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Im Gegensatz zum umfassenden Risikomanagement werden im klinischen Risikomanagement jene Risiken betrachtet, die in Folge von medizinisch-pflegerischen Leistungserbringungen entstehen und Auswirkungen auf die Patientinnen- und Patientensicherheit haben. Durch die Anwendung des klinischen Risikomanagements sollen tatsächliche Schadensereignisse erfasst und analysiert, potenzielle Risiken identifiziert, analysiert und bewertet und risikopräventive Maßnahmen umgesetzt werden. Weitere Ziele des klinischen Risikomanagements sind, die Förderung des Risikobewusstseins bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und das Lernen aus begangenen Fehlern, damit es zu keiner Wiederholung des Fehlers kommen kann

2.4.1!Methoden und Instrumente des klinisches Risikomanagements Bei der Anwendung von klinischem Risikomanagement kommen unterschiedliche Methoden und Instrumente zum Einsatz. Der Einsatz von Risikomanagementmethoden verfolgt das Ziel, Risiken zu identifizieren, zu analysieren, zu bewerten und Maßnahmen zur Risikobewältigung abzuleiten. Durch die Anwendung von Risikomanagementmethoden kann eine Verbindung zum Risikomanagementprozess hergestellt werden, weil es zu einer Durchführung aller Schritte des Risikomanagementprozesses kommt (Kahla-Witzsch & Platzer, 2018).

Nachfolgend wird auf einige Methoden und Instrumente des klinischen Risikomanagements eingegangen.

Bei einer häufig verwendeten Methode des klinischen Risikomanagements handelt es sich um die sogenannte Szenariorisikoanalyse. Hierbei wird versucht, eine konkrete und bildhafte Beschreibung des Risikos abzugeben und darüber hinaus die Ausgangslage, Ursachen sowie die Auswirkungen dieses Risikos verständlich zu beschrieben. Die Szenariorisikoanalyse wird auch dafür genutzt, die Ursache-Wirkungszusammenhänge von Risiken im Rahmen des Top-Down-Ansatzes zu beschreiben. Bei der Verwendung des Top-Down-Ansatzes wird das Risiko aus Sicht der Führung betrachtet. Das Vorgehen bei einer Szenariorisikoanalyse ist wie folgt:

Zu Beginn wird der zu untersuchende Bereich festgelegt, und es erfolgt eine erste Sammlung von Informationen zu diesem Bereich. Wurde ausreichend Information gesammelt, kann anschließend mit der Risikoidentifikation und der Beschreibung des Szenarios begonnen werden. Bei der Beschreibung des Szenarios ist es wichtig, dass sowohl Ursachen als auch Auswirkungen des Risikos auf die Organisation durch alle Beteiligten analysiert und diskutiert werden. Zum Abschluss der Szenariorisikoanalyse kann das Risiko bewertet werden und wurde ein Handlungsbedarf erkannt, können anschließend Maßnahmen zur Risikobewältigung entwickelt werden.

Szenariorisikoanalysen können sowohl präventiv als auch bei bereits entstanden Risiken verwendet werden, damit es zu einer Steigerung des Risikoverständnisses und des Bewusstseins für Risiken bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommen kann.

Eine weitere Methode des klinischen Risikomanagements ist die Prozessrisikoanalyse, bei der untersucht wird, welche Risiken für Patientinnen und Patienten bei einzelnen Prozessschritten bestehen oder eintreten können. Durch die Anwendung der Prozessrisikoanalyse wird versucht, auf Fehlermöglichkeiten und Fehlerauswirkungen vorbereitet zu sein und Fehler in Prozessen zu minimieren und in Zukunft zu verhindern. Bei der Anwendung dieser Methode ist es von wesentlicher Bedeutung,

dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an dem Prozess beteiligt sind, in die Analyse miteinbezogen werden, damit die tatsächlichen Risiken in diesem Prozess detailliert beschrieben werden können.

Die Schadensfallanalyse ist eine weitere Methode des klinischen Risikomanagements.

