• Keine Ergebnisse gefunden

Hochschulen und Forschungseinrichtungen in die Pflicht nehmen

Im Dokument Gut besser exzellent? (Seite 119-122)

Bereits diese ersten Teilerfolge der Templiner Manifest-Kampagne für den

„Traumjob Wissenschaft“ machen deutlich: Es gilt dicke Bretter zu bohren, um die Reform der Personalstruktur und Berufswege in Hochschule und Forschung Wirklichkeit werden zu lassen. Es gibt eben nicht nur einen ein-zigen politischen Hebel, der umzulegen ist – die Herausforderung besteht vielmehr darin, auf mehreren Ebenen gleichzeitig aktiv zu sein: auf europä-ischer Ebene, auf Bundes- und Länderebene, in der tarifpolitischen Arena und nicht zuletzt auch im Handlungsfeld der Hochschulen und Forschungs-einrichtungen, die im Zuge der Stärkung ihrer Handlungsspielräume durch Landeshochschulgesetzesnovellen und die „Wissenschaftsfreiheitsinitia-tive“ der Bundesregierung eine größere Bedeutung gewonnen haben und nun unter Beweis stellen müssen, dass sie mit der Autonomie verantwor-tungsbewusst umgehen können.

Dass politischer Handlungsbedarf hinsichtlich der Reform von Per-sonalstruktur und Berufswegen in Hochschule und Forschung besteht,

be-streitet heute fast niemand mehr – auch nicht die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, der neben der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und den großen Verbünden der außerhochschulischen Forschungs-einrichtungen auch Organisationen wie die Deutsche Forschungsgemein-schaft (DFG) oder der WissenForschungsgemein-schaftsrat angehören. In ihrer Pressemittei-lung vom 13.12.2011 spricht sich die Allianz zwar einerseits „entschieden für eine unveränderte Fortführung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes“

aus, bekennt sich aber zugleich zur „Bedeutung eines verantwortungsvol-len Umgangs mit den Befristungsregelungen sowie der damit verbundenen besonderen Personalfürsorge“.

Die GEW nimmt die Allianz beim Wort und hat den Hochschulen und Forschungseinrichtungen vorgeschlagen, sich in einem Kodex zu ei-ner guten Personalpolitik zu verpflichten.10 Im Rahmen eines „Kodex gute Personalpolitik“ sollen sich die Hochschulen und Forschungseinrichtungen erstens zu einer aktiven Personalpolitik verpflichten. Hierzu gehören neben der Personalentwicklung im Sinne von Fortbildung, Kompetenzentwicklung und Beratung, bei der etliche Hochschulen schon gute Angebote entwickelt haben (Schlüter/Winde 2009), eine vorausschauende Personalplanung und ein effektives Personalmanagement. Auf Basis einer Personalplanung kann der mittel- und langfristige Bedarf an wissenschaftlichem Personal ermit-telt und davon abgeleitet werden, wie vielen Nachwuchskräften eine wis-senschaftliche Laufbahn eröffnet werden sollte. Auch ein adäquates Ver-hältnis zwischen befristet und unbefristet Beschäftigten kann auf diesem Wege bestimmt werden. Unter Personalmanagement sind Instrumente zu verstehen, mit denen unabhängig von kurzfristigen Finanzierungsquellen mittel- bis langfristig stabile Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden können. So könnten qualifizierten Nachwuchskräften längerfristige Zeit-verträge oder unbefristete Beschäftigungsverhältnisse angeboten werden, indem die Finanzierung aus unterschiedlichen Drittmittelprojekten, Haus-haltsstellen und neu einzurichtenden zentralen Überbrückungsfonds kom-biniert werden.

Zweitens gehört in einen „Kodex gute Personalpolitik“ die Ver-ankerung eines Tenure Track, der Postdocs die Perspektive eines dauer-haften Verbleibs in Hochschule und Forschung eröffnet. Wie ein Tenure Track gestaltet werden und mit der kontinentaleuropäischen Hochschul-kultur in Einklang gebracht werden könnte, zeigt ein Beispiel aus einem

10 Pressemitteilung vom 18.01.2012, http://www.gew.de/GEW_Hochschulen_brauchen_einen_

Personal-Kodex.html (Zugriff am 01.03.2012).

europäischen Nachbarland: der Kollektivvertrag (Tarifvertrag) für die Uni-versitäten in Österreich, der 2009 zwischen der Gewerkschaft Öffent licher Dienst (GÖD) und dem Dachverband der Universitäten abgeschlossen wurde (GÖD 2011). Gemäß § 27 des Kollektivvertrages kann eine Univer-sität einem wissenschaftlichen Mitarbeiter oder einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin den Abschluss einer Qualifizierungsvereinbarung anbieten.

Werden die vereinbarten Qualifizierungsziele erreicht, was die Universität entsprechend fördern muss, kann die Wissenschaftlerin oder der Wissen-schaftler mit einer Entfristung ihres oder seines Beschäftigungsverhält-nisses rechnen.

Eine Hochschule oder Forschungseinrichtung sollte in einem Kodex die Voraussetzungen für die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG bestimmen – auch im Sinne des Tenors des zitierten Urteils des Bundesarbeitsgerichts. Entsprechend einem Vorschlag der GEW Sachsen-Anhalt könnte die Befristung von Beschäftigungsverhält-nissen an die Voraussetzung geknüpft werden, dass tatsächlich eine Promo-tion oder HabilitaPromo-tion abgeschlossen wird, dass das Qualifizierungsziel im Arbeitsvertrag benannt wird und dass mit Doktorand(inn)en eine verbind-liche Betreuungsvereinbarung abgeschlossen wird. Sind diese Vorausset-zungen nicht erfüllt und liegt auch keine Drittmittelfinanzierung vor, ist ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis angezeigt.

Vierter Bestandteil eines „Kodex gute Personalpolitik“ ist die Ver-pflichtung auf eine geschlechtergerechte und familienfreundliche Hoch-schule bzw. Forschungseinrichtung. Die Universität Konstanz verfügt seit 2010 über einen eigenen „Gender Kodex“, in dem sich die Universität u. a.

zur Berücksichtigung von Gleichstellungszielen und Genderaspekten bei der Forschungsförderung, zu einem geschlechtergerechten Ressourcen-management und einer entsprechenden Führungskultur, zu einer familien-freundlichen Wissenschaftskultur, zur Ermöglichung eines ausgewogenen Verhältnisses von Berufs- und Privatleben durch entsprechende Organisati-onsstrukturen und – explizit in diesem Kontext – zu langfristigen Beschäfti-gungsverhältnissen bekennt.11

Was in diesem Zusammenhang ebenfalls in einem „Kodex gute Per-sonalpolitik“ geregelt werden müsste, ist die Umsetzung der sogenannten familienpolitischen Komponente des WissZeitVG. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG kann sich die Höchstbefristungsdauer bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind verlängern. Der

11 www.gleichstellung.uni-konstanz.de/gender-kodex/ (Zugriff am 28.02.2012).

Bericht zur Evaluation des WissZeitVG hat aufgezeigt, dass die familienpo-litische Komponente bisher nur äußerst selten und in der Regel ohne ein systematisches Konzept angewandt wird (Jongmanns 2011: 3, 54 f.). Letzt-lich ist es eine Ermessensentscheidung des Arbeitgebers, ob die familien-politische Komponente angewandt wird oder nicht, einen Rechtsanspruch der betroffenen Wissenschaftler(innen) gibt es nicht. Eine Hochschule oder Forschungseinrichtung sollte daher in einem Kodex offenlegen, unter wel-chen Voraussetzungen und in welcher Weise sie die familienpolitische Kom-ponente anwendet, damit die Beschäftigten eine entsprechende Planungs-sicherheit erhalten.

Schließlich sollte ein „Kodex gute Personalpolitik“ Mindeststandards für befristete Beschäftigungsverhältnisse formulieren. Zeitverträge wird es in der Wissenschaft immer geben. Entscheidend ist, dass dort, wo Zeitver-träge vertretbar sind, Mindestvertragslaufzeiten eingehalten werden: Die Laufzeit von Arbeitsverträgen hat sich an der Dauer der zu erfüllenden Auf-gabe bzw. der Laufzeit der Drittmittelprojekte zu orientieren.

Es ist zu befürchten, dass die meisten Hochschulen und Forschungs-einrichtungen nicht von alleine auf die Idee kommen, sich in einem Kodex zur guten Personalpolitik zu verpflichten. Von daher brauchen wir zum ei-nen aktive GEW-Hochschulgruppen und Templiner Manifest-Initiativen, ge-werkschaftlich organisierte Mitglieder in Organen der Hochschulselbstver-waltung, Personal- und Betriebsräten, die auf die Erarbeitung von Kodizes drängen und diese durch Gremienbeschlüsse und Dienst- bzw. Betriebsver-einbarungen verbindlich ausgestalten. Auf der anderen Seite müssen Bund und Länder als Träger und Geldgeber der Hochschulen und Forschungsein-richtungen ihre Verantwortung für eine gute Qualität der Arbeits- und Be-schäftigungsbedingungen wahrnehmen – indem sie diese durch eine aktive Vergabepolitik zu einer aktiven Personalpolitik verpflichten.

Im Dokument Gut besser exzellent? (Seite 119-122)