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Ich habe das epistematische System gewählt, denn Deduktion ist das beste Reaktionsmittel: Durch rhetorische Verfahren, zuallererst durch unvergängliche Neufestsetzungen, wird die Anwesenheit der Kontingenz in der Komödie wahrgenommen. Deshalb und aufgrund der thematischen Schwierigkeit, versuchte ich, dem Text immer sehr nahe zu bleiben. Der Text selbst diente als primäre und unentbehrliche Literatur. Das führt zu dreierlei Hinweisen hinsichtlich Gattung, Bedeutung und Interesse für den Text.

1. Unter Berücksichtigung ihrer gefestigten und vielseitigen Epistemologie und wegen der Übernahme des kontingenten Textgewebes ist die kritische angewandte Gattung der vorliegenden Untersuchung die klassische lectura Dantis. Die interne Gedichtskohärenz ist durch die Verwendung der übrigen Gesänge als Korollarien, Zitate und makrotextuelle Verbindungen garantiert, die die Deontologie meines Analyseverfahrens beglaubigen. Andere kritische Gattungen wurden nicht a priori ausgeschlossen, sondern experimentiert und nach wirren Ergebnissen abgelehnt.

1.1. Selbst in fachspezifischen, unsystematischen obwohl strukturierten Studien gibt es keine Präzedenzfälle, die eine fokussierte Exegese der dramatischsten Gesänge der Komödie im Licht der Kontingenz betrachten. Meine Absicht war es, zur

59 Es reicht, die folgende Zeile zu erwähnen: Se mai continga che ’l poema sacro (<) (Par. 25., 1).

Deutsche Zusammenfassung - XXXVII

Entwicklung der lectura beizutragen, indem ich ihre Durchschlagskraft auch im Rahmen einer monographischen Lektüre beweisen wollte.

1.2. Das Ergebnis war eine um so mehr artikulierte und dynamische Exegese der ersten klassematischen Einheit im Gedicht, wo sich mit immer wiederkehrender Kraft die Kontingenz spürbar macht; zahlreich sind die intratextuellen Zitate oder unterschiedlichen Quellen, die ich als Korollar benutzte.

2. Die Bedeutung dieser Art von Lektüre und die Beschäftigung mit ihr ziehen zwei Konsequenzen nach sich.

2.1. Sich mit der Kontingenz in der Komödie zu befassen, heißt nicht, den Text traditionell zu interpretieren, diese oder jene Interpretationsrichtung glaubhaft zu betrachten, diese oder jene Ideologie zu befürworten, sondern nach Gedankenstrukturen und moto spiritale (Purg. XVIII, 32) zu forschen.

2.2. In meiner Untersuchung blieb ich der Ontologie des Begriffs Kontingenz immer sehr nahe. Dahingehend hat sich die Vermittlungsfähigkeit der Semiotik nützlich erwiesen, wie sie Umberto Eco in seiner Studie I limiti dell’interpretazione ansetzte.60

3. Parallel wurde immer darauf geachtet, daß die Selbständigkeit der Begriffsbestimmungen nicht nur auf eine streng allegorische Weise interpretiert werden kann, sondern als Fähigkeit gesehen werden muß, ideologische und psychologische Bedeutungen aktiv zu prägen61, die durch die Signatur der Kontingenz modifiziert und angereichert werden.

60 Umberto Eco, I limiti dell’interpretazione, Milano 20044, S. 126-161; Dt: Ders., Die Grenzen der Interpretation, übers. von Günter Memmert, München 1992.

61 Peter Dronke, Dante and Medieval Latin Traditions, Cambridge 1986, Kap. 1, passim.

La Terza Via nella Commedia - XXXVIII

6.1. L

ITERATURFADEN

Mit der Ausnahme von Einzelfällen, worauf ich im Text hingewiesen habe, benutzte ich den Text der Komödie von Giorgio Petrocchi.62 Vier grundlegende Phasen markierten meinen Ansatz zum Text: die Kommentare, die bahnbrechende Studie von Karlheinz Stierle, die Literatur und Philosophie verbindet, das Werk über die Detheologisierung der Komödie von Teodolinda Barolini und die Dante Trilogie von Patrick Boyde, die die vorliegende Arbeit und ihre Auslegungen anregt.

1. Kommentare. Tommaseo, Mattalia und Chiavacci Leonardi gaben die Richtlinien zur vorliegenden Arbeit. Kommentare erwiesen sich als unentbehrliche Instrumente, die eine korrekte und wohl motivierte Interpretierbarkeit Dantes erlaubten. Darin gab es Belege, die in meiner Untersuchung Beifall fanden, weil ihre Veranlagung eine zweifellose Anwesenheit der Kontingenz in Dantes Gedächtnis bestätigten, wo die Kontingenzbrisanz ihre Quelle findet. Der Autor Dante bewirkt die Wege des Erdichtens und benutzt die Reisen und Erlebnisse der mystischen Tradition als Werkzeug: Damit macht er den Weg zu einer neuen Interdiskursivität zwischen der Welt der reellen und der mentalen Bilder frei. Solche Instrumente jedoch öffnen ein nicht immer freies Vertrauen zu den Fachstudien über Dantes Welt.

2. Wenige Studien erwiesen sich relevant. Der monographische Band Kontingenz63 entwarf zum ersten Mal den Bezug zwischen Literatur und Philosophie. Neben diesem Text gibt es auf diesem Gebiet nichts, wovon die Dante Literatur bibliographisch berichtet.

2.1. Die wissenschaftliche Forschung widmet sich der Aufgabe, diese umstürzlerischen Elemente in der Aufschreibensanordnung zu erhellen, und setzt

62 Dante Alighieri, La Commedia secondo l’antica Vulgata, testo critico stabilito da Giorgio Petrocchi, Torino, Einaudi, 1975.

63 Gerhart v. Graevenitz und Odo Marquard (Hrsg.), Poetik und Hermeneutik, Bd. 17:

Kontingenz, München, Wilhelm Fink Verlag, 1998.

Deutsche Zusammenfassung - XXXIX

einen Anfangspunkt in meiner Untersuchung mit dem Beitrag von Karlheinz Stierle, der im Kollektivband Kontingenz und Ordo. Selbstbegründung des Erzählens in der Neuzeit64 die Perspektive zu diesem neuen Interpretationsverfahren der Komödie öffnete. Kraft der weitreichenden Einflüsse seiner Exegese, die bei laufender Bearbeitung dieser Untersuchung große Bedeutung zu den einzelnen vertretenen Themen gewann, sorgte sein Beitrag »Der Schrecken der Kontingenz« für den Präzedenzfall, der meine Stellungnahme rechtfertigt. Das Zweifeln, das Fragen und ihre Zusammengehörigkeit sind der Schwerpunkt einer weiteren Studie von Stierle65, wo anhand des in der Komödie nie erwähnten höfischen Romans auf das brennende Thema der Fragestellung als Zweifel-, Mißverständnis- und Unwissenheitszeichen eingegangen wird: Auf Ausflugswege, die der Kontingenz freien Lauf geben.

Jedenfalls ist es nicht in dieser Einleitung angebracht, die einzelnen Aspekte seiner Beiträge zu beleuchten: Obwohl sie grundlegend sind, würden sie die Menge der über die Kontingenz gesammelten Informationen in ihrer Bedeutsamkeit beeinträchtigen. Daher wurden Stierles Beiträge einzeln abgeschätzt, wenn sie dem Diskurs Dichte und Rechtfertigung verleihen.

3. Teodolinda Barolinis The Undivine ‘Comedy’ ist ein weiterer Text66, der die Kontingenz nicht direkt analysiert. Barolini bietet eine entheiligende Dante Interpretation. Aus ihrer schweren Abgrenzbarkeit fällt die Komödie oft zum Opfer von Interpretationen am Rande und manchmal jenseits der Sinnverdrehung, und die flamboyante Studie der Barolini setzt sie den Zweifeln, die Ambiguität der Wahl und somit auch der Kontingenz aus.

64 Karlheinz Stierle, »Der Schrecken der Kontingenz«, in: Kontingenz und Ordo.

Selbstbegründung des Erzählens in der Neuzeit, o. a., S. 29-46.

65 Karlheinz Stierle, »A te convien tenere altro vïaggio. Dantes Commedia und Chrétiens Contes du Graal«, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 25 (2001), S. 39-64.

66 Teodolinda Barolini, The Undivine ‘Comedy’: Detheologizing Dante, Princeton, 1992.

La Terza Via nella Commedia - XL

4. Auf der Ebene der Erläuterungen über die Kontingenz, hinsichtlich der Absatzgliederung sowie bei dem Versuch den Text der Komödie mit einem Blick in seiner Vollständigkeit zu umfassen, ist Patrick Boydes Einfluß bemerkenswert.

Diese Kühnheit ermöglichte es, Klasseme als Ergebnis durchzumustern. Sie sind eine Übersicht von allem, was vor dem Aufschreiben der Komödie als Rückkehrerfahrung geschah, und vor allem eine Übersicht von dem, was die Anfangsgesänge der Hölle betrifft, die im Autorschaftspakt die Abrechnung vom viator mit seinem Gedächtnis und mit seinem Erlebten ausdrücken.