• Keine Ergebnisse gefunden

Kleine Flussmuschel (Unio crassus) [1032]

3.3 Lebensstätten von Arten

3.3.1 Kleine Flussmuschel (Unio crassus) [1032]

Erfassungsmethodik

Stichprobenverfahren (FFH-Arten) Kartierjahr 2017

Aufgrund der Gewässerstruktur ist die im MaP-Handbuch für die Art vorgesehene Erfas-sungsmethodik (watend, tastend, Sichtkasten) fast nirgendwo durchführbar: Die Tauber ist größtenteils über 1,5 m tief, die Trübung die meiste Zeit des Jahres deutlich, die Ufer größ-tenteils sehr steil, und Flachwasserbereiche sind nur wenige vorhanden. Der Main ist als Bundeswasserstraße ebenfalls zu tief für eine watende Begehung, auch befinden sich an den größtenteils versteinten Ufern fast keine Flachwasserstellen.

Die ursprünglich geplante Methodik (Detailerfassung) wurde daher in Absprache mit dem RP Stuttgart abgeändert. Es fand hauptsächlich eine Nachsuche mit dem Boot statt. Dabei wur-de gezielt nach (Bisam-)Fraßplätzen gesucht, an wur-denen potentiell Großmuscheln anhand (frischer) Leerschalen für den Gewässerabschnitt nachgewiesen werden können. Eine Auf-listung der Einzelbegehungen mit Darstellung der jeweiligen Methode, Örtlichkeit und dem Begehungstermine befindet sich im Anhang (Tabelle 12).

Im Rahmen der MaP-Erstellung erfolgte im Jahr 2017 an der Taubermündung eine Betau-chung, die jedoch keine lebenden Tiere oder Schalen der Art erbrachte. Ebenfalls im Jahr 2017, aber unabhängig von der MaP-Erstellung, fand im Bereich der Taubermündung eine Ausbaggerung statt, wobei eine Absammlung von Großmuscheln aus dem Baggergut durch-geführt wurde (CHRISTIANE BUSCH, Gamburg). Die dabei gewonnenen Hinweise auf die Klei-ne Flussmuschel sind für den MaP ausgewertet worden.

Erhaltungszustand der Lebensstätte der Kleinen Flussmuschel LS = Lebensstätte

Erhaltungszustand

A B C Gebiet

Anzahl Erfassungseinheiten -- -- 1 1

Fläche [ha] -- -- 4,4 4,4

Anteil Bewertung an LS [%] -- -- 100 100

Flächenanteil LS

am Natura 2000-Gebiet [%]

-- -- 0,52 0,52

Bewertung auf Gebietsebene (C)

Beschreibung

Die Kleine Flussmuschel (Unio crassus) besiedelt unterschiedlichste Fließgewässertypen, von großen Flüssen bis hin zu kleinen unscheinbaren Gräben. Sie kommt sowohl auf steini-gen, sandigen wie kiesigen oder überwiegend schlammigen Substraten vor. Die Muschellar-ven (Glochidien) schmarotzen einige Wochen an den Kiemen bestimmter Fischarten, wes-halb eine Fortpflanzung nur bei ausreichend großem Wirtsfischbestand im Gewässer mög-lich ist. Die geeigneten Wirtsfischarten können lokal unterschiedmög-lich sein, Döbel und Elritze gehören in der Regel zu den gut geeigneten Wirtsarten. Günstig ist neben einer möglichst hohen Dichte daher in jedem Fall eine große Artenvielfalt der Fische.

Insgesamt resultieren aus den Erhebungen des Jahres 2017 für den MaP 29 Datensätze.

Darunter waren nur drei Schalenfunde der Kleinen Flussmuschel, die als eingeschränkter Hinweis auf ein Lebendvorkommen gewertet werden konnten (vgl. Tabelle 12 im Anhang).

Außerdem wurden in die Bewertung 12 Datensätze zur Kleinen Flussmuschel einbezogen, die von C. BUSCH zwischen 2014 und 2017 erhoben wurden, und die teils einen Lebend-nachweis, teils eingeschränkte Hinweise auf Lebendvorkommen liefern. Weiterhin wurden zwei Datensätze der Bundesanstalt für Gewässerkunde einbezogen, die einen einge-schränkten Hinweis auf ein Vorkommen der Art Ende der 1990er Jahre im Main liefern (siehe Bestands- und Zielekarte).

Aufgrund der Datenlage wurde nur eine Erfassungseinheit abgegrenzt, die den Tauberab-schnitt unterhalb des Wehrs von Wertheim umfasst. Im Mündungsbereich der Tauber wur-den an einem Bisamfraßplatz Anfang 2017 eine Leerschale mit Fleischresten sowie weitere frische Leerschalen nachgewiesen (C. BUSCH). Dies war für die untere Tauber der erste Le-bendnachweis der Art seit 1986 (vgl. NESEMANN 1989). Somit ist festzuhalten, dass die Art im Mündungsbereich der Tauber aktuell sicher lebend vorkommt. Die Grenzen der Besied-lung im angrenzenden Main und gewässeraufwärts in der Tauber sind wegen der genannten methodischen Schwierigkeiten allerdings unsicher.

Da von den anderen Großmuschelarten z. T. zahlreiche Tiere im Mündungsbereich der Tau-ber gefunden werden können, wird davon ausgegangen, dass das Habitat für Großmuscheln grundsätzlich gut geeignet ist, also auch eine ausreichende Sauerstoffversorgung im Intersti-tial vorhanden ist (InterstiIntersti-tial = mit Wasser gefüllte Hohlräume im Bodensediment von Ge-wässern). Das Sohlsubstrat besteht aus Steinen und Kies mit Sandanteil (unterhalb Wehr Wertheim) bis zu Sand mit Schlammanteilen (an der Mündung in den Main). Innerhalb der abgegrenzten Lebensstätte ist damit durchgehend, wenigstens in größeren Teilbereichen, für Großmuscheln geeignetes Sohlsubstrat vorhanden. Die Gewässermorphologie in der Erfas-sungseinheit ist durch eine weitgehend gleichbleibende Gewässerbreite, einen gestreckten Verlauf und eine auf langen Abschnitten gleichförmige, laminare Strömung gekennzeichnet.

Seitengerinne, Inseln, Sand- und Kiesbänke fehlen völlig, Schnellen weitgehend. Als mögli-che Wirtsfismögli-che kommen in diesem Abschnitt u. a. Döbel, Elritze und Stichling vor, daneben auch Flußbarsch, Kaulbarsch und Groppe (Artvorkommen nach BUSCH & ANDRES 2012, 2014, 2015; Eignung als Wirtsfisch nach NAGEL 2002, BRINKMANN 2013, HOCHWALD et al.

2012 sowie STOECKL et al. 2014). Inwieweit die Nase, die in der Taubermündung in hohen Abundanzen vorkommt, als Wirtsfisch für die Kleine Flussmuschel geeignet ist, konnte nicht ermittelt werden. Es besteht eine durchgängige Anbindung an den Main, die Taubermün-dung fungiert als Rückzugsraum und wird regelmäßig von zum Laichen aufziehenden Nasen durchschwommen.

Als für die Kleine Flussmuschel noch zuträgliche Nitratbelastung wird von HOCHWALD et al.

(2012: 29) der folgende Richtwert angegeben: 2,0 mg/l NO3-N = Nitrat-Stickstoff (entspre-chend 9 mg/l Nitrat). Zum Nitrat-Stickstoffgehalt in der Tauber bei Wertheim liegen

Messwer-te von 1986 bis 2014 vor4. Er lag 1986 bei 7 bis 10 mg/l NO3-N, und hat sich bis 2014 auf 5 bis 9 mg/l NO3-N leicht verringert. Der Nitrat-Stickstoffgehalt im Abfluss der Tauber lag damit seit dem letzten Lebendnachweis der Kleinen Flussmuschel in 1986 durchgehend um den Faktor 2 bis 5 höher als der bei HOCHWALD et al. (2012) angegebene Richtwert (im angren-zenden Main liegt der Nitrat-Stickstoffgehalt um den Faktor 1,5 bis 4 höher5). Es wird davon ausgegangen, dass die Kleine Flussmuschel von 1986 bis 2017 durchgehend in der Tau-bermündung in Wertheim vorhanden war, mithin der Richtwert bezüglich des Nitratgehaltes hier nicht zutrifft. Der Nitratgehalt geht daher in die Bewertung nicht ein. Nach der Gewäs-sergütekarte von 2004 hat die gesamte Tauber sowie der angrenzende Main die Gewässer-güteklasse II (= mäßig belastet) und ist damit für die Kleine Flussmuschel geeignet. Bei zu-sammenfassender Betrachtung der o. g. Einzelkriterien wird die Habitatqualität insgesamt mit gut bewertet – Wertstufe B.

Die Kleine Flussmuschel konnte nur in wenigen Einzelexemplaren lebend bzw. frischtot nachgewiesen werden. Ihr Anteil an den insgesamt gefundenen Leerschalen an Fraßplätzen oder recht frischen Leerschalen bei der Ausbaggerung lag immer nur bei 1 bis 3 %. Bei der Ausbaggerung im Jahr 2017 wurden in Bezug zur gebaggerten Fläche insgesamt eher weni-ge adulte Großmuscheln weni-gefunden. Es wird daher eine nur weni-gerinweni-ge Siedlungsdichte und klei-ne Populationsgröße der Kleiklei-nen Flußmuschel angenommen. Die Altersstruktur der vorhan-denen Population kann nicht abgeschätzt werden. Es wurden nur adulte lebende oder frisch-tote Tiere der Kleinen Flussmuschel gefunden, die bei einer Länge von 5,5 bis 7,0 cm ein geschätztes Alter von mindestens sieben bis zehn Jahren hatten (vgl. Tabelle 7). Jungmu-scheln wurden nicht nachgewiesen, wobei jedoch nur vereinzelte Siebproben des Substrats genommen wurden (per Boot und Siebkescher). Es wird auf die hier schwierige Nachweis-barkeit von Großmuscheln verwiesen (s. o.). Die Reproduktionsmöglichkeiten der Art können ebenfalls nicht abgeschätzt werden, auch nicht nach der in 2017 durchgeführten Ausbagge-rung. Der Verbund zu anderen (Teil-)Populationen ist unbekannt, da weitere Lebendnach-weise weder in angrenzenden Abschnitten des Mains noch in der Tauber bekannt sind. Im ungünstigsten Fall handelt es sich um eine seit mehreren Jahrzehnten weitgehend isolierte Population. Die Zustand der Population wird insgesamt mit mittel bis schlecht bewertet – Wertstufe C.

Tabelle 7: Als Lebendnachweise gewertete Aufsammlungen und Sichtungen der Kleinen Flussmuschel

Alle Funde in der Taubermündung in Wertheim, alle Daten von C. BUSCH (Gamburg) Nr. Datum

Fund-situation Funde Vermessung

Ringe: Mindestzahl

4 Messwerte Tauber (jdkfg.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/300, Station Wertheim, abgefragt 16.03.2018):

1986 bis 1989: 7 bis 10 mg/l NO3-N. Diese Gehalte lagen mit geringen Schwankungen auch in den folgenden Jahren vor. Die jüngsten verfügbaren Messwerte sind folgende: 2009 bis 2014: 5 bis 9 mg/l NO3-N

5 Meßwerte Main (https://www.gkd.bayern.de/fluesse/chemie, Station Rothenfels, abgefragt 16.03.2018):

Auf den unteren 300 m der Tauber bis zur Mündung erfolgte im Jahr 2016 eine Baumaß-nahme mit temporärer Baustraße im Fluss sowie im Jahr 2017 eine größere Ausbaggerung.

Eine beeinträchtigte Habitatqualität in Folge dieser Maßnahmen ist anzunehmen. Insbeson-dere sind verstärkte Feinmaterialablagerungen auf dem eigentlich gut geeigneten sandigen Substrat zu vermuten. Die Ablagerungen von Feinmaterial ergeben sich aus der Quer-schnittsvergrößerung und den damit verringerten Fließgeschwindigkeiten. Oberhalb der ge-nannten Maßnahmen bis zum Wehr Wertheim fanden in den letzten Jahren vermutlich keine oder nur kleinflächige Eingriffe in den Flussgrund statt, daher sind dort etwas bessere Bedin-gungen zu erwarten. Hier tritt jedoch der Sand zugunsten von Steinen zurück, der Flächen-anteil mit geeignetem Substrat ist geringer. Weiterhin befinden sich in der Taubermündung mehrere große Schalenansammlungen, an denen von Prädatoren (mit hoher Wahrschein-lichkeit vor allem Bisam) ständig Schalen frisch erbeuteter Großmuscheln abgelegt wurden (Beobachtungen in 2017). Es wird davon ausgegangen, dass im Jahr 2017 auf den unteren ca. 500 m Fließstrecke der Tauber innerhalb eines Jahres Großmuscheln in einer Größen-ordnung von 1.500 bis 3.000 adulten Tieren von Fraßfeinden erbeutet wurden (zeitlich de-terminierte, wiederholte Aufsammlungen an Fraßplätzen; Daten von C. BUSCH). Ein deutli-cher negativer Einfluss auf die Populationsgrößen aller Großmuschelarten in der Tauber-mündung ist daher anzunehmen. Es kann allerdings keine sichere Aussage getroffen wer-den, ob die derzeit angetroffenen Großmuschel-Populationen aufgrund von Prädation im (weiteren) Rückgang sind. Die Beeinträchtigungen werden insgesamt mit stark bewertet – Wertstufe C.

Verbreitung im Gebiet

Der einzig sichere Nachweis einer rezenten Population der Kleinen Flussmuschel befindet sich im Bereich der Taubermündung. Weitere Vorkommen der Kleinen Flussmuschel sowohl in der Tauber als auch eventuell im Main können nicht ausgeschlossen werden. Bei Walden-hausen und bei Gamburg wurden an der Tauber relativ frische bzw. gut erhaltene Leerscha-len an Faßplätzen gefunden (Einzelexemplare). Daher sind dort am ehesten weitere (indivi-duenarme) Vorkommen zu erwarten, ein sicherer Nachweis gelang bisher allerdings nicht.

Weitere Untersuchungen zur Verbreitung der Kleinen Flussmuschel im Gebiet werden emp-fohlen.

Bewertung auf Gebietsebene

Die Bewertung des Erhaltungszustandes auf Gebietsebene entspricht der einzigen Erfas-sungseinheit und ist damit mittel bis schlecht – Wertstufe C. Die Bewertung des Erhaltungs-zustandes erfolgt aufgrund der eingeschränkten Erfassungsmethodik lediglich als Einschät-zung.