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Die deutsche Projektgeschichte nach 1945

1.3.5 „Neuer“ Lehrplan

Teil 2: Projektunterricht an der gewerblichen Berufsschule 2.1 Grundlagen des Projektunterrichts

2.2 Historischer Rückblick des Projektunterrichts .1 Einführung .1 Einführung

2.2.5 Zur Geschichte der Projektmethode in Deutschland

2.2.5.3 Die deutsche Projektgeschichte nach 1945

der Schule, ließ Theateraufführungen, Schulfeste und Kunstwochen durchführen. Wichtig war ihm auch die jahrgangsübergreifende Zusammenarbeit, die Schülerselbstverwaltung und die Einbindung der Eltern.302

„Damit will er den Bildungsbedürfnissen einer demokratisch gesinnten Arbeiterschaft mit dem Ziel einer evolutionär sich entwickelnden sozialistischen Gesellschaft Rechnung tragen.

Die Schüler sollen durch kritische Rationalität und klassenbewusste Solidarität zur Mitarbeit an einer demokratisch-genossenschaftlichen Gesellschaft befähigt werden“ (EMER/LENZEN, 2005, 13).

KARSENS Parallelen zu DEWEY sind unübersehbar: Beide wollen die Schüler- und Gesell-schaftsinteressen der Gesellschaft weiterentwickeln.303

Wie weitreichend KARSENS Konzept schon selbstbewusst auf die Zukunft ausgelegt war, zeigt sich in seiner Vision, die er 1924 formulierte: „Es ist so, wie wir es theoretisch längst gewusst hatten: daß die Gesamtheit gemeinsame Aufgaben aus den natürlichen Bedürfnissen ihres Lebens entdecken muß, um in ihrer Lösung zur Gemeinschaft zu werden“ (KARSEN, 1924, 199).

ein Vertreter des Gesamtunterrichts im Sinne BERTHOLD OTTOS und JOHANNES KRETSCHMANNS, knüpfte wieder an „Vorhaben“ an, welchen Begriff er 1930 einführte.304 Mit seinem Zehn-Phasen-Modell unterstrich bereits SCHINDLER (1952, 326ff.) in seinem Konzept von Vorhaben und Werk die unverkennbare Nähe zum Projektunterricht, bei dem „...

der Schüler im Vorhaben das Werk als Ganzheit, als Vision vor sich haben muß, woraus die besondere Bildungskraft erwachse.“305

Die Diskussion über Vorhaben und Projekte nahm zu und immer öfter wurden beide auch verglichen. Die Meinungen waren geteilt, beispielhaft dazu HEINS (1952), der von großen Ähnlichkeiten sprach, während ODENBACH (1957) vorschlug, weiter am genaueren Vorha-bensbegriff festzuhalten, weil die Auffassungen über Projekte doch noch zu verschieden sei-nen.

Die Hessischen Bildungspläne für allgemeinbildende Schulen für Sozialkunde von 1956/57 enthielten erstmals echte deutsche Überlegungen zum Projektunterricht als eigenständiger Unterrichtsform, in dem die Zielsetzungen des Faches mit der Projektmethode abgestimmt wurden. Unter Bezugnahme auf die hessischen Bildungspläne veröffentlicht FRUHMANN (1956) einen Aufsatz, dessen Titel zum ersten Mal den Begriff „Projektmethode“ aufweist. In weiteren Veröffentlichungen verlor sich immer mehr der Bezug zu Vorhaben und Werk, le-diglich im Werk- und später im Arbeitslehreunterricht hält sich die Bezeichnung „Vorhaben“

länger. Eine „Zwischenposition“ versucht HÜBNER (1965) einzunehmen, der mit „Werkpro-jekt“ und „Werkvorhaben“ eine Begriffskombination erschafft.306

Ab Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts verzeichnet der Projektunterricht eine stetig steigende Veröffentlichungszahl.

Im Zeitraum 1968 bis 1974 heben sich zwei Entwicklungen des Projektlernens ab:

- „Projektstudium“

- „Projektunterricht“ bzw. „Projektorientierung der Schule“.307

International bildeten sich ab Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts Studentenbe-wegungen aus, in der Bundesrepublik richtete sich der Fokus der Studenten auf

- die beabsichtigte Grundgesetzänderung durch „Notstandsgesetze“, - die öffentliche Meinungsmanipulation durch Teile der Presse, - die autoritären Verhältnisse an Schulen und Hochschulen.308

304 vgl. HAHNE/SCHÄFFER (1997, 91)

305 vgl. HAHNE/SCHÄFFER (1997, 92, 99)

306 vgl. HAHNE/SCHÄFFER (1997, 92f.)

307 vgl. HAHNE/SCHÄFFER (1997, 93)

308 vgl. LAURITZEN (1984/85, 359)

Mit der Bildung einer Großen Koalition ab Dezember 1966 fehlte eine starke parlamentari-sche Opposition. Es entstand eine durch die „antiautoritäre“ Studentenschaft gestützte außer-parlamentarische Opposition, deren Aktion zunächst zu den ersten Streiks der Studenten führ-ten. Konstruktiv arbeitete man an Modellen, die verkrusteten Strukturen der Schulen und Hochschulen aufzulösen, wobei die Arbeitsweise schon als Lernen in sogenannten Projekt-gruppen bezeichnet werden kann. Die Forderungen drückten bereits wesentliche Elemente der Projektdiskussion der folgenden Jahre aus:

- „Selbstorganisation in Lerngruppen statt eines vereinzelten und entfremde-ten, auf die Autoritätsperson des Lehrenden fixierten Arbeitens;“

- „forschendes statt rezeptives Lernen;“

- „wechselseitiger Bezug von Theorieaneignung und gesellschaftlicher Praxis außerhalb der Uni.“309

Über die Bundesassistentenkonferenz (1970) wurden diese Entwürfe zu wesentlichen Be-standteilen der Forderungen nach einer umfassenden Hochschulreform. Das Projektstudium als gefordertes Element der Hochschulausbildung kam an einzelnen, neu gegründeten Univer-sitäten zum Einsatz, lediglich aber nur parallel zu den traditionellen Unterrichtsformen.310 Ähnlich dem Projektstudium ging die Initiative nach Veränderungen der Lernprozesse und der Organisationsstrukturen in Bildungseinrichtungen ursprünglich von den Lernenden aus.

Das „Aktionszentrum Unabhängiger und Sozialistischer Schüler“ (1968, 56f.) verlangte fol-gende Veränderungen:

1. Pflichtfächer müssen eingeschränkt werden.

2. Unterricht wird polytechnisch aufgebaut.

3. Jahrgangsklassen werden durch ein Projektsystem ersetzt.311

Die Forderungen ließen sich erst unter Einbezug von Lehrern, Bildungsplanern, Curriculum-forschern etc. und dem völligen Verzicht auf eine neue Organisationsstruktur in den Schulen durchsetzen. Das führte zur Ablösung der traditionellen Lehrpläne und zur „... Erarbeitung von modellhaften Bausteinen statt von geschlossenen Vorschriften ...“. Lehrer wurden in die-sen Prozess eingebunden.312

Überaus reformwillig zeigte sich die Gesamtschule. Obwohl sie als ein „Schultyp mit Modell-versuchscharakter“ zahlenmäßig nur eine Minderheit darstellte, übertraf sie alle anderen Schularten deutlich an Veröffentlichungen über den Projektunterricht. HAHNE/SCHÄFER

309 vgl. HAHNE/SCHÄFFER (1997, 93f.)

310 vgl. HAHNE/SCHÄFFER (1997, 94)

311 vgl. HAHNE/SCHÄFFER (1997, 94)

312 vgl. HAHNE/SCHÄFFER (1997, 94f.)

(1997, 95) leiten daraus die These ab, „... daß Lernen in Projekten eine Affinität zu Reform-vorhaben im Bildungsbereich hat ...“.

Übertragen auf die Unterrichtsfächer stiegen in den Jahren 1968-1970 die Publikationen zur Arbeitslehre (das frühere Fach Werken) überproportional an. Es folgten danach Diskussionen und Berichte über fächerübergreifende Projekte und auch über solche in anderen Fächern (z.B. Deutsch, Kunst). Es ist nicht zu übersehen, dass in den ihre traditionelle Didaktik in Frage stellenden Fächern Unterrichtsreformen leichter umsetzbar waren.313

Geschmälert wurden die scheinbaren Zuwendungen in Richtung Projektunterricht durch die Entartung des Begriffs „Projekt“ zum Modewort. Veröffentlichungen beweisen, dass man viele Unterrichtsinhalte mit Projekt titulierte, obwohl sie selbst im Ansatz diese Bezeichnung nicht verdienten.

Daraus resultierte die scheinbare Notwendigkeit, Reduktionsformen zu bilden, damit zwi-schen dem echten Projektunterricht und einem der nicht alle Merkmale erfüllenden „projekt-orientierten Unterricht“ unterschieden werden konnte. Diese Vorgehensweise war ein Trug-schluss, denn diese Unterscheidung scheiterte bzw. scheitert noch immer, weil es keine Über-einstimmung über Merkmale des Projektunterrichts gibt. Beide Begriffe werden oft gleich-wertig benutzt.314

Projektunterricht ist auf dem besten Weg, sich in allen Schularten zu etablieren. Vielfach un-terstützende Funktionen üben die dabei sich deutlicher zugunsten des Projektlernens ausspre-chenden Hinweise in den Lehrplänen aus. Erfreulich lässt sich registrieren, dass neben der schulischen und hochschulischen Verbreitung auch in der beruflichen Aus- und Weiterbil-dung immer stärker Projektarbeit miteinbezogen wird.

HAHNE/SCHÄFER (1997, 96f.) beobachten Hinweise z.B. in Veröffentlichungen auf die Konsolidierung des Projektunterrichts. Themenbereiche beschäftigen sich dabei mit

- der Projektgeschichte,

- der Abgrenzung zu anderen Unterrichtsformen, - theoretischen Einführungen,

- der Verbindung von Merkmalen und Phasen mit Praxisbeispielen, - Projektunterricht in einzelnen Fächern,

- der Erschließung neuer Lernbereiche und Fächer, - Durchführungsanleitungen,

- der Berücksichtigung des Projektunterrichts in Lehrplänen,

313 vgl. HAHNE/SCHÄFFER (1997, 95)

314 vgl. HAHNE/SCHÄFER (1997, 95)

- Projektwochen,

- empirischen Auswertungen.

BERNHARD SUIN DE BOUTEMARD (1939-2007)

Wie bei den meisten Projektautoren war auch bei BERNHARD SUIN DE BOUTEMARD die Unzufriedenheit mit dem Schulsystem der Anlass, sich mit Projektunterricht zu beschäftigen.

In seiner „institutionstheoretischen Perspektive der Defizitanalyse“315 führt er soziohistorisch die Krise der Schule auf das „… Auseinanderfallen von Handeln und Interpretieren, von Le-ben und Denken, von Arbeit planen und Arbeit ausführen“ zurück. Die Gründe dafür sieht er in der „… Verdinglichung von Gesellschaft begründet, die die Dialektik und die Kontingen-zen von Handeln und Wissen außer Kraft setzt“, und als Lösung „… muß auch der schulische Unterricht auf der elementaren Ebene der Ausbildung von persongebundener sozialer Hand-lungsperformanzkapazität ansetzen“ (SUIN DE BOUTEMARD, 1975, 234f.).

Die Schule der Zukunft „… wird zum Ausgangspunkt gemeinsamer, absichtsvoller Expeditio-nen in die Wirklichkeit und zum Ort der Bearbeitung und Erweiterung von Handlungserfah-rung“ (SUIN DE BOUTEMARD, 1973, 7).

Projektpädagogen verknüpfen üblicherweise den Einsatz der Projektmethode mit dem Erwerb von Handlungskompetenz. Anders SUIN DE BOUTEMARD: Für ihn geht es einerseits um die Entwicklung sozialer Handlungsperformanz und andererseits um die gesellschaftliche Systemänderung. Dennoch unterscheidet sich seine Absicht letztendlich nicht wesentlich von den übrigen „Projektkonstrukteuren“, denn die Performanz ist eine Wirkung der Handlung und damit muss jemand, der Performanz untersucht, zwangsläufig auch die Handlungskom-petenz miteinbeziehen. Dass sich dadurch auch Auswirkungen auf die Gesellschaft ergeben, ist ebenso schlüssig und keine grundlegend abweichende Forderung.

Für die Veränderungen, die vom Projektunterricht ausgehen werden, ist eine entsprechende Unterrichtsdidaktik und Unterrichtsmethodik nötig und diese findet SUIN DE BOUTEMARD im Projektunterricht in Anlehnung an DEWEY und KILPATRICK. „Projektunterricht ist Di-daktik und Methodik einer gewaltfreien Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Und wahrscheinlich ist das der tiefere Grund dafür, warum gegenwärtig wieder so starkes Interesse an Projekten, Projektstudium und Projektunterricht besteht und der Projektbegriff eine solche Faszination ausübt“ (SUIN DE BOUTEMARD, 1973, 55).

Abb. 59 (181) versucht SUIN DE BOUTEMARDS Projektkonzept darzustellen. Dazu be-nennt er drei Grundformen:

315 Kapitel 1, §58 in seiner Dissertation (1975, 234f.)

- Informations-, - Problem-,

- Projektunterricht.

Die bedeutsamste Unterrichtsform ist dabei für ihn der Projektunterricht, weil er im Gegen-satz zu den beiden anderen Formen über die sekundäre Wissensvermittlung hinausgeht und Primärerfahrungen mit Interaktionsanteilen beinhaltet.

Abb. 59: Projektkonzept von SUIN DE BOUTEMARD316

316 Grafik erstellt nach dem Text von SUIN DE BOUTEMARD 1973 (16, 59, 48-49, 62-63, 109-111,); APEL/

KNOLL (2001, 47ff.).

Der Projektunterricht generiert, interpretiert und implementiert Primärerfahrungen und stellt damit für SUIN DE BOUTEMARD die höchste Form des Unterrichts dar. Für die Auseinan-dersetzung mit der schulischen und außerschulischen Umwelt spricht er von interdependenten Grundtypen: Während der Kurs für die Expedition eine vorbereitende und begleitende Funk-tion aufweist, sammeln die Schüler bei ihrem „Ausflug“ in die außerschulische Umwelt Er-fahrungen, die anschließend im Klassenzimmer verarbeitet, d.h. abstrahiert, klassifiziert, imp-lementiert werden.

Die Aktion beabsichtigt von Anfang an, bei ihrer Auseinandersetzung mit der Umwelt Ein-fluss auf sie auszuüben. Damit obliegt den Schülern eine wichtige Handlungskonsequenz, die ihnen sofort zuteil wird und nicht erst bei späteren Situationen evtl. auftreten kann: Die mit der Konfrontation mit der Umwelt gesammelten Erfahrungen können mit der Aktion sofort zur Verbesserung der Umwelt eingesetzt werden.

SUIN DE BOUTEMARDS Projekttypologie geht von fünf aktionistischen Modellen aus:

- Sensomotorisches Projekt, - Funktionsprojekt,

- Zweckgerichtetes Projekt, - Rollenprojekt,

- Gruppenprojekt.

Methodisch umfasst seine Projektstruktur sieben Elemente: Thematisieren, Problematisieren, Regelbilden, Entscheiden, Planen, Simulieren, Erproben.

Zwei besondere Merkmale heben sich von herkömmlichen Verlaufsmerkmalen deutlich von den Vorgängern ab: Zum einen werden je nach Bedarf sogenannte „Scharniersitzungen“ anbe-raumt, um organisatorische und inhaltliche Probleme zu klären, und zum anderen die „Absi-cherung“ beider „Parteien“ (Schüler und Lehrer) über die gemeinsam zu behandelnden Lern-inhalte mittels „Projektvertrag“.

KARL FREY (1946-2005) Die Projektmethode nach FREY

Die Wunschvorstellung von KARL FREY (1998, 9), „... daß Bildung selbstorganisiert, leben-dig, ohne allzu viel Druck und mit Freude möglich sein muß“, ist sicherlich ein großer Traum vieler pädagogisch tätiger Menschen.

Eine einfache Umschreibung

Ein Projekt findet dann statt, wenn sich eine Gruppe von Lernenden meist über mehrere, mög-lichst zusammenhängende Stunden zusammenfindet, aus einer Idee heraus eine Arbeit plant und diese dann selber ausführt. Das Projekt umfasst normalerweise mehrere Fächer und endet meistens mit einem sichtbaren Produkt.317

FREY spricht davon, dass die Projektmethode ein „Weg zur Bildung“ ist. „Sie ist eine Form der lernenden Betätigung, die bildend wirkt. Entscheidend dabei ist, daß sich die Lernenden ein Betätigungsgebiet vornehmen, sich darin über die geplanten Betätigungen verständigen, das Betätigungsgebiet entwickeln und die dann folgenden verstärkten Aktivitäten im Betäti-gungsgebiet zu einem sinnvollen Ende führen. Oft entsteht ein vorzeigbares Produkt“ (FREY, 1998, 14). Abb. 60 (184) zeigt eine Zusammenstellung von Merkmalen, die FREY zur Be-schreibung der Projektmethode benutzt.

Das Grundmuster der Projektmethode

Die Projektmethode betont die Eigenständigkeit. Sie ist eine Möglichkeit, die Realität lernend zu begreifen und umgekehrt auch die Wirklichkeit für Lernprozesse zu nutzen.

Das Grundmuster eines Projektverlaufes gliedert sich nach FREY (1998, 74 ff.) in sieben Komponenten:

1. Projektinitiative 2. Projektskizze 3. Projektplan

4. Projektdurchführung 5. Beendigung des Projektes 6. Fixpunkte

7. Metainteraktion (vgl. Abb. 61, 186).

317 vgl. FREY (1998, 12)

Abb. 60: Merkmale des Projektunterrichts als Unterschiede zu anderen Lernmethoden318

318 Grafik erstellt nach dem Text von FREY (1998, 16f.)

Projektinitiative

Hier geht es um Ideen, Angebote, mit denen sich die Teilnehmer beschäftigen wollen. Jeder kann Vorschläge machen. Allerdings wird damit noch nicht geklärt, ob daraus tatsächlich ein Projekt entsteht. Das entscheidet sich erst in der nächsten Komponente.

FREY unterscheidet zwei Merkmale:

i Es herrscht eine „offene Ausgangssituation“, weil sich die Teilnehmer erst noch dar-über klar werden müssen, wie sie mit der Projektinitiative umgehen.

i Die Projektinitiative ist noch „ohne Bildungswert“, da alle gesammelten Gegenstände und Ereignisse Projektinitiative sein können. Sie wird erst dann dem Anspruch „Bil-dung“ gerecht, wenn sich die Teilnehmer dazu entschließen, eine Projektskizze und einen Projektplan zu erstellen.

Auseinandersetzung mit der Projektinitiative in einem vorher vereinbarten Rahmen (Ergebnis

= Projektskizze)

Zwei Elemente sind hier wesentlich:

i Es wird ein „Rahmen für die Auseinandersetzung“ mit der Projektinitiative abgesteckt.

Es kann sich dabei um ein Zeitlimit handeln, es können auch „Spielregeln für die Aus-einandersetzung“ vorgegeben werden.

i Die eigentliche Auseinandersetzung mit der Projektinitiative: Da wird abgewogen, was zu realisieren ist und was nicht. Dabei spielt in der Vorgehensweise der soziale Aspekt eine wichtige Rolle.

Am Ende dieser Phase steht entweder die Projektskizze, die in die nächste Phase weiterleitet, oder aber die Entscheidung für den Abbruch der Arbeit steht an.

Gemeinsame Entwicklung des Betätigungsgebietes (Ergebnis = Projektplan)

Nun erstellen die Teilnehmer den Projektplan, indem sie konkret festlegen, was zu tun ist.

Nicht realisierbare Lösungen werden ausgegrenzt. Ein Zeitkontingent ist zu berücksichtigen.

Zudem sollen die Gruppen hier bestimmen, welche Aufgaben auf welche Teilnehmer zu-kommen. Dabei gestalten sich auch die bildungsbedeutsamen Punkte.

(Verstärkte) Aktivitäten im Betätigungsgebiet/Projektdurchführung

Hier handelt es sich um die Umsetzung der Planung. Es ist nicht notwendig, dass alle Teil-nehmer auch alle Tätigkeiten ausführen und nicht alles muss in Gemeinschaft getan werden.

Eine Arbeitsteilung ist sinnvoll, wenn unterschiedliche Fähigkeiten der Projektteilnehmer vorliegen.

Abschluss des Projektes

Die Beendigung des Projektes kann nach einer von drei Varianten erfolgen:

i Bewusster Abschluss: Im Mittelpunkt steht meistens ein Produkt. Das Ergebnis wird veröffentlicht.

i Rückkoppelung zur Projektinitiative: Es geht um einen Vergleich zwischen Endstand und Anfang.

i Das Projekt läuft aus: Meistens wurden hier Tätigkeiten erlernt, die z.B. für den Alltag nützlich sind und nahtlos umgesetzt werden können.

Abb. 61: Grundmuster der Projektmethode.319

Fixpunkte

Fixpunkte und Metainteraktion treten je nach Bedarf im Laufe des Projektes auf. „Der Fix-punkt ist das Mittel gegen blin-de Betriebsamkeit, Orientie-rungslosigkeit und fehlender Abstimmung zwischen Einzel-nen und Teilgruppen. Der Fix-punkt dient als organisatorische Schaltstelle. Er wird bei Bedarf eingeschoben. Da die Projekt-methode auf der einen Seite informelle, sich allmählich entwickelnde Aktivitäten an-regt, muss sie auf der anderen Seite Hilfen zur Stabilisierung vorsehen“ (FREY, 1998, 85).

Metainteraktion

Metainteraktion heißt im Sinne von FREY, während der Pro-jektarbeit bewusst eine Pause einzulegen um Beziehungs-probleme aufzuarbeiten.

319 Quelle: FREY (1998, 77)

Entscheidend ist dabei, aus einer gewissen Distanz zum eigenen Tun zu agieren. Die Metain-teraktion macht aus „einfachem Tun bildendes Tun“ (FREY, 1998, 85).

Wichtig ist dabei zu beachten, dass mit der Darstellung der sieben Komponenten nur Orientie-rungshilfe gegeben wird und nicht ein verbindliches Schema. Die Projektmethode ist eine offene Lernform und deshalb kann auch kein Ablaufschema entscheidend sein. Außerdem kann eine bestimmte Schrittfolge des Tuns noch keine Bildung erzeugen.320

Die Projektmethode ist keine beliebig einsetzbare Lehrtechnik. „Sie benötigt eine gewisse pädagogische Umgebung, sozusagen ein pädagogisches Ambiente“ (FREY, 1998, 40).

Nur dann, wenn in einem Projekt alle Komponenten in ausgeprägter Weise vorkommen, spre-chen Projektteilnehmer gerne von der „Hochform eines Projektes“.321

DAGMAR HÄNSEL

DAGMAR HÄNSEL (1986, 16) konfrontiert den Projektunterricht mit zwei Behauptungen, nämlich

- „… daß die aktuelle pädagogische Auseinandersetzung mit dem Projektun-terricht in eine Sackgasse geraten ist, …“,

- „… daß Dewey die umfassendste und praktisch folgenreichste Antwort auf die Frage, was Projektunterricht ist, gegeben hat und daß die Pädagogik hinter diese Antwort nicht wieder zurückfallen darf.“

Ihre Erfahrungen bis zur Thesenbildung lesen sich so: „Die Durchsicht der einschlägigen Li-teratur gestaltete sich für mich ziemlich enttäuschend. Die Antworten, die ich dort auf die Frage ‚Was ist Projektunterricht?’ fand, erschienen mir merkwürdig blaß und unbefriedigend und für meine praktische Absicht eher unzureichend. Ganz anders erging es mir, als ich Kil-patricks und v. Hentigs Definitionen von Projektunterricht las. In diesen Definitionen als

‚planvollem Handeln aus ganzem Herzen’ (Kilpatrick) und als ‚vorausgeworfenem Wagnis’

(v. Hentig) fand ich meine eigenen Erfahrungen schlagartig auf den Punkt gebracht (vgl. Kil-patrick 1918, S. 162, v. Hentig 1973, S. 28). KilKil-patricks Texte führten mich zu Dewey, und hier erreicht meine Begeisterung ihren Höhepunkt“ (HÄNSEL, 1986, 16).

DAGMAR HÄNSEL hat DEWEYS Werk „Demokratie und Erziehung“ „... wie kaum ein anderer pädagogischer Text zuvor fasziniert“ und darin fand sie die „umfassendste“ und für

320 vgl. FREY (1998, 21)

321 vgl. FREY (1998, 86)

sie „... befriedigendste Antwort auf die Fragen, was Projektunterricht ist und wie er gemacht werden kann ..“, obwohl der Projektbegriff darin überhaupt nicht vorkommt.322

Immer noch präsentiert ein Projekt „... nicht nur kein allgemein geteiltes Verständnis der Sa-che, sondern auch keine allgemein geteilte Begrifflichkeit“ (HÄNSEL, 1999, 54). Projektun-terricht wird geprägt von einem „Wirrwarr“ an Begriffen und Vorstellungen.

HÄNSEL findet auf die Frage, was Projektunterricht sei, zwei Antworttypen. Sie bestimmen ein Projekt nach

- Merkmalen,

- Stufen, Schritten oder Phasen.323

Sie stellt den Merkmalkatalogen kein gutes „Zeugnis“ aus, denn, obwohl sie eine „erste Ori-entierung“ geben, wird die grundlegende Frage nicht beantwortet. Zudem lässt sich bei den Autoren324, die damit arbeiten, keine Übereinstimmung hinsichtlich der Bedeutung und An-zahl von Merkmalen feststellen. Oft handelt es sich einfach um eine Ausgabe von „Sammel-listen“ oder die Kataloge enthalten wünschenswerte Ziele. Häufig lassen sich die Projekt-merkmale nicht von Merkmalen des normalen Unterrichts unterscheiden. Und wenn man da-von ausgeht, dass Projektunterricht nur dann in seiner vollkommenen Form auftritt, wenn alle Merkmale erfüllt sind, verleitet HÄNSEL (1986, 19) zu der ironischen Aussage „... daß kein Lehrer und keine Lehrerin behaupten können, ihr Unterricht weise alle diese Merkmale auf, wenn sie nicht größenwahnsinnig sind.“ Hier hilft nur die „Verkürzung“ des Projektunter-richts zu einem „projektorientierten Unterricht", weil da nicht alle Merkmale erfüllt sein müs-sen.

„Jenes in der Unterrichtswirklichkeit nicht vorfindbare Ideal wird dann mit dem Begriff des Projektunterrichts, das Prinzip, nach dem Unterricht verändert werden soll, mit dem Begriff des projektorientierten Unterrichts umschrieben. In der Logik der Bestimmung des Projektun-terrichts durch Merkmalkataloge liegt, daß kein (vorfindbarer) Unterricht Projektunterricht ist und zugleich jeder Unterricht als (mehr oder weniger) projektorientierter Unterricht gelten kann. Der Begriff des Projektunterrichts verliert hier jede klare Kontur und seine Bestimmung ihre handlungsorientierende Funktion“ (HÄNSEL, 1986, 19).

Die Problematik bei der Bestimmung des Projektunterrichts über Stufen – HÄNSEL unter-sucht sie stellvertretend am Konzept von KARL FREY325 – sieht sie darin, dass die Aufmerk-samkeit zu sehr auf die Erfüllung der Stufen bzw. Phasen gelegt werde. „Projektunterricht

322 vgl. HÄNSEL (1986, 16)

323 vgl. HÄNSEL (1986, 17ff.)

324 vgl. z.B. FLECHSIG (1975), GUDJONS (1997), PÜTT (1982), SCHULZ (1973), STRUCK (1980)

325 vgl. dazu Abschnitt 2.2.5.3, 185ff.

gerät hier nicht zum abstrakten Ideal und diffusen Veränderungsprinzip, sondern wird zu ei-nem Problem der Unterrichtsmethode zurechtgestutzt“ (HÄNSEL, 1986, 21).

Auch auf das Beispiel der Projektwochen übertragen, stellt sie „... die dort häufig bis ins letzte Detail dargestellte Abfolge von Schritten ...“ zwar als hilfreich heraus, sieht aber die Gefahr darin, „... daß wesentliche didaktische Fragen gar nicht erst in den Blick kommen.“326

Dennoch bestreitet sie nicht eine gewisse Notwendigkeit der Bestimmung von Projektunter-richt über Merkmale oder Stufen, fordert aber vorher eine eindeutige Klarlegung des Projekt-unterrichts an sich.327

HÄNSEL zieht DEWEYS Ansatz für ihr Konzept heran. „Als Projektunterricht wird hier vielmehr eine besondere Form praktischer pädagogischer Tätigkeit von Lehrern und Schülern, oder eine besondere Unterrichtsform bezeichnet, in der die Projektmethode ihren didaktisch konsequentesten Ausdruck findet. Unter projektorientiertem Unterricht wird hier nicht eine Kümmerform des Projektunterrichts verstanden. Als projektorientierter Unterricht wird hier vielmehr jeder Unterricht bezeichnet, der nach den Prinzipien der Projektmethode gestaltet ist“ (HÄNSEL, 1986, 31).

HÄNSEL übernimmt KLAFKIS „Grundformen von Unterricht“, weil sie seine Systematik vor allem für die Praxis als hilfreich erachtet:

- „Projektunterricht“, - „Lehrgänge“,

- „Unterricht in Gestalt relativ eigenständiger, fachlicher oder fächerübergrei-fender Themen“,

- „Trainingsunterricht“.328

In diesem Zusammenhang sieht sie den Projektunterricht als „Unterrichts(grund)form“ und weist ihm einen „eigentümlichen Doppelcharakter“ zu, „... der ihn von allem anderen Unter-richt unterscheidet.“ Sie begründet es damit, dass er „... die geplante Veränderung und Über-windung von Unterricht durch Unterricht zum Gegenstand“ hat.329

Der Projektunterricht, wie HÄNSEL (1986, 33) ihn sich vorstellt, lässt sich

- „... inhaltlich bestimmen als Unterricht, in dem Lehrer und Schüler ein ech-tes Problem in gemeinsamer Anstrengung und in handelnder Auseinander-setzung mit der Wirklichkeit zu lösen suchen, und zwar besser als dies in Schule und Gesellschaft üblicherweise geschieht.“

326 vgl. HÄNSEL (1986, 21)

327 vgl. HÄNSEL (1986, 21)

328 vgl. HÄNSEL (1986, 32)

329 vgl. HÄNSEL (1986, 32)

- „... methodisch bestimmen als geplanter Versuch, als pädagogisches Expe-riment mit der Wirklichkeit, das von Lehrern und Schülern in Form von Unterricht unternommen wird und das zugleich die Grenzen von Unterricht überschreitet, indem es Schule und Gesellschaft durch praktisches pädago-gisches Handeln erziehlich zu gestalten sucht.“

Nach HÄNSEL ist die inhaltliche und methodische Bestimmung des Projektunterrichts nicht ausreichend, es bedarf noch der erfahrungsbezogenen Erziehungsphilosophie der Lehrer in Bezug auf DEWEY, die sich anlehnt an eine

- „erfahrungsbezogene Vorstellung von Erziehung“, - „’offene’ Vorstellung von Unterricht“

- „’schülerorientierte’ Vorstellung von der Lehrtätigkeit“. 330

Der Grund dafür, warum Projektunterricht so selten durchgeführt wird, liegt darin, dass es zu wenig Lehrkräfte gibt, „... die dem Anspruch der bestehenden Schule, Erziehungssituation zu sein, kritisch gegenüberstehen und die sich zugleich engagiert darum bemühen, diesen Erzie-hungsanspruch in ihrem Unterricht praktisch werden zu lassen“ (HÄNSEL, 1986, 36f.).

Projektunterricht und der übrige Unterricht stehen in einer „dichotomischen Beziehung“, wo-bei erstgenannter die positive und der „normale“ Unterricht die negative Seite der Beziehung ausdrückt. HÄNSEL sieht darin ein Dilemma, weil den Lehrern eine konkrete Handlungsper-spektive fehlt. Der Projektunterricht erfordert Voraussetzungen, die nicht allein von den Lehrkräften verwirklicht werden können, und damit bleibt nur die Möglichkeit einer vorsich-tigen Annäherung zwischen den beiden Unterrichtsformen an das Ideal. In Anlehnung an KLAFKIS Unterrichtsgrundformen stehen sich auf der einen Seite die Normalformen des Unterrichts „Lehrgänge“, „Themen“ und „Training“ und auf der anderen Seite die „Grenz-form des Unterrichts“, der Projektunterricht, gegenüber.331

Die inhaltliche Ebene baut sie auf DEWEYS Stufen seines Denkprozesses auf (vgl. Abb. 62, 191), wobei allerdings ihr Schema nur vier Positionen aufweist. Zunächst geht es um die Auswahl eines echten Problems, wofür zur Lösung ein gemeinsamer Plan entwickelt wird.

Die Auseinandersetzung mit dem Problem endet mit der Überprüfung der Lösung.332

Eine dem Projektunterricht förderliche Einstiegssituation soll so wenig wie möglich formali-siert sein, d.h. mit einem Unterricht herkömmlicher Form wenig zu tun haben.333

330 vgl. HÄNSEL (1986, 33f.)

331 vgl. HÄNSEL (1986, 34f.)

332 vgl. HÄNSEL (1986, 39ff.)

333 vgl. HÄNSEL (1986, 40f.)