Kommt es zum Eintritt schwerwiegender Schadensfälle, haben sie meistens ein großes Lernpotential. Das Ziel dieser Methode ist es, die Untersuchung von Zwischenfällen einheitlich, umfassend und strukturiert durchzuführen, was über die Suche nach einem Schuldigen hinausgeht. Durch die Abkehr der üblichen Schuldzuweisungen kann bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Gefühl für mehr Offenheit bewirkt werden (Kahla-Witzsch & Platzer, 2018).

Eine der wahrscheinlich bekanntesten Methoden des Risikomanagements ist das Critical Incident Reporting System (CIRS), wobei es sich um ein freiwilliges Berichtssystem handelt. In dem Berichtssystem werden verschiedene Meldungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sämtlichen kritischen Zwischenfällen gesammelt.

Durch die Anwendung von CIRS soll es gelingen, Ursachen und Fehler schon frühzeitig zu erkennen, damit ein erneutes Eintreten und potenzielle Schäden durch präventive Interventionen verhindert werden können. Damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch freiwillig Bericht erstatten, ist es essentiell, dass die Organisation offen kommuniziert, dass der Fehler nicht als Mittel gegen die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter eingesetzt, sondern als Lernhilfe herangezogen wird. Im Übrigen muss das Personal anonym berichten können, das bedeutet, dass keine personenbezogenen Daten abgefragt werden dürfen, damit keine Rückschlüsse auf die meldende Person gezogen werden können. Durch die Anonymität kann den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Angst vor möglichen Sanktionen genommen werden. Bei einer erfolgreichen Verwendung von CIRS erfolgt eine Analyse der Berichte durch Expertinnen und Experten, die die Meldungen systematisch aufarbeiten und anschließend Empfehlungen und Verbesserungsmaßnahmen bereitstellen, damit Systeme oder Prozesse verändert und optimiert werden können. Damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon profitieren können, ist es eine Rückmeldung über die Berichte essentiell (Schmola, 2016).

Im Anschluss an die Methoden des klinischen Risikomanagements möchte die Autorin dieser Arbeit einen näheren Einblick auf die klinischen Risikomanagementinstrumente geben.

Im Gegensatz zu den Risikomanagementmethoden unterstützen die Risikomanagementinstrumente lediglich Teile des Risikomanagementprozesses.

Ein Instrument des klinischen Risikomanagements ist das Brainstorming, das bei der Identifikation von Risiken und bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Risikobewältigung herangezogen werden kann. In Folge eines Brainstormings treffen sich mehrere Personen, die in ihrer Einrichtung mit dem Thema Risikomanagement vertraut sind, und identifizieren, sammeln und ordnen Risiken, die auf eine Einrichtung einwirken und versuchen, Problemlösungen zu entwickeln. Es kann vor allem für die Suche nach Fehler- oder Problemursachen angewendet werden. Das Ziel des Brainstormings ist es, möglichst viele und unterschiedliche Ideen und Sichtweisen zu sammeln, wodurch eventuell neue, bisher unbekannte Risiken identifiziert werden können.

Ein weiteres Instrument des klinischen Risikomanagements ist das Ursache-Wirkungs-Diagramm oder auch Ishikawa-Diagramm genannt. Es wird auch im Qualitätsmanagement gerne als Analyseinstrument eingesetzt. Es wird davon ausgegangen, dass fast alle Probleme oder Fehler mehrere Ursachen haben können, und daher ist eine wirkungsvolle Problemlösung erst dann möglich, wenn alle Ursachen für ein Problem bekannt sind. Die Ursachen werden anhand von sechs Kategorien gesucht: Mensch, Maschine, Arbeitsmethode, -material, -milieu bzw.

Umwelt und Messung. Zu Beginn gilt es, den Fehler zu beschreiben und anschließend im Rahmen eines Brainstormings mögliche Ursachen zu identifizieren. Wurden einige Ursachen ermittelt, werden diese den vorher genannten Kategorien zugeordnet.

