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Konsequenzen kindlicher Medienpraktiken für die Elternschaft

2 Kindermedienforschung

2.3 Medienhandeln im Kontext der Entwicklungspsychologie und Elternschaft

2.3.2 Konsequenzen kindlicher Medienpraktiken für die Elternschaft

drei prinzipielle Fragen gerichtet sein: erstens interessiert die Frage, wie Eltern dem Thema Kinder und Medien grundsätzlich gegenübertreten, zweitens wird als wesentlich erachtet, wie der Medienzugang für Kinder von den Eltern reguliert wird und drittens, wie kindliche Mediennutzung seitens der Erziehungspersonen begleitet wird.

Andreas Lange (2014) spricht von einem intensiven Spannungsverhältnis zwischen zwei modernen ethischen Prinzipien der Familienerziehung. Es besteht einerseits die Lebensregel, dem

„Hier und Jetzt“ im Leben der Kinder große Bedeutung beizumessen und so einen aufgeschlossenen Umgang mit einem eher selbstbestimmten kindlichen Medienkonsum zu leben.

In solchen Familien gewinnen Medien auch explizit zur Herstellung von Familienzeiten im Sinne des „Doing Family“ und der gemeinsam gelebten Entschleunigung des Alltags an Bedeutung, indem gemeinsam Medien passiv konsumiert werden und dann thematisch für familiären Austausch darüber benutzt werden. Dem gegenüber stehen Eltern, deren eingehendes Erziehungsziel eine gewissenhafte und gut durchdachte Förderung der kindlichen Kompetenzen

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und Qualifikationen ist, welche auf einer weit in die Zukunft reichenden Idee basiert, den Kindern eine gute Basis für hochgradige Ausbildungen, lukrative Arbeitsplätze und für die Entwicklung eines sozial kompetenten Individuums zu bieten. In dieser schwer in den Alltag zu integrierenden Idee von Erziehung in einem zeitlich und räumlich entgrenzten Arbeits- und Familienleben keimen in den Eltern „tiefgreifende emotionale Ambivalenzen, die in Schuld- und Versagensgefühlen münden können“ (Lange 2014, 491). Was den Medienkonsum betrifft, so werden diese Gefühle des Scheiterns durch die Verantwortungszuschreibung an die Eltern sowie die Expertenvorgaben von minimal begrenzten Tagesrationen verstärkt. Iren Schulz (2014) sieht im Handy aufgrund der vielfältigen Bedeutung im Familienalltag eine Sonderstellung im Zusammenhang mit anderen Medien. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Smartphone bedarf ihrer Darstellung nach umfassender Überlegungen für die Erziehungspersonen. Sie begründet eine mögliche, diesbezügliche Unsicherheit der Eltern darin,

„dass die heutige Elterngeneration zumeist noch nicht mit dem Mobiltelefon aufgewachsen ist und sich erst in deutlich höherem Alter als ihre Kinder mit digitalen Medien beschäftigt hat. Zudem erfordert der kompetente Umgang mit dem Mobiltelefon komplexe Erziehungspraktiken, die sich nicht auf inhaltliche oder zeitliche Regulierungen beschränken, wie dies beispielsweise bei stationären Medien wie dem Fernseher der Fall war“ (Schulz 2014, 425).

Prensky (2001) spricht in dieser Hinsicht gar von „Digital Natives“ versus „Digital Immigrants“ und vergleicht die Kluft zwischen den Haltungen der Generationen mit der sprachlichen Kluft zwischen einer muttersprachlich und fremdsprachlich gesprochenen gemeinsamen Sprache. Trotz aller Bemühungen, die Sprache der Digital Natives zu erlernen, bleibt – so Prensky – ein deutlich hörbarer Akzent, der die Brücke zwischen Natives und Immigrants „holprig“ erscheinen lässt:

„There are hundreds of examples of the digital immigrant accent. They include printing out your email (or having your secretary print it out for you – an even ‘thicker’ accent);

needing to print out a document written on the computer in order to edit it (rather than just editing on the screen); and bringing people physically into your office to see an interesting website (rather than just sending them the URL). I‘m sure you can think of one or two examples of your own without much effort. My own favorite example is the ‘Did you get my email?’ phone call. Those of us who are Digital Immigrants can, and should, laugh at ourselves and our ‚accent‘“ (Prensky 2001, 2).

Widmet man sich der Frage nach der regulativen Rolle der Eltern in Bezug auf kindlichen Medienkonsum, so stößt man auf die Studie von Kirwil (2009), in der die elterliche Auseinandersetzung mit der Internetnutzung untersucht wurde. Es handelt sich um einen Vergleich aus der Datenbasis von 18 Ländern aus dem Eurobarometer11, welcher zeigt, dass Eltern

11 Meinungsumfrage im Auftrag des Europäischen Parlaments

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im Allgemeinen einer sozialen Regulierung in Form von familiärem Austausch gegenüber einer technischen Bevormundung den Vorzug geben. Dabei variieren die kommunikativen Herangehensweisen je nach kulturellem Kontext – „so regulieren Eltern aus individualistischen Kulturen den Zugang zum Internet stärker als Eltern aus kollektivistischen Kulturen“12 (Lange 2014, 491). Vorliegende Master Thesis geht von der Annahme aus, dass die aus dieser Studie herausgearbeiteten Haltungen der Eltern bezüglich der Internetbegleitung auf die elterliche Haltung zur Begleitung von frühkindlicher Smartphonenutzung umgelegt werden können. Allen Diskussionen gemein scheint die Bedeutsamkeit und die Relevanz elterlicher Erziehungsstile und Verantwortung für das Zeitausmaß und die Inhalte des kindlichen Medienkonsums. Gemäß Lange zeigt sich eine „konstituierende Rolle familialer Begleitung für die Ausprägung unterschiedlicher Medienkindheiten, die nicht alleine auf den Faktor Soziale Schicht reduziert werden kann“ (Lange 2014, 492), wobei Bildung ein aussagekräftiger Vorhersagewert für die elterliche Mitbestimmung beim Thema Medienkonsum ist. Das Ausmaß an medienbegleitenden Interventionen ist bei hochgebildeten Eltern am ausgeprägtesten (De Almeide et al. 2012 zit. n. Lange 2014).

Abgesehen von einer regulierenden und disziplinierenden elterlichen Begleitung beschreibt Lange auch das für einen familiären Dialog notwendige authentische Interesse der Erziehungspersonen an den medialen Interessen der Kinder, um eine ständige Aushandlung der medialen Praktiken gemeinschaftlich ausführen zu können. Lange verweist in dieser Hinsicht auf den grundsätzlichen Trend, dass gegenwärtige Eltern in hohem Grad um die dialogische Miteinbeziehung der Kinder als ernstzunehmende Kommunikationspartner bemüht sind (Lange 2014, 495).

Zusammenfassend lässt sich darlegen, dass das Eindringen des Mobiltelefons in alle Bereiche der kindlichen Lebenswelt an komplexe Erziehungsüberlegungen appelliert, besonders weil die Erziehungspersonen als Hauptverantwortliche für die medialen Praktiken ihrer Kinder dargestellt werden und deren Handeln moralisiert wird. Die oftmals medial verbreitete – im übertragenen Sinn als Gegengift eingenommene – restriktive Haltung gegenüber dem kindlichen Medienkonsum wird gemäß Lange einer gesellschaftsdiagnostischen und familienwissenschaftlichen Sicht nicht gerecht:

„Die neuen Blicke auf Familie in der Familienwissenschaft plausibilisieren, dass das Medienhandeln von Kleinkindern in ihren Familien eingebettet ist in das alltäglicher Lebensführung und mit einem reinen Wirkungsmodell nicht zu erfassen ist“ (Lange 2007, 54).

12 In individualistischen Kulturen ist das Individuum im Mittelpunkt des Gedankensystems, in kollektivistischen Kulturen hat das Wohlbefinden der Gruppe oberste Priorität

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Allen hier in Erwägung gezogenen Studien und Diskussionen (Theunert 2007, Schulz 2014, Lange 2014, BLIKK 2018, miniKIM 2014, FIM 2014, LIFE CHild 2018) ist gemein, der elterlichen Medienkompetenz große Bedeutung für kindliches Medienhandeln beizumessen. Schulz weist darauf hin, dass zu diesem Bereich noch großer Forschungsbedarf besteht und stellt folgende Erkenntnis zur Diskussion:

„Um Zugang zu den mit digitalen Medien verbundenen Ressourcen zu haben und gleichzeitig den Risiken souverän zu begegnen, ist die Förderung von Medienkompetenz ein wichtiger Weg, um sowohl Kinder als auch Eltern und Lehrende in ihrem Medienhandeln zu bestärken“ (Schulz 2014, 426).

Anschließend an obiges Zitat soll nun im folgenden Kapitel auf die Bedeutung der Medienkompetenz der Erziehungspersonen eingegangen werden. Hierfür möchte ich eingangs die Ergebnisse der BLIKK-Studie (2018) zum medialen Informationsbedarf der Eltern auf Basis von Eigenangaben darstellen. Im Anschluss daran sollen Ergebnisse aus der Familienforschung zur nachhaltigen Bedeutung von familialen Überzeugungs- und Wissenssystemen für Erziehung und Bildung aufgezeigt werden.

2.3.3 Die Bedeutung der Medienkompetenz von Erziehungspersonen