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1.3.5 „Neuer“ Lehrplan

Stufe 3 Fächerübergreifend und handlungsorientiert

1.5 Das Konzept der Handlungskompetenz

1.5.2 Der Kompetenzbegriff nach REISCHMANN

1.5.2.3 Die zwei Seiten der Kompetenz

Die Kompetenz mit ihrer „inneren Seite“ wird als „hypothetisches Konstrukt“, als „Dispositi-on“ bezeichnet, weil man nur von außen erschließen kann, was sich im Inneren eines Han-delnden abspielt. Deshalb ist auch die Kompetenz nicht direkt beobachtbar, sondern nur ihre Wirkungen. Diese werden als Performanz bezeichnet. Erst durch die Performanz wird die Kompetenz als Disposition sichtbar, sofern der Beobachter die richtigen Rückschlüsse daraus zieht.

Der Kompetenzbegriff „Typ D-A“85 kann als Fortentwicklung des 1970 in den USA als

„Competency Based Education“ entwickelten Ansatzes gesehen werden, der die Frage in den Mittelpunkt stellte, was der Schüler am Ende des Unterrichts kann und nicht, was im Unter-richt zu behandeln ist.

REISCHMANN (2003, 81ff) veranschaulicht mit einigen präzisierenden Beispielen den de-skriptiv-analytischen Kompetenzbegriff (Typ D-A), der in Abb. 36 (86) dargestellt wird.

83 R = Reklame

84 vgl. REISCHMANN (2003, 89)

85 D-A = Deskriptiv-Analytisch

Abb. 36: Aspekte des Kompetenztyps D-A86

Die Positionen werden nachstehend erläutert:

Zu 1: Da sich eine Kompetenz nur über die Performanz erschließen lässt, muss eine Handlung analysiert werden. „Von Kompetenz lässt sich also erst nach oder nahe einer Handlung sprechen.“

Zu 2: Kompetenz meint eine „Klasse von Handlungen.“ Dabei geht es um „die Fähigkeit zum Generalisieren und Transferieren, zur flexiblen Anwendung, zur Anpassung an nicht exakt Prognostizierbares.“

Zu 3: Kompetenz hat mit Situationen zu tun, es geht also um die Fähigkeit, situa-tionsbedingt zu handeln.

Zu 4: „Damit würde der Begriff nicht nur ins Endlose zerfließen und damit päda-

86 Grafik erstellt nach dem Text von REISCHMANN (2003, 81ff.).

gogisch unbrauchbar werden, sondern auch jede Inkompetenz mit einschlie-ßen.“

Zu 5: Nicht jede Handlung kann als Kompetenz bezeichnet werden, sei sie auch noch so perfekt ausgeführt. Auszuschließen sind Handlungen, die zum Schaden der (Mit)Menschen führen.

Zu 6: Kompetenz zu beurteilen, erfordert eine stringente Vorgehensweise, die sich auf eindeutig formulierte Standards bezieht und am besten einer „kompeten-ten Professionsgruppe“ übertragen wird.

Zu 7: Oftmals wird einfaches Tun als Kompetenz bezeichnet. Bei wiederholten

„Eins-zu-eins-Anwendungen“ oder „linearen Wenn-Dann-Ketten“ spricht man von Fertigkeiten.

Zu 8: Kompetenz ist nicht die Summe einzelner Fertigkeiten, sondern zeigt sich

„im komplexen, verständnisvollen und bündigen Bezug mehrerer Elemente zueinander.“

Zu 9: Kompetenz stellt hohe Ansprüche an den Handelnden. Man erwartet von ihm Selbstständigkeit, Eigeninitiative und die Übernahme von Verantwor-tung.

Zu 10: Handlungsvorgänge kann man auch beschreiben, darüber reden, aber da-durch werden sie zu keiner Kompetenz. Nur das Ergebnis der Handlung, die Performanz, liefert den Hinweis auf eine vorhandene Kompetenz.

Zu 11: Handlungen, die ausgeführt werden, können auf Zufall beruhen und im Wie-derholungsfall misslingen. Erst dann, wenn der Handelnde seine Fähigkei-ten in anderen Situationen einsetzen kann, sind Anzeichen der KompeFähigkei-tenz vorhanden. Deshalb ist „Kompetenzorientierung .. damit mehr als Hand-lungsorientierung“.

Zu 12: Die beim Handeln gemachten Erfahrungen sind unerlässlich, dennoch ist mit „Kompetenzorientierung“ nicht das gleiche gemeint wie mit „Erfah-rungsorientierung“. Erfahrungen, die sich z.B. über negative Verhaltenswei-sen gefestigt haben, führen zu keiner in diesem Sinn gedeuteter Kompetenz.

Zu 13: Eine Kompetenz zeigt sich erst in der Performanz. Es ist naheliegend, auch den Nachweis der vorhandenen Kompetenz einzufordern und daraus resul-tiert die Notwendigkeit einer „Performanz-Orientierung“, denn nur durch sie kann die Attraktivität von Kompetenz verständlich gemacht werden.

Die angegebenen Beispiele über den Kompetenztyp D-A sollen erkennen lassen, „… dass beim Rekurrieren auf Kompetenz nicht jedes beliebige Handeln eingeschlossen ist, sondern dass bestimmte Qualitäten vorausgesetzt sind“ (REISCHMANN, 2003, 84).

Der Kompetenz Typ D-A findet Anknüpfungspunkte beim Konzept der „Competency Based Education“, dessen Wirkungsfeld sich nicht danach ausrichtet, welcher Lernstoff im Unter-richt zu behandeln ist, sondern was die Schüler nach der UnterUnter-richtsstunde können sollen.

Dadurch eröffnet sich in der Kompetenzdiskussion eine weitere Perspektive, weil der Kompe-tenz Typ D-A deskriptiv und analysierend arbeitet, aber für die Unterrichtsplanung in der Schule ein weiterer Typ notwendig wird. REISCHMANN (2003, 84) benutzt dazu den „Kom-petenz Typ UP“: „Hier werden Kom„Kom-petenz und ihre deskriptiv-analytisch herausgearbeiteten Charakteristika unter der Perspektive betrachtet, wie man einen entsprechenden Unterricht bzw. entsprechende Lernprozesse entwirft.“ Nach dem Verständnis von REISCHMANN be-steht dieses Kompetenzkonzept aus zwei Komponenten:

- Handlungskompetenz - Reflexionskompetenz.

Die Handlungskompetenz braucht man, um das neue Handeln anwenden zu können und die Reflexionskompetenz, um zu überprüfen „wann, wie und warum dieses Handeln angemessen ist.“

REISCHMANN (2003, 85f.) weist darauf hin, „den im Begriff ‚Handeln’ enthaltenen Begriff

‚Hand’ ernst zu nehmen.“ Wenn man nur mit dem Mund „handelt“, dann sollte man besser nicht mehr von „Handeln“ und damit von Kompetenz reden. In vielen Bereichen der Aus- und Weiterbildung gibt es Maßnahmen, die nur zum “Schein“ mit Kompetenzorientierung wer-ben, in Wirklichkeit aber nicht zutreffen.

Unter dieser Prämisse ist es für den kompetenzorientierten Ansatz, sowohl Typ D-A als auch UP notwendig, ein übergeordnetes Bewertungssystem einzusetzen. Dieses soll herausstellen, in welchen Zusammenhängen eine Kompetenzorientierung notwendig bzw. unerwünscht ist.

Zudem kann der Kompetenzansatz die Anforderung, welche Kompetenzen an welcher Stelle erforderlich sind, nicht erfüllen.

Das übergeordnete Beurteilungssystem hat aber zur Folge, dass an unterschiedlichen Stellen, je nach Beurteilungssystem verschiedene Ergebnisse auftreten können und werden. Durch entsprechende Maßnahmen (Gesetze, Verordnungen usw.) ist es möglich, Kompetenzen ein-zufordern. Sie können aber auch bildungstheoretisch angegangen werden. Daraus erschließt sich, in welchem Verhältnis das Kompetenzverständnis zum Bildungsbegriff steht.

„Kompe-tenz in diesem Verständnis ist um Dimensionen kleiner als der Bildungsbegriff, kann ihn kei-nesfalls ersetzen, ist vielmehr auf ihn angewiesen für die Grundsatzentscheidung, ob Kompe-tenz und welche KompeKompe-tenz in welchem Kontext angemessen ist oder nicht“ (REISCH-MANN, 2003, 86).

Die Fähigkeit eines Menschen, eine Tätigkeit auszuüben, nennt man Kompetenz. In diesem Sinne beschreiben die Kompetenzen die Voraussetzungen für das Handeln.

„Diese Beschreibung von Kompetenzen als Handlungsdispositionen, die ein einzelner Mensch mitbringt, könnte die Vermutung nahe legen, dass es sich hierbei um Persönlichkeits-merkmale oder allgemeine Fähigkeiten handelt, die der Einzelne hat oder eben nicht hat“

(HOF, 2002, 84). Das trifft aber nicht zu, ansonsten „.. wäre Kompetenz identisch mit Fähig-keit, und es bleibt unklar, warum ein neues Wort herangezogen wird.“

REISCHMANN (2003, 87) erkennt auch in der „‚Fähigkeit’ .. eine generelle innere Dispositi-on für Performanz, für Handeln.“ Allerdings „... liegt die BetDispositi-onung stärker auf der Beschrei-bung einer innerlichen Befindlichkeit, weniger auf dem tatsächlichen Umsetzungsakt in Han-deln. ‚Fähigkeit’ wäre dann der umfassende, ‚Kompetenz’ der engere Begriff.“

Aus diesen Überlegungen heraus ist für ihn die „… ‚Kompetenz’ kaum etwas anderes als eine aufgeblasene Version des Begriffs ‚Fähigkeit’“.

Das Vorhandensein einer äußeren Seite einer Kompetenz wird gestützt durch eine frühe Defi-nition, bei der unter Kompetenz die „Zuständigkeit, Befugnis; der gesetzliche Wirkungskreis einer öffentlichen Stelle, namentlich einer Behörde ...“ gemeint war (MEYERS KONVER-SATIONS-LEXIKON, 1888, 997). Damit wird einsichtig, dass der Handelnde auch einen Handlungsraum benötigt. Dieser wiederum ist gebunden an Befugnisse, Zuständigkeiten, Be-rechtigungen und Gelegenheiten. Hinzu kommen die materiellen Ausstattungen der Hand-lungsräume.

REISCHMANN (2003, 77) bringt mit der „äußeren“ Seite der Kompetenz eine ganz entschei-dende Variante bei seiner Definition ins Gespräch: „Kompetenz wird verstanden als reflek-tiertes Handlungsvermögen in einem beschreibbaren, handlungsermöglichenden Kontext, zu dem auch Zuständigkeit und Ressourcen als äußere Faktoren gehören.“

Seine Definition unterscheidet sich dadurch, dass das Handeln in einem „handlungsermög-lichenden Kontext“ stattfindet. Damit bezeichnet er die äußeren Faktoren, die nicht unmittel-bar mit den Fähigkeiten des Handelnden zusammenhängen, aber den Raum dafür bieten. Je-mand kann noch so kompetent sein, wenn ihm aber die Zuständigkeit, die Berechtigung und

vor allem der Raum und die Gegenstände dazu fehlen, kann eine Handlungskompetenz nicht angewandt werden.

Deshalb muss auch die Kompetenzbeschreibung derart erweitert werden, dass sie die „… ex-ternen Faktoren, die nichts mit den Fähigkeiten der Handelnden zu tun haben“ mit einbinden.

„Mangelnde Kompetenz, bestimmte Handlungen auszuführen, mag am schlichten Fehlen der notwendigen Ressourcen liegen, nicht an der Fähigkeit der Menschen.“ Damit grenzt sich Kompetenz von Fähigkeit deutlich ab, denn die innere Fähigkeit allein kann kein Handeln ermöglichen. „Ebenso notwendig ist ein äußerer Rahmen, der die Handlung erlaubt und die handlungsnotwendigen Ressourcen bereitstellt“ (REISCHMANN, 2003, 88).

Demnach bestimmen die äußeren Handlungsbedingungen und nicht die handelnde Person allein über eine Handlungsmöglichkeit.87

„Kompetenz hat nach diesen Überlegungen nicht nur eine ‚innere’ Seite (Fähigkeit der han-delnden Person), sondern auch eine ‚äußere’ (Zuständigkeit/Erlaubnis und Ressourcen) und umfasst Fähigkeit plus Zuständigkeit/Erlaubnis plus Ressourcen, also zugleich ‚innen’ und

‚außen’. Man könnte dieses Verständnis deshalb als Kompetenz Typ I+A etikettieren“

(REISCHMANN, 2003, 89).