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1.3.5 „Neuer“ Lehrplan

Stufe 3 Fächerübergreifend und handlungsorientiert

1.5 Das Konzept der Handlungskompetenz

1.5.2 Der Kompetenzbegriff nach REISCHMANN

1.5.2.5 Handlungsfähigkeit entwickeln

Die Fähigkeit zu handeln kann auf verschiedene Weise erworben werden, u.a. durch eigene Erfahrungen. Soll dagegen eine gezielte Maßnahme zur Förderung der Handlungsfähigkeit angesetzt werden, bedarf es einer Klärung der Zielfrage, welche Erwartungen hinsichtlich eines kompetenten Handelns zu erfüllen sind.

Die Überprüfung des Kompetenzbegriffes „Typ D-A“ auf seine Brauchbarkeit hinsichtlich der didaktischen Planung unternimmt REISCHMANN (2003, 91) mit der Kompetenz „Typ UP“.

89 Abbildung erstellt nach Text von REISCHMANN (2003, 90).

Kompetenzen haben mit Handlungen zu tun. Um die Handlungsfähigkeit zu entwickeln, muss man sich vorher im Klaren sein, „… welches Handeln als Ziel erwartet wird“ und „… ob Per-formanz und welche PerPer-formanz erzielt werden soll.“ Leider wird häufig von einer fehler-haften Erwartungshaltung ausgegangen, wenn „Wissen angeboten, Können erwartet wird.“

Wissen zu vermitteln kann nicht automatisch damit verknüpft werden, dass die Lernenden da-durch in ihrem praktischen Wirken verändert handeln. „Wissen reicht in vielen Fällen nicht aus, um Performanz zu erzielen“ (REISCHMANN, 2003, 92).

Mit der Didaktischen Reduktion verbindet sich das „Vorzeigbare“, das der Schüler nach ei-nem Lehr-Lern-Arrangement zeigen soll. „Beschrieben wird Handeln und welchen Standards es genügen muss“ und zwar exakt darauf bezogen, „… was die konkreten Lerner ‚morgen’ im Kontext ihrer Praxis ausführen müssen“ (REISCHMANN, 2003, 93).

Der Zielformulierung folgt die Entscheidung über die Umsetzung von geeigneten Lehr-, Lern-methoden. Für REISCHMANN (2003, 94) gilt folgendes methodisches Prinzip: „Soll der Ler-ner anschließend über eine Handlungskompetenz verfügen, dann muss er diese Handlungs-kompetenz … so oft und so lange zeigen, bis er hinreichende Sicherheit auch für die Ernstsi-tuation hat.“

Abb. 38: Gesamtanforderungen für eine sinnvolle Kompetenzentwicklung90

Die Transferwirkung steigert sich, wenn die Übung der Anwendung sehr ähnlich ist und wenn Anforderungen dieser Art in wechselnden Situationen gestellt werden.

90 Abbildung erstellt nach REISCHMANN (2003, 90).

Methodisch-didaktische Anregungen für kompetenzorientierte Maßnahmen nach REISCH-MANN (2003, 94ff.):

- Ein deutliches Signal für kompetenzorientiertes Lernen ist das Tun. „Hoch-springen lernt man durch Hoch„Hoch-springen, nicht durch Reden über Hochsprin-gen.“ Einschränkend gilt aber: „Nur mit Training allein kommt man auch nicht zur bestmöglichen Performanz. … Erklären und Einsehen bleiben un-verzichtbar.“

- „Je ähnlicher Übungs- und Anwendungssituation, desto höher der Transfer.“

Eine Verschmelzung von Theorie und Praxis ist unabdingbar.

- „Kognitive Instruktion und modellhaftes Beobachten reichen .. zur Verhal-tensänderung nicht aus. Nötig sind vielfaches Ausführen in wechselnden Situationen.“

- „Kompetenz heißt immer individuelle Kompetenz.“ Das bedeutet: „Jeder Lerner konstruiert sich von seinem individuellen Ausgangspunkt aus sein Lernen.“ Die Effizienz verlangt hier eine hohe Betreuungsrelation.91

- Kompetenz zu erwerben beschränkt sich nicht nur auf eine dafür vorberei-tende Maßnahme, sondern hat den Lernenden dauerhaft zu beschäftigen.

Der Schwerpunkt bei der didaktischen Rekonstruktion liegt beim Handeln und Erproben, auf

„operatorischem Üben“. Dennoch erfüllen Informationen, Erklärungen, Hinweise usw. wich-tige „Helferdienste“ für das kompetente und reflektierte Handeln. „Hierfür muss in der didak-tischen Analyse geklärt werden, wie viel und welches Wissen, Verstehen, Werten für die Fä-higkeit notwendig ist“ (REISCHMANN, 2003, 95).

