• Keine Ergebnisse gefunden

Können Evaluationen zur Organisationsentwicklung beitragen?

Im Dokument Gut besser exzellent? (Seite 95-98)

In Zeiten der zunehmenden Ausdifferenzierung und Neuformierung von Wissenschaftssystemen, der Veränderung von institutionellen Settings unter anderem zwischen den Hochschulen und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind die wissenschaftlichen Einrichtungen zu-nehmend gehalten, ihr eigenes Profil zu entwickeln, über Entwicklungs-perspektiven nachzudenken und dafür die entsprechenden Instrumente und Verfahren zu entwickeln. In den Evaluationen kommen jedoch bislang in erster Linie disziplinäre Standards der Peers zur Beurteilung der For-schungsleistungen zum Tragen. Die Entwicklung eines Forschungsprofils, gar die Definition eines Alleinstellungsmerkmals, Probleme und Problem-lösungen der internen Forschungsorganisation bzw. der -struktur, Perso-nalentwicklung und ähnliches spielen allenfalls eine Nebenrolle und sind darüber hinaus oft von Konjunkturen oder Moden geprägt (Simon 2008).

Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind außerdem mit

unter-schiedlichen (neuen) wissenschaftspolitischen Steuerungs-, Koordinations- und Bewertungsinstrumenten konfrontiert. Je nach Evaluationsverfahren sehen es einzelne Peers durchaus auch als ihre Aufgabe an, Empfehlun-gen für die Weiterentwicklung der Institute bzw. Fakultäten zu geben, die sich zwar auf die Forschungsinhalte konzentrieren, aber auch Elemente von Struktur- und Organisationsentwicklung beinhalten können. Die Ins-titute versuchen diese Hinweise mit ihren eigenen Vorstellungen und Ori-entierungen für die organisatorische Weiterentwicklung in Verbindung zu bringen und die Hinweise als externe Legitimation für interne Struktur-veränderungen zu nutzen. Diese Form der Ergebnisverarbeitung ist von reinen Anpassungsprozessen zu unterscheiden, die sich beispielsweise an den Kriterien von Rankings orientieren (Espeland/Sauder 2007).

Probleme im Evaluationsprozess tauchen in dieser Hinsicht immer dann auf, wenn die Organisation vor dem Hintergrund einer eigenständigen Profilbildung ihre Leistungen nach anderen Prämissen und Prioritäten er-bringt, als es die Peers vorschlagen. „Academic regulation is reinforced but no longer is the sole form of regulation exercised on faculty members. It is combined with but at the same time challenged by other forms of regulation developed by the institutions and leading to the expansion of controls, pro-cedures, and organisational rules within universities” (Musselin 2008: 52).

Für Evaluationen kann dies zweierlei bedeuten: Erstens könnten sich diese Verfahren auf den Aspekt der akademischen Selbststeuerung konzentrieren und zukünftig anlassbezogen organisiert werden, was auch die häufig kritisierten hohen Verfahrenskosten senken könnte. Ein solcher Anlass könnten beispielsweise Veränderungen in der externen Umgebung des Instituts oder neue wissenschaftspolitische Vorgaben sein. Vorausset-zung hierfür bleibt ein generelles Vertrauen der Peers in die Selbststeue-rungsfähigkeit der Forschungseinrichtungen und Hochschulen.

Eine zweite Option wäre – und hierfür spräche einiges –, dass die Verfahren weiter in Richtung einer Beratungsleistung für die Profes-sionalisierung von Steuerungs-, Koordinations- und Organisationswissen entwickelt werden. Evaluationsverfahren besitzen hierfür gute Vorausset-zungen, weil das Peer Review grundsätzlich akzeptiert ist und als Basis-leistung für weitere Beratungen dienen könnte. Eine Ausgangssituation, an die man gut anknüpfen könnte und die bei externen Unternehmens- oder Organisationsberater(inne)n nicht gegeben ist. Diese guten Startbedingun-gen sind aber nur dann aktivierbar, wenn die Gutachter(innen) in FraStartbedingun-gen der Organisationsentwicklung Kompetenzen vorweisen können oder wenn der Kreis der Peers um Expert(inn)en für Organisationsentwicklung ergänzt

wird. Hieraus würde die Chance entstehen, dass in vertrauter Umgebung auch elementare Themen der strukturellen Weiterentwicklung thematisiert werden könnten. Solche Beratungsleistungen sind angesichts der in allen Wissenschaftssystemen gewünschten Profilierungen für die Institutsleitun-gen von großer Bedeutung. Dies würde für die jeweiliInstitutsleitun-gen Verfahren eine Erweiterung des Gutachter(innen)- und Experten(innen)kreises bedeuten.

Vermutlich ist dies aber der einzige auf Akzeptanz stoßende Weg, in etab-lierte Einrichtungen externes Wissen zur Organisationsentwicklung „einzu-schleusen“.

Damit wäre zwar immer noch nicht das Problem gelöst, wie man

„gute“ organisationale Rahmenbedingungen für Forschung überprüfen oder bewerten kann, aber immerhin würde so die Chance bestehen, aus den Er-fahrungen der Forschungsinstitute systematisch zu lernen.

Literatur

Connell, Helen (2004): University Research Management. Meeting the Institutional Challenge. Paris.

Espeland, Wendy N./Sauder, Michael (2007): Rankings and Reactivity. How Public Measures recrea-te Social Worlds, in: American Journal of Sociology, Vol. 113, No. 1, 140.

Forss, Kim/Cracknell, Basil/Samset, Knut (1994): Can Evaluation help an Organization to learn?, in:

Evaluation Review, Vol. 18, No. 5, 574–590.

Gülker, Silke/Simon, Dagmar (2011): Nach der Evaluation ist vor der Evaluation? Institutionelle Fol-gen von ForschungsbewertunFol-gen im internationalen Vergleich, in: Hornbostel, Stefan/Schelling, Anna (Hg.): Evaluation: New Balance of Power?, iFQ-Working Paper Nr. 9, Bonn, 8394.

Hansson, Finn (2006): Research evaluation and organisational learning in the university. A possible coexistence?, in: International Journal Learning and Change, Vol.1, No. 3, 267284.

Henkel, Mary (2000): Academic Identities and Policy. Change in Higher Education, London.

Kieser, Alfred (2010): Unternehmen Wissenschaft?, in: Leviathan. Berliner Zeitschrift für Sozialwis-senschaft, 38. Jg., Nr. 3, 347–368.

Musselin, Christine (2008): Towards a Sociology of Academic Work, in: Amaral, Alberto/Bleiklie, Ivar/

Musselin, Christine (Hg.): From Governance to Identity. A Festschrift for Mary Henkel, Dordrecht, 4756.

Röbbecke, Martina/Simon, Dagmar (2001): Reflexive Evaluation. Ziele, Verfahren und Kriterien der Evaluation von Forschungsinstituten, Berlin.

Röbbecke, Martina (2008): Evaluation als neue Form der „Disziplinierung“ – ein nicht intendierter Effekt?, in: Matthies, Hildegard/Simon, Dagmar (Hg.) (2008): Wissenschaft unter Beobachtung.

Effekte und Defekte, Wiesbaden, 161–177.

Simon, Dagmar (2007): Orte der inter- und transdisziplinären Forschung: ein institutioneller Blick auf die Evaluation, in: Stoll-Kleemann, Susanne/Pohl, Christian (Hg.): Evaluation inter- und trans-disziplinärer Forschung. Humanökologie und Nachhaltigkeitsforschung auf dem Prüfstand, München, 109–122.

Simon, Dagmar (2008): Als Konsequenz mehr Kohärenz? Indendierte und nicht intendierte Wirkun-gen von institutionellen Evaluationen. In: Matthies, Hildegard/Simon, Dagmar (Hg.) (2008): Wis-senschaft unter Beobachtung. Effekte und Defekte, Wiesbaden, 178–192.

Simon, Dagmar/Sondermann, Michael/Schulz, Patricia (2011): Abgelehnte Exzellenz. Die Folgen und die Strategien der Akteure, in: Leibfried, Stephan (Hg.): Die Exzellenzinitiative. Zwischenbi-lanz und Perspektiven. Frankfurt am Main: Campus Verlag, S. 161197.

Verantwortung – Umgang mit Ambivalenz und

Im Dokument Gut besser exzellent? (Seite 95-98)