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2.2. Die Kaliumhomöostase beim Wiederkäuer 1. Einführung

2.2.3. Kalium im Körper

2.2.3.2. Kalium im Blut

Die Kaliumkonzentration im Blut wird durch die externe und die interne Kaliumbilanz bestimmt. Die externe Kaliumbilanz errechnet sich aus Kaliumaufnahme mit dem Futter und Kaliumausscheidung über die verschiedenen Exkretionswege, während sich die interne Kaliumbilanz durch die Verteilung des körpereigenen Kaliums zwischen Intra- und Extrazellularraum ergibt (Brobst 1986, Sweeney 1999). Da eine solche Umverteilung von Kaliumionen unabhängig vom Gesamtkaliumgehalt des Körpers stattfinden kann, gibt der Blutkaliumspiegel nicht immer zuverlässig Auskunft über die tatsächliche Kaliumbilanz eines Tiers (Brobst 1986). Die physiologische Kaliumkonzentration in Rinderblut liegt bei ca. 4 bis

5 mmol/l (Lattmann 1984, Janowitz 1990, Delgado-Lecaroz et al. 2000, Zadnik 2003, Cozzi et al. 2011). Physiologische Messwerte der Blutkaliumkonzentration aus verschiedenen Untersuchungen sind in Tabelle 1 (Kontrollen) dargestellt.

Hormonelle Regulation der Blutkaliumkonzentration

Die Kaliumkonzentration im Blut wird u. a. durch Einwirken verschiedener Hormone regu-liert (Brobst 1986, Rastegar 1990). Eine wichtige Rolle spielen dabei vor allem Insulin (Zierler und Rabinowitz 1963, Zierler und Rabinowitz 1964, Zierler et al. 1966, Lentz et al.

1976, Miller et al. 1980, Weil et al. 1991), Katecholamine (Rosa et al. 1980, Williams et al.

1985, Brobst 1986, Rastegar 1990, Sweeney 1999, Mahoney et al. 2005, Clausen 2010) und Aldosteron (Rastegar 1990). Die Regulation erfolgt mittelfristig vor allem über die Niere, kurzfristig aber primär über eine Umverteilung des Kaliums aus dem Blut in Körperzellen, wobei die Skelettmuskelzellen den größten intrazellulären Kaliumspeicher darstellen (Brobst 1986, Sweeney 1999, McDonough et al. 2002, Clausen 2010).

Insulin

Ein kurzfristiger Anstieg des Blutkaliumspiegels, z.B. durch Resorption aus dem Darm nach der Futteraufnahme, oder auch durch experimentelle Kaliuminfusion, fördert bei Rindern (Lentz et al. 1976, Miller et al. 1980) die Insulinfreisetzung. Dieser Effekt findet sich entsprechend auch bei Menschen und anderen Tieren (Gomez und Curry 1973, De Fronzo et al. 1978, McDonough et al. 2002).

Das freigesetzte Insulin steigert wiederum die Kaliumaufnahme in die Zellen, besonders in Muskel- und Leberzellen (Zierler und Rabinowitz 1964, De Fronzo et al. 1978, Brobst 1986, Cohen et al. 1991, McDonough et al. 2002, Chen et al. 2006, Nguyen 2011). Die Wirkung wird in der Regel als glukoseunabhängig beschrieben (Zierler und Rabinowitz 1963, Zierler et al. 1966, De Fronzo et al. 1978, Cohen et al. 1991, Nguyen 2011). Im Rattenmuskel steigert Insulin sowohl die Expression als auch die Aktivität der Natrium/Kalium-ATPase (Na/K-ATPase) und erhöht so die Kaliumaufnahme in die Zellen (Weil et al. 1991, Overgaard 1999, McDonough et al. 2002). In Rattenleber, Rattenadipozyten und einer Muskelzellkultur konnte Insulin die Aktivität der Na/K-ATPase indirekt erhöhen, indem es die Verfügbarkeit an intrazellulärem Natrium erhöhte (Fehlmann und Freychet 1981, Rosic et al. 1985, McGill und

Guidotti 1991). Diese mögliche Erklärung ist allerdings umstritten (Weil et al. 1991). Insulin könnte die Aktivität der Na/K-ATPase auch über deren Phosphorylierung beeinflussen (Sweeney et al. 2001).

