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Kommunikative Gattungen in der interkulturellen Kommunikation

2 Konzept der kommunikativen Gattungen

3.5 Kommunikative Gattungen in der interkulturellen Kommunikation

Wie oben skizziert werden Gattungen nach Luckmann (1988) von den Teilnehmern nicht ständig neu erzeugt, sondern vom gesellschaftlichen Wissensvorrat bereitgestellt. Günthner (2001a: 18) teilt diese Ansicht und bezeichnet diese Funktion der Gattungen als „soziokul-turell abgeleitet.“ Somit variieren Gattungen von Kultur zu Kultur: kommunikative Aufgaben werden in verschiedenen Kulturen unterschiedlich gelöst. Verschiedene Kulturen lassen ent-sprechende Bedürfnisse und damit kommunikative Aufgaben entstehen, auch ähnliche kom-munikative Aufgaben. Die unterschiedlichen komkom-munikativen Routinen führen zu Problemen bei Kontakten zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen (vgl. Günthner 2001a: 18, Günthner/Luckmann 2002: 223).

Beim Betrachten interkultureller Kommunikationssituationen kann es nach Günthner und Luckmann (2002) zu Wissensasymmetrien und zu verstärkten kommunikativen Problemen kommen. Soziale Interaktionen verlangen eben eine „definierbare Menge gemeinsamen Wis-sens“ (ebd.: 216), das sich vom Wissensvorrat einer Gesellschaft ableitet, bei interkultureller Kommunikation aber noch durch verschiedene soziale Wissensvorräte erweitert wird. Neben dem gemeinsamen Wissen erfordern aber Interaktionssituationen auch Wissen darüber, was die Teilnehmer als „relevant gleich und relevant verschieden“ (ebd.: 216f) sehen. Hierbei wird das sogenannte recipient design52 relevant, durch das die Teilnehmer ihr Wissen um Wissensasymmetrien anzeigen. In der Regel sind die recipient designs in interkulturellen Si-tuationen ungenauer, weil die Teilnehmer bei interkulturellen KommunikationssiSi-tuationen nicht problemlos annehmen können, dass allen Teilnehmern ein bestimmtes Hintergrundwis-sen gemein ist (vgl. ebd.: 220f).

Als Hauptursachen für Schwierigkeiten bei der Realisierung kommunikativer Gattungen zwi-schen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen werden sowohl die unterschiedlichen Reper-toires an kommunikativen Gattungen als auch die inadäquate Gattungsverwendung gesehen (vgl. ebd.: 223). Günthner (2001a, 2007) diskutiert einige Konsequenzen unterschiedlicher Gattungstraditionen in interkulturellen Kommunikationssituationen und stellt sie anhand von konkreten Beispielen folgendermaßen dar:

(A) Nicht-verfügen über die betreffende Gattung

Wie Günthner (2001a: 17f) erläutert, sind in einer bestimmten Kultur die Lösungen wieder-kehrender kommunikativer Probleme gattungsmäßig verfestigt, d. h. für sie gibt es konventio-nalisierte Lösungen. Der Unterschied zu anderen Kulturen liegt darin, dass es in deren Gat-tungstradition keine feste Gattung für das gleiche Problem gibt. Als Beispiel für eine solche Situation gelten die Forschungen von Birkner (2001), Kern (2000) und Auer (1998) zu Be-werbungsgesprächen mit ost- und westdeutschen Teilnehmern. Weil in der ehemaligen DDR Bewerbungsgespräche nicht gängig waren und nicht zum kommunikativen Haushalt der Ge-sellschaft gehörten, verfügen ostdeutsche Bewerber nicht über entsprechende Kenntnisse über diese institutionelle Gattung. Mit der Wiedervereinigung kam es zu Konfrontationen

52 Vgl. dazu Sacks/Schegloff/Jefferson (1974) und Goodwin (1981).

scher Bewerber mit einer neuen Gattung, die sie mit Hilfe entsprechender Strategien des Sprachgebrauchs der DDR zu lösen versuchten. Gleichzeitig wurden auch nichtroutinisierte Techniken herangezogen, die sie als gattungsspezifisch vermuteten. Das Resultat dieser Kon-frontation waren bzw. sind Spannungen zwischen westlichen und östlichen Diskursstrategien, die Auswirkungen auf den Verlauf und das Resultat der Bewerbungsgespräche haben können (vgl. Günthner 2001a.: 21).53

