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In den letzten Monaten habe ich eine Vielzahl von Gesprächen geführt und die WSL als Institution in ihrem Arbeiten, Wirken und Umsetzen kennenge-lernt. Ich habe ihr Selbstverständnis, ihre Kultur, ihre Stärken und Schwächen wie Potentiale für die Zukunft erfahren. Aufgrund all der internen, aber auch der externen Gespräche kristallisiert sich für mich folgende Vision heraus:

Ich sehe die WSL als Teil einer «grünen Denk-fabrik›› im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, des Tourismus und des Natur- und Landschafts-schutzes, wo Fragen der nachhaltigen Landnutzung und die Erhaltung des ländlichen Raumes und der Biodiversität im Vordergrund der Betrachtung ste-hen.

Die WSL muss gesellschaftsrelevante Fragen aufgreifen. Sie muss rechtzeitig zukunftsgerichtete

Lösungen für das Management der Landschaft an-bieten, wozu als Gerüst der Wald gehört.

Ich will, dass sich die WSL in die laufende De-batte um Zukunftsthemen im Bereich der Biodiver-sität, der Klimaänderung, der Nachhaltigkeitsdebatte einklinkt, dass sie rechtzeitig neue Themen zum voraus als solche erkennt.

Wir müssen den Mut haben, nicht nur Ideen zu entwickeln, sondern auch konkrete Handlungsanlei-tungen für Umsetzungen und Durchsetzungen an-zubieten. Nachhaltigkeit ist in aller Mund, sie ist aber gleichzeitig Blackbox. Die Nachhaltigkeitsde-batte bewegt sich derzeit fatalerweise eher um die Devise «Global denken, banal reden und fatal han-deln››, wie ich es unlängst an der Basler Konferenz

«Natur für Ost und West» von einem Referenten hörte.

Was kann die WSL hier Konstruktives einbringen, um diesen nicht erwünschten Regelkreislauf aufzu-brechen?

Die WSL muss sich hier ein Stück weit neu ori-entieren. Da Nachhaltigkeit neben dem Bereich der Ökologie auch die Ökonomie und die Soziologie umfasst, müssen wir uns hier - im Sinne einer ganz-heitlichen Sicht -fachlich verstärken bzw. entspre-chende Experten an wichtigen Schnittstellen bei uns plazieren. Dies hilft uns auch, mit Dritten kompe-tent kooperieren zu können.

Nicht nur die Praxis kämpft mit Finanzproblemen.

Auch das WSL-Budget wird in Zukunft vermutlich gekürzt. Die Zeiten des Wachstums sind vorbei.

Weniger Mittel bedeutet Prioritäten setzen. Falls ein Fachgebiet verstärkt wird, muss an einem anderen Ort entsprechend gekürzt werden, d.h. im Klartext:

es werden Leistungen reduziert werden müssen.

Die WSL kann zudem nicht alle Forschungsfra-gen selber lösen. Wir müssen mehr mit anderen Institutionen zusammenarbeiten, in Forschungsko-operationen wirken und zwar in KoForschungsko-operationen, die diesen Namen verdienen. Die gegenwärtig zwischen WSL und ETH stattfindenden Gespräche um eine Neuausrichtung sind Chancen für eine Neugewich-tung der Forschungsaufgaben. Sie zeigt sich in der Festlegung von Forschungsschwerpunkten, aber auch in der klaren Abgrenzung der Aufgaben und nicht zuletzt der konkreten Zusammenarbeit in Form von Forschungsprojekten oder in der Unter-stützung der Lehre.

Die WSL will auch in Zukunft Dienstleistungen anbieten. Allerdings müssen wir im Zeichen der sich anbahnenden Globalbudgets vermehrt privat-wirtschaftliche Komponenten übernehmen und uns auch für die zu erbringenden Leistungen bezahlen lassen. Ebenso wie Aufträge sind Forschungsbeteili-gungen möglich, in dem wir uns mit einem For-schungsbeitrag einbringen. Dies bedingt eine klare

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bezüg-lich der Abwicklung in Zeit und Kosten.

Nach diesen eher generellen Ausblicken möchte ich einige Bemerkungen zur Neuausrichtung im Be-reich «Wald›› machen:

Im Bereich der Waldwirtschaft sind wir beson-ders herausgefordert. Wir stehen vor der schwierigen Situation, dass wir mit weniger Mitteln ein Mehr an Innovation und Lösungsansätzen bieten müssen.

Die WSL will sich den Herausforderung stellen, will an Lösungsansätzen konstruktiv mithelfen und will Fragen beantworten, wie:

- Mit welchen methodischen, technischen und organisatorischen Mitteln und allenfalls mit wel-chen Strukturen können die Aufgaben der Walderhaltung und der Waldnutzung auf Dauer am besten sichergestellt werden?

- Wie können wir mehr Transdisziplinarität in die Forstwirtschaft hineinbringen?

~ Wie können wir dem Rohstoff Holz im ländli-chen Raum wieder vermehrt Geltung verschaf-fen?

Zur Förderung einer zukunftsfähigen Waldnutzung in der Forschung an der WSL sehe ich folgende Massnahmen vor:

1. Organisatorische Massnahmen: Im Zuge der WSL-Reorganisation werden die Bereiche «Wald-ökologie» und «Waldbeobachtung›› in einen Be-reich «Wald›› zusammengezogen. Dies ist der Moment, die Koordination innerhalb und aus-serhalb des Forschungsbereiches neu als Platt-form zu sehen, welche die aktuellen Projekte überprüft und die Neuausrichtung mit neuen Schwerpunkten definiert.

2. Forschungspolitische Massnahmen: Bereits heute zeichnet sich für mich der Aufbau und die Er-schliessung von Know-how für folgende Fachbe-reiche ab:

- Betriebs- und Produktionswissenschaft. Wir müs-sen deutlich mehr ökonomische Kompetenz er-halten (vgl. Referate Heinimann, Becker, Erni).

- Sozioökonomie: wir brauchen vermehrt Unter-stützung durch Geisteswissenschaftler auch im Hause, um die künftige Schnittstellenbetreuung nach aussen zu erleichtern.

- Modellierung: das Modellieren wird an Bedeu-tung gewinnen (vgl. Referate Lemm und Erni).

~ Partner für die Forschung zur Gestaltung des ländlichen Raumes: die Schnittstelle zur nachhal-tigen Regionalwirtschaft ist zu verstärken. Die Bedeutung von regionalen Kreislaufwirtschaften und das Labeling von Produkten, Dienstleistun-gen und Landschaften gewinnen an Bedeutung.

Der Rohstoff «Holz›› ist hier markant zu plazie-ren.

- Im Hinblick auf die Erhaltung traditioneller Kul-turlandschaften gewinnen grossflächige, extensive Bewirtschaftungsformen an Bedeutung. Dabei stellt sich die Frage des minimalen Mitteleinsatzes für die Waldpflege bzw. die Walderhaltung.

~ Wald/Wild-Fragen: Wir haben uns wohl allzu-lange auf die Verbissproblematik konzentriert und uns zu wenig um Raum-Zeit-Beziehungen des Schalenwildes im Wald und in der Land-schaft gekümmert. Die WSL ist Willens, hier neue Impulse zu geben.

Schlussgedanken

Was bedeutet «Optimierung der Produktionskette Holz>› für uns alle?

Mit den folgenden sieben Kernaussagen möchte ich die Grundfrage des diesjährigen Forums für Wissen beantworten und schliessen:

0 Vermehrtes Rückbesinnen auf unseren ländlichen Raum

Wir müssen unseren Produkten wieder einen inne-ren Wert geben. Unser Verhalten, wie ein Entwick-lungsland unseren Rohstoff Holz in einem Ausmass von einem Viertel der Nutzung zu exportieren, d.h.

nicht bei uns zu veredeln (Labeling), muss geändert werden. Rund 90 000 Arbeitsplätze hängen in der Schweiz vom Wald und vom Holz ab. Dies scheint insgesamt nicht viel, ist aber dezentral für den länd-lichen Raum betrachtet von beachtlicher wirtschaft-licher Bedeutung. Wir müssen uns (wie auch bei der Energiedebatte) daran gewöhnen, nicht Quanten-sprünge erreichen zu wollen, sondern Erfolge auch in Prozent- und Promillebereichen zu schätzen («viel Kleinvieh gibt auch Mist››, sagt der Landwirt).

Dies gilt ganz besonders für den Bereich der erneu-erbaren Energie (z.B. Hackschnitzelheizungen) im ländlichen Raum (Anstreben einer Kreislaufwirt-schaft mit kurzen Wegen).

0 Beitrag zur Nachhaltigkeits-Umsetzung

Wir sind für das Erfüllen nachhaltiger Kriterien bes-ser gerüstet als viele andere Staaten auf diebes-ser Welt, weil wir bei der Nutzung der Holz-Ressourcen um-weltschonend wirken. Dies wird sich langfristig bei uns «auszahlen››.

° Öffnen nach aussen - agieren statt reagieren Das gute Zusammengehörígkeitgefühl (Corpsgeist) des Forstdienstes birgt die Gefahr des Verschliessens vor äusseren Einflüssen in sich. Dogmen, die sich lange gut für den Waldaufbau nach den

Jahrhunder-FORUM für Wissen 1998 83 ten des Raubbaues bewährt haben, sind vermehrt

auf ihre Gültigkeit zu hinterfragen und zwar sowohl vom Wissenschaftler als auch vom Forstdienst.

° Lernen vom Naturwald

Viele ökosystemare Zusammenhänge sind uns noch wenig bekannt. Voraussetzung für diese Forschung sind einerseits Dauerbeobachtungsflächen, die ziel-gerichtet bewirtschaftet werden und andererseits Flächen, die einer weitgehend natürlichen Entwick-lung überlassen und genau beobachtet werden. Be-sonders bedeutsam sind hier auch hochproduktive Standorte. Von den Naturwäldern lässt sich für die Behandlung der Wälder vieles lernen. Es gibt in diesem Zusammenhang keinen einheitlichen multi-funktionellen Wald mit überall gleich notwendiger Behandlung. Der Wald muss nicht überall genutzt werden, nicht überall ist die Schutzfunktion gleich wichtig und allfällige Instabilität ist nicht überall gefährlich. Wir können und sollen andererseits auch wieder ganz bewusst - wo immer sinnvoll ~ mehr nutzen und den Wald als Wirtschaftsraum für die Nutzung des erneuerbaren Rohstoffes «Holz›› sehen.

0 Strukturveränderungen

Die Strukturveränderungen begleiten uns alle und wir müssen auch in der Waldwirtschaft bereit sein, diesen Entwicklungen zu folgen. Dies bedingt, dass wir unsere bisherigen Organisationsformen überprü-fen und uns die Frage stellen: ist der Forstdienst heutiger Prägung noch zeitgemäss?

Schon ein Vergleich mit Betrieben in Öster-reich setzt hinsichtlich Ökonomie deutliche Frage-zeichen.

Wie können wir unsere betrieblichen Nachteile (z.B. kleinflächige Waldbesitzerstrukturen) über-brücken helfen (Stichwort: überbetriebliche Zu-sammenarbeit, virtuelle Einheiten)?

Die WSL würde sich gerne an einem Grossver-such beteiligen, der hierzu Klarheit verschafft. Wie wäre es beispielsweise, wenn rund hundert Forstbe-triebe, einige Sägereien und Weiterverarbeiter sich in einem virtuellen Betrieb zusammenschliessen würden, um nach hochproduktiven Formen in den Prozessketten zu suchen?

0 Erweiterung der Produktepalette

Die Produktepalette des Waldes muss erweitert wer-den, und zwar von der traditionellen Holzproduk-tion zum diversifizierten Dienstleistungsbetrieb, sei dies durch Vermarktung bisher schwierig oder überhaupt nicht vermarktbarer Waldprodukte. Mar-keting-Überlegungen müssen generell mehr Platz greifen.

0 Beitrag der WSL

Es bleibt viel zu tun. Wir haben viele Ziele der Forstwirtschaft des vergangenen Jahrhunderts er-reicht; neue Anforderungen verlangen nun nach neuen Lösungen. Wir als WSL helfen bei der Suche nach Lösungsansätzen mit. Die Beschäftigung mit Fragen der Holznutzung bleibt auch in Zukunft eine zentrale Frage für eine primär ökologisch ausgerich-tete Forschungsinstitution.

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