Darüber hinaus kann Insulin unter bestimmten Bedingungen auch die Kaliumsekretion in der Niere anregen. Die Wirkung wird dabei über eine Stimulation der basolateralen Na/K-ATPase sowie möglicherweise auch über eine Stimulation von apikalen Renal Outer Medullary (ROMK)-Kaliumkanälen in den Hauptzellen der Sammelrohre vermittelt (Frindt und Palmer 2012).

Katecholamine

Der Einfluss von Katecholaminen (Adrenalin, Noradrenalin, β2-Agonisten) fördert ebenfalls die Kaliumaufnahme in die Zellen über eine Stimulation der Na/K-ATPase (Rosa et al. 1980, Williams et al. 1985, Brobst 1986, Rastegar 1990, Sweeney 1999, Overgaard et al. 1999, Mahoney et al. 2005, Clausen 2010, Benziane et al. 2012). Die Stimulation erfolgt wahrscheinlich über β2-adrenerge Rezeptoren mit einer Vermittlung über die Adenylatcyclase und damit cAMP (Clausen und Flatman 1977, Allon 1993). Dieser Mechanismus kommt vor allem nach körperlicher Anstrengung zum Tragen (siehe Kapitel 2.2.5.2). Starke Muskel-aktivität kann zu massiver Freisetzung von Kalium aus der Skelettmuskulatur sowohl beim Rind (Kuhlmann et al. 1985, Veeneklaas et al. 2004, Davidson und Beede 2009) als auch bei anderen Tierarten (Knochel und Schlein 1972, Williams et al. 1985) führen und dadurch den Blutkaliumspiegel signifikant erhöhen. Körperliche Aktivität steigert aber auch die Katecholaminfreisetzung aus der Nebennierenrinde (Galbo et al. 1975, Huang et al. 2010, Baragli et al. 2010). Langfristiges, regelmäßiges Training kann zudem zu einer Hoch-regulation der Na/K-ATPase führen (Allon 1993). Überschüssiges Kalium kann daher schnell wieder aufgenommen werden und eine aktivitätsbedingte Hyperkaliämie wird somit begrenzt oder ganz vermieden (Williams et al. 1985, Clausen 2010). Durch eine überschießende Reaktion kann nach Ende des Trainings sogar eine Hypokaliämie entstehen (Clausen 2010).

Auch in Stresssituationen steigt der Blutkaliumspiegel zunächst an (Gartner et al. 1965). Eine überschießende Reduktion des Blutkaliumspiegels durch Katecholamine wird hier bei Rindern und anderen Tiere z.B. bei Transportstress beobachtet (Darbar et al. 1996, Parker et al. 2003), sodass der Kaliumbedarf der betreffenden Tiere erhöht ist (Hutcheson et al. 1984,

Cole und Hutcheson 1990).

Abweichend davon sahen Fosha-Dolezal et al. (1988) nach Adrenektomie bei drei Hereford-Kälbern keine Änderungen in der Reaktion des Blutkaliumspiegels auf akute Muskelaktivität.

β-Agonisten wie Salbutamol werden beim Menschen zur Behandlung von Hyperkaliämien eingesetzt (Allon 1993, Mahoney et al. 2005). β-Agonisten könnten über eine Stimulation der Na/K-ATPase, oder auch über Calcium-aktivierte Kaliumkanäle wirken (Velasquez und Munoz 1991, Tamaoki et al. 1994).

Mineralocorticoide

Während Insulin und Katecholamine auf die interne Kaliumbilanz wirken, regulieren Mineralocorticoide, vor allem Aldosteron, an der Niere die externe Kaliumbilanz. Aldosteron wird, als Teil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems als Reaktion auf niedrige Blutnatriumspiegel, hohe Blutkaliumspiegel und Hypovolämie bzw. Dehydrierung aus den Glomerulosazellen der Nebennierenrinde ausgeschüttet (Bell 1972, El-Nouty et al. 1980, Holtenius 1990).

Die Aldosteron-Sekretion wird durch ein Zusammenspiel zwischen Angiotensin II und hohen Blut-Kalium-Konzentrationen ausgelöst (Chen et al. 1999, Maturana et al. 1999, Betancourt-Calle et al. 2001, Foster et al. 2002). Aldosteron verstärkt im distalen Tubulus die Kaliumsekretion und die Natriumreabsorption (Wang 2016) und erhöht so die Kaliumausscheidung mit dem Urin, während es die Natriumausscheidung senkt (Rabinowitz 1977, El-Nouty et al. 1980, Safwate 1985). Dabei könnte der basolateral lokalisierte einwärts rektifizierende (inward rectifying) K channel 4.1 (Kir4.1) für die Regulation der Kalium-ausscheidung entscheidend sein. Er könnte als Kalium-Sensor fungieren und die Expression von basolateral lokalisierten NaCl-Cotransportern (NCC), sowie deren Aktivität, anregen.

Dadurch würde die intrazelluläre Chloridkonzentration ansteigen. Chlorid strömt apikal über einen Kalium-Chlorid-Cotransporter wieder aus der Zelle ins Blut. Dadurch würde also, neben der Chloridausscheidung, auch die Kaliumausscheidung vermindert. Mäuse mit gestörter Kir4.1-Expression zeigen daher Hypokaliämie (Wang 2016, Su und Wang 2016).

McKinley et al. (2000) stellen jedoch anhand von Untersuchungen an adrenektomierten Scha-fen die Bedeutung von Aldosteron für die renale Natrium- und Kaliumausscheidung in Frage.

Bei stark dehydrierten intakten Schafen beobachten sie zudem keinen Anstieg der

Aldosteron-Konzentration im Plasma, sondern erst nach Rehydrierung einen graduellen Anstieg.

Aldosteron fördert die Kaliumsekretion ins Colon (Poutsiaka et al. 1957, Dolman und Edmonds 1975, Zemanová und Pácha 1998) und möglicherweise auch die Kaliumaufnahme in die Zellen (Alexander und Levinsky 1968, Brobst 1986). Mineralocorticoide wie Aldosteron vermindern zudem den Na+/K+-Quotienten im Speichel von Schafen und Menschen (Rabinowitz et al. 1985, Furuya et al. 2002). Da in Speicheldrüsen von Ratten die Anwesenheit von Na/K-ATPasen nachgewiesen wurde (Chaïb et al. 1999), vermuten die Autoren, dass dies möglicherweise über eine Steigerung der Na/K-ATPase-Aktivität in den Streifenstücken geschieht (Furuya et al. 2002). Auf die Kalium- oder Natriumexkretion mit der Milch scheint Aldosteron dagegen keinen Einfluss zu haben (Safwate et al. 1981).

Safwate et al. (1981) beobachten darüber hinaus eine deutliche Abnahme der Plasma-Aldosteron-Konzentration zum Zeitpunkt der Abkalbung. Das könnte auf eine Kaliummangelsituation hinweisen. Als die Kühe im Frühjahr auf die Weide getrieben wurden, stiegen die Werte wieder an – wahrscheinlich aufgrund des hohen Kaliumgehalts in jungem Gras (Metson et al. 1966, Miller et al. 1980) – und blieben dann bis zum Ende der Laktation hoch (Safwate et al. 1981).

Tageszeitenabhängige Schwankungen

Der Blutkaliumspiegel von Kühen scheint im Tagesverlauf signifikant zu schwanken (Unshelm und Rappen 1968, Bajcsy et al. 1999). Allerdings machten die tageszeitabhängigen Variationen nur 5,1 % der Gesamtvariation aus (Unshelm und Rappen 1968). Assenza et al.

(2009) finden dagegen in Blut und Speichel von Ziegen keine circadianen Veränderungen, ebensowenig wie Thurmann (2012) im Blut von Rindern.

Verschiedene Untersuchungen beschreiben einen ähnlichen, wenn auch etwas zeitversetzen, Verlauf der Blutkaliumwerte: Unshelm und Rappen (1968) und Sprenger (1963) beobachten übereinstimmend einen morgendlichen Anstieg bis zum Mittag, einen Höhepunkt um die frühe Mittagszeit (zwischen 10 und 12 Uhr), ein anschließendes Absinken der Werte und einen Tiefpunkt am Nachmittag (15 bzw. 16 Uhr). Anschließend steigt die Blutkaliumkonzentration in beiden Untersuchungen wieder an und bleibt laut Sprenger (1963) die Nacht über hoch. Bajcsy et al. (1999) beschreiben nachts ebenfalls gleichmäßig hohe Werte, die aber bereits ab 8 Uhr absinken und schon kurz nach Mittag ihren Tiefpunkt

erreichen. Danach folgt ein starker Anstieg bis 16 Uhr, der sich danach bis um 2 Uhr nachts abgeschwächt fortsetzt und dann wiederum bis um 8 Uhr morgens hoch bleibt. Interessant ist, dass sich die Blut-Natrium-Konzentration in etwa gegenläufig verhält (Unshelm und Rappen 1968, Bajcsy et al. 1999). Möglicherweise lassen sich die Schwankungen auf einen Tageszeitenrhythmus der Nebennierenhormone zurückführen (Unshelm und Rappen 1968).

Hyperkaliämie

Ein erhöhter Blutkaliumspiegel kann auf zwei Wegen verursacht werden: zum Einen im Sinne einer Störung der externen Kaliumbilanz infolge einer übersteigerten Kaliumresorption oder einer reduzierten Kaliumausscheidung, zum Anderen im Sinne einer Störung der internen Kaliumbilanz über eine verstärkte Kaliumfreisetzung aus dem Intrazellularraum. Nur bei Störungen der externen Kaliumbilanz ist auch der Gesamtkaliumgehalt des Körpers betroffen (Brobst 1986, Sweeney 1999).

Ätiologie

Eine Hyperkaliämie durch gesteigerte Kaliumaufnahme ist beim Rind unwahrscheinlich.

Aufgrund des üblicherweise sehr hohen Kaliumgehalts im Futter (NRC 2001) sind Rinder in der Regel gut an eine hohe Kaliumaufnahme angepasst. Überschüssiges Kalium wird dabei über eine Steigerung der renalen Exkretion eliminiert (Stillings et al. 1964, Scott 1969, Wylie et al. 1985, Tucker und Hogue 1990). Erst wenn die Urinausscheidung gestört oder unterbunden ist, kommt es beim Wiederkäuer zu einem Anstieg der Blutkaliumkonzentration (Brobst 1986). Hyperkaliämien wurden bei Schafen und Ziegen mit Urolithiasis, Nieren-versagen und Pyelocystitis beobachtet (Bickhardt et al. 1995, Sweeney 1999), aber auch bei Rindern mit Blasenruptur, bei denen der kaliumreiche Urin in die Bauchhöhle gelangt und von dort zurück ins Blut gelangt (Smith et al. 1983, Wilson und MacWilliams 1998, Sweeney 1999).

Häufiger entstehen Hyperkaliämien jedoch durch eine Nettoverschiebung von Kaliumionen aus dem Intra- in den Extrazellularraum. Azidotische Bedingungen im Blut konnten die Aktivität der Na/K-ATPase in Zellkulturen aus Hundenierenzellen und Xenopus-Oozyten hemmen (Manuli und Lorenz 1992, Salonikidis et al. 2000). So wird weniger freigesetztes Kalium zurück in die Zellen transportiert. Eine massive Hyperkaliämie in Verbindung mit

metabolischer Azidose wird beim Wiederkäuer insbesondere bei Durchfallkälbern häufig beschrieben (Groutides und Michell 1990, Weldon et al. 1992, Brooks et al. 1996, Sweeney 1999). Bei diesen Tieren liegt allerdings aufgrund der Kaliumverluste über den Kot in der Regel eine absolute Kaliumdepletion vor (Sweeney 1999). Eine verstärkte Freisetzung von Kalium aus den Zellen wird weiterhin auch bei einer anaphylaktischen Reaktionen beobachtet (Wells et al. 1973), wobei das Kalium entweder aus Immunzellen wie Mastzellen, Leukozyten oder Thrombozyten stammen könnte, oder aber aus den Gefäßmuskeln stammen und durch die starke Vasokonstriktion freigesetzt werden könnte (Wells et al. 1973). Auch bei verstärkter Aktivität der Skelettmuskulatur wird Kalium aus dem Intrazellularraum freigesetzt, was zu transienter Hyperkaliämie führen kann (Brobst 1986, Davidson und Beede 2009). Zudem könnten Hyperkaliämien, analog zum Monogastrier, auch durch Insulinmangel, Zellnekrosen oder Störungen des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems ausgelöst werden (Brobst 1986).

Auswirkung en

Ein erhöhter Blutkaliumspiegel depolarisiert das Ruhemembranpotential aller erregbaren Zellen. Das führt zu einer verstärkten Erregbarkeit der Nerven- und Muskelzellen. Am Herzen kommt es zudem durch die erhöhte Kaliumleitfähigkeit zu einer verlangsamten diastolischen Depolarisation, die besonders im Sinusknoten zum Tragen kommt. Dadurch entsteht eine Sinusbradykardie. Da das Herz vergleichsweise einfach zu untersuchen ist, wird die Bradykardie oft als erstes Symptom bei hyperkaliämischen Tieren beobachtet. Im EKG zeigen sich niedrige P-Wellen, breite QRS-Komplexe und schmale, hohe (zeltförmige) T-Wellen. Im fortgeschrittenen Stadium können auch andere Arrhythmien wie ventrikuläre Extrasystolen und sogar Kammerflimmern auftreten. Diese entstehen durch die Kombination aus verlangsamter Depolarisation und gesteigerter Erregbarkeit (Sweeney 1999, Harmeyer und Tobias 2010).

Behandlung

Da Hyperkaliämien fast immer sekundär zu anderen Krankheitsbildern auftreten, steht immer die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund (Smith et al. 1983, Groutides und Michell 1990) Oft ist eine gesonderte Behandlung der Hyperkaliämie dann nicht erforderlich, weil der Kaliumspiegel sich von alleine reguliert. In schweren Fällen kann Insulin appliziert

werden, oder durch Glukoseinfusionen die Freisetzung von Insulin im Körper ausgelöst werden. Insulin stimuliert die Na/K-ATPase, fördert so die Aufnahme von Kalium in die Zellen und senkt damit den Blutkaliumspiegel (Weil et al. 1991, Brooks et al. 1996, Sweeney 1999, Grünberg et al. 2011). In der Humanmedizin werden außerdem β-Agonisten wie Salbutamol als Inhalationstherapie eingesetzt (Allon 1993, Mahoney et al. 2005). Die Wirkung dieser Substanzen geht wahrscheinlich auf Calcium-aktivierte Kaliumkanäle sowie eine Stimulation der Na/K-ATPase zurück (Velasquez und Munoz 1991, Tamaoki et al. 1994).

Hypokaliämie

Ähnlich wie die Hyperkaliämie kann auch ein Absinken des Blutkaliumspiegels aus einer Imbalance der äußeren oder der inneren Kaliumbilanz resultieren. Eine absolute Kaliumdepletion kann durch eine reduzierte Kaliumaufnahme, zum Beispiel bei Anorexie (Sweeney 1999, Cole 2000), verursacht werden. Auch hohe Kaliumverluste, zum Beispiel über den Gastrointestinaltrakt bei Durchfall (Sweeney 1999) oder abomasoruminalen Reflux (Hammond et al. 1964, Braun et al. 1990, Cebra et al. 1996, Sullivan et al. 2005, Abutarbush und Naylor 2006, Uppal 2007), oder auch über die Haut bei Verbrennungen (Brobst 1986), können eine Kaliumdepletion bewirken. Andererseits kann der Blutkaliumspiegel aber auch durch eine verstärkte Aufnahme der Kaliumionen in die Zellen absinken (Brobst 1986). Diese Kaliumumverteilung vom Extra- in den Intrazellularraum wird durch Insulin, Aldosteron und Katecholamine vermittelt (Miller et al. 1980, Rastegar et al. 1990, Weil et al. 1991, Mahoney et al. 2005, Clausen 2010) Sie tritt außerdem bei metabolischer Alkalose auf (Hjortkjaer und Svendsen 1980, Brobst 1986). Peek et al. (2000) beobachten ein gehäuftes Auftreten von Hypokaliämien während der ersten 45 Laktationstage (Median: 21 Tage).

Ätiologie

Obstruktion der Magen-Darm-Passage

Hypokaliämie wird beim Rind häufig als Begleiterscheinung gastrointestinaler Obstruktionen beobachtet. Der Zusammenhang zur Labmagenverlagerung (LMV) wurde bereits in Kapitel 2.1.2.2. ausführlich dargestellt. Meist wird das Auftreten von Hypokaliämien bei Rindern mit LMV auf eine Passagestörung mit Sequestrierung von Kalium im Labmagen und im Vormagentrakt zurückgeführt (Vörös und Karsai 1987, Braun et al. 1990, Meylan 1999,

Sahinduran und Albay 2006). Die parallele Sequestrierung von Salzsäure führt zudem zu einer hypochlorämischen Alkalose, in deren Rahmen eine Nettoverschiebung von Kaliumionen in den Intrazellularraum stattfindet. Diese könnte die Hypokaliämie verschärfen (Hjortkjaer und Svendsen 1980, Brobst 1986). Untersuchungen beim Monogastrier (Gulyassy et al. 1962, Giebisch 1998) zeigten bei Alkalose zudem eine Steigerung der Kaliumexkretion über die Niere. Bei Rindern mit metabolischer Alkalose wurde im Gegensatz dazu allerdings teilweise eine reduzierte renale Kaliumexkretion beobachtet (Hammond et al. 1964, Avery et al. 1986).

Dass die Störung der Ingestapassage bei LMV sowohl zu einer hypochlorämischen Alkalose, als auch zu Hypokaliämie führen könnte, erscheint wahrscheinlich, da sich bei Rindern mit proximaler Obstruktion des Gastrointestinaltrakts ähnliche metabolische Veränderungen zeigen wie bei Tieren mit LMV. Obstruktionen des Pylorus oder des Duodenums wurden experimentell ausgelöst um die Eigenschaften der hypokaliämischen, hypochlorämischen Alkalose zu studieren (Avery et al. 1986). Hypokaliämien mit sehr niedrigem Blutkalium-spiegel sowie Alkalosen wurden aber auch bei natürlich auftretender Obstruktion des Labmagens, z.B. bei Hoflundsyndrom (Braun et al. 1990), oder des Duodenums, z.B. durch Kies (Cebra et al. 1996) Phytobezoare (Braun et al. 1990, Hasunuma et al. 2011), Ulzera (Fatimah et al. 1982) oder Leberabszesse (Braun et al. 1990) beobachtet.

Auffallend sind in diesem Zusammenhang die hohen Kaliumkonzentrationen im Panseninhalt bei Rindern mit gestörter Labmagenpassage (Svendsen 1969a, Breukink und de Ruyter 1977, Avery et al. 1986, Geishauser et al. 1996). Da Kalium im Pansen resorbiert werden kann (Wylie et al. 1985, Reynolds et al. 1991, Dua et al. 1994), stellt sich die Frage, warum der Blutkaliumspiegel nicht auf diesem Weg ausgeglichen wird.