Weiterhin können auch im universitären Bereich Gattungen auftreten, die nicht zum kommu-nikativen Repertoire der Teilnehmer gehören. Deutsche Studierende sind vertraut mit der Gat-tung der Sprechstundengespräche und, wissen wo und wozu sie stattfinden. Das Wissen über diese Gattung wird durch Erfahrungen erworben, welche Studierende aus anderen Kulturge-meinschaften (beispielsweise aus China oder Vietnam) nicht haben, weil die Gattung der Sprechstundengespräche dort nicht existiert und ihre Funktionen durch andere kommunikative Verfestigungen realisiert werden.54 Durch den Mangel an Praxis mit dieser Gattung haben ausländische Studierende an deutschen Hochschulen oft Probleme mit Sprech-stundengesprächen (vgl. ebd.: 22).

(B) Scheinbar gleiche Gattungen werden unterschiedlich realisiert

In der interkulturellen Kommunikation können nach Günthner (2001a: 23) Probleme auftre-ten, wenn „scheinbar gleiche Gattungen kulturell unterschiedlich realisiert werden.“ Bei-spielsweise können nach Kotthoff (2001) Unterschiede bei deutsch-russischen wissen-schaftlichen Vorträgen auftreten. Vorträge deutscher Wissenschaftler seien meistens stark fo-kussiert und lieferten den Zuhörern eine Orientierung zum Aufbau des Vortrags und der Fra-gestellung. Vorträge von russischen Muttersprachlern hingegen könne man mit deutschen Festvorträgen vergleichen: Sie seien in Bezug auf das Thema weiter gefasst, und oft sind ei-gene Gedanken der Vortragenden und Thesen anderer Forscher nicht deutlich erkennbar. Ein weiterer Unterschied liegt bei den Angaben von Unternehmensnamen, welche in deutschen Vorträgen explizit genannt werden, in russischen dagegen werden sie vermieden (vgl. Kott-hoff 2001: 326-329).

53 Vgl. dazu auch die ausführliche Darstellung von Bewerbungsgesprächen im Kapitel 4.1.

54 Vgl. dazu Rost-Roth (1995, 2002) und Ekawati (2014, Dissertation unveröffentlicht).

Kirkpatrick (1991) verdeutlicht die mangelnde Vertrautheit der Teilnehmer mit den Gattungs-konventionen, indem er die Organisation chinesischer letters of request analysiert. Anhand dieser schriftlichen Gattung stellt er ein Schema heraus, dass zunächst die Begrüßung, danach Höflichkeitsfloskeln und face-work55, daraufhin Gründe für die Bitte und erst am Ende die Bitte selbst umfasst.

(C) Unterschiedliche Funktionen und Bewertungen scheinbar gleicher Gattungen

In der Gattungsforschung taucht nach Günthner (2001a: 24) noch ein weiterer Aspekt auf, der als Unterscheidungskriterium für unterschiedliche Gattungstraditionen dienen kann: unter-schiedliche Funktionen und Bewertungen scheinbar gleicher Gattungen. Dabei bezieht sich Günthner (ebd.) beispielsweise auf Sprichwörter, die als primäre Gattung angesehen wer-den.56 Während in Deutschland Sprichwörter Aspekte der Volksmoral zum Ausdruck bringen und von ihrer argumentativen Verwendung abgeraten wird, kann im chinesischen Kontext die Verwendung solcher feststehender Formen in einer passenden Situation sehr hoch angerech-net werden. Im chinesischen Sprachgebrauch werden Sprichwörter sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form verwendet und sind zum einen ein Zeichen für einen hohen Bil-dungsgrad und zum anderen für die Verbundenheit mit Weisheitstraditionen und kulturellen Normen.57 In deutsch-chinesischen interkulturellen Kommunikationssituationen setzen die chinesischen Teilnehmer Sprichwörter dazu ein, ihre Argumentationen zu stützen und erset-zen mit ihnen oftmals eigene Meinungsäußerungen. Weiterhin werden Sprichwörter sowohl in informellen als auch in wissenschaftlich-akademischen chinesischen Kontexten verwendet.

Mit diesen kulturspezifischen Gattungskonventionen und deren Bewertungen in einer anderen Fremdsprache, öffnet sich das Potenzial zur Entstehung neuer hybrider kommunikativer Gat-tungen (vgl. Günthner 2001a: 24).

55 Vgl. Goffman (1955, 1978b).

56 Siehe hierzu auch Günthner (2001b) und Bachtin (1986).

57 Vgl. Günthner (1991, 2001b) zum Gebrauch chinesischer Sprichwörter in Alltagssituationen.

(D) Hyperkorrekturphänomene bei der Aktualisierung kommunikativer Gattungen

Teilnehmer interkultureller Kommunikationssituationen verfügen häufig bereits über eigene Erfahrungen bezüglich fremdkultureller Interaktionen oder über Informationen hinsichtlich anderer Verhaltensweisen. Das Vorwissen wird oft in die Interaktion eingebracht und zeigt sich im Versuch, fremde Konventionen zu adaptieren und eigene Verhaltensweisen zu über-formen.58 Die Konsequenz eines solchen Verhaltens ist die Entstehung von „interaktiven Hy-perkorrekturphänomenen“ (Günthner 2001a: 26, Günthner/Luckmann 2002: 236).

Günthner (2001a, 2007) beleuchtet anhand von Beispielen kulturell unterschiedlicher Gat-tungstraditionen deren Konsequenzen für die interkulturelle Kommunikation. Sie fasst zu-sammen, dass die Analyse kommunikativer Gattungen für den Zusammenhang von Sprache und Kultur wichtig ist. Die Teilnehmer bedienen sich nicht nur kulturell routinierter Konven-tionen, sondern beeinflussen damit auch die Kommunikationssituation, wodurch eine Eigen-dynamik interkultureller Begegnungen entsteht.

Ergänzend widmen sich Günthner und Luckmann (2002) den Asymmetrien im gattungs-bezogenen Wissen und stellen weitere Beispiele aus der Forschungsliteratur und eigene Un-tersuchungen für kulturelle Unterschiede in der Verwendung und Interpretation kom-munikativer Gattungen vor. Dabei gehen sie auf die Relevanz des Gattungskonzepts ein und heben hervor, dass Wissensasymmetrien auf allen Strukturebenen kommunikativer Gattungen angesiedelt sind. Deswegen stellen sie ihre Beispiele auch in den Kontext der Strukturebenen kommunikativer Gattungen (vgl. ebd.: 224).59

Im Bereich der Binnenstruktur wird die kulturell unterschiedliche Handhabung prosodischer Mittel hervorgehoben. Als Beispiel dienen Gespräche zwischen indischen und pakistanischen Angestellten einer Cafeteria an einem Londoner Flughafen und deren britische Kunden, deren Analyse sich Gumperz (1982) gewidmet hat. Die fallende Intonation indischer und pakista-nischer Angestellter beispielsweise bei der Frage, ob die Kunden „Soße“ (gravy) zum Fleisch wollen, wurde von den Briten als „unfreundlich“ wahrgenommen. Diese Frage wurde von den Briten als unhöflich eingestuft, weil britische Angestellte sie mit steigender Intonation

58 Vgl. dazu Casper-Hehne (2009).

59 Vgl. dazu auch Günthner (2007).

zieren, für indische Sprecher hingegen bedeutet die fallende Intonation eine Konvention nach der Fragen gestellt werden (vgl. Günthner/Luckmann 2002: 225).

Weiterhin können Unterschiede in der Verwendung lexiko-semantischer,60 phonologischer61 und syntaktischer62 Elemente auftauchen. Ebenso kann der Gebrauch rhetorischer Figuren in kommunikativen Gattungen zu Problemen führen (vgl. ebd.: 225f). Nach Gumperz (1982) gibt es Unterschiede bezüglich der rhetorischen Strategien in politischen Reden schwarzer und weißer Amerikaner. Als typisch afroamerikanische Strategie nennt er beispielsweise die metaphorische Verwendung des Satzes to kill someone, der die Bedeutung „den politischen Einfluss von jemanden zunichte zu machen“ trägt und zu gravierenden Reaktionen führen kann (vgl. ebd.: 201).

