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1.2 Aktueller Wissensstand

1.2.3 Intensivmedizinische Therapie

Allgemeine Aspekte

Nach der Definition der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin gelten Patienten mit folgenden Verletzungen als schwerbrandverletzt und sollten nach Erstversorgung umgehend in ein Schwerbrandverletztenzentrum verlegt werden [13]:

• mehr als 15 % zweitgradige und/oder 10 % drittgradige VKOF,

• IHT,

• Verbrennungen an Gesicht/Hals, Händen, Füßen, Anogenitalregion, Achselhöhlen, Bereiche über großen Gelenken oder sonstige komplizierte Lokalisation,

• präexistente Erkrankungen,

• Alter < 8 Jahren bzw. > 60 Jahren,

• mechanische Verletzungen,

• elektrische Verletzungen.

Neben der chirurgischen Therapie spielt bei diesen Patienten die intensivmedizinische Versorgung eine wichtige Rolle. Nach der stationären Aufnahme des Patienten werden Tubuslage und Pupillen (Hinweise auf ein Schädel-Hirn-Trauma) kontrolliert, sowie eine komplette körperliche Untersuchung durchgeführt. Anschließend werden ein mehrlumiger (bei >15 % VKOF ein 3-lumiger, bei >20 % VKOF ein 5-lumiger) zentraler Venenkatheter zur Volumentherapie und Blutentnahme und außerdem ab 20 % VKOF und (drohender) Kreislaufinstabilität zusätzlich ein Arterienkatheter zur invasiven Blutdruckmessung angelegt. Es werden folgende Laborparameter bestimmt: Blutgruppe, Hämatokrit-(Hkt)- und Hämoglobin-(Hb)-Konzentration (zur Abschätzung des Infusionsbedarf und des Blutverlustes), arterielle Blutgasanalyse (BGA – zur Beurteilung des pulmonalen Gasaustausches und des Säure-Base-Haushalts), Plasma-Elektrolyte (Feststellung einer Elektrolytstörung), Blutzucker-Konzentration (Ausschluss einer Hypo- oder Hyperglykämie), Gerinnungsstatus (Bestimmung der Ausgangswerte), Laktat-Konzentration (Beurteilung der Gewebeperfusion sowie als Prognosewert, siehe unten), Creatinin-Kinase (CK) und Creatinin-Kinase Isoenzym MB (CK-MB) (zur

Einleitung und Fragestellung

Abschätzung eines Muskelschadens), weitere organspezifische Plasmaparameter (Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT), Creatinin, Iso-Amylase, Lipase, Troponin) sowie Blutalkohol-Konzentration, Drogenscreening, Hepatitis- und HIV-Serologie.

Darüber hinaus erhält der Patient einen Blasenkatheter und nach Bedarf eine Tetanus-Impfauffrischung. Nach Ermittlung des Körpergewichts muss der Patient vor weiterer Auskühlung geschützt werden [19].

Flüssigkeitssubstitution

Ein essentieller Bestandteil der intensivmedizinischen Versorgung von Verbrennungs-patienten ist die Volumenersatztherapie. Bis heute gibt es keinen definitiven Konsens über die Art und Menge der initialen Infusionstherapie bei Brandverletzten [33; 34; 35].

Einige Publikationen [24; 36] und die aktuelle Leitlinie „Behandlung von thermischer Verletzungen des Erwachsenen“ der Deutschen Gesellschafft für Verbrennungsmedizin (DGV) [13] empfehlen die initial zu infundierende Volumenmenge mittels Formeln (s.u.) zu ermitteln. Vogt und Adams (und andere) postulieren 2010 (im Rahmen des neuen Behandlungsstandards dieser Studie) und 2015 präklinisch die initiale Gabe von 1000 ml Flüssigkeit pro Stunde unter Orientierung am SAP (systolic arterial pressure;

systolischer arterieller Blutdruck) und an der HR (heart rate; Herzfrequenz) sowie unter Beachtung der Parkland-Formel im weiteren Verlauf (siehe unten) [19; 37]. Als Flüssigkeiten eignen sich vorzugsweise balancierte oder – falls nicht vorhanden – andere isotone, kristalloide Infusionen [19]. Auf kolloidale Infusionen sollte initial nur zurückgegriffen werden, falls die kristalloiden Lösungen den Kreislauf nicht ausreichend stabilisieren oder der Verbrennungspatient schwere Begleitverletzungen aufweist [38].

Im klinischen Bereich haben sich zwei Formeln zur Berechnung des Flüssigkeitsbedarfs in den ersten 24 Stunden nach dem Trauma etabliert; die Parkland-Formel nach Baxter und Shires [12; 39]:

4 ml x kg Körpergewicht (KG) x % VKOF

sowie die modifizierte Brooke-Formel [40]:

2 ml x kg KG x % VKOF

Einleitung und Fragestellung

In die Berechnung gehen nur die zweit-, dritt- und viertgradigen Verbrennungen ein. Die mit der Parkland-Formel ermittelte Flüssigkeitsmenge (in der Publikation von Baxter und Shires handelt es sich dabei um Ringer-Laktat-Infusionen) wird zur Hälfte in den ersten 8 Stunden nach der Verbrennung infundiert, die zweite Hälfte in den darauffolgenden 16 Stunden [13].

Verschiedene Publikationen (selbst Baxter und Shires deuteten dies an [12]) belegen, dass es bei einer Orientierung an der Parkland-Formel häufig zu einer Überinfusion kommt [41, 42, 43]. Als Gründe werden eine große präklinische Volumengabe, das Vorhandensein von Begleitverletzungen (IHT, Polytrauma, Stromverletzungen) und eine Überschätzung der VKOF genannt [44]. Eine Überinfusion kann bei Verbrennungspatienten tödliche Komplikationen (z.B. abdominales Kompartment-syndrom) und eine längere Beatmungs-/Klinikverweildauer verursachen [45; 46] sowie eine allgemein erhöhte Mortalität zur Folge haben [47]. Bei zu hoher Flüssigkeitszufuhr nimmt die Flüssigkeit im Gewebe und damit der Druck zu. Die daraus potentiell folgende kapilläre Durchblutungsstörung kann eine Erhöhung der Verbrennungstiefe sowie u. U.

eine transplantat-pflichtige Hautischämie verursachen [44].

In der Literatur werden verschiedene Ansätze zur Vermeidung einer Überinfusion beschrieben. Adams et al. empfehlen eine maximale präklinische kristalloide Flüssigkeitssubstitution von 1000 ml [19] und Pruitt et al. schlagen vor, mit der Reduktion der Volumengabe bereits präklinisch zu beginnen [48]. Volumenersatzmittel sollten nur unter geeignetem Monitoring an den jeweiligen Patienten angepasst verabreicht werden [49]. Zur Verhinderung einer übermäßigen Flüssigkeitssubstitution empfehlen Berger et al. bei kurzen Transportwegen in ein Verbrennungszentrum eine Orientierung an der Brooke-Formel. In der Klinik muss die Infusionstherapie an die Bedürfnisse des Patienten adaptiert werden [50].

In der Leitlinie „Behandlung von thermischer Verletzungen des Erwachsenen“ der DGV wird die Parkland-Baxter-Formel zwar immer noch zur Schocktherapie empfohlen [13], doch für die weitere Flüssigkeitstherapie ist sie zu ungenau für die Bedürfnisse individueller Patienten. Somit stellen beide Formeln lediglich einen Richtwert zur Ermittlung des Flüssigkeitsbedarfs zu Beginn der Flüssigkeitssubstitution dar [25]. Auch die HR und der systolische arterielle Blutdruck reichen für die Überwachung des Volumenstatus nicht aus [19] und sollten durch andere Zielgrößen (z.B. stündliche Urinproduktion [51]) ergänzt bzw. abgelöst werden. Adams und Vogt empfehlen zur

Einleitung und Fragestellung

Vermeidung von Volumenbelastungen im Rahmen einer Infusions- und Katecholamin-Therapie sich an folgenden Zielgrößen zu orientieren [19]:

● Vermeidung eines Anstiegs von Hb und Hkt

● Mittlerer arterieller Druck (mean arterial pressure; MAP) ³ 65 mmHg, ggf. höher

● Urinproduktion: ³ 0,5 ml/kg KG/h

● CVP (central vein pressure; zentraler Venendruck): 10–15 mmHg, ggf. 20 mmHg

● zentralvenöse Sättigung > 70 %

Die Wahl des Volumenersatzmittels

Ebenso wichtig wie die Menge der Flüssigkeitssubstitution ist die Wahl des Volumenersatzmittels. Balancierte Lösungen haben eine ähnliche Osmolalität wie das Blutplasma und ähneln in ihrer Zusammensetzung den physiologischen Bedingungen.

Bei einer Osmolalität von etwa 290 mosmol/kg H2O sind sie isoton. In balancierten Lösungen sollte der Chlorid-Anteil dem im Plasma gleichen (≈ 103 mmol/l), um eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion und der Hämodynamik zu verhindern. Darüber hinaus müssen die balancierten Elektrolytlösungen zur Vermeidung einer Dilutionsazidose metabolisierbare Anionen enthalten [52]. Da galenisch bedingt balancierten Lösungen kein Bikarbonat (HCO3-) zugefügt werden kann, werden Basen organischer Säuren (Acetat, Laktat, Malat) genutzt. Diese können im Organismus aus Kohlensäure unter Verbrauch von Wasserstoff-Ionen (H+) und O2 HCO3- bilden [38].

Die Ringer-Laktat-Lösung ist eine annähernd balancierte Kristalloid-Lösung. Sie besitzt allerdings eine Osmolalität von nur 258 mosmol/kg H2O. Auch in Bezug auf den Chlorid-Anteil ist die Ringer-Laktat-Lösung mit 112 mmol/l nicht im Zielbereich [53]. Ein weiterer Nachteil der Ringer-Laktat-Lösung ist die Verwendung von Laktat als metabolisierbares Anion. Um das Laktat abzubauen, benötigt der Körper 3 mol O2 pro mol gebildetem HCO3-, wodurch der O2-Verbrauch des Organismus für ca. 7 Minuten verdoppelt wird [54]. Für die Umwandlung von Acetat werden dagegen nur 2 mol O2 pro mol gebildetem HCO3- gebraucht. Malat benötigt sogar nur 1 mol O2 pro mol HCO3-, jedoch dauert die Metabolisierung länger als bei Acetat [19]. Darüber hinaus führen Acetat und Malat im Gegensatz zu Laktat nicht zu einer Verfälschung des Laktat-Wertes im Plasma [55].

Daher ist Laktat für den Ersatz von HCO3-nur bedingt geeignet.

Einleitung und Fragestellung

Bessere Eigenschaften hat die Ringer-Acetat-Lösung, mit dem O2-sparenden Acetat anstelle von Laktat. Der Chlorid-Anteil ist jedoch identisch (112 mmol/l) und der Natrium-Anteil mit 130 mmol/l zu niedrig (physiologisch 142 mmol/l) [53].

Die balancierte Elektrolytlösung E 153 hat die besten Eigenschaften der kristalloiden Volumenersatzmittel: Sie enthält Acetat, der Chlorid-Anteil beträgt 105 mmol/l (physiologisch 103 mmol/l) und der Natrium-Anteil ist mit 140 mmol/l ebenfalls im physiologischen Bereich. Auch die Osmolalität entspricht mit 281 mosmol/kg H2O physiologischen Werten (280–300 mosmol/kg H2O; Idealwert 290 mosmol/kg H2O) [53].

Im Anschluss an die Applikation von Kristalloiden kann eine Gabe von kolloidalen Flüssigkeiten erwogen werden. Bei einer lebensbedrohlichen Hypotonie, die durch balancierte kristalloide Infusionsgaben nicht auszugleichen ist, können Gelatine-Lösungen verabreicht werden [19]. Diese Empfehlung deckt sich mit der aktuellen S3-Leitlinie zur Volumentherapie [14]. Auf HES-Infusionen sollte verzichtet werden, da bei ihnen anders als bei der Gelatine potentiell renale Nebenwirkung auftreten [14; 56; 57, 58]. HES hat im Oktober 2013 seine Zulassung bei Verbrennungspatienten verloren [59].

In den ersten 12 Stunden nach einem Trauma mit einem daraus resultierenden manifesten Kapillarleck sollte die Gabe kolloidaler Flüssigkeiten mit Zurückhaltung erfolgen, um zu verhindern, dass onkotisch wirksame Makromoleküle der Kolloidale vermehrt in das Interstitium übergehen und die Ödembildung steigern [19]. Einige Studien deuten an, dass kolloidale Lösungen hinsichtlich ihres Volumeneffekts selbst bei einem ausgeprägten Kapillarleck den kristalloiden Lösungen überlegen sind. Auch sollen sie einen positiven Einfluss auf die interstitielle Volumeneinlagerung haben [60; 61].

Humanalbumin

Zur Förderung der Rückresorption der Verbrennungsödeme und der Stabilisierung der Hämodynamik wird ab dem 2. bis 3. Tag der kolloidosmotische Druck (KOD) durch die Substitution von hochkonzentriertem (20 %) Humanalbumin erhöht [62]. 5 %iges Humanalbumin ist isoonkotisch und somit für diese Zwecke unbrauchbar [19; 39]. Die Diurese kann bei Bedarf und unter Berücksichtigung der Ein- und Ausfuhr mit Furosemid angepasst werden [63]. Ein Nutzen dieser Substitution ist bislang aber noch nicht eindeutig nachgewiesen [19; 64].

Einleitung und Fragestellung

Blutprodukte

Die Gabe von Blutprodukten orientiert sich am Vorgehen bei Traumapatienten [65].

Voraussetzung dabei ist eine Normovolämie. Ab einem Hb-Wert ≤ 6 g/dl ist schnellstens mit der Gabe von Erythrozyten-Konzentraten (EK) zu beginnen, bei einem Hb-Wert > 10 g/dl nur in begründeten Sonderfällen [29]. Zwischen diesen Werten sollen bei Hypoxiezeichen oder fortwährendem Blutverlust EKs verabreicht werden [29].

Unerlässlich sind engmaschige Hb-Kontrollen. Zur Anpassung der plasmatischen Gerinnung wird meist nach vier EKs eine Einheit gefrorenes Frischplasma (fresh frozen plasma; FFP) substituiert. Dabei hängt das weitere Vorgehen auch von der Blutgerinnung, der Thrombozyten-Zahl und der Fibrinogen-Konzentration ab [29]. Bei einer Thrombozytenzahl < 50.000/µl mit gleichzeitiger nicht beherrschbarer Blutung oder Gerinnungsstörung ist eine Gabe von Thrombozyten-Konzentraten zwingend durchzuführen, bei Konzentrationen > 100.000/µl regelhaft nicht [29]. Weitere Faktoren wie Prothrombinkomplex (PPSB), Fibrinogen und Antitrypsin (AT) III können im begründeten Einzelfall substituiert werden [66]. Für den Erhalt der natürlichen Gerinnungsfunktion ist eine Normothermie [67, 68] und die Vermeidung einer Azidose von Bedeutung [69; 70].

Katecholamine

In der Anfangsphase der Brandverletzung soll möglichst auf eine Applikation von Katecholaminen verzichtet werden, da dabei die Gefahr besteht, dass durch die Verminderung der Hautdurchblutung die Verbrennungsnekrose fortschreitet.

Demgegenüber steht eine Gewebehypoxie der Randzone durch einen nicht ausreichenden Perfusionsdruck [19]. Falls durch eine alleinige Volumensubstitution kein MAP > 65 mmHg erreicht wird, sollte die Katecholamin-Substitution über das mit einer dauerhaften Pulskontur-Analyse bestimmte Herzzeitvolumen (z.B. mittels PiCCO-Katheter) gesteuert werden. Dobutamin-Dosen zwischen 2,5–15 µg/kg KG steigern überwiegend die myokardiale Inotropie; HR und SVR bleiben größtenteils unbeeinflusst [29]. Noradrenalin stellt bei einer stark verminderten SVR eine ausreichende zerebrale und koronare Perfusion sicher, vermindert aber auch die Randzonenperfusion der Verbrennungswunde. Als Anfangsdosis sind 0,05 µg/kg KG/min geeignet, die aber nur bei intensiver hämodynamischer Überwachung verabreicht werden dürfen [29]. Die Adrenalin-Gabe ist eine Ultima Ratio Maßnahme bei nicht anderweitig zu steigernder Kontraktilität [19]. Dosen von 0,03–0,1 µg/kg KG/min wirken positiv inotrop (primär

Einleitung und Fragestellung

Stimulation b-adrenerger Rezeptoren), 0,1–0,2 µg/kg KG/min erhöhen zusätzlich die Nachlast (Stimulation a1- und b-adrenerger Rezeptoren). Bei mehr als 0,2 µg/kg KG/min überwiegt die Vasokonstriktion (Stimulation a1-adrenerger Rezeptoren) [29].

Beatmung

Eine pauschale und prophylaktische Intubation mit maschineller Beatmung ist bei Patienten mit Brandwunden nicht indiziert. Beim Vorliegen eines IHT ist aber in den meisten Fällen eine Intubation und Beatmung nötig [19; 24]. Darüber hinaus gelten folgende Indikationen: Verbrennungen und Verätzungen im Gesichts- und Mundbereich, Anzeichen eines IHT mit drohendem Ödem sowie großflächige Verbrennungen (> 20 % VKOF) mit zu erwartendem generalisierten Ödem. Die Patienten werden mit einer inspiratorischen Sauerstofffraktion (fraction of inspired oxygen, FiO2) von 1,0 beatmet, bis eine Kohlenstoffmonoxid- oder Zyanid-Vergiftung ausgeschlossen ist [19].

Mechanische Beatmungen begünstigen die Entstehung einer Pneumonie [71]. Zur Vermeidung dieser Komplikation ist ein frühzeitiges Weaning mittels assistierter Spontanatmung und eine zügige Extubation anzustreben [19]. Bei langzeitbeatmeten Patienten senkt eine Frühtracheotomie (innerhalb von 7–10 Tagen nach Beatmungsbeginn) die Pneumonie-Inzidenz [72; 73; 74] und vermeidet intubations-bedingte Komplikation wie laryngotracheale Stenosen und Granulome, Tubus-intubations-bedingte Schleimhautulzera und Stimmbandