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1.3.5 „Neuer“ Lehrplan

Stufe 3 Fächerübergreifend und handlungsorientiert

1.4.5 Über die Handlungsorientierung zum ganzheitlichen Lernen

1.4.5.3 Ganzheitlichkeit

Lernen in einem isolierten Rahmen kann den Menschen nicht in seiner ganzen Persönlichkeit erfassen. Demnach kann er auch nicht alle entsprechend seiner Persönlichkeit vorhandenen Fähigkeiten einsetzen, um ein Problem zu lösen.

RÖSCH (2000, 24) sagt dazu: „Das Gebot der Stunde ist die Rückkehr zu einer natürlichen, d.h. ganzheitlichen Form des Lernens, das anwendbares Wissen verspricht und ein höheres Maß an Lerneffizienz und Motivation der Schülerinnen und Schüler gewährleistet.“

Ganzheitliches Lernen bezieht den „ganzen“ Menschen mit ein und berücksichtigt bewusst neben der „Kopfsache“ vor allem auch den Körper einschließlich der Gefühle.

Durch die Hinwendung zum ganzheitlichen Lernen an den Schulen werden nun die bisher kaum eine Rolle spielenden Gefühle – außer sie bauten sich als Negativfront gegen das

74 Grafik nachgezeichnet nach SCHELTEN (2004, 180).

nen selber auf – ganz gezielt miteinbezogen. Beim traditionellen Unterrichten hatte der Kör-per, abgesehen vom Sportunterricht, keine Bedeutung und jede körperliche Bewegung im Rahmen des Klassenverbandes wurde oftmals als Störung gedeutet. Mittlerweile hat man den positiven Einfluss des Körpers und der Gefühle erkannt und sieht darin eine überaus förderli-che Möglichkeit, den Lernprozess nachhaltig zu verbessern.

Ganzheitliches Lernen kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Dazu zwei auf verschiedene Weise herangehende Betrachtungsweisen:

EDELMANN (1996, 412f.) nennt in Anlehnung an vielfältige ganzheitliche Ansätze folgende Beispiele, die zur Beschreibung der Ganzheit möglich sind:

- Sie wird „... aufgefaßt als anthropologische Einheit von Leib, Geist und Seele.“

- Sie lässt sich begründen „... mit dem Ziel der sittlichen Erziehung des gan-zen Menschen (Menschenbildung).“

- Sie kann auch verstanden werden als „... der alternative Einsatz verschiede-ner Unterrichtsformen ..“

- Es kann sich dabei auch um die „... Präsentation des Lehrstoffes..“ handeln.

THEO HÜLSHOFF (1997) beschreibt in Thesenform die Ganzheitlichkeit des Lernens (vgl.

Abb. 30, 77 und Abb. 31, 78).

Thesen zur Organisation ganzheitlichen Lernens in Schule und Betrieb Thesen 1

1. Ganzheitliches Lernen ist zum Modewort geworden. Oftmals bleibt ungeklärt, was unter „ganzheitlichem“ Lernen zu verstehen ist.

2. Die Klärung der Begriffe „Ganzheitlichkeit“ und „Lernen“ muss am Anfang aller Überlegungen stehen, die sich auf die Organisation von Lernprozessen richten.

3. Der Begriff des „Ganzheitlichen Lernens“ hat zur Voraussetzung die Annah- me, dass es „nicht ganzheitliches“, also „unvollständiges“ oder an „Teilen“

orientiertes Lernen gibt.

4. Der Begriff „Ganzheitliches Lernen“ kann unter mindestens drei Gesichts- punkten betrachtet werden:

1. Ganzheitlichkeit des Lernenden 2. Ganzheitlichkeit des Lernprozesses

3. Ganzheitlichkeit des Lerngegenstandes, der Lernaufgabe.

5. Die „Ganzheitlichkeit des Lernenden“ zielt auf die Frage ab, welches Bild vom Menschen mit dem Begriff des Lernens verbunden wird.

6. Die „Ganzheitlichkeit des Lernprozesses“ ist mit der Frage nach dem philo-sophischen Konzept von Erkennen und Lernen verbunden.

7. Die „Ganzheitlichkeit des ‚Lerngegenstandes’, der ‚Lernaufgabe’“, hängt mit der Frage zusammen, wie die „Wirklichkeit“ gesehen wird, die uns umgibt.

8. Ohne Klärung der Frage nach der Bedeutung dessen, was „Ganzheitlichkeit“

meint, kann auch die Frage nach Funktion und Sinn pädagogischen Han-delns nicht beantwortet werden.

9. „Arbeiten in der Gruppe“ und „Projektlernen“ sind zwei mögliche didaktische Konzepte für ganzheitliches Lernen in Schule und Betrieb.

10. Selbstverständnis und Rolle des „Lernenden“ müssen (neu) definiert werden, wenn „Lernen“ ganzheitlich ermöglicht werden soll.

11. Da das „bereichsgebundene“ und „fachspezifische“ (Maschinen)-Denken in unserer Zeit tief verwurzelt ist, werden sich Widerstände gegen eine stärkere Berücksichtigung des „Ganzheitlichen Lernens“ ergeben.

12. Die Entscheidung der Frage, was unter „ganzheitlichem Lernen“ zu verste-hen sei, führt möglicherweise zu schwerwiegenden Veränderungen in allen Bildungseinrichtungen.

Abbildung 30: Thesen zur Organisation ganzheitlichen Lernens in Schule und Betrieb75

75 Quelle: Thesen 1, HÜLSHOFF (1997). Ergänzende Seminarunterlagen zum WSB-Baustein 105.

Thesen zur Organisation ganzheitlichen Lernens in Schule und Betrieb Thesen 2

1. Unter Ganzheit können wir die besondere Struktur komplexer, aus qualitativ gleichen oder/und qualitativ verschiedenen, funktionell voneinander abhän-gigen bzw. einander zugeordneten Elementen verstehen.

2. Die Elemente der Ganzheit können selbst wiederum Ganzheiten für sich dar-stellen.

3. Wir können geistige, psychische, ästhetische, soziale, biologische, körperli-che, physikaliskörperli-che, kybernetiskörperli-che, u. a. Ganzheiten unterscheiden.

4. Ganzheiten sind umgrenzte Einheiten, deren Elemente sich nicht einfach summieren lassen, sondern in ihrer Wechselwirkung untereinander eine qua-litativ andere Wirkung und Bedeutung zeigen.

5. In der aristotelischen Philosophie werden erstmals den Ganzheiten Organi-sationsprinzipien zugeordnet, die die Elemente auf eine ganzheitliche Entfal-tung, Struktur und Wirkung hin entwickeln. (Entelechie).

6. Der Mensch selbst nimmt sich als Ganzheit, als „Ich-Identität“, über die ge- samte Lebensspanne wahr.

7. Menschliche Wahrnehmung ist immer mit allen menschlichen „Wahrneh-mungsorganen“ (Vernunft, Verstand, Seele, Gedächtnis, Sinne, Körper) ver-knüpft.

8. Wahrnehmend und lernend bewegt sich menschlicher Geist immer zwischen den polaren Phasen „fragender Anspannung“ und „antwortfindender Ent-spannung“. Menschlicher Geist zielt auf den Zustand von „Äquilibrati-on“.(Jean Piaget)

9. „Probleme“, „Fragen“, „Situationen“ ergeben sich in der alltäglichen Lebens-wirklichkeit jedes einzelnen Menschen. Sie machen ihn zum „Betroffenen“, der selbst nicht den Grad seiner Betroffenheit bestimmen kann.

10. Inwieweit er erfasst und ergriffen wird von den „Herausforderungen der Wirk-lichkeit“, die ihn umgeben, hängt auch von seiner individuellen Persönlich-keitsentwicklung ab.