Auch bei der Verwendung von „Stereotypen, Idiomen, Gemeinplätzen, Sprichwörtern, For-meln und Rätseln“ kann es zu Unterschieden kommen. Den Grund dafür sehen Günthner und Luckmann (2002: 226) bei der kulturell unterschiedlichen Einbettung dieser „kleinen For-men“ in größere kommunikative Gattungen. Als Beispiel dafür dienen die erwähnten Sprich-wörter und ihr Gebrauch im chinesischen Kontext, welche sich nicht nur in mündlichen Gat-tungen, sondern auch in wissenschaftlichen Texten zeigen, in denen chinesische Verfasser oft Zitate verwenden, die sich auf traditionelle Weisheiten beziehen.63

Auf der situativen Realisierungsebene kommt es zu Unterschieden bei der interaktiven Or-ganisation der Konversation, dem Sprecherwechsel und auch bei den Präferenzstrukturen (vgl. Günthner/Luckmann 2002: 228). Tannen (1992) widmet sich der Organisation von Spre-cherwechsel bei Tischgesprächen zwischen New Yorkern und Kaliforniern und stellt fest, dass die Teilnehmer unterschiedlichen Regeln folgen, welche Störungen bei der Kom-munikation verursachen können. New Yorker sprechen schneller und vermeiden Pausen, weswegen sie dazu neigen, häufiger Überlappungen mit ihren Gesprächspartnern zu produzie-ren und das Rederecht oft zu schnell zu übernehmen. Unterschiedliche Konventionen im Sprecherwechsel, die hier vorkommen, führen dazu, dass New Yorker das Gefühl haben, dass

60 Vgl. Gumperz (1982) zu Unterschieden im Gebrauch von Partikeln im indischen und britischen Englisch.

61 Vgl. Gumperz (1982) zu phonologischen Unterschieden im indischen und britischen Englisch.

62 Vgl. Günthner (1993a) zur syntaktischen Informationsorganisation in chinesischen und deutschen Argumen-tationen.

63 Vgl. Günthner (1988) zur Verwendung von Sprichwörtern in Deutschaufsätzen chinesischer Deutschler-ner/innen.

Kalifornier nichts zu sagen haben, währenddessen aber die Kalifornier deren Übernahmen von Redezügen als unangebracht ansehen (vgl. Tannen 1992: 188f).64

Wie bereits erwähnt, verdeutlicht Günthner (1993a: 83), welche Präferenzstrukturen es bei der Annahme von Komplimenten in unterschiedlichen Sprachgemeinschaften gibt. Dabei wird oft das Prinzip der Vermeidung von Eigenlob in den Reaktionen auf Komplimente ver-wendet.65

Auch im Bereich der Außenstruktur können nach Günthner und Luckmann (2002: 232) Wissensasymmetrien zu bestimmten kommunikativen Problemen führen, wenn Gattungen in bestimmten kommunikativen Milieus und kommunikativen Situationen verwendet bzw. ver-mieden werden. Beispiele für solche Situationen liefern die erwähnten Bewerbungsgespräche zwischen Ost- und Westdeutschen66 und die Verwendung von Sprichwörtern in wissen-schaftlichen Texten bei chinesischen Sprechern.67 Die Analyse von Bewerbungsgesprächen zwischen west- und ostdeutschen Bewerbern von Birkner (2001) zeigt, dass Bewerbungs-gespräche kein Teil des kommunikativen Haushalts der ehemaligen DDR waren. Entspre-chend wurden nach der Wiedervereinigung die Ostdeutschen mit einer neuen Gattung kon-frontiert – ein Problem, dessen Lösungsversuche sich u.a. in der Verwendung von unter-schiedlichen konversationellen Stilen und der ausgeprägten konversationellen Indirektheit ostdeutscher Bewerber äußerten (vgl. Birkner 2001: 232f). Die Verwendung von Sprich-wörtern in wissenschaftlichen Texten erläutern Günthner und Luckmann (2002) damit, dass bei chinesischen Sprechern der Gebrauch von Sprichwörtern, sowohl im informellen als auch im wissenschaftlichen Diskurs, als ein Zeichen hoher Bildung angesehen wird. Deswegen wird in interkulturellen Situationen diese Gattungskonvention nicht selten auf wissen-schaftliche Vorträge oder Texte im Deutschen übertragen (vgl. ebd.: 232).

