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Ladinien in der deutschen und italienischen LiteraturLiteratur

Im Dokument Geschichte der ladinischen Literatur (Seite 112-117)

Deutsche und italienische Autoren haben sich mit Ladinien und der ladini-schen Sprache und Kultur nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht beschäftigt, sondern haben diese Themen auch zum Gegenstand ihres literarischen Schaf-fens gewählt. Jene literarischen Werke, die in den Kriegs- und Nachkriegsjah-ren in Südtirol über Ladinien und die Ladiner geschrieben wurden, sind zum Großteil der Heimatliteratur zuzuordnen.112 Die deutschsprachigen Autoren dieses Genres hatten ein großes Interesse für die älteste Bevölkerung und Kul-tur des Landes und waren der Faszination und dem Geheimnis der bleichen Berge mit ihren Sagen und Mythen verfallen. In ihren Werken entwarfen sie ein Wunsch-Bild der Ladiner, das mit der Wirklichkeit jener Zeit nichts gemein hatte. Dieses Mythisierende und diese Idealisierung der ladinischen Welt weckte nach außen zwar das Interesse und die Sympathie für die Ladiner, für das Überleben der ladinischen Sprache und Kultur war sie jedoch nicht von Nutzen (vgl. Verra 1989b, 293). Als Reaktion auf die Theorien des Faschis-mus, für den das Ladinische nur ein italienischer Dialekt war, betonten Auto-ren wie Franz Tumler oder Hubert Mumelter die Archaizität des ladinischen

111 Giuseppe Munarini (* 12.7.1946 Padua), Studium der Romanischen Philologie an der Universität Cluj-Napoca, Unterricht als Mittelschulprofessor in Monselice (PD).

112 Wir klammern hier jene Autoren aus, die in ihren Werken Ladinien nur gestreift haben, ohne auf die Spra-che und Kultur näher einzugehen, wie etwa Hugo von Hofmannsthal, Andreas (Romanfragment, vgl. Heu-mann 1998), oder Carl Zuckmayer, Salwáre oder Die Magdalena von Bozen (1936), mit der ladinischen Kellnerin Mena.

Volkstums und seine kulturelle Wesensverwandtschaft mit den Deutschen. Die Schicksalsgemeinschaft der Ladiner und Deutschtiroler, die als Thema auch bei ladinischen Autoren vorkommt (→ Luis Trenker, → Angel Morlang), tritt mit der politischen Entspannung insbesondere nach 1972 in den Hintergrund;

hingegen ist das Bild des Ladiners als Erben der alpinen Urbevölkerung und Bewahrer von archaischen Traditionen aus der Urzeit nach wie vor in der Lite-ratur präsent.

Die nachfolgenden Autoren sind nach dem Erscheinen ihres „ladinischen“

Erstlingswerks angeordnet.

Maria Veronika Rubatscher (1900 – 1987)

Maria Veronika (Maria Notburga) Rubatscher wurde am 23. Januar 1900 als Tochter der Näherin Anna Gfasser aus Inzing im Inntal und des Postbeamten Zenzio Rubatscher aus La Val/Wengen in Hall in Tirol geboren. Nach dem Ablegen des Lehrerexamens in Zams unterrichtete sie in mehreren Ortschaf-ten in Nord- und Südtirol. 1928 unterrichtete sie an der Grundschule Welsch-nofen, als sie von den Faschisten entlassen wurde. Sie kam als Erzieherin nach Meran, Udine und Rom, bis sie schließlich Dominikus Moroder (Bera Mëine da Bruel) 1929 als Hauslehrerin seiner Kinder nach Gröden holte. Dort lernte sie den bekannten Grödner Maler und Bildhauer Josef Moroder-Lusenberg (1846 – 1939) kennen, die Titelperson ihres Romans Der Lusenberger. Roman eines Künstlerlebens (11930 München: Kösel & Pustet; 21980 Bozen: Athesia).

Es folgten die Altgrödner Geschichten (11935 Heilbronn: Salzer; 21981 Bozen:

Manfrini).113 Die religiös geprägten Werke handeln vom Mythos und Brauch-tum der Tiroler Bauernwelt und sind der katholischen völkisch-nationalen Blut-und-Boden-Dichtung zuzuordnen (vgl. Verra 1989b).

