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Künftige Trends in der Qualitätssicherung? Zentrale Herausforderungen

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Sind ausgehend vom aktuellen Entwicklungsstand der Qualitätssicherung für die Zukunft einheitliche Trends zu erwarten? Um diese Frage zu beant-worten, sollen drei zentrale Herausforderungen beleuchtet werden:

Erste Herausforderung: Wettbewerb und Diversifikation im Hochschulsektor Eine der zentralen Herausforderungen an die Qualitätssicherung kommt aus dem Hochschulsystem. Hochschulen agieren heute in einem mehr und mehr wettbewerblich ausgerichteten Umfeld. Sie konkurrieren um Finanz-mittel, Lehrende und Studierende, um Reputation. Dies hat auch Konse-quenzen für den Ansatz und die Methodik der Qualitätssicherung, denn in einem wettbewerblich ausgerichteten Hochschulsystem kommt der Qualität von Hochschulen in den Leistungsbereichen nicht nur eine erheb-lich gesteigerte, sondern auch eine erweiterte Bedeutung zu. Das Streben nach hoher Qualität in Studium und Lehre entspringt nicht mehr nur der intrinsischen Motivation der Lehrenden, Qualität ist darüber hinaus eine

Grundvoraussetzung für den institutionellen Erfolg der Hochschulen. Hin-sichtlich der Qualitätssicherung rückt damit ein neuer Akteur in den Fokus, nämlich die Hochschule als Institution. Die am häufigsten als Indikatoren für Qualität angeführten Merkmale sind hinlänglich bekannt und umfassen z. B. Studienerfolgsquoten, Forschungsergebnisse, Akquisition von Dritt-mitteln, Effektivität und Effizienz in finanzieller Hinsicht und die Anzahl der Nobelpreisgewinner(innen).

Der Prozess der Diversifizierung betont dabei den Charakter der Qualität als relatives Konzept. Denn was bedeuten die oben genannten Qua-litätsindikatoren für die Qualität einer Institution? Wenn es stimmt, dass die Profile der Hochschulen vielfältiger werden, dann muss sich dies notwen-digerweise auch auf die Qualitätsindikatoren auswirken. Im Übrigen dürfte es selbstverständlich sein, dass eine Hochschule, die sich als Forschungs-universität von Weltrang versteht, materiell und auf einzelne Aspekte be-zogen andere Qualitätsstandards als relevant einstuft als zum Beispiel eine Hochschule mit einem starken regionalen Bezug und einem ausgewiesenen Profil im Bereich des Lebenslangen Lernens (Reichert 2009).

Als Konsequenz dieser veränderten Bedeutung der Qualität ändert sich auch der Rolle der Qualitätssicherung. Zum einen gilt: Wenn in einem wettbewerblich ausgerichteten Hochschulsystem die Gleichung „Steigerung von Qualität ist gleich Steigerung des Erfolgs“ stimmt, rücken Verfahren der Qualitätsentwicklung und -sicherung notwendigerweise näher in das Zentrum des strategischen und operativen Hochschulmanagements. Statt sektoraler, additiver Qualitätssicherung, die in den unterschiedlichen hoch-schulinternen Prozessen zumeist isoliert von anderen Steuerungsaufgaben betrieben wird, wird Qualitätsentwicklung zunehmend als verbindendes und leitendes Prinzip der gesamten Hochschulsteuerung verstanden und verankert. Sowohl Entscheidungen über das akademische Profil in For-schung und Lehre wie auch über sonstige Dienstleistungen, z. B. im Bereich Technologietransfer, sowohl Personalentscheidungen (Personalgewinnung und Personalentwicklung) wie auch Entscheidungen über die hochschulin-terne Ressourcenallokation müssen auf ihre Passgenauigkeit zum Gesamt-konzept, auf ihre qualitätssteigernde Wirkung hin ausgerichtet werden.

Es geht um einen Paradigmenwechsel hin zu einem in erster Linie selbst gesteuer ten und dynamischen Prozess der Qualitätsentwicklung, der sich an den selbst gesetzten Zielen der Hochschulen orientiert (Gaethgens 2008).

Die Diversifizierung erfordert darüber hinaus, dass Qualitätssiche-rungsverfahren unterschiedlichen Profilen und Qualitätskriterien Rechnung tragen müssen. Sie müssen daher flexibel sein. Gerade der letzte Aspekt

birgt dabei den potenziellen Konflikt mit der Anforderung, durch vergleich-bare Verfahren die Transparenz zu erhöhen. Insgesamt stärken Wettbe-werb und Diversifizierung somit die Bedeutung der Entwicklungs dimension der Qualitätssicherung erheblich.

Zweite Herausforderung: Qualitätssicherung als Politikevaluation

Eine zweite Herausforderung kommt von außerhalb des Hochschulsystems, im Wesentlichen aus der Politik. Zwar zeigt die Entstehung der Qualitäts-sicherung in Europa, dass sich die Diskussion nie nur um die Entwicklung von Qualität in Studium und Lehre gedreht hat, sondern Qualitätssicherung auch als neues Steuerungsinstrument im Zuge der Deregulierung zu verstehen ist.

Jedoch zeigt ein Blick in viele Hochschulsysteme, insbesondere in den USA und in einigen europäischen Ländern, dass Verfahren zur Qualitätssicherung zunehmend als Instrumente zur Durchsetzung von politischen Zielen genutzt werden, die ohne Bezug zur akademischen Qualität im engeren Sinne sind.

Der Bologna-Prozess ist ein gutes Beispiel für diese Entwicklung; er hat sich von einem Projekt zur Steigerung von Transparenz und Mobilität mittels leicht lesbarer Abschlussgrade, einer vergleichbaren Studienstruktur und anderer unterstützender Mittel zu einem sehr viel umfassenderen Reform-prozess entwickelt, der auch politische Ziele wie soziale Integration und Ge-rechtigkeit, partizipative Hochschulleitung etc. auf der Agenda aufführt. Ähn-liche Entwicklungen sind auch in andern Regionen der Welt zu beobachten.

Als Konsequenz erweitert sich – in der Regel auf ministeriellen Druck – der Fokus der Qualitätssicherungsverfahren, die nunmehr nicht le-diglich qualitätsrelevante Fragen, sondern auch die Umsetzung anderer po-litischer Ziele begutachten sollen. Hierbei besteht nicht nur die Gefahr der Überfrachtung von Qualitätssicherungsverfahren, sondern auch die Gefahr der Akzentverschiebung. Wenn von Seiten der Hochschulen die Verfahren nicht mehr in erster Linie als Unterstützung zur Qualitätsentwicklung ver-standen werden, sondern als Instrumente zur Durchsetzung neuer hoch-schulpolitischer Ziele, kann dies erhebliche Auswirkungen auf die grund-sätzlich prekäre Akzeptanz von Qualitätssicherungsverfahren haben.

Dritte Herausforderung: Qualitätssicherung als Transparenzinstrument Eine dritte Herausforderung resultiert aus der Funktion der Qualitäts sicherung als Transparenzinstrument. Hochschulen sehen sich einem stetig wachsen-den Interesse von Studierenwachsen-den, staatlichen Entscheidungsträger(inne)n

und weiteren Akteuren/Akteurinnen der Hochschulpolitik, aber auch der breiten Öffentlichkeit, an detaillierten und verlässlichen Informationen über die Qualität der einzelnen Studiengänge, Fakultäten und Hochschulen aus-gesetzt. Dies ist nicht zuletzt eine Folge der oben genannten Entwicklung hin zu mehr Vielfalt und Wettbewerb. In einem diversifizierten und wett-bewerbsorientierten Hochschulsystem sind detaillierte und zuverlässige Informationen notwendige Voraussetzungen z. B. für die Entscheidung bei der Studiengangwahl, die Mittelallokation auf der Grundlage von Leistungs-parametern oder für die Wahl von geeigneten Kooperationspartner(inne)n für ein gemeinsames Forschungsprojekt.

Zwar dienten Qualitätssicherungsverfahren schon immer auch dem Zweck, Informationen über Studiengänge und Hochschulen zu liefern. Eine neue Herausforderung ist aber insofern gegeben, als fraglich ist, ob die Qua-litätssicherungsverfahren in der Lage sind, die nachgefragten Informatio-nen in der gewünschten Form zur Verfügung zu stellen. Denn Hochschulen und Qualitätssicherungsagenturen sehen sich einer wachsenden Nachfrage nach Informationen für Vergleichszwecke ausgesetzt. Qualitätssicherungs-verfahren bieten aber in der Regel komplexe Informationen zu einzelnen Studiengängen oder Hochschulen an. In der politischen Diskussion wird die eingeschränkte Eignung der Ergebnisse von Qualitätssicherungsverfahren – vor allem der stärker entwicklungsorientierten – für direkte Vergleiche vielfach als Manko der Qualitätssicherung kritisiert.

Ganz anders verhält es sich bei anderen Transparenzinstrumen-ten, die in der politischen Diskussion vielfach als Alternativen zu Qualitäts-sicherungsverfahren gesehen werden, vor allem Rankings oder Klassifika-tionsverfahren. Diese basieren in der Regel auf standardisierten, also in allen Hochschulen gleichermaßen zu erhebenden, quantitativen Daten.

Dies bedeutet aber, dass diese Informationen zumeist nicht die Qualität des Studiengangs oder der Hochschule beschreiben, sondern vielmehr nur auf bestimmte Aspekte, z. B. Abschlussquoten oder die Anzahl der Nobelpreisgewinner(innen) unter den Mitarbeiter(inne)n eingehen. Qualität im umfassenden Sinne ist ein viel komplexeres Phänomen, das alle Leis-tungsbereiche umfasst. Die Qualität eines Studiengangs oder einer Hoch-schule ist vielleicht zu komplex, um sinnvoll verglichen werden zu können.

Dagegen bieten solche Transparenzinstrumente keine entwicklungsorien-tierte, qualitative Informationen oder gar Empfehlungen für Maßnahmen zur weiteren Entwicklung. Der Unterschied zwischen der Art der Informa-tionen lässt sich verkürzt umschreiben als der Unterschied zwischen der Performanz in der Vergangenheit und dem Potenzial in der Zukunft.

Die Herausforderung besteht nun darin, diese Unterschiede, die in der öffentlichen Diskussion zu verschwimmen drohen, indem beide Ansät-ze als Alternativen zur Erlangung transparenter Informationen über Stu-diengänge und Hochschulen verstanden werden, deutlich zu machen. Die Qualitätssicherung wird diesen Wettbewerb niemals gewinnen können. Vor allem, weil die einfachen, mehr oder weniger ausschließlich quantitativen Informationen über Qualität, oder besser gesagt: über bestimmte Aspekte der Leistung zumindest scheinbar viel verständlicher sind und als besser geeignet erscheinen, Entscheidungsgrundlagen darzustellen.

Ausblick

Wie soll die Qualitätssicherung diesen Herausforderungen begegnen? Liegt die Zukunft der Qualitätssicherung in einer stärker entwicklungsorien-tierten Ausrichtung, um den Bedürfnissen der Hochschulen im qualitäts-orientierten Wettbewerb gerecht zu werden, oder liegt die Zukunft in einer methodischen, vor allem indikatorbezogenen Annäherung an Transparenz-instrumente wie Rankings, um den Bedürfnissen nach Information besser gerecht werden zu können?

Es wird deutlich, dass die erste Variante den auf Rechenschafts-legung ausgerichteten Aspekt der Qualitätssicherung zumindest nach traditioneller Denkweise unberücksichtigt lässt oder zumindest zu wenig berücksichtigt. Es wird ebenso deutlich, dass die zweite Variante eine grundlegende methodische Neuausrichtung erfordern würde, die es der Qualitätssicherung nahezu unmöglich machen würde, einen unmittelbaren Beitrag zur Qualitätsentwicklung zu leisten. Dies führt zu der Kernfrage, deren Beantwortung im Zentrum der Diskussion über die künftige Entwick-lung der Qualitätssicherung zu beantworten ist: Warum sollten Hochschu-len Qualitätssicherung betreiben? Die aktuelHochschu-len Diskussionen zeigen, dass dies nur scheinbar eine banale Frage ist, die längst beantwortet wurde. Der Versuch, Qualitätssicherungsverfahren zu einem Instrument der Politik-evaluation zu machen, und der Versuch, Qualitätssicherungsverfahren in erster Linie als ein vergleichendes Transparenzinstrument zu verstehen, machen deutlich, dass eine Selbstvergewisserung über die Zweckbestim-mung dringend erforderlich ist.

Es ist unwahrscheinlich, dass sich an der Dualität der ursprüng-lichen Zweckbestimmungen, Entwicklungsdimension und Kontrolldimen-sion, perspektivisch etwas ändern wird. Qualitätssicherung als entwick-lungsorientierter Ansatz und Bestandteil der Hochschulsteuerung ist

un-verzichtbar. Auch die Komponente der gleichzeitigen Rechenschaftslegung im Sinne der transparenten Dokumentation der Qualität entspringt einem legitimen Anspruch. Um diesen Zweckbestimmungen gerecht werden zu können, ist das Design der Verfahren entsprechend auszugestalten. Dabei wird es in der politischen Diskussion darauf ankommen zu verdeutlichen, was realistisch und seriöserweise von Qualitätssicherungsverfahren er-wartet werden kann und was nicht. Zwei Fragen sollten die künftige Dis-kussion leiten:

O Ist es zwingend, dass stärker entwicklungsorientierte Verfahren der Qualitätssicherung, wie etwa klassische Studiengang- oder in-stitutionell ausgerichtete Evaluationen oder Audits keine geeignete Grundlage für die Rechenschaftsfunktion sind?

O Ist wirklich die Qualitätssicherung der geeignete Ansatz zur Rechen-schaftslegung? Gibt es nicht infolge der Entwicklungen im IT- gestützten Berichtswesen Verfahren, die einfacher und transparen-ter sind und noch dazu besser vergleichbare Informationen liefern?

Letztlich lautet die Aufgabe der Zukunft, in einem ersten Schritt zu klären, welche Aufgaben im Bereich Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung, Re-chenschaftslegung und Information jeweils zu erfüllen sind. Die Diskussion über die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung in den letzten zehn Jah-ren war jedoch stark auf die VerfahJah-ren fokussiert. Die Zweckbestimmung der methodisch in den 1990er-Jahren entwickelten Qualitätssicherung in Studium und Lehre wurde immer stärker erweitert, zunächst um die Re-chenschaftskomponente, dann um nicht unmittelbar qualitätsrelevante hochschulpolitische Aspekte sowie um stärker auf Transparenz bezogene Komponenten, ohne dass grundlegend die Frage nach der Tauglichkeit der Methoden gestellt worden wäre. Erst in einem zweiten Schritt wäre dann zu klären, mit welchen Mitteln, unabhängig von derzeit eingeführten und angewendeten Verfahren, diese Aufgaben effektiv und effizient bewältigt werden können. Das Ergebnis dürfte in eine strategische Neuausrichtung der Qualitätssicherung münden.

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EQAR und aktuelle Entwicklungen in der

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