Weiterhin können kommunikative Gattungen geschlechterspezifisch ausgerichtet sein, wie Kotthoff (1991, 2007) anhand von Trinksprüchen in Georgien darstellt. Trinksprüche stellen sowohl eine ritualisierte männliche Gattung dar als auch ein Mittel, Männlichkeit zu zeigen.

64 Vgl. dazu auch Günthner/Knoblauch (2002).

65 Vgl dazu auch Pomerantz (1984).

66 Vgl. dazu Birkner (2002).

67 Vgl. Günthner (1988).

In formellen Situationen muss ein Mann den Trinkspruch ausführen, in informellen Situa-tionen dagegen kann auch eine Frau dies tun.

Wissensasymmetrien können auch im kommunikativen Stil oder in der Interaktionsmodalität auftauchen. Helmolt (1997) untersucht Probleme interkultureller Kommunikation am Arbeits-platz, indem sie Besprechungen zwischen deutschen und französischen Ingenieuren analy-siert. Im Fokus steht die Ebene der interaktiven Konstituierung von Modalitäten. Die franzö-sischen Teilnehmer benutzen eine für französische Arbeitssitzungen typische Form der Signa-lisierung von Konsens complicite, die einen Wechsel von der sachlichen Modalität zu einer

„unernsten“ erlaubt. Diese Aktivitäten sollen als Aufforderung zum gemeinsamen Scherzen dienen und dies eine Grundlage zum effektiven gemeinsamen Arbeiten schaffen. Die deut-schen Ingenieure interpretieren ein solches Verhalten oft als Desinteresse oder auch als Ver-suche, Themen ins Lächerliche zu ziehen und verweigern den Wechsel zur scherzhaften Mo-dalität. Dies führt zu distanzierten Beziehungen zwischen deutschen und französischen Mitar-beitern (vgl. Helmolt 1997: 143).68

Zusammenfassend verdeutlichen Günthner und Luckmann (2002: 234f) anhand der Beispiele, dass Wissensasymmetrien Missverständnisse und Kommunikationsstörungen auf allen Gat-tungsebenen verursachen können.

3.6 Zusammenfassung

Sowohl Günthner (2001a, 2007) als auch Günthner und Luckmann (2002) haben gezeigt, dass die Gattungsanalyse durchaus geeignet ist, interkulturelle Kommunikationssituationen zu ana-lysieren. Sie bietet ein methodologisch und theoretisch umfassendes Rahmenkonzept zur Ana-lyse kultureller Unterschiede auf allen drei Ebenen kommunikativer Gattungen, nämlich der Binnenstruktur, der Außenstruktur, als auch auf der situativen Realisierungsebene. Das Kon-zept der Kommunikativen Gattungen bietet deswegen für die vorliegende Arbeit eine Grund-lage und wird eingesetzt, um spezielle kommunikative Eigenschaften von Mitfahr-gelegenheitsgesprächen auf allen Strukturebenen zu kategorisieren.

Während die Außenstruktur der Gespräche bei Mitfahrgelegenheiten durch die begleitenden Rahmenbedingungen der Kommunikation im Auto und das kommunikative Milieu

68 Vgl. auch Günthner/Luckmann (2002: 233).

zeichnet ist, erfasst die Binnenstruktur alle sprachlichen Mittel und deren Besonderheiten. Die Analyse der situativen Zwischenebene hingegen soll die interaktiven Besonderheiten der Ge-spräche, wie u. a. Rituale oder konversationelle Merkmale illustrieren.

Was die entlastende Funktion von Gattungen für die Beteiligten und ihre Funktion als Orien-tierungshilfe angeht, so sind bei Mitfahrgelegenheitsgesprächen die Verfestigungen noch im Entstehungsprozess. Deswegen ist es die Aufgabe der vorliegenden Arbeit, die sich als bereits verfestigt aufzeigenden Elemente zu erfassen und darzustellen. Nachdem anhand der konzep-tuellen Beiträge präsentiert wurde, welche linguistischen Kategorien und kommunikativen Aufgaben nach Luckmann (2002) und Günthner und Knoblauch (1994) auf den einzelnen Ebenen abgehandelt werden, sollen im nächsten Kapitel empirische Beiträge zu Gattungen der institutionellen und alltäglichen Kommunikation betrachtet werden, um einen Überblick über potenzielle Analysekategorien für die vorliegende Arbeit zu erhalten.