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Kooperationen und Programme

Interkulturelle Kulturarbeit

II. Interkulturelle Kulturarbeit als strategische Aufgabe

2. Kooperationen und Programme

Eine wichtige Rolle im Bereich der interkulturellen Kulturarbeit spielen Städte-, Hochschul- und internationale Partnerschaften von Einrichtungen, Vereinen und Initiativen sowie die auswärtigen Kultureinrichtungen anderer Länder, die seit vielen Jahren ihre Vertretungen in Baden-Württemberg haben. Sie organisieren bilaterale Kulturveranstaltungen wie Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, Film-vor führungen oder Vorträge. Viele Länder unterhalten kulturelle Abteilungen in Botschaften und Konsulaten, die den interkulturellen Austausch fördern (siehe auch Teil III, Kapitel 17).

Auch Migrantenselbstorganisationen oder deutsch-ausländische Vereine sind wichtige Partner für Kultureinrichtungen, durch die eine breitere Zielgruppe er-reicht werden kann. So kooperiert das Deutsch-Türkische Forum Stuttgart seit vielen Jahren erfolgreich mit Kultureinrichtungen in den Bereichen Kabarett, Film, Literatur, Jazz- und Weltmusik. Das baut Zugangshemmnisse von Be -suchern mit Migrationshintergrund ab und macht das Stammpublikum dieser Einrichtungen mit der zeitgenössischen Kulturszene der Herkunftskulturen ver-traut. Die mehrsprachigen Programme sprechen unterschiedliche Besuchergrup-pen gleicher maßen an.

Vielerorts haben Stadtbüchereien durch die Zusammenarbeit mit Migrantenselbst-organisationen zweisprachige Lesungen mit ausländischen Autoren oder von Kin-derbüchern veranstaltet. Theatergruppen erschließen sich dank der Kooperation mit Migrantenselbstorganisationen neue Themen wie Zuwanderung und Heimat-suche (wie etwa das Theaterstück „Kehrwoche am Bosporus“ der

Bosporus-schwaben e. V.). Dem Staatstheater Stuttgart ist es durch die Arbeit mit Laien-schauspielern gelungen, die Themen Migration und Integration eindrucksvoll einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Das Theaterzugprojekt „Orient-Express“ zeigte ausländische Theaterproduktionen bei einem Festival im Stuttgar-ter Hafen, nachdem es zuvor bereits von Ankara über den Balkan nach Freiburg gezogen war. Die Einbeziehung von Migrantenselbstorganisationen bei der Ge-staltung von Konzepten und Maßnahmen ist nach diesen Erfahrungen für eine stärkere Inanspruchnahme klassischer Kulturangebote durch Migranten sinnvoll, da diese Kontakte zu Personen knüpfen können, die sonst nicht zur Zielgruppe traditioneller Kultureinrichtungen gehören.

Durch das Aufgreifen von Themen außerhalb des „klassischen Bildungskanons“

kann es Kultureinrichtungen gelingen, zusätzliche Anreize für Besucher zu schaf-fen. Interkulturelle Musikfestivals wie das SommerFestival der Kulturen in Stutt-gart, das Creole Weltmusikfestival oder das Tamburi Mundi Festival in Freiburg erfreuen sich großer Beliebtheit. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch die unterschiedlichen Medienprojekte, wie etwa von kommunalen Kinos, Museen und (Laien-)Chören und (Laien-)Orchestern.

3. Vernetzung

Eine Vernetzung von Akteuren und Aktivitäten interkultureller und transkulturel-ler Kulturarbeit findet auf der Ebene von interkulturellen und internationalen Kul-turvereinen seit vielen Jahren in besonderer Weise durch den Dachverband „Fo-rum der Kulturen“ in Stuttgart und ansatzweise auch in anderen Kommunen statt.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und Soziokulturellen Zen-tren Baden-Württemberg e. V. (LAKS) schenkt dem Aufgabenbereich interkultu-reller Kunst und Kultur seit einiger Zeit durch einrichtungsübergreifende Projekte verstärkte Aufmerksamkeit. Bereits im Oktober 2007 fand eine Landeskonferenz statt, die sich speziell der Stärkung der Interkulturarbeit und der Vernetzung wid-mete. In dem verabschiedeten Grundsatzpapier zur kulturellen Vielfalt in der Kul-turarbeit empfahl die LAKS dem Land die Einrichtung einer landesweiten und spartenübergreifenden Vernetzungsstelle. Auch die Empfehlungen des Kunstbei-rates der Landesregierung Baden-Württemberg enthalten an zentraler Stelle Über-legungen zu einer Anlaufstelle auf Landesebene, die als Ansprechpartner für in-ter- und transkulturelle Kulturarbeit fungiert. Die Arbeitsgemeinschaft der Kul-turämter im baden-württembergischen Städtetag hat ein Positionspapier „Kultu-relle und interkultu„Kultu-relle Vielfalt stärken“ erarbeitet, das am 13. Oktober 2009 vom Ausschuss für Schule, Kultur und Sport des Städtetags verabschiedet wurde und in dem ausdrücklich die Empfehlungen des Landeskunstbeirats zur „Verbes-serung der Partizipation von Migrantinnen und Migranten am kulturellen Leben in Baden-Württemberg“ unterstützt werden. Außerdem wird dem Land empfoh-len, eine „zentrale Ansprechstelle auf Landesebene einzurichten, die interkulturel-le Initiativen und Projekte vernetzt und einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch sowie fachliche Fortbildungen organisiert. Ein angemessenes Landesförderpro-gramm soll die Kommunen bei ihren Initiativen unterstützen.“

Konsens aller Positionen ist die Notwendigkeit einer initiierenden und fördernden Vernetzung auf Landesebene mit einer zentralen Anlaufstelle, die auf Grundlage der vielen interkulturellen Aktivitäten in den Kommunen landesweit steuernd, moderierend und qualifizierend tätig ist.

Insbesondere könnte diese zentrale Anlaufstelle

• eine breite Vernetzung interkultureller Initiativen und Projekte auf Landesebe-ne ermöglichen, interministeriell agieren und eiLandesebe-ne öffentliche Kommunikation der Arbeitsansätze und Fördermöglichkeiten aller mit dem Thema befassten Ministerien betreiben,

• für einen regelmäßigen Erfahrungstausch von Akteuren sorgen, der auch zur gemeinsamen Entwicklung von Konzepten und Leitlinien führt sowie Modell-projekte initiiert,

• neue Initiativen starten, um Zeichen und Impulse zu setzen, die auch einer brei-ten Öffentlichkeit deutlich machen, dass sich die Kulturpolitik des Landes Ba-den-Württemberg der Förderung kultureller Vielfalt verpflichtet sieht,

• Evaluations- und Forschungsprojekte anregen, um die Praxis interkultureller Kulturarbeit systematisch auszuwerten und den Austausch von Theorie und Praxis zu fördern,

• Basisinformationen über bisherige kommunale Anstrengungen im Bereich in-terkulturelle Kulturarbeit auf Landesebene erheben und

• bestehende Ausschreibungen, Preise, Förder- und Vergaberichtlinien des Lan-des und lanLan-desnaher Institutionen und Stiftungen untersuchen und gegebenen-falls im Hinblick darauf überarbeiten, ob sie den interkulturellen Realitäten Deutschlands gerecht werden und dessen kulturelle Vielfalt ausreichend be -rücksichtigen.

Das Land strebt die Einrichtung einer solchen zentralen Anlaufstelle und die Durchführung innovativer Projekte im Bereich interkultureller Kulturarbeit an.

4. Förderpolitik

Der hohe Anteil an Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte steht im deut -lichen Gegensatz zum Anteil der Kunst- und Kulturangebote mit einem Bezug zur Migrationswirklichkeit und zu den vielfältigen kulturellen Lebenswelten von Mi-grantinnen und Migranten. Solange sich die kulturelle Vielfalt der hier lebenden Menschen nicht in der kulturellen Vielfalt der Kulturangebote niederschlägt, ist eine spezifische Förderung interkultureller Kunst- und Kulturprojekte sinnvoll.

Anzustrebendes Ziel ist der Übergang in die Regelförderung, das heißt die inter-kulturelle Öffnung sämtlicher Kultureinrichtungen. Es geht nicht um eine Ni-schen förderung. Ziel ist die Verankerung interkultureller Grundsätze und inter-kultureller Kompetenz in den Grundlinien einer jeden Kulturinstitution und in den Förderrichtlinien einer jeden Sparte.

Bis dieses Ziel erreicht ist, bedarf es einer regelmäßig zu überprüfenden spezifi-schen Förderung von Interkultur. Dabei sollten die einzelnen Fördermaßnahmen stets differenziert und einzelfallbezogen sein. Das eigentliche Ziel darf nicht aus dem Auge verloren werden, nämlich das Erreichen einer umfassenden, gleichbe-rechtigten und selbstverständlichen Teilhabe von Menschen mit Migrationshinter-grund am kulturellen Leben.

Zentrale Bestandteile einer spezifischen Förderung interkultureller Kulturarbeit können sein:

• die Förderung von Projekten, die

– sich künstlerisch mit eigenen und/oder anderen kulturellen Hintergründen auseinandersetzen und dadurch den Reichtum kultureller Vielfalt erfahrbar machen

– zum interkulturellen Dialog und zum transkulturellen Austausch anregen – den vielfältigen kulturellen Ausdrucksformen unserer Gesellschaft eine

Plattform verleihen

– einen spürbaren Bezug haben zur Migrationswirklichkeit unseres Landes und unserer Städte

• die Förderung von strukturbildenden Maßnahmen. Dazu können gehören:

– das Sichtbarmachen kultureller Vielfalt durch geeignete Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und das Schaffen entsprechender kultureller Anlässe wie Festivals oder Themenreihen

– eine noch stärkere interkulturelle Öffnung von Kultureinrichtungen, nicht zuletzt auch durch finanzielle Anreize

– die Förderung von Kooperationen mit Migrantenselbstorganisationen und -initiativen

– die Vernetzung interkultureller Ansätze, Projekte und Initiativen

– die (Weiter-)Entwicklung des Diskurses über eine zeitgemäße Ausrichtung interkultureller Kulturarbeit

– das Ausloben von Preisen, die geeignet sind, kulturelle Vielfalt und kultu-relle Teilhabe zu stärken.

5. Interkulturelle Bildung