Ein oft nicht berücksichtigter Faktor betrifft den Handelnden selber. Für manche bedeutet es ein unüberwindbares Hindernis, die Fähigkeiten auch im Ernstfall anzuwenden, weil es ein-fach am Selbstbewusstsein fehlt. Hier haben die Lehrer eine wichtige Aufgabe, den Schütz-ling zum notwendigen Maß an Selbstüberzeugtheit zu verhelfen.

„Dass jemand etwas weiß, versteht und kann, bedeutet noch nicht, dass er es auch anwendet.

Für kompetenzorientiertes Handeln ist zusätzlich notwendig, dass Lerner es sich selbst zutrau-en, das neue Verhalten in der Ernstsituation anzuwenden“ (REISCHMANN, 2003, 95).

Eine Fähigkeit ist nach REISCHMANN (2003, 96) Wissen und Verstehen und Können und Wollen und Selbstüberzeugtheit (vgl. Abb. 38, 92). Demnach sind Wissen und Verstehen ein Teil eines kompetenten Handelns. Ein erfolgreiches kompetenzorientiertes Lernen baut auf

91 Damit ist die Anzahl der Lehrer pro Klasse gemeint. Um hier effektiv zu sein, ist es entweder notwendig, eine ausreichende Anzahl an Lehrer/Trainer einzusetzen und die Gruppenstärke klein zu halten.

einer exakt formulierten Zielbeschreibung auf und erfordert ein realitätsnahes Üben und zwar, bis es beherrscht wird.

Durchaus problematisch kann sich der Übergang in die Praxis gestalten, wenn bei den Betrof-fenen ein Mangel an Selbstüberzeugtheit herrscht. Die Selbstüberzeugtheit als „selbstbe-wusste Überzeugung“ ist nicht jedem Menschen gegeben und bedarf unter Umständen einer motivationalen Unterstützung durch den Lehrer, Dozenten, Trainer. Auf jeden Fall sind über-zogene Ansprüche zu vermeiden.

Allen, die Verantwortung für kompetenzorientierte Maßnahmen übernehmen, muss klar sein, dass es für das Handeln nicht ausreicht, über Fähigkeiten92 zu verfügen. Es müssen auch der System-Kontext und die Ressourcen vorhanden sein.

Das Umsetzen einer Handlung kann daran scheitern, wenn z.B.

- ein „inneres Fähigkeitsdefizit“ vorliegt, - die eigene Bereitschaft fehlt,

- „äußere Hemmnisse“ vorhanden sind.93

Neben der formellen Erlaubnis (z.B. Berechtigungsnachweis, Zertifikat usw.) gibt es im Um-feld des Handelnden eine Vielzahl von Möglichkeiten, ihn zu verunsichern. Oftmals genügen kleine Anzeichen von Missachtung oder Spott, eine Handlung gar nicht durchzuführen oder sie nicht mehr anzuwenden. Die gleiche Wirkung kann auch durch die Zuständigkeit erreicht werden, wenn der Handelnde nur deshalb an einer Ausführung gehindert wird, weil ein ande-rer zuständig ist.

„Verändertes und damit unsicheres, noch nicht stabilisiertes neues Verhalten braucht am An-fang Erlaubnis, Schutz und Stütze“, fordert REISCHMANN (2003, 98).

Dass eine Handlung nur durchgeführt werden kann, wenn auch die dafür benötigten Ressour-cen vorhanden sind, ist einleuchtend. Daraus ergeben sich allerdings in manchen Situationen erhebliche Probleme, die sogar zum Scheitern der Handlungen führen.

Sehr deutliche Zusammenhänge sind auch im Berufsschulunterricht zu beobachten, da vor allem im technischen Sektor die Anschaffung von z.B. computergesteuerten Werkzeug-maschinen sehr kostspielig ist und diese deshalb an vielen Standorten oftmals gar nicht bzw.

in unzureichender Anzahl vorhanden sind.

92 Fähigkeit = Wissen, Verstehen, Können, Wollen und Selbstüberzeugtheit

93 vgl. REISCHMANN (2003, 97)

In solchen Situationen sind Schwierigkeiten unübersehbar. Auf der einen Seite verlangen die Lehrpläne der Berufsschulen handlungsorientierten Unterricht, andererseits fehlen die dafür notwendigen Ressourcen.

Abb. 39: Abgrenzung zwischen Kompetenz und Qualifikation94