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Situation

Bis nach Mitte des letzten Jahrhunderts war Holz auch in der Schweiz Mangelware, der Preis für Holz entsprechend hoch. Das Bewusstsein, Holz für die Befriedigung elementarer Bedürfnisse zu benötigen, wie ein Dach über dem Kopf zu haben, zu kochen und zu heizen, war noch bis nach dem zweiten Weltkrieg auch in unserem Land vorherrschend.

Aus diesem Grund wurde auch die forstliche Pro-duktion auf diese Ziele hin ausgerichtet.

42 FORUM für Wissen 1998 Bis gegen die Jahrhundertwende war die

vor-herrschende Betriebsart auf den besseren Standorten im Kanton Aargau der schlagweise Hochwald, der mittels Kahlschlägen von nicht selten mehreren Hektaren verjüngt wurde (WULLSCHLEGER 1997).

Zwischen dem Abtrieb und der Pflanzung erfolgte oft eine landwirtschaftliche Zwischennutzung wäh-rend einem bis mehreren Jahren. Ebenfalls land-wirtschaftlich zwischengenutzt wurden die Mittel-und Niederwälder, die im Zuge der Umwandlung in Hochwald kahlgeschlagen wurden. Die Wiederbe-waldung erfolgte um die Mitte des letzten Jahrhun-derts häufig nach dem <<Gehret“schen Vorwald-system››, später nur noch angelehnt an die Grund-sätze dieses Systems.

Gehret (zit. in WULLSCHLEGER 1997, S. 147-149) begründete nach dem Kahlschlag und einem Jahr Kartoffelanbau gleichzeitig einen «Vorwald›› (je nach Standort aus Birken, Föhren, Lärchen, Aka-zien, Ahorn), gepflanzt in Reihen mit einem Rei-henabstand von 11 Fuss, und einen «Hochwald››

(aus Fichte und Tanne, oder abwechselnd eine Reihe Fichte und eine Reihe Buche) zwischen den Vorwaldreihen, somit auch mit einem Abstand von 11 Fuss. Der Vorwald sollte nach 35 Jahren geschla-gen, der Hochwald, mit einer Umtriebszeit von 80 Jahren, bewirtschaftet werden. Zwischen den ge-pflanzten Bäumen wurde zuerst noch ein Jahr lang Getreide angebaut, nachher zwei Jahre lang Gräser (oder auch Esparsette), bis der Boden von den Forstunkräutern gereinigt war. Dieser landwirt-schaftliche Turnus konnte noch einmal wiederholt werden, bevor die Bäume zuviel Licht wegnahmen.

Dass dieses System seine Anhänger fand, lag in einer Zeit drohender Hungersnöte durch das ver-breitete Auftreten der Kartoffelfäule (Phytophtora infestans) auf der Hand. Es verbreitete sich aber nur dort, wo sich die landwirtschaftliche Nutzung lohnte, also auf nicht zu kargen oder zu steilen Bö-den. Es kam aber auch der Forstpolitik entgegen, die in dieser Zeit die Umwandlung von Mittel- und

Niederwäldern in Hochwälder stark propagierte, die Waldbesitzer aber wegen des zu erwartenden zeit-weisen Holzernteausfalls bei der Umwandlung nicht im gewünschten Mass zu motivieren vermochte.

Durch das Vorwaldsystem war bereits nach verhält-nismässig kurzer Zeit wieder ein Ertrag zu erwarten.

Diese Vorwaldsysteme kamen, nachdem sie im Laufe der Zeit stark modifiziert worden waren, ge-gen Ende des letzten Jahrhunderts, zusammen mit der landwirtschaftlichen Zwischennutzung, aus der waldbaulichen Mode. Durch den Bau der Eisen-bahnen war es mittlerweile möglich geworden, ge-nügend Steinkohle eínzuführen und damit die Energieversorgung von Holz und Holzkohle mehr und mehr auf Steinkohle umzustellen.

Ein Beispiel eines aus dem bereits abgewandel-ten Gehret“schen Vorwaldsystem entstandenen Be-standes befindet sich auch in Bremgarten, in der Abt. 10 «Auf der Höhe››. Im Wirtschaftsplan von 1889 wird der Bestand beschrieben als: «14,55 ha, 1-4 jährig, üppige Cultur von Hagebuchen, Buchen, Eichen mit Ahornen, Eschen, Lärchen, Föhren, Birken und im nördl. Theil, der Bahn entlang, sehr viele Erlenausschläge, die baldmöglichst entfernt werden müssen. Altholz einzelne 50-80jährige Eichen und Birken››. Im Wirtschaftsplan von 1880 ist die ganze Abteilung noch als Mittelwald erwähnt, dessen 11-20jährige Hauschicht im Alter von 35 Jahren genutzt werden soll. Allerdings geschah diese Nutzung wesentlich früher, zwischen 1885 und 1888. Im Wirtschaftsplan von 1889 steht nichts von landwirtschaftlicher Zwischennutzung, aber im WP von 1927 wird eine solche erwähnt. Offenbar war die Zwischennutzung Ende des letzten Jahrhunderts auch in Bremgarten noch so normal, dass sie nicht besonders hervorgehoben werden musste. Die Voll-kluppierung des nun mit 15,91 ha Fläche aufgeführ-ten Bestandes, der immer noch als Vorwald be-zeichnet wurde, ergab 1927 Werte (pro ha), wie in Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1. Ertragskundliche Daten der Abteilung 10, Bremgarten, 1927, Alter 39-42 Jahre.

Baumart Stammzahl Grundfläche Stehender Vorrat Mittelstamm

N % m2 % m3 % m3

Buche/Hagebuche 725 51 8,23 31 93,2 31 0,13

Eiche 132 9

Esche 126 9

B ergahorn 164 11

Birke 21 2

5,60 21 64,8 22 0,15

Fichte 27 2 0,46 2 5,3 2 0,20

Lärche 188 13

Föhre 37 3 12,07 46 133,4 45 0,59

Total 1420 100 26,36 100 296,7 100 0,21

FORUM für Wissen 1998 43 1927 waren also die Baumarten Lärche, Föhre,

Birke, Ahorn immer noch vorhanden, die als Vor-nutzung schon nach weniger als der Hälfte der bei der Bestandesbegründung geplanten Umtriebszeit von 60 bis 75 Jahren hätten genutzt werden sollen.

Im Jahre 1937 wird der Bestand als wenig wuchs-freudig bezeichnet, als Folge der «Bodenverhärtung››

nach der landwirtschaftlichen Zwischennutzung.

Der laufende Zuwachs wurde auf lediglich5 m-1/ha-a geschätzt. Im Wirtschaftsplan von 1947 wird erstmals auf das Potential der Lärchen und Föhren hinge-wiesen. Mittels Durchforstungen sollen diese begün-stigt werden, dabei soll der Bestand aber einiger-massen geschlossen bleiben, um die Qualität des Laubholzes zu fördern. Der gemessene Zuwachs betrug nun 11,1 m3/ha-a. Das deckt sich mit Beob-achtungen an gefällten Lärchen, die im Alter von ungefähr 40 bis 60 Jahren auffallend schmale Jahr-ringe bildeten, später bezüglich Zuwachs aber deut-lich zulegten. Offenbar wurden sie im Zuge von Durchforstungen ab den frühen 40er Jahren gezielt gefördert.

Heute präsentiert sich der Bestand als Lärchen-Laubholz-Mischbestand mit qualitativ hochwertigen Bäumen aller noch vertretenen Baumarten (Abb.

1). Er gehört, obschon er nach der ursprünglichen Planung längst hätte verjüngt werden sollen, zu den wertvollsten Beständen im Wald von Bremgarten.

Als Ergänzung zu den Kontrollstichproben-Erhe-bungen wurde 1987 eine 1 ha grosse Fläche voll-kluppiert; diese Aufnahme wurde 1993 wiederholt.

Daraus ergaben sich die in Tabelle 2 ersichtlichen Werte.

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sie

'

a g

- V f f

1- 0

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Der erntekostenfreie Wert lässt sich - die Qualität der Bäume wurde bei der Messung miterfasst -aufgrund der in der Betriebsabrechnung (BAR) aus-gewiesenen Holzerntekosten und der Holzerlöse der letzten beiden Jahre schätzen. Er beträgt, unter Einbezug des nicht kostendeckend zu vermarkten-den Industrie- und Brennholzes, rund Fr. 35 000.-, wobei die massenmässig mit 43% vertretenen Lär-chen und Föhren 76% des Ertrages liefern.

Ein weiteres Beispiel unbeabsichtigter Wertstei-gerung stellen die geasteten Bäume im Wald von Bremgarten dar. Nirgends in den alten Wirtschafts-planen wird darauf hingewiesen, dass an den Bäu-men eine Wertastung zur Verbesserung der Qualität vorgenommen worden war. In grossen Teilen des Waldes stehen aber offensichtlich geastete Bäume, die heute zu einem nicht unerheblichen Teil als Furnierstämme verkauft werden können und etwa, auf den ganzen Baum bezogen, den dreifachen Er-trag von nicht geasteten Bäumen erzielen. Der Grund für diese Massnahme war der Bedarf an Brennholz, nicht die Steigerung der Qualität. Die dürren Äste stellten offenbar wertvolles zusätzliches Brennmaterial dar.

Es ist in diesem Zusammenhang interessant, einen Blick in die Energiestatistik zu werfen und uns zu vergegenwärtigen, dass um die Mitte des letzten Jahrhunderts bereits gegen 3 Mio. Menschen in der Schweiz lebten. Diesen stand, nach vorsichtig optimistischen Schätzungen, ungefähr gleich viel Holz pro Person zur Verfügung, wie die heute hier lebenden 7 Mio. Menschen verbrauchen, rund 1 mi.

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IE Abb. 1.

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Mischbestand in

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Wnmw garten/AG, Abt. 10 «Auf der Höhe››.

(Photo: K. Häne, WSL)

44 FORUM für Wissen 1998 Tab. 2. Ertragskundliche Daten der Abteilung 10, Bremgarten, 1993, Alter 105-108 Jahre, Probefläche von 1 ha Grösse.

Baumart Stammzahl

Mitteldurch-l'n6SS6I`

Grundfläche Stehender Vorrat Mittel-stamm

Zuwachs 1987-93

N % cm m2 °/<› m3 % m3 m3/ha«a

1 %

Buche 136 59,9 37,8 17,06 49,4 242,35 50,3 1,78 7,52 I 61,0

Fichte 2 0,9 15,0 0,04 0,1 0,34 0,1 0,17 0,01 0,1

Föhre 7 3,1 47,0 1 ,24 3,6 17,28 3,6 2,47 0,20 1,6

Lärche 51 22 57,2 13,69 39,7 189,07 39,3 3,71 3,62 29,4

Bergahorn 16 7,0 35,1 1,63 4,7 22,41 4,7 1 ,40 0,71 __U1\1

Hagebuche 15 6,6 26,2 0,86 2,5 10,12 2,1 0,67 0,27 “XO[Q

Total 227 100 34,509 100 481,56 100 2,12 12,32

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Zusätzlich zu diesem einen m3 - der früher nicht nur für Bauzwecke, sondern auch für das Ko-chen und Heizen reiKo-chen musste - verbrauKo-chen aber die heutigen Einwohner (Zahlen von 1995) noch die Energiemenge von 340000 TJ in Form von Erdöl-brennstoffen (ohne Treibstoffe), Gas und Kohle (BfS 1996). Das entspricht einer Menge von 38,7 Mio. m3 Holz. Der gegenwärtige Brennholzver-brauch nimmt sich mit 2 Mio. m3 (BfS/BUWAL 1996), davon rund die Hälfte direkt aus dem Wald -die andere Hälfte ist Restholz der Holzwirtschaft und Holzanfall ausserhalb des Waldes -, daneben sehr bescheiden aus.

Leider wirken sich nicht alle früheren waldbau-lichen Tätigkeiten bezüglich der Holzproduktion so positiv aus wie die oben beschriebenen Beispiele.

Was wir auch geerbt haben, ist eine Sammlung waldbaulicher Modeströmungen und zum Teil Irr-tümer der letzten 150 Jahre. Viele, wahrscheinlich sogar die meisten, heute als Fehler oder mindestens nicht optimale Lösungen betrachteten Verfahren sind aus dem damaligen Kenntnisstand und der damaligen Zielsetzung heraus verständlich. Jeman-dem deswegen den «Schwarzen Peter» zuzuschieben wäre schon deshalb vermessen, weil wir genauso-wenig wie unsere Vorfahren wissen, was die Gesell-schaft in 100 oder 200 Jahren vom Wald will, und weil hoffentlich bis dahin weitere Erkenntnisse die Bewirtschaftung und Pflege des Waldes verbessern werden.

3 Heutige Zielsetzungen und ihre