Dadurch wird ersichtlich, welche Kategorien den größten Einfluss auf die Entstehung eines Fehlers haben. Wird wiederum eine Verknüpfung zwischen Ursache-Wirkungs-Diagramm mit dem Risikomanagementprozess hergestellt, dient es vor allem zur Risikoidentifikation und zur Ermittlung von Maßnahmen zur Risikobewältigung (Kahla-Witzsch & Platzer, 2018).

Das Risikoaudit ist ein weiteres Instrument des Risikomanagements, wobei relevante Risiken, die Auswirkungen auf die Patientinnen und Patientensicherheit in der Organisation, in Prozessen oder Tätigkeiten sowie in der Infrastruktur haben, identifiziert werden. Im Verlauf können ebenfalls die umgesetzten und eingeleiteten Maßnahmen bewertet und deren Wirksamkeit genutzt werden. Derzeit wird zwischen unterschiedlichen Arten von Risikoaudits im Gesundheitswesen unterschieden.

Auf der einen Seite die internen Audits, die durch die Gesundheitseinrichtung selbst erfolgen, und auf der anderen Seite die externen Audits, die entweder durch die Leitung der Einrichtung oder durch Versicherungsunternehmen beauftragt wurden (Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung, 2017). Im Gegensatz zu einer Betrachtung von Schadensfällen wird bei einem Risikoaudit das Hier und Jetzt betrachtet, was einer Ist-Analyse entspricht, wodurch erkennbar ist, dass es sich um einen präventiven Ansatz handelt. Durch ein Risikoaudit können mögliche Schwachstellen identifiziert, Verbesserungspotenziale herausgearbeitet und ein Risikoverständnis bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt werden (Kahla-Witzsch & Platzer, 2018).

2.4.2!Bedeutung von Fehlern

Ein Fehler ist ein unerwünschtes Ergebnis einer Handlung und welche Konsequenzen sich aus dieser Handlung ergeben. Woraus sich schließen lässt, dass eine Handlung erst dann als fehlerhaft bezeichnet wird, wenn negative Konsequenzen eingetreten sind. Eine falsche Handlung oder das Fehlen einer richtigen Handlung kann ebenfalls als Fehler interpretiert werden. Bei dieser Sichtweise wird nicht das Ergebnis der Handlung als Fehler angesehen, sondern der Weg, der zu diesem Fehler geführt hat (St. Pierre & Hofinger, 2014).

In Gesundheitseinrichtungen wird ein Fehler in den seltensten Fällen durch mangelndes fachliches Wissen ausgelöst, sondern eher durch mangelnde Kooperation und Kommunikation, eine fehlende Entscheidungsfindung und die falsche Einschätzung der Situation. Oftmals führt nicht nur ein einzelner Fehler einer Person zu einem Zwischenfall, sondern eher eine Abfolge mehrere Fehlentscheidungen.

Zusammengefasst kann davon ausgegangen werden, dass eine Kombination von aktiven Fehlern, latenten Fehlern und der Zusammenbruch von Sicherheitsbarrieren in einer Organisation zu Fehlern führen (Koppenberg, Mitterlechner & Lackner 2017).

2.4.3!Human Factors

Schon seit Beginn des 21. Jahrhunderts finden sich in den Diskussionen um Patientinnen- und Patientensicherheit zunehmend die Begriffe ‚Humanfaktor‘ oder

‚Human factors‘. Allerdings kann der Begriff ‚Human factors‘ sehr unterschiedlich definiert und verwendet werden. In der Humanwissenschaft gilt der Begriff als eine psychische, physische, kognitive und soziale Eigenschaft eines Menschen, welcher durchaus die Interaktion mit sozialen und technischen Systemen beeinflussen kann (St. Pierre & Hofinger, 2014).

Für die nähere Betrachtung des Human Factors sollte eine Verknüpfung der menschlichen Faktoren mit den technischen Faktoren hergestellt werden. Das vorrangige Ziel der Human Factors Wissenschaft ist es, die negativen Folgen der Interaktion zwischen Mensch und Technik zu reduzieren bzw. ganz zu vermeiden und somit das Wohlbefinden der handelnden Person und die Sicherheit des Systems zu verbessern (Badke, Schaub, Hofinger & Lauche 2012).