Zur Zeit der Option 1939 – 1940 trat Rubatscher als „Dableiberin“ für den Verbleib in Südtirol ein. Ab 1940 lebte sie zurückgezogen in Brixen, wo sie am 1. September 1987 starb (vgl. NL 1.3.1960, 1 – 2; NL 15.3.1960, 1 – 2; Usc 15.9.1987, 2; CdG 1988, 36 – 40).

Franz Tumler (1912 – 1998)

Franz (Ernest Aubert) Tumler wurde am 16. Jänner 1912 in Gries bei Bozen geboren. Nach dem frühen Tod seines aus Schlanders im Vinschgau stammen-den Vaters wuchs er bei der aus Wien stammenstammen-den Mutter in Lienz auf. Er besuchte die Lehrerbildungsanstalt und unterrichtete von 1930 bis 1938 an verschiedenen Volksschulen. 1938 quittierte er den Schuldienst und lebte als

113 Beide Werke wurden von Elsa Runggaldier ins Grödnerische übersetzt (Runggaldier E. 1992; 1981).

Die ersten fünf der Altgrödner Geschichten lehnen sich an historische Fakten und Anekdoten aus dem Le-ben von Matie Ploner an.

freier Schriftsteller in Altmünster und ab 1954 in Berlin. Dort gehörte er der Akademie der Künste an und war zeitweise auch deren Direktor. Er starb am 20. Oktober 1998 in Berlin (vgl. Arunda 1982 [Franz Tumler. Zum 70. Geburts-tag. Eine Anthologie]; MLad 7, 1983, 1 – 2 [Akten der Tagung Franz Tumler e i Ladins, gehalten am 22. März 1983 im ladinischen Kulturinstitut Majon di Fascegn]; Alto Adige 28.12.1985, 23).

Bereits in den 1930er-Jahren zählte Tumler zu den von den Nationalsozialisten besonders geförderten Autoren. Seine Werke erreichten bis zum Ende des Dritten Reiches eine Gesamtauflage von etwa 300.000 Exemplaren.

Mit seinem Erstlingswerk Das Tal von Lausa und Duron 1935114 wurde der damals 23-jährige mit einem Schlag bekannt. Gerade diese Erzählung weist im Œuvre Tumlers auch den stärksten Bezug zu den Ladinern und deren Sagenwelt auf.115

Zwei Jahre zuvor hatte Tumler mit den Werken → Altons und Wolffs die ladi-nischen Täler auf der Suche nach seinen eigenen Wurzeln durchwandert. Im Nachwort beschreibt er, wie seine Erzählung zustande kam: „Hier war ein Hauch, rätselhafter als Geschichte sonst, ein Sagenreich, man konnte zurück-gehen wie hinter eine Wand. Aus dem Gesehenen, Geahnten und aus der Fantasie stellte sich mir ein Bild vor. Es war mein erstes Bild der Welt der Ladiner. Aus ihm entstand dann diese Erzählung“ (Tumler 1986, 101).

Die Geschichte handelt von den Bewohnern eines vergessenen ladinischen Tales in den Dolomiten, dem Durontal im Fassatal. Wie ein Sturm bricht der Erste Weltkrieg über sie herein und sie geraten zwischen die Fronten der Österreicher und Italiener, die doch beide nicht ihr Volk sind und sein können.

Und wie so oft in der Sage ist es ein Geschwisterpaar, Anita und Leon, an dem sich das Schicksal beispielhaft erfüllt: der Bruder Leon, der das Tal den Italie-nern in die Hand spielen möchte, fällt; die Schwester Anita, die nach der Flucht in das verlassene und verwüstete Dorf zurückkehrt, stirbt, als sie wieder aufbricht, um nach ihrem Volk zu suchen (vgl. Tumler 1986, 2).116

Auch in Tumlers erstem Roman Der Ausführende aus dem Jahre 1937 finden wir Hinweise auf die ladinische Sagenwelt. Der Hauptprotagonist mit dem Namen Taraton verweist auf die Sage Taratà e Taraton bei → Jan Batista Alton und → Hugo de Rossi. Taraton in Der Ausführende arbeitet als Ingenieur einige Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges an der österreichisch-italieni-schen Grenze für einen Festungsbau auf dem Berg Fodom (Buchenstein) und endet im Wahnsinn (vgl. Roli 1983, 57).

