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TEIL 1: DIE 1860ER BIS 1950ER JAHRE: DIE UNTERSTÜTZUNG VON BEDÜRFTIGEN

5. Ausdifferenzierungen und Umstrukturierungen im Zuge der neuen

5.2. Koordinierende staatliche Sozialhilfe im Zeichen des Auf- und Ausbaus

In den kommenden Jahren nahmen das Jugend- und Fürsorgeamt, und damit sein Leiter, Heinrich Westmeyer, eine wesentliche Rolle in der Ausgestaltung staatlicher Sozialhilfe ein. Gleichzeitig ver-weisen interne Dokumentationen auf eine intensive Mitarbeit einzelner Mitarbeitenden bei der Er-arbeitung der, mitunter wegweisenden Berichte zuhanden der Regierung. Die Ausgestaltung der staatlichen Sozialhilfe nahm in ihrem Anspruch an Komplexität zu, was unter anderem zu einem fortwährenden personellen Ausbau führen sollte. Neben dem Um-, Auf- und Ausbau einzelner Dienste zählte dazu die Evaluation seit Jahren bestehender Desiderate. Westmeyer nutzte die Mög-lichkeit ausführlicher Berichte, eingebettet in Resultaten aus Erhebungen und Befragungen unter-schiedlicher Akteure, um daraus Argumentationsgrundlagen inklusive Handlungsvorschlägen ab-zuleiten, die Einfluss auf die Organisation und die Ausdifferenzierung der Sozialen Arbeit in Liech-tenstein haben sollten.21

Mit Blick auf die koordinierende Aufgabe trieb er, im Sinne seines Auftrags, einen institutio-nalisierten Austausch voran, der eine professionelle Arbeitsweise fördern sollte. Dazu gehörte auch die Betonung der interdisziplinären Zusammenarbeit, unter anderem durch wöchentliche Team-sitzungen, bei denen neue «Fälle» besprochen wurden. An diesen Besprechungen nahmen neben

15 Rechenschaftsbericht 1967, S. 107. In diesem Jahr wurde die Tuberkulose-Fürsorge in das Amt eingegliedert. Ebd.

Im Jahr 1966 findet sich kein Bericht zur Arbeit der Familienfürsorge oder des Jugend- und Fürsorgeamtes, was möglicherweise dieser Reorganisation geschuldet war.

16 LI LA RF 318/091: lose Blätter, Schreiben der Regierung des Fürstentums Liechtenstein an R.B. vom 09.01.1977, oder LI LA V 141/460: Amt für Soziale Dienste, Schaffung und Organisation eines sozial-medizinischen Dienstes beim Fürsorgeamt, Protokoll der Besprechung zwischen der F.L. Regierung und dem Liechtensteinischen Roten Kreuz vom 29.08.1968.

17 LI LA RF 318/091: lose Blätter, Ausschreibung der Stelle einer Verwaltungsangestellten bei der sozial- und prä-ventivmedizinischen Dienststelle vom 20. September 1977, und ebd., Fürsorgeamt – Aktenvermerk des Leiters des Jugend- und Fürsorgeamtes vom 8. Oktober 1974. Dieses Schreiben sandte er auch an die Fürstin Gina von Liech-tenstein. LI LA RF 312/091: Fürsorgeamt – Aktenvermerk des Leiters des Jugend- und Fürsorgeamtes vom 8. Ok-tober 1974.

18 Vgl. dazu: Westmeyer, 1969, S. 156–162; LI LA RF 318/091: J.G. – Zusatzausbildung als Gruppendynamiker, Res-sortantrag vom 07.10.1977; ebd., Schreiben der Regierung des Fürstentums Liechtenstein an W.K. vom 07.09.1977 (Teilnahme Symposium und Kurskosten).

19 Rechenschaftsbericht 1967, S. 107; LI LA RF 304/091: Schreiben des Liechtensteinischen Fürsorgeamtes/Jugend-amtes an die Dienststelle für Organisation und Personalwesen vom 07.10.1970.

20 LI LA V 141/396: Organisation Fürsorgeamt (1966–1970), Orientierungssitzung über die Aufgaben und Probleme des Jugend- und Fürsorgeamtes, Gründe der wirtschaftlichen und sozialen Hilfsbedürftigkeit in Liechtenstein, S. 1.

21 Das Mittel der Befragung oder Enquête war nicht neu, auch das LRK hatte diese Methode, z. B. bei seiner Befragung zur Situation in den Bürgerheimen 1954, verwendet. Für entsprechende Entwicklungen in der Schweiz vgl. Studer, 1998, S. 197, oder Gusset et al., 2021, S. 296–297.

dem Personal des Jugend- und Fürsorgeamtes zusätzlich Vertreter*innen der Säuglings- und Fami-lienfürsorge, des LRK und der Tuberkulosen-Fürsorge teil.22 Dabei bestanden Unterschiede in der Intensität der Zusammenarbeit, die im Jahresbericht als «dauernde Zusammenarbeit» mit der Fa-milienfürsorge des LRK und «informative Beziehungen» zum Liechtensteinischen Caritas-Verband, zum Invalidenverband, zu den Familienhilfen und der Gruppe der Anonymen Alkoholiker ausge-wiesen wurden.23 Auch mit den Psycholog*innen, Pädagog*innen, Ärzt*innen, Theologen aber auch den Oberinnen der Bürgerheime im Land suchte Westmeyer den Austausch.24

Bereits 1968 zeitigte die Arbeit des Jugend- und Fürsorgeamtes Folgen im Angebot. So über-nahm dieses bei der Familienhilfe, die seit 1956 in den einzelnen Gemeinden entstanden war, eine koordinierende Rolle und stellte dafür eine heilpädagogisch geschulte Familienfürsorgerin an.25 Die als Vereine organisierten Familienhilfen stellten im Krankheitsfall oder bei Wochenbetten zur Entlastung der «Hausfrau» eine «Pflegerin» bereit. Der erste Familienhilfeverein, der 1956 in Bal-zers gegründet worden war, finanzierte sich durch Mitgliederbeiträge, vor allem aber durch Spen-den. Bei der Gründung wurde eine Grundfinanzierung unter anderem von verschiedenen Kranken-kassen, aus Privatspenden und Beiträgen des LRK sowie aus dem internationalen Wappenbriefver-kauf erwirtschaftet.26 Das Angebot der Familienhilfe stiess auf eine grosse Nachfrage, weshalb im zweiten Jahr bereits eine zweite, vollamtliche Pflegerin verpflichtet wurde. Nach Anfragen aus dem gesamten Land wurde eine Vereinbarung für ausserkommunale Familienhilfe mit dem LRK getrof-fen. 1960 erfolgte die Gründung der Familienhilfe Eschen, drei Jahre später jene in Vaduz. Die «Pfle-gerin» aus Eschen wurde zur Ausbildung in die Hauspflegerinnenschule St. Elisabeth in Ibach im Kanton Schwyz geschickt, die Kosten wurden durch das LRK, die Gemeinde Eschen sowie das Land gemeinsam getragen.27

Bevor die Zusammenarbeit mit dem Jugend- und Fürsorgeamt vereinbart wurde, hatte auch hier das LRK mitgewirkt und die Koordination über die Gemeindegrenzen hinaus übernommen.

Analog zu den Vorbehalten bei der Übernahme des Fürsorgedienstes 1962 betonte das LRK auch hier die Freiwilligkeit der Familienhilfe, die keinerlei «Eingriffsfürsorge» beinhaltete, da die Unfrei-willigkeit mit der «Grundidee des Roten Kreuzes nicht vereinbar» sei.28 Trotz enger Zusammenar-beit wurde hier neuerlich ein Unbehagen der MitarZusammenar-beitenden des LRK vor dem Hintergrund des Spannungsfeldes zwischen Unterstützung und Zwang in der staatlichen Fürsorge sichtbar.

Eine weitere Aufgabenerweiterung erfolgte 1968 mit dem Aufbau des Sozialmedizinischen Dienstes. Die zuvor an das LRK delegierte «Trinkerfürsorge» erfuhr unter neuem Namen einen

er-22 Rechenschaftsbericht 1967, S. 107.

23 Ebd.

24 Westmeyer, 1969, S. 157; LI LA RF 300/091: Fürsorgeamt (1968), Protokoll der Sitzung betreffend die wirtschaft-liche Fürsorge der Bürgerheiminsassen gemäss Sozialhilfegesetz vom 10.12.1965 vom 30.01.1968.

25 Ebd., Liechtensteinisches Rotes Kreuz /Familienfürsorge – Übernahme durch das Fürsorgeamt, Ressortantrag vom 09.09.1968; LI LA V 141/396: Organisation Fürsorgeamt (1966-1970), Personelle Entwicklung im Jugend- und Fürsorgeamt, sowie beim Sozial-Medizinischen Dienst.

26 LI LA RF 277/445: Familienhilfe Balzers, Gründung und Div. (1957), Jahresbericht 1956.

27 LI LA RF 281/013: Familienhilfe Balzers, 2. Jahresbericht 1957; LI LA RF 287/486: Familienhilfe Vaduz – Gründung und Beitrag (1963); LI LA RF 285/157: Familienhilfe Eschen, Beitrag an Ausbildung Familienhelferin (1960), Schreiben der Familienhilfe Eschen an die Fürstliche Regierung vom 05.04.1960; ebd., Familienhilfe Eschen, Bei-trag an Ausbildung Familienhelferin (1960), Anweisung an die Landeskasse, 21.04.1960. Die Auszahlung ging an Pfr. Jenal. Die Kassiere waren Männer. Geleitet wurden die Vereine von Frauen. Vgl. auch LI LA V 141/396: Orga-nisation Fürsorgeamt (1966-1970), Personelle Entwicklung im Jugend- und Fürsorgeamt, sowie beim Sozial-Me-dizinischen Dienst. In den 1980er Jahren erfolgten nationale Kooperationen und Leistungsvereinbarungen sowie internationale Vernetzungen. LI LA RF 329/103: Internationaler Rat der Hauspflegedienste (IRHD) eventuell Mit-gliedschaft der Familienhilfsvereine (1982); LI LA RF 333/123: Familienhilfe – Vereinigung in den Gemeinden – Staatliche Förderung / Analyse der Finanzierung (1984), oder LI LA RF 336/043 Liechtensteinischer Krankenkas-senverband – Vertrag mit dem Verband Liechtensteinischer Familienhilfe- und Krankenpflegeorganisationen, Vaduz (1986).

28 LI LA RF 300/091: Fürsorgeamt (1968), Liechtensteinisches Rotes Kreuz /Familienfürsorge – Übernahme durch das Fürsorgeamt, Schreiben des Fürsorgeamtes an die Fürstliche Regierung vom 29.08.1968.

Loretta Seglias

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weiterten Anspruch und eine Überführung als Sonderfürsorgestelle in den staatlichen Aufgabenbe-reich.29 Die freiwillige Fachstelle sollte Menschen mit Alkoholproblematiken – vermehrt auch mit anderen Suchtproblematiken – betreuen, aber auch Unterstützung bieten für Menschen mit psychi-schen Problemen. Dem Gedanken der Subsidiarität folgend, versuchte die Regierung zunächst eine ausgelagerte Lösung zu finden, was 1967 an hohen Subventionsforderungen seitens des angefrag-ten LRK scheiterte.30 Die interdisziplinäre Zusammensetzung des Dienstes mit einem Sozialarbei-ter sowie je einer Person mit psychiatrischer und medizinischer (somatischer) Ausbildung ver-weist auf erste Ansätze einer ambulanten psychologisch-psychiatrischen Betreuung, wie sie an an-deren Orten ebenfalls im Aufbau begriffen war, und die 1973 in die Gründung der Genossenschaft für Sozialpsychiatrie münden sollte.31 Der 1969 angestellte Psychiater mit Niederlassung in Chur übernahm, in Ermangelung einer entsprechenden Fachperson, auch die Funktion eines Ehebera-ters und kam alle zwei Wochen nach Schaan. Gleichzeitig offenbarten sich der Kleinräumigkeit ge-schuldete Hemmschwellen in der Nutzung dieses Angebots. Als eine Liechtensteinerin für die Erle-digung administrativer Aufgaben angestellt wurde, stand die Befürchtung im Raum, dass, wenn eine «Bekannte» im Dienst arbeite, der zusätzlich im gut einsehbaren Postgebäude untergebracht sei, die Nutzung des Angebots erschwert würde.32

Die weitere Ausdifferenzierung fand zusehends nicht nur entlang bereits identifizierter Be-dürfnisse in einzelnen Lebensphasen statt, sondern vermehrt auch innerhalb derselben. Im päda-gogischen Bereich entstand ebenfalls 1968 ein erstes Schulungsangebot für Kinder und Jugendliche mit kognitiven und körperlichen Einschränkungen in Liechtenstein, dessen Geschäftsleitung zu-nächst beim Jugend- und Fürsorgeamt lag.33 Die 1969 gegründete Tagesstätte des Vereins für Heil-pädagogische Hilfe in Schaan, die 1979 zum HeilHeil-pädagogischen Zentrum (HPZ) umbenannt wurde,

29 Rechenschaftsbericht 1968, S. 115. Das Fürsorgeamt regte im Sinne des Subsidiaritätsprinzips unterschiedliche

«freie fürsorgerische Tätigkeiten» an und fertigte jeweils als Argumentationsgrundlage Berichte an, bei denen die Quantifizierung wichtig war, z. B. im Vorfeld zur Gründung des Sozial-Medizinischen Dienstes 1967. Rechen-schaftsbericht 1967, S. 108.

30 LI LA V 141/154: Amt für Soziale Dienste, Organisationskommission, Ueberblick über die Entwicklung des Sozial-Medizinischen Dienstes in Liechtenstein vom 28.04.1970.

31 Als Fürsorger wurden in der Folge der Jurist Joseph Jutzet angestellt sowie der Churer Psychiater Abraham Rosen, der alle zwei Wochen Sprechstunden anbot, verpflichtet. LI LA V 141/396: Organisation Fürsorgeamt (1966–

1970), Schreiben des Liechtensteinischen Fürsorgeamtes/Jugendamtes and die F.L. Regierung vom 06.11.1968.

Vgl. auch LI LA RF 304/091: Fürsorgeamt (1973), Kurzreferat Josef Jutzet an der Fürsorgekommissionstagung 1968: Vorstellung des Sozial-Medizinischen Dienstes, S. 6; ebd., Fürsorgeamt (1973), Referat von Herrn Dr. Rosen anlässlich der Fürsorgekommissionstagung in Vaduz vom 07.11.1969; Westmeyer, 1969, S. 158. Die Stelle eines Mediziners blieb vakant und wurde auch 1970 nicht explizit ausgewiesen. Ob ein Personalmangel dafür verant-wortlich war, wie dies in Liechtenstein allgemein ein Dauerthema darstellte (Brunhart et al. , 2019, S. 193), und im ambulanten und stationären psychiatrischen Kontext auch in der Schweiz immer wieder hervorgehoben wurde, oder ob der Amtsarzt diese Funktion übernahm, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt offen. LI LA V 141/396: Organisation Fürsorgeamt (1966–1970), Orientierungssitzung über die Aufgaben und Probleme des Jugend- und Fürsorgeam-tes sowie des Sozial-Medizinischen DiensFürsorgeam-tes am 01.07.1970, S. 5. Zur Rekrutierungsproblematik in Graubünden vgl. Gusset et al., 2021, S. 250–254, 318, 351, 368, 377. Der Fachärztemangel in Liechtenstein blieb auch später ein Thema. Als Rosen 1975 seine Anstellung nicht verlängerte, verhinderte das Votum des Chefarztes der Klinik Wald-haus in Chur, Gottlob Pflugfelder, dass eine dort angestellte Fachärztin seine Nachfolge übernahm. LI LA V 141/460: Amt für Soziale Dienste, Schaffung und Organisation eines sozial-medizinischen Dienstes beim Fürsor-geamt, Schreiben des Liechtensteinischen Fürsorgeamtes/Jugendamtes an die FL Regierung vom 07.05.1975. Spä-ter wurde der AmtsleiSpä-ter im Kanton St. Gallen fündig. Ebd. Ein Jahr späSpä-ter stand der Dienst jedoch wieder vor derselben Situation. Ebd., Aktenvermerk vom 03.03.1976. Vgl. auch LI LA RF 304/091: Fürsorgeamt (1973), Kurz-referat Josef Jutzet an der Fürsorgekommissionstagung 1968: Vorstellung des Sozial-Medizinischen Dienstes», S. 6, und Westmeyer, 1969, S. 158. Vgl. auch ebd., Referat von Herrn Dr. Rosen anlässlich der Fürsorgekommissionsta-gung in Vaduz vom 07.11.1969; LI LA V 141/460: Amt für Soziale Dienste, Schaffung und Organisation eines sozial-medizinischen Dienstes beim Fürsorgeamt; LI LA RF 318/091: Genossenschaft für sozial-psychiatrische Betreu-ung, Gründung: Organisation der Fürsorge im Fürstentum Liechtenstein. Information anlässlich der Vorsteherkon-ferenz vom 05.09.1973, S. 2; LI LA RF 340/091: Verein für betreutes Wohnen, Errichtung einer therapeutischen Wohngemeinschaft (1989).

32 LI LA V 141/460: Amt für Soziale Dienste, Schaffung und Organisation eines sozial-medizinischen Dienstes beim Fürsorgeamt, Schreiben des Liechtensteinischen Fürsorgeamtes/Jugendamtes an Abraham Rosen, Spezialarzt für Psychiatrie Chur vom 30.12.1969. Ein Phänomen, das auch in Graubünden zu entsprechenden räumlichen Lösun-gen im ambulanten psychiatrischen Angebot führte. Gusset et al., 2021, S. 333, 377.

33 Rechenschaftsbericht 1967, S. 108.

verfügte über ein interdisziplinäres Team von Heilpädagog*innen, Psycholog*innen, Physiothera-peut*innen und Logopäd*innen.34 Mit der Eröffnung der Tagesstätte konnten die aufgenommenen Kinder näher bei ihren Familien geschult werden, was die Chancen für den Verbleib in der Familie erhöhen und stationäre Aufenthalte im Ausland verringern sollte.35 Der Verein für Heilpädagogi-sche Hilfe richtete 1975 die erste beschützte Werkstätte in Vaduz ein, für die er ab 1977 eine staat-liche Defizitgarantie erhielt und die 1981 in einen Neubau in Schaan übersiedeln sollte.36 Damit entstanden in Liechtenstein erste Angebote in der Schulung, Ausbildung und Arbeit von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die nicht primär auf die Eingliederung in den ersten Arbeits-markt hinzielten.37

Auch mit Blick auf das Leben im Alter wurden zur selben Zeit Fragen aufgeworfen, die sich entlang festgestellter Lücken beim zunehmenden Anspruch an ein «würdiges» Leben im Alter be-wegten, aber auch unter dem Aspekt der Trennung zwischen einer «normalen» Alterung von einer Alterung mit besonderen Bedürfnissen verhandelt wurde. Dies führte einerseits zur bereits seit längerem angeregten Reorganisation der Bürgerheime und einer angestrebten Ausdifferenzierung in den einzelnen Häusern, insbesondere hinsichtlich einer sozial-psychiatrischen Betreuung. Ande-rerseits sollte der Bau von Altersheimen und ambulanten Angeboten im Land koordiniert werden, wofür 1971 die Stiftung für das Alter gegründet wurde. Der dabei forcierte Anspruch der Subsidia-rität sollte zur Herausforderung werden, auf die weiter unten ausführlicher einzugehen sein wird.

Die Ausdifferenzierung ermöglichte es, Personengruppen zu identifizieren, die mittels be-sonderer pädagogischer, medizinischer oder fürsorgerischer Massnahmen in ihrer Entwicklung oder Lebensführung unterstützt und so letztlich aus dem zentralen Aufgabenbereich der Sozialhilfe herausgelöst werden konnten. Damit blieben aber auch jene Personengruppen zurück, die dieser Ausdifferenzierung nicht standhielten, was die Gefahr, zusätzlich gesellschaftlich abgehängt zu werden, zumindest nicht schmälerte.

5.3. Die Reorganisation der Bürgerheime unter Vorzeichen neuer Betreuungsformen