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Bioökonomie: Von fossilen zu nachwachsenden Ressourcen

Eine der größten Herausforderungen unserer Gesell-schaft ist der Wandel weg von fossilen Ressour-cen. Im Bereich der Energieerzeugung hat diese Einsicht mit der Energiewende bereits ihre begin-nende Umsetzung gefunden. Natürliche Rohstoffe werden aber in allen Lebensbereichen verwendet und zu Produkten verarbeitet, während gleichzeitig die weiter steigende Weltbevölkerung nachhaltig und gesund ernährt werden muss.

Vor diesem Hintergrund immer knapper werdender Ressourcen sind Alternativen gefragt. Im For-schungsschwerpunkt Bioökonomie wird diese von Jülicher Forschern in enger Kooperation mit den Partnern aus dem Bioeconomy Science Center (BioSC) gesucht. In einer zukünftigen nachhaltigen Bioökonomie werden nicht länger fossile Ressour-cen verbraucht, sondern biologische Prozesse auf Basis des Wissens über Pflanzen, Tiere oder Mikro-organismen genutzt. So entstehen nachhaltige Alternativen bei Lebens- und Futtermitteln, Chemi-kalien und Materialien, und am Ende der Nutzungs-kette bei der Bioenergie.

In Jülich forscht vor allem das Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG) zur Bioökonomie. Es bildet mit seiner Expertise in Pflanzen- und Bodenwissen-schaften und der industriellen Biotechnologie die Basis für eine strategische Entwicklung des Themas Bioökonomie – auch über Jülich und die Helmholtz-Gemeinschaft hinaus. Die drei Instituts-bereiche Biotechnologie, Pflanzenwissenschaften und Agrosphärenforschung koordinieren große nati-onale und internatinati-onale Forschungsplattformen.

Eine besondere Stellung nimmt hier das Bioecono-my Science Center (BioSC) ein. Hier forschen ins-gesamt 65 Institute der Partner RWTH Aachen, Universität Bonn, Universität Düsseldorf sowie des Forschungszentrums Jülich an integrierten Lösungen für die Bioökonomie – mit Beiträgen der Natur-,

Ingenieurs-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaf-ten. Innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft koordi-nieren die Jülicher Forscher den programmüber-schreitenden Verbund „Nachhaltige Bioökonomie“.

Das Forschungsfeld der Bioökonomie entwickelt sich sehr dynamisch, auch in Jülich. So konnten Jülicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Bereich Biotechnologie Mikroorganismen und Enzyme entwickeln, um letztlich aus nachwachsen-den Rohstoffen Bioprodukte mit neuen Eigenschaf-ten zu produzieren. Einen Schwerpunkt bilden dabei Biokatalysatoren. Diese werden eingesetzt, um chemische Reaktionen zu steuern, zu beschleu-nigen und um unerwünschte Nebenprodukte zu vermeiden. In der Industrie haben Katalysatoren deswegen eine herausgehobene Stellung. Jülicher Forscherinnen und Forschern ist es 2014 gelungen, die Eigenschaften zweier Enzyme zu kombinieren, um aus ihnen einen neuen Biokatalysator her-zustellen. Dieser ermöglicht die Synthese von (S)-Benzoin mit weniger Reaktionsschritten, milde-ren Reaktionsbedingungen und besserer Selektivität als bei bisherigen Verfahren.

9 „Bioökonomie nutzt Forschung und Innovation in der Biologie, um eine nachhaltige und verantwor-tungsbewusste Wirtschaftsweise zu etablieren. Die Biotechnologie spielt dabei eine zentrale Rolle. Die revolutionären Fortschritte in der Biologie der letzten 50 Jahre haben die Voraussetzungen geschaffen, um das bisher nur ansatzweise ausgeschöpfte rie-sige Potenzial der biologischen Herstellung von so-wohl ‚High-value‘- als auch ‚High-volume‘-Chemikali-en konsequ‚High-volume‘-Chemikali-ent zu nutz‚High-volume‘-Chemikali-en. Die Übertragung von komplexen Biosynthesewegen aus technisch nicht geeigneten Systemen in industriell nutzbare Mikro-organismen oder die Etablierung gänzlich neuer Prof. Dr. Michael Bott

(IBG-1) 9

Prof. Dr. Detlef Stolten (IEK-3)

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Biosynthesewege in solchen Zellfabriken bietet enorme Chancen, um – auch in Kombination mit der Synthesechemie – eine Vielzahl neuer innovativer Produkte für die chemische Industrie und die Medi-zin zu erzeugen. Dazu ist es notwendig, technisch verwertbare nachwachsende Kohlenstoffquellen be-reitzustellen, die Zellfabriken mit ihren Hunderten von parallel ablaufenden enzymkatalysierten Reak-tionen ganzheitlich für die Synthese des gewünsch-ten Produkts zu optimieren und die Umsetzung in einen technischen Prozess zu gewährleisten. Unse-re langfristig angelegte Forschung zielt darauf ab, Lösungen für diese Herausforderungen zu finden.“

Für die Bioökonomie und biologische Produkte sind Pflanzen von besonderer Bedeutung. Obwohl seit Jahrtausenden erforscht und genutzt, müssen Produktivität, Wasser- und Nährstoffnutzung und Qualität der Produkte immer weiter optimiert und an die neuen Herausforderungen der Umwelt angepasst werden. Jülicher Forscherinnen und Forscher des Bereichs Pflan zenwissenschaften haben das am Beispiel der Verteilung von Biomasse in Pflanzen gezeigt. Im Zentrum ihrer Untersu-chung stand die bisher gängige Metabolic Scaling Theory (MST), nach der sich Blattwerk, Wurzeln, Stamm beziehungsweise Stängel proportional in bestimmten Größenverhältnissen auf eine Pflanze verteilen. Die Studie aus dem Jülicher Forschungs-zentrum kommt hingegen zu dem Schluss: Die

MST ist ein zu starres Modell. Geht es um die Ver-teilung von Biomasse, müssen künftig auch Fak-toren wie die Evolution oder die ökologische Rolle der einzelnen Pflanzenteile betrachtet werden.

10 „In Verantwortung für folgende Generationen und für unsere eigene Lebensqualität müssen wir mit den Ressourcen, die uns unsere Erde gibt, sehr verantwortlich umgehen. Daher ist bei der Beant-wortung zentraler Zukunftsfragen eine multidiszipli-näre Herangehensweise unabdingbar. Parallel zur Forschung und Entwicklung potenzieller Lösungen muss der Dialog mit Politik, Wirtschaft und Gesell-schaft laufen, da sonst wichtige Rahmenbedingun-gen übersehen werden könnten.“

Der dritte und letzte Bereich des IBG beschäftigt sich mit der Agrosphäre. Dabei geht es vor allem um die Untersuchung terrestrischer Systeme an der Schnittstelle zwischen Biologie, Chemie und Geologie. Dafür werden in Jülich Agrar- und Grund-wassersysteme untersucht, besonders an der so-genannten Critical Zone zwischen Grundwasser, Boden, Biosphäre und unterer Atmosphäre. Diese Systeme geraten im Zuge des Klimawandels zu-nehmend unter Druck und sind weitreichenden Veränderungen unterworfen. Diese abzubilden und darauf zu reagieren ist entscheidend, um künftig eine stabile Wasserversorgung und Landwirtschaft zu sichern.

11 „Interdisziplinäre Forschungsansätze bilden die wesentliche Voraussetzung, um die gesellschaftli-chen Herausforderungen von heute und morgen nachhaltig lösen zu können. Zur Sicherung unserer natürlichen Ressourcen und der Nahrungsmittelpro-duktion sowie der Dienstleistung unserer Ökosyste-me werden neue Sensortechnologien entwickelt und mit prädiktiven Modellen vom Grundwasser bis in die Atmosphäre kombiniert, mit dem Ziel, Echt-zeitmanagementmethoden für die Nahrungsmittel-produktion und die Sicherung unserer natürlichen Ressourcen zu entwickeln.“

Seit Oktober 2015 geht Jülich zusammen mit 47 Partnern aus ganz Deutschland zudem der Frage nach, wie der Ertrag auf landwirtschaftlichen Flä-chen gesteigert werden kann, ohne den Böden zu schaden. Unter dem Namen „BonaRes – Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie“ soll es vor allem um Fragen der verschiedenen

Land-Prof. Dr. Ulrich Schurr (IBG-2)

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Prof. Dr. Harry Vereecken (IBG-3)

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nutzungsoptionen gehen und wie sich diese auf die Funktionen von Böden auswirken. Diese Forschung ist umso wichtiger, betrachtet man die stetig wach-sende Weltbevölkerung. Mehr Menschen bedeuten schließlich auch mehr Lebensmittel, die angebaut und produziert werden müssen. Hinzu kommt der Klimawandel, der Flächen auf lange Sicht unbe-nutzbar für die Landwirtschaft macht. Schlussend-lich konkurrieren auf vielen Arealen Nahrung, Roh-stoffe und Energie miteinander. Will man all diesen Herausforderungen wirksam begegnen, führt kein Weg an effizienterer Bodennutzung vorbei.

Highlight:

Algen und Antibiotika

Eine wichtige Frage der Zukunft ist, wie wir zukünf-tig Flüssigkraftstoffe für die verschiedenen Berei-che des Verkehrs nachhaltig erzeugen können – zum Beispiel um die davon abhängigen Flugzeuge zu betreiben. Erdöl und die daraus gewonnenen Kraftstoffe wie Kerosin sind endliche Ressourcen.

Noch zu wenig ist über Alternativen zu den traditi-onellen Verfahren bekannt, eine davon ist Treib-stoff aus Algen. 2014 wurde in Jülich das „Algen Science Center“ in Betrieb genommen, um die Pro-duktion von Algen und deren Umwandlung in Bio-kerosin zu untersuchen. Das Forschungszentrum koordiniert das Verbundprojekt AUFWIND, in dem drei verschiedene Bioreaktorsysteme für Algen in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie getestet werden. Zusätzlich werden in Jülich im Rahmen des Projektes OptimAL verschie-dene Algen optimiert – sie sollen durch bessere Photosynthese noch schneller wachsen, auch Reststoffe als Nährstoffquellen nutzen können und eine optimale Zusammensetzung für die Verwer-tung haben. Hierbei stehen nicht nur der optimale Anbau und die Raffinierung der Wasserpflanzen im Fokus, sondern auch die Nebenprodukte. Eine Bio-raffinerie, in der die Algen auch Vitamine, Amino-säuren oder Farbpigmente abwerfen, könnte so gegenüber der nachhaltigen Kerosinproduktion konkurrenzfähig werden – und damit eine Abkehr vom fossilen Erdöl einleiten.

Nicht nur die konventionelle Energieerzeugung, auch die konventionelle Landwirtschaft muss in Anbetracht der nachhaltigen Entwicklung einer Gesellschaft zumindest überdacht werden. Eine große Diskussion in diesem Rahmen wird immer wieder über Antibiotika in der Landwirtschaft

ge-führt. Sie werden in der Intensivlandwirtschaft in großem Umfang eingesetzt, und so gibt es Befürch-tungen, die Wirkstoffe könnten über das Fleisch oder die Gülle in unser Essen und das Grundwasser gelangen. Das Problem daran: Durch den übermä-ßigen Einsatz von Antibiotika entwickeln Bakterien Resistenzen, wodurch letztlich sogenannte multi-resistente Keime entstehen, gegen die die heute bekannten Medikamente keine Wirkung entfalten.

Dass zumindest die Belastung durch die Gülle auf den Feldern äußerst gering ist, konnte das For-schungszentrum Jülich in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt zeigen: An 48 Messstellen in vier Bundesländern wurde über zwei Jahre das oberflächennahe Grundwasser auf 23 Wirkstoffe untersucht. Bei 39 Testorten konnten gar keine Wirkstoffe nachgewiesen werden, bei sieben wei-teren wurden geringe Spuren von Sulfanomiden gefunden. Im Gegensatz zu den antibiotisch wir-kenden Substanzen gibt es für Pflanzenschutzmit-tel einen gesetzlich geregelten Grenzwert, der bei 100 Nanogramm pro Liter im Grundwasser liegt.

Lediglich an zwei Messstellen lag die Belastung durch den Stoff Sulfamethoxazol höher als dieser Grenzwert.

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Gesundheitsforschung: