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Klimawandel verstehen, Energiewende vorantreiben

Anders als der Name es vermuten lässt, wird am Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK) nicht nur zu Aspekten wie Photovoltaik oder Tropo- und Stratosphäre geforscht. Ebenso gehören Arbeiten zu Werkstoffen, Herstellungsverfahren, Verfahrens-techniken oder nuklearer Entsorgung und Reaktor-sicherheit zum Jülicher Portfolio. Dies erlaubt einen ganzheitlichen Blick auf alle Aspekte der Bereiche Energie, Erde und Umwelt. Die Bedeutung des IEK zeigt sich auch daran, dass hier in mittlerweile 13 Bereichen mehr als 900 Mitarbeiter tätig sind.

2014 übernahm Prof. Dr. Olivier Guillon die Leitung des Bereichs Werkstoffsynthese und Herstellungs-verfahren des IEK. Zudem wurde 2015 der Insti-tutsbereich Modellierung und Simulation von Werkstoffen (IEK-13) neu gegründet: Dieser Bereich soll sich mit dem Materialverhalten bei der Energie-erzeugung und -wandlung beschäftigen. Ebenso sind vereinzelt noch andere Institute wie das Insti-tut für Bio- und Geowissenschaften (IBG), das Peter Grünberg Institut (PGI), das Jülich Centre for Neutron Science (JCNS) und das Zentralinstitut für Engineering, Elektronik und Analytik (ZEA) an der Forschung im Bereich Energie und Klima beteiligt.

Im PGI beispielsweise können in speziellen Labo-ren Oxide präpariert oder dünne Filme und Kristalle wachsen. Dies spielt besonders in der Anwendung der Forschung des IEK eine Rolle, wenn es um Festoxid-Brennstoffzellen oder ultradünne Solar-zellen geht.

1 „Exzellente Wissenschaft im Sinne der Gesell-schaft liegt nicht nur in den relevanten Themen, sondern auch in einer möglichst effizienten Umset-zung. Hierzu gehören unmittelbar das Schaffen und Nutzen von Synergien, insbesondere im Sinne der Nachhaltigkeit. Diese zentrale Rolle muss dabei insbesondere durch Engineering-Bereiche in der Ent-wicklung für die Wissenschaft wahrgenommen werden. Die Auswahl der richtigen Methoden und Technologien ist eine Schlüsselkomponente und kann neben dem Erkenntnisgewinn zudem auch zu einem gesellschaftlich-wirtschaftlichen Nutzen führen. Diese Verantwortung versuchen wir im ZEA in unserer täglichen Arbeit bestmöglich wahrzunehmen.“

Ein Schwerpunkt in der Arbeit des IEK ist die Forschung in der Atmosphäre. Das Verständ-nis darüber, wie die oberen und unteren Schichten der Lufthülle unserer Erde – und vor allem die Stoffe darin – funktionieren und zu-sammenwirken, ist maßgeblich für ein tiefgreifendes Verständnis des gesamten Klimawandels. Die Forschungsergeb nisse aus Jülich helfen, Modelle zu verfeinern, Frühwarnsys-teme zu schaffen und Strategien gegen die Erd-erwärmung zu entwickeln. So trat das Forschungs-flugzeug HALO im März und April seine ersten Messflüge an. Die gesammelten Daten sollen hel-fen, Klimamodelle genauer und zuverlässiger zu gestalten. Im Juni 2014 konnten so zusammen mit

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Prof. Dr. Andreas Wahner (IEK-8)

Prof. Dr. Martin Riese (IEK-7)

der University of East Anglia Ergebnisse veröffent-licht werden, wonach es in der Atmosphäre Fluor-chlorkohlenwasserstoffe (FCKW) bisher unbekann-ten Ursprungs gibt. Die Untersuchungen zeigen deutlich, dass solche Stoffe in ihrer Masse durchaus die Ozonschicht schädigen können.

2 „Die Untersuchung atmosphärenchemischer Pro-zesse mit dem Ziel, anthropogene Einflussnahme zu verstehen und zu bewerten, verlangt interdisziplinäre Forschung, da diese Prozesse intrinsisch mit den verschiedenen Komponenten des Erdsystems wech-selseitig verbunden sind. Bei unseren Messungen der Luftqualität in verschiedenen Regionen Chinas ist der transdisziplinäre Ansatz zusammen mit unse-ren chinesischen Partnern zudem unausweichlich;

Ergebnisse unserer Forschung müssen hier zu politi-schem Handeln führen. Das betrifft einerseits Maß-nahmen zur Emissionsreduktion bei industriellen Prozessen und zum anderen Verkehrslenkungsmaß-nahmen.“

Gleichzeitig konnte in Jülich gezeigt werden, wie gut die Selbstreinigungskräfte, die „Waschmittel der Atmosphäre“, funktionieren: besser als bisher angenommen. Die sogenannten OH-Radikale, die Schadstoffe wie Kohlenwasserstoffe oder Kohlen-monoxid abbauen, werden normalerweise durch Stickoxide recycelt. Besonders über den Urwäl-dern am Amazonas oder in Borneo ist deren Kon-zentration jedoch niedrig. Die KonKon-zentration der OH-Radikale war dort aber teilweise zehn Mal so hoch wie erwartet. Daraus lässt sich schließen, dass neben den Stickoxiden noch andere Prozesse für eine Wiederverwendung der OH-Radikale zu-ständig sind. Diese gilt es nun zu finden. Solche und weitere Forschungsergebnisse präsentiert die Helmholtz-Gemeinschaft seit Mai 2014 auf einer eigenen Website, der „Erde und Umwelt – Earth System Knowledge Platform“ (ESKP). Sie ist eine zentrale Anlaufstelle für die Öffentlichkeit, wenn es um Auswirkungen des Klimawandels, Früherken-nung und Schutz vor Naturkatastrophen oder die Verbreitung von Schadstoffen in der Umwelt geht.

Jülich hat im Januar 2015 auf der Plattform auch eine eigene Website zum Ozonverlust über der Arktis eingerichtet. Die dortigen Berechnungen können früh vor erhöhten UV-Belastungen warnen.

3 „Die Simulation von physikalischen, chemischen, biologischen und geologischen Prozessen und deren Wechselwirkungen erfordert interdisziplinäre An-sätze sowie eine integrative Herangehensweise. Ein wichtiges Ziel ist ein signifikanter Beitrag zur Ver-besserung globaler und regionaler Klimavorher-sagen, die als zuverlässige Grundlage für nachhaltige Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen dringend benötigt werden. Erdsystemmodellierung zeichnet sich somit auch durch ein hohes Maß an Nutzerori-entierung aus.“

Neben dem Erfassen und Evaluieren des Status quo ist eine wichtige Aufgabe der Forschung für die Nachhaltigkeit, einen Blick in die Zukunft zu werfen. In Jülich und der gesamten Helmholtz- Gemeinschaft stellt man sich diesbezüglich vor allem die Frage, wie in Zukunft Energie erzeugt werden soll. Ein vielversprechender, aber aufwen-dig zu erforschender Ansatz lautet seit Jahren und Jahrzehnten: Kernfusion. Das Forschungszentrum Jülich ist im Rahmen des europäischen Konsorti-ums EUROfusion vor allem an der Entwicklung neuer Materialien beteiligt – ebenso aber an ande-ren Großprojekten wie dem Experimentalreaktor Wendelstein 7-X oder dem weltweiten Kooperati-onsprojekt ITER.

Ein derzeit drängendes und deswegen zentrales Ziel des Jülicher Forschungszentrums ist und bleibt, die Energiewende in Deutschland zu begleiten und aktiv zu gestalten. Es geht vor allem um die Frage, wie das Stromnetz der Zukunft auszusehen hat,

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wie verschiedene Komponenten des Energie-systems zusammenwirken und aufeinander abge-stimmt werden müssen. Dafür entsteht in Zusam-menarbeit mit Kolleginnen und Kollegen vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Energy Lab 2.0. In einer entsprechenden Anlage fließen chemische, thermische und elektrische Energieströme zusammen, wodurch neue Ansätze für stabilere Stromnetze praxisnah auf die Probe gestellt werden können. In Jülich entsteht außer-dem bis 2018 ein Elektrolyse-Testzentrum. Neben systemischen Fragen zur Integrierbarkeit neuer Technologien konzentriert sich die Arbeit in Jülich auch und vor allem auf Grundsätzliches: auf die Materialebene. Photovoltaikanlagen und Brenn-stoffzellen beispielsweise müssen erst bestmög-lich funktionieren, bevor sie ideal in das Energie-system der Zukunft integriert werden können.

4 „Die Umstellung der gegenwärtigen Energiever-sorgung auf erneuerbare und nachhaltige Energien erfordert erhebliche Anstrengungen nicht nur im Bereich der Forschung und Entwicklung, um elektro-chemische Energiewandler und Speicher für statio-näre und mobile Anwendungen zu entwickeln, son-dern auch bei Herstellung, Betrieb und Integration in die benötigten Versorgungsinfrastrukturen für diese Anlagen. Dadurch entstehen völlig neue For-men und Modelle der ZusamFor-menarbeit und Koope-ration entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie zwischen völlig unterschiedlichen Forschungs-einrichtungen und wissenschaftlichen Disziplinen.

Diese sind hoch innovativ und bieten völlig neue An-sätze im Bereich der Forschung und Entwicklung und der Umsetzung in neue Technologien.“

Abseits des IEK arbeiten auch andere Institute des Forschungszentrums in der Klima- und Umwelt-forschung. Ein Beispiel hierfür ist das IBG. Unter dessen Beteiligung entstand 2015 eine Studie, wonach die europäischen Wälder zunehmend mehr Wasserdampf abgeben. Pflanzen nehmen durch Porenöffnungen auf Blättern und Nadeln Kohlen-stoffdioxid auf und geben Wasserdampf ab.

Dadurch hängen der globale Kohlenstoff- und Was-serkreislauf eng zusammen. Eine höhere CO2 -Kon-zentration in der Atmosphäre bei gleichen Anforde-rungen der Pflanzen bedeutet theoretisch, dass sich die Poren immer weiter schließen – und somit auch weniger Wasser in die Atmosphäre abgege-Prof. Dr. Lorenz Singheiser

(IEK-2)

Prof. Dr. Astrid Kiendler-Scharr (IEK-8)

ben wird. Die Forscherinnen und Forscher kom-men aber zum gegenteiligen Ergebnis. Sie erklären sich dieses Ergebnis mit verlängerten Wachstums-perioden, einer verstärkten Verdunstung in einer wärmer werdenden Umgebung und durch größere Blattoberflächen. Die Studie ist wichtig für die künftige Modellierung der Klimawirksamkeit von Wäldern und des weltweiten Wasserkreislaufes.

Außerdem lassen sich auch ökologische Konse-quenzen daraus ziehen; denn Laub- und Nadel-bäume reagieren unterschiedlich auf eine erhöhte Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Atmosphäre.

5 „Die Bereitstellung von Datenbanken spielt für Transparenz in der Forschung eine wesentliche Rolle:

Dies ermöglicht die Nutzung der Daten durch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch über die originäre Fragestellung hinaus.“

Highlight:

Werkstoffe der Energiewende

Fortschritte in der Energieforschung stehen und fallen mit Innovationen auf der kleinsten Ebene:

den Materialien. Ein Beispiel hierfür sind soge-nannte Dünnschicht-Photovoltaikmodule. Im Jülicher Forschungszentrum konnte 2014 die Lichtausbrei-tung in diesen Solarzellen sichtbar gemacht wer-den. Ein entscheidender Schritt, ihren derzeit noch geringen Wirkungsgrad weiter anzuheben. Denn im Vergleich zu herkömmlichen, kristallinen Solarzel-len sind Dünnschicht-Varianten deutlich leichter 4

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herzustellen – und verbrauchen dabei auch weni-ger Material.

6 „Nachhaltigkeit in der Materialforschung bein-haltet, besonders für den Bereich der erneuerbaren Energien, dass der Verfügbarkeit von Materialien und der Umweltverträglichkeit von Prozessen große Aufmerksamkeit gewidmet wird – entlang der ge-samten Wertschöpfungskette. Die Notwendigkeit zur Gesamtschau erfordert einen breiten interdis-ziplinären wissenschaftlichen Ansatz, für den wir in Jülich hervorragend aufgestellt sind.“

Daneben beschäftigt sich die Forschung in Jülich mit effizienteren Brennstoffzellen. Ein Schwer-punkt widmet sich der Festoxid-Brennstoffzelle, die ein wichtiges Element einer dezentralen Strom-versorgung sein kann. Ähnlich Hochtemperatur-Brennstoffzellen: Sie können in Blockheizkraftwer-ken oder Fahrzeugen zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Die Jülicher Forschung in diesem Bereich wurde nicht nur für ihren Klimaschutz ausgezeich-net – die Brennstoffzelle hat mit einer Laufzeit von 63.000 Stunden, also mehr als sieben Jahren, auch einen Weltrekord aufgestellt. Das beweist: Das System erscheint praxisreif für die Anwendung außerhalb des Labors.

7 „Zum Gelingen der Energiewende ist neben neuen wissenschaftlichen Ansätzen die Einbeziehung der Zivilgesellschaft notwendig, um beim Umbau unse-res Energiesystems die Lösungsansätze mit der breitesten Akzeptanz zu identifizieren. Im Koperni-kusprojekt ‚Power-to-X’ erforschen wir deswegen

neuartige Ansätze, die das Klimagas CO2 in ener-giereiche chemische Moleküle umwandeln. Diese Chemikalien sind der Schlüssel zu einer effizienten Kopplung der Sektoren Energieversorgung, Trans-port und Verkehr sowie Chemische Industrie.“

Bei der Energieerzeugung ist aber längst nicht Schluss – im Gegenteil. Eines der großen Probleme der Energiewende ist die Energiespeicherung.

Jülicher Forscherinnen und Forscher verfolgen hier zwei Ansätze parallel. Zum einen arbeiten sie an neuartigen Batterien, um Energie kurzfristig verfügbar zu machen. Auch hier kommen wieder Dünnschicht-Verfahren zum Einsatz, ebenso inno-vative Materialien, die eine höhere Speicherdichte, Sicherheit und Temperaturbeständigkeit als bei herkömmlichen Batterien versprechen. Der zweite Ansatz zielt auf eine langfristige Speicherung ab.

Hier konzentriert sich die Arbeit im Forschungs-zentrum auf Elektrolyse und andere chemische Verfahren, das sogenannte Power-to-X-Verfahren.

Dabei wird Wasserstoff gewonnen, der in großen Mengen gespeichert und transportiert werden kann – um bei Bedarf wieder in Strom umgewan-delt oder in chemischen Formen gespeichert wer-den zu können. Denn ein flexibles System, das es jederzeit erlaubt, Strom zu erzeugen oder in ande-rer Form zu speichern, ist ein Schlüssel für die erfolgreiche Zukunft der erneuerbaren Energien in Deutschland.

Prof. Dr. Uwe Rau (IEK-5)

Prof. Dr. Rüdiger Eichel (IEK-9)

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8 „Bisher wurden die Sektoren Elektrizität, Wärme-versorgung und Verkehr getrennt voneinander betrachtet. Für ein Gelingen der Energiewende müs-sen sie aber eng miteinander verzahnt werden, neue Formen der Energie- und Stromspeicherung sind nötig. Wasserstoff ist der Schlüssel für diese Sektorkopplung.“

Bioökonomie: Von fossilen