Deutsch und nur drei auf Ladinisch verfasst.

Am Beginn dieser Jubiläumsnummer zum 10-jährigen Bestehen der Studen-tenverbindung steht auf S. 2 – 3 das pathetische Preislied auf Ladinien Hoch, Ladinia!, unterzeichnet mit Caesar, dem gruppeninternen Übernamen des Ennebergers → Lejio Baldissera (vgl. Craffonara 2000 – 01, 179).125 Die bei-den ladinischen Gedichte sind einerseits Daluntsch dala Patria (S. 8 ohne Angabe des Autors, doch entspricht es dem Gedicht Desiderio ala patria von Angelo Trebo), und andererseits, als Abschluss auf den S. 11 – 12, eine Tjantia (Lied) aus dem verloren gegangenen Theaterfragment La Gana (Die Salige) von Caesar (→ Lejio Baldissera) (vgl. Craffonara 2000 – 01, 189 – 190).

124 Vgl. auch in Calënder ladín 1914, 79 und ZLD 21.9.1946, 3.

125 Weitere deutsche Gedichte in dieser Ausgabe sind: Des Sehers Blick (S. 4 – 7) von Alarich (Ferdinand [Nan-do] Pupp aus Antermëia/Untermoj, vgl. Craffonara 2000 – 01, 181); Einsamkeit auf dem Kronplatz (S. 9), höchstwahrscheinlich von Angelo Trebo), sowie eine Litanei zu Ehren d. Odysseus (S. 10 – 11) von Amando Alfreider (vgl. Craffonara 2000 – 01, 180 – 188).

Fest=Zeitung der Studentenschaft Buchensteins (1913)

Wohl nach dem Beispiel ihrer Gadertaler Kollegen gaben die Studenten aus Buchenstein 1913 eine Fest=Zeitung der Studentenschaft Buchensteins heraus. Es handelte sich um ein Blatt aus drei Doppelbögen, das 30 „sciòldi“ und 60 Hel-ler kostete (eine Kopie befindet sich in der BCLP und eine im ICLCdJ).

Federführend bei der Realisation dieser Zeitung scheint → Alessio Irsara gewesen zu sein, dem wir zwei Anekdoten über einen Vinzenz de Tòne sowie das Gedicht La ciajarina (Die Sennerin) zuschreiben können.

Kalënder de Gerdëina bzw. Kalënder Ladin (1911 – 1915)

Der Beginn des 20. Jh. ist durch das Aufblühen des ladinischen Selbstbewusst-seins und durch eine neue Wertschätzung für die eigene ladinische Sprache gekennzeichnet. Im Jahr 1905 bildete sich in Innsbruck der Verein der Ladi-ner 126, wohl aus dem Bedürfnis heraus, ladinisches Kulturgut zu heben, die Muttersprache zu pflegen und dem Ladinischen – nach den zaghaften Anfän-gen des vorangeganAnfän-genen Jahrhunderts – literarisch-publizistisch in den Sattel zu helfen (vgl. Dorsch-Craffonara 1982, 161).

Einer der herausragenden Belege für das gesteigerte ladinische Bewusstsein in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ist die Herausgabe von fünf Jahreskalen-dern zwischen 1911 – 1915. Der ursprüngliche Kalënder de Gerdëina wandelt sich in der Ausgabe von 1913 unter der Herausgeberschaft der Union dei Ladins zum gesamtladinischen Calënder ladín.

Ladins, Ladiner,

Messón tenì adum, Wir müssen zusammenhalten,

La fòrza vën dal grum. Denn die Kraft kommt aus der Gruppe.

‘N salut al calënder. Einen Gruß dem Kalender.

Te salude, blòt calënder di Ladins, Ich grüße dich, lieber Kalender der Ladiner, Scrit per chëi de Gherdëina y si uǧins! 127 Geschrieben für die Grödner und ihre Nachbarn!

Chiocchetti 2000a, 24 nennt die ladinische Literatur dieser Zeit, wie sie sich insbesondere in den Calëndri manifestiert, bezeichnenderweise letteratura di

126 Die Ladiner in Innsbruck waren Anfang des Jahres 1905 bereits so weit organisiert, dass sie eigene Veran-staltungen (z. B. den Ladinerball) und eine eigene Faschingszeitung (Kokodek!) herausgeben konnten. Als offizieller Verein konstituierten sie sich am 22.7.1905 unter der Bezeichnung „Ortsgruppe der Dolo-miten=Ladiner des Tiroler Volksbundes in Innsbruck“ im Rahmen des im vorigen Mai gegründeten Tiro-ler Volksbundes (Margoni 2010, 72 FN 120). Der am 16.6.1912 gegründete Ladiner-Verein/Union dei Ladins (vgl. Kalënder ladin 1915, 33) war hingegen ein autonomer nationaler Schutzverein für die Ladiner Tirols (vgl. Kattenbusch 1992, 91 – 92; Craffonara 2000 – 01, 190 – 192; Margoni 2010, 69 – 70).

127 Diese Verse aus dem Calënder ladín 1914, 28 eröffneten auch den CdG 1949, 15.

difesa, da sie aus einer Verteidigungshaltung gegenüber den politischen Span-nungen zwischen der deutschen und der italienischen Volksgruppe in Tirol hervorging.

1911: Ladinischer Kalender für das Grödnertal. Kalënder de Gerdëina per l an 1911.

Fat da Arkanğul Lardschneider de Čampáč.

Dat òra da Užöp Runggaldier da Passua.

Preis nebst Beilage 80 h.

Dispruk. Stamparia del Kinderfreund.

1912: Ladinischer Kalender für das Grödnertal. Calënder de Gherdëina per l’ań 1912.

Fat da Arkanğul Lardschneider de Campáč.

Dat òra da Užöp Runggaldier da Pássua.

Prieš 60 h.

Dispruk. Stamparia del Kinderfreund.

1913: Ladinischer Kalender für 1913. Calënder ladín per l’ań 1913.

Fat da Arkanğul Lardschneider de Campáč.

Dat òra da Ušöp Runggaldier da Pássua.

Prieš 60 h.

1914: Ladinischer Kalender für 1914. Calënder ladín per l’ań 1914.

Fat y dat ora dal’ „Union dei Ladins“ a Dispruc.

Prieš 60 h.

Dispruc. Stamparia del Kinderfreund.

1915: L Kalënder ladin per l ann 1915. Ladinischer Kalender.

Liber per la familia ladina.

Fat i dat ora dal’ „Union dei Ladins“ a Dispruk.

Metù adum da Uſhepantone Comploj da Fuſheron.

Priesh 60 hl.

Dispruk. Stamparia del Kinderfreund.128

Den Hauptverdienst für die ersten drei Kalender von 1911 bis 1913 tragen die zwei rührigen Grödner → Arcangiul Lardschneider de Ciampac und → Josef Runggaldier da Passua, die auch die zwei weiteren Kalender von 1914 und 1915 betreut haben, auch wenn als Herausgeber nunmehr die Union dei Ladins a Dispruc aufscheint und für die Ausgabe von 1915 Ujepantone Comploj da

Den Hauptverdienst für die ersten drei Kalender von 1911 bis 1913 tragen die zwei rührigen Grödner → Arcangiul Lardschneider de Ciampac und → Josef Runggaldier da Passua, die auch die zwei weiteren Kalender von 1914 und 1915 betreut haben, auch wenn als Herausgeber nunmehr die Union dei Ladins a Dispruc aufscheint und für die Ausgabe von 1915 Ujepantone Comploj da

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