11. Konzepte ganzheitlichen Lernens in Schule und Betrieb müssen Rahmenbe-dingungen für die natürliche Lernsituation des Menschen beschreiben.

12. Pädagogen müssen lernen, unabhängig von der Institution, in der sie tätig sind, ganzheitliche Lernkonzepte für definierte Zielgruppen zu entwickeln, wobei sie beachten müssen, dass jede „Pädagogische Situation“ (PETER PETERSEN) in doppelter Hinsicht einmalig ist: Einmal sind die „Lernaufga-ben“ niemals endgültig zu bestimmen, weil sich die Wirklichkeit einer endgül-tigen Festlegung entzieht, zum andern sind die Lernenden jeweils unter-schiedlich und einmalig hinsichtlich ihrer individuellen Begabungsstruktur und dem einmaligen individuellen Entwicklungsprozess ihrer Persönlichkeit.

Abbildung 31: Thesen zur Organisation ganzheitlichen Lernens in Schule und Betrieb76

76 Quelle: Thesen 2, HÜLSHOFF (1997). Ergänzende Seminarunterlagen zum WSB-Baustein 105.

Der Begriff „Ganzheitliches Lernen“ setzt sich aus “Ganzheitlichkeit“ und „Lernen“ zusam-men. Ganzheitliches Lernen wird dann vollzogen, wenn die Trias Lernender, Lernprozess und Lerngegenstand der Ganzheitlichkeit entsprechen. Die Ganzheitlichkeit des Menschen bezieht sich auf sein Menschenbild.

Abbildung 32: Ganzheitliches Lernen77

Das eigene Menschenbild wird im Laufe der eigenen Geschichte und der eigenen Sozialisati-on erworben. Es ist geprägt vSozialisati-on der eigenen Herkunftsgeschichte, vSozialisati-on der Kultur, vSozialisati-on Nor-men und Werten der Gesellschaft sowie von allen Einflüssen, die uns umgeben. Es kann sich im Laufe der Zeit verändern. Besonders im Bereich Bildung und Erziehung ist es schon allein für den Einzelnen von Bedeutung, sich selber darüber Klarheit zu verschaffen, was mit dem eigenen Menschenbild geschieht.

Dabei kann das Umfeld mit seinen Reizen eine große Rolle spielen. Das Menschenbild und das Handeln muss in Balance gebracht werden; das bedeutet auch, das Handeln auf das Men-schenbild hin zu überprüfen.

77 Grafik erstellt nach dem Text von HÜLSHOFF (1997). Ergänzende Seminarunterlagen zum WSB-Baustein 105.

Die Ganzheitlichkeit des Lernprozesses zielt auf die Lernformen ab, die möglichst alle Sinne ansprechen sollen. Übergreifend meint man damit, den Einklang von Hand- und Kopfarbeit unter Beteiligung des „Herzens“.

Der Lerngegenstand, ganzheitlich betrachtet, hängt unmittelbar mit seinem Umfeld zusam-men. Er verkörpert nur einen begrenzten Ausschnitt der Wirklichkeit und gehört als „Teil eines Ganzen“ ebenfalls nur einem anderen „Teil eines anderen Ganzen“ an.

Daraus lässt sich zusammenfassend für die Ganzheitlichkeit des Lernens schlussfolgern, dass es beim ganzheitlichen Lernen immer darum geht, den ganzen Menschen mit allen seinen Sin-nen unter Einbezug aller angrenzenden Wirklichkeitsbereiche zu fordern (vgl. Abb. 32, 79).

Die Anmerkungen zur Handlungsorientierung und zum ganzheitlichen Lernen sind insofern von Bedeutung, da der Weg zur Handlungskompetenz über das ganzheitliche Lernen erfolgt.

Im Hinblick auf die Entwicklung und Förderung der Handlungskompetenz wird besonders das

„... schülergesteuerte, das kooperative und das ganzheitliche Lernen gefordert“ (RÖSCH, 2000, 13).