Applikation von Glukokortikoiden und andere iatrogene Ursachen

Klinische Hypokaliämie mit Muskelschwäche bis hin zum Festliegen wird sehr häufig nach Applikation von Glukokortikoiden mit mineralokortikoider Wirkung festgestellt. Mineralo-kortikoide steigern die Kaliumexkretion über die Niere (Sweeney 1999). Peek et al. (2000) sehen einen Anstieg der fraktionierten Exkretion von Kalium zwischen 55 und 128 % nach Behandlung mit Isoflupredon. Die entsprechenden Präparate wurden früher häufig im postpartalen Zeitraum zur Behandlung von Ketose eingesetzt. Besonders Isoflupredon gilt als

häufiger Auslöser von Hypokaliämien (Sielmann et al. 1997, Sattler et al. 1998, Peek et al.

2000). Coffer et al. (2006) beschreiben eine Reduktion des Plasmakaliumspiegels um 25 % nach einer einzigen Dosis Isoflupredon (20 mg/Tier). Nach dreitägiger Behandlung sank der Plasmakaliumspiegel sogar um fast die Hälfte (Coffer et al. 2006).

Auch nach Behandlung mit Dexamethason werden vereinzelt Hypokaliämien beschrieben (Peek et al. 2000, Johns et al. 2004), die mineralokortikoide Wirkung ist hier aber umstritten (Coffer et al. 2006).

Die Applikation von Insulin sowie von Glukoseinfusionen oder Glukosevorläufern wie Propylenglykol, die eine Insulinfreisetzung bewirken, kann bestehende Hypokaliämien darüber hinaus verstärken. Insulin erhöht die Aktivität der Na/K-ATPase und vermittelt so eine gesteigerte Aufnahme von Kaliumionen in die Zellen, sodass der Blutkaliumspiegel weiter abfallen kann (Brobst 1986, Sweeney 1999, Peek et al. 2000).

Weiterhin sehen Shakespeare et al. (1998) analog zu Beobachtungen beim Monogastrier (Eiam-Ong et al. 1993, Greenberg 2000) bei Schafen nach Verabreichung von Furosemid eine Hypokaliämie in Verbindung mit hypochlorämischer metabolischer Alkalose. Dieser Effekt ist über die gesteigerte renale Kaliumausscheidung bei Diurese zu erklären.

Coliforme Mastitis und Endotoxämie

Die oftmals starke Muskelschwäche bei Rindern mit coliformer Mastitis könnte teilweise durch eine Hypokaliämie mitverursacht werden (Divers and Peek 2008). So beobachteten Ohtsuka et al. (1997a) nach Applikation von E. coli-Endotoxinen Hypokaliämie und sahen ähnliche Ergebnisse auch bei Patiententieren mit Colimastitis bzw. Klebsiellenmastitis (Ohtsuka et al. 1997b). Gleichzeitig mit der Hypokaliämie trat auch bei diesen Tieren eine hypochlorämische metabolische Alkalose auf. Die metabolischen Störungen waren in der Patientengruppe mit septischem Schock am stärksten ausgeprägt. Über welchen Mechanismus Endotoxine diese Säure-Basen- und Elektrolytverschiebungen auslösen könnten, ist noch nicht bekannt. Die Autoren vermuten, dass eine Störung der Labmagenfunktion zugrunde liegen könnte (Ohtsuka et al. 1997a).

Wie in Kapitel 2.1.2.2. ausgeführt, könnten Endotoxine auch in der Ätiologie der Labmagenverlagerung eine Rolle spielen (Coppock 1974, Eades 1997, Zadnik 2003, Kaze et al. 2004, Zebeli et al. 2011).

Leberdefekte

Bei Rindern mit Leberdefekten, insbesondere bei Leberverfettung, werden immer wieder reduzierte Blutkaliumwerte ermittelt (West 1997, Peek et al. 2000, Kalaitzakis et al. 2010a).

Peek et al. (2000) führen diese Beobachtung vor allem auf das vermehrte Auftreten von Leberverfettung im peripartalen Zeitraum zurück, wenn häufig Glukokortikoide zur Behandlung von Geburtsketosen eingesetzt werden. Allerdings beschreibt West (1997) auch Hypokaliämien bei Rindern mit Fasciolose, Leptospirose und Leberabszessen, sodass ein direkter Zusammenhang nicht ausgeschlossen scheint.

Auswirkungen

Die mit Hypokaliämie einhergehende reduzierte Kaliumkonzentration im Extrazellulärraum führt zu einer Hyperpolarisation des Ruhemembranpotentials an erregbaren Zellen. Störungen der neuronalen Erregbarkeit sowie der neuromuskulären Überleitung prägen daher das klinische Erscheinungsbild (Sweeney 1999). Das häufigste Symptom bei Rindern mit Hypokaliämie ist Muskelschwäche, die, je nach Ausprägung, oft zum Festliegen führt (McGuirk und Butler 1980, Sielman et al. 1997, Sattler et al. 1998, Peek et al. 2000, Johns et al. 2004). Charakteristisch ist besonders die Lähmung der Halsmuskulatur; betroffene Tiere können oft den Kopf nicht heben (McGuirk und Butler 1980, Sielman et al. 1997, Sattler et al.

1998). Histologisch fanden Sielman et al. (1997) bei betroffenen Tieren eine "hypokali-ämische Myopathie", die sich durch vakuolisierende Myonekrosen auszeichnete. Diese könnte, analog zu Monogastriern, durch Veränderungen des Mitochondrien-Stoffwechsels aufgrund des Kaliummangels verursacht werden (Knochel und Schlein 1972, Sweeney 1999).

Muskelischämie und Nekrosen können aber auch als Folge längeren Festliegens auftreten und werden als prognostisch ungünstig angesehen (Sweeney 1999, Peek et al. 2000).

Darüber hinaus beeinträchtigt Hypokaliämie die physiologische Herzfunktion. Die Hyper-polarisation und die geringere Kaliumleitfähigkeit der Herzmuskelzellen führen zu verzögerter Erregbarkeit, verlängerten Refraktärzeiten und gestörter Überleitung bis hin zu Blocks. Zudem sinkt auch in den erregungsbildenden Zentren die Kaliumleitfähigkeit, sodass depolarisierende Ströme stärker zum Tragen kommen. Dadurch entsteht eine Tachykardie. Die Kombination aus gestörter Überleitung und hoher Herzfrequenz begünstigt die Entstehung von spontaner Aktivität der untergeordneten Erregungsbildungszentren und Herzmuskelzellen

und daraus folgenden Arrhythmien (Harmeyer und Tobias 2010). McGuirk et al. (1983) sowie Constable et al. (1990) beschrieben gastrointestinale Erkrankungen, die häufig von Hypokaliämie begleitet waren, als wahrscheinlich primäre Ursache für Vorhofflimmern bzw.

supraventrikuläre Extrasystolen. Sattler et al. (1998) beobachteten bei 7 von 14 hypokaliämischen Rindern Tachykardie, EKG-Abweichungen und Herzrhythmusstörungen.

Peek et al. (2000) sahen Vorhofflattern bei 5 von 17 Patienten. In schweren Fällen können auch lebensbedrohliche Myokardschäden entstehen (Sattler et al. 1998). Im EKG sieht man höhere P-Wellen und QRS-Komplexe sowie kleinere T-Wellen. Teilweise können U-Wellen auftreten (Harmeyer und Tobias 2010).

Hypokaliämische Rinder zeigten außerdem häufig Pansenhypomotilität oder -atonie (Sattler et al. 1998), reduzierte Futteraufnahme und Milchleistung sowie einen schlechten Pflegezustand (Sweeney 1999).

Behandlung

Hypokaliämische Rinder werden in der Regel durch orale und/oder intravenöse

Hypokaliämische Rinder werden in der Regel durch orale und/oder intravenöse