114 Vgl. die Übersetzung ins Gadertalische La val de Lausa y Duron von Giuvani Pescollderungg in CL 2000, 44 – 72.

115 Vgl. auch Tumlers Sachtext Über die Ladiner. In: Akzente 8, 1961, 297 – 305.

116 Vgl. dazu die Operette Aneta von Fabio Chiocchetti.

Hubert Mumelter (1896 – 1981)

Hubert Mumelter wurde am 26. August 1896 in Bozen geboren. Er studierte Jura in Innsbruck und München und promovierte 1921. Nach einer mehrjähri-gen Tätigkeit als Rechtsanwalt arbeitete er ab 1927 als Skilehrer, Bergführer und freier Schriftsteller. Ab 1950 begann er auch zu malen. 1951 gründete Mumelter die Zeitschrift „Alpenpost“. Er starb am 24. September 1981 in sei-ner Wahlheimat St. Konstantin am Schlern und wurde in Völs begraben (vgl.

Wieser 2010).

Aus Mumelters umfangreichem literarischem Werk sei hier die Dolomiten-Legende (11948 Klagenfurt: Jörgl) erläutert, die sein Anliegen um den Bestand der ladinischen Welt beispielhaft darstellt.117 Mumelter war ein Anhänger und Verfechter der Idee einer rätischen Alpenrepublik. Das Thema der Erzählung kreist um das Schicksal des ladinischen Volkes und erinnert an Tumlers Das Tal von Lausa und Duron.

Es sind die Berge Ladiniens, die letztendlich das Schicksal von Wanna und ihren zwei Männern Tita Tamjon und Pierre Casàn bestimmen. Jener setzt sich für den Irredentismus ein, dieser – unter dem Einfluss von Morin, dem Vater Wannas – für die ladinische Eigenart: „Die Tradition aller urtümlichen Lebens-formen und aller Zusammengehörigkeit stamme aus diesem alle geschichtli-chen Mächte überdauernden Wesen, das gleichbedeutend mit dem Wesen und den Lebensgesetzen der Berge sei“ (Mumelter 1948, 15 – 16).

In „Der rätische Traum“ ließ Mumelter von den ladinischen Tälern den Traum ausgehen, dass alle Menschen friedlich vereint sind und zwar unabhängig von ihrer Sprache und ihrer Herkunft.

Franz Josef Noflaner (1904 – 1989)

Franz Josef Noflaner wurde am 9. September 1904 in Urtijëi/St. Ulrich gebo-ren. Seine Eltern waren Philipp Noflaner aus Villnöss (er kam mit 15 Jahren nach Gröden) und die Grödnerin Maria Hofer. Nach der Volksschule besuchte er ein Jahr die Fachschule und arbeitete zunächst als Schnitzer und Restaura-tor im Familienbetrieb. Doch ein Zerwürfnis mit dem Vater wegen seiner Neigung zur Literatur veranlasste ihn, als Handlanger und Maurer bei Baufir-men zu arbeiten, um sich nachts in das Studium der Literatur und in das Schreiben vertiefen zu können. In späteren Jahren begann Noflaner auch zu malen. Am 13. Mai 1989 starb er im Altersheim von Urtijëi/St. Ulrich.

117 Der Text wurde von Giuseppe Richebuono ins Italienische übersetzt und 1985 von Simone Somma-riva im Verlag Arcoboan-Film in Bozen herausgegeben. Von Mumelter stammt auch die 1981/1982 in Regens burg bei Pustet erschienene Dolomiten-Trilogie: 1. Die falsche Strasse (1934); 2. Schatten im Schnee (1940); 3. Und leise fällt der Schnee (1940), die die Auswirkungen des künftigen Massentourismus thema-tisiert.

Franz Josef Noflaner war der erste Ladiner, der versuchte, als Schriftsteller zu leben. Noflaner schrieb seine Literatur auf Deutsch und schickte bereits sehr früh, jedoch erfolglos, seine Manuskripte an Verlage. Auch im touristisch aus-gerichteten Dorf Urtijëi/St. Ulrich fand er so gut wie keine Anerkennung oder Unterstützung. Seine Gedichte sind durchdrungen von den Motiven Einsam-keit, Scheitern und Resignation. Sein umfangreicher dichterischer Nachlass liegt heute noch unbearbeitet in der Dokumentationsstelle für neuere Südtiro-ler Literatur in Bozen.118 Noflaners Werk hat zwar mittelbar mit Ladinien zu tun, doch im Zentrum steht der leidende Mensch. Seine vier gedruckten Bücher mit Lyrik und Prosa (1956: Gebundene Ähren; 1957: Kristall und Son-nenlicht (Gemischte Dichtungen); 1959/21984: Antennen wie Schwingungen…;

1960: Die gefräßige Straße. Einfaches, verzwicktes und vertracktes Schrifttum) veröffentlichte er unter größten finanziellen Entbehrungen im eigenen Zyklus-Verlag (vgl. Kristanell 1990, 4 – 10; Vallazza 2001, 43 – 75).

Maria Luise Maurer (1933 – 2010)

Maria Luise Zagler, verh. Maurer, wurde am 12. Jänner 1933 in Meran gebo-ren. Von 1952 bis 1975 war sie Lehrerin an deutschen und italienischen Volks- und Mittelschulen in Meran und Umgebung. Sie war mit Joseph Maurer ver-heiratet, hatte drei Töchter und lebte in Plars/Algund bei Meran (vgl. Maurer 1987, 6). Sie starb am 15. September 2010 in Dorf Tirol.

Maria Luise Maurer fühlte sich durch ihre Bekanntschaft mit → Max Tosi der ladinischen bzw. rätoromanischen Welt sehr verbunden und ließ etliche ihrer Gedichte und Erzählungen ins Ladinische übersetzen (1987: Dolasila. Cuntíes y rimes te set idioms ladins [Dolasila. Erzählungen und Gedichte in sieben ladi-nischen Idiomen], vgl. Usc 15.12.1989, 8; 19); 1990: Janmatî sënza daćiasa.

Românn [Heimatloser Janmatie. Roman], vgl. Usc 20.7.1990, 14). Die Prosaer-zählungen Maurers werden durch eine unrealistisch-idyllische Darstellung verklärt und werfen psychologisierend Probleme auf.

Brunamaria Dal Lago (1935)

Brunamaria Dal Lago, verh. Veneri, wurde am 19. Jänner 1935 in Bozen gebo-ren. Sie stammt väterlicherseits aus einer Fleimstaler Familie; ihre Vorfahren mütterlicherseits stammen aus allen Teilen der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie. Nach dem wissenschaftlichen Lyzeum in Bozen besuchte sie die Universität Bocconi in Mailand und schloss ihr Studium der modernen Sprachen in England ab. Gleichzeitig unterrichtete sie an der

Han-118 Im Sommer und Herbst 2012 fand eine Ausstellung zu seinem künstlerischen wie literarischen Gesamt-werk im Museum Ladin Ćiastel de Tor in San Martin de Tor/St. Martin in Thurn und im Kreis für Kunst und Kultur in Urtijëi/St. Ulrich statt.

delsober- und später an der Berufsschule in Bozen. Nach 30 Jahren Unter-richtstätigkeit ging sie 1980 in Pension. Sie war mit dem Architekten Roland Veneri verheiratet; das Paar hatte vier Kinder.

Als Kind hatte die contastories (Sagenerzählerin) Carlotta Berghena die Liebe zu den Dolomitensagen in ihr geweckt. Dal Lago hat zahlreiche Artikel, Essays sowie literarische Adaptationen aus der ladinischen Sagenwelt auf Itali-enisch veröffentlicht. Einige ihrer Texte wurden auch ins Ladinische übersetzt, etwa die Bildbeschreibungen zu den Fotos in Tera Ladina (Arunda 17, 1985) oder die Döes pices stories da Nadè. La speranza. Le pice vicel d’arjila (Zwei kleine Weihnachtsgeschichten. Die Hoffnung. Der kleine Vogel aus Lehm) in Gana 14 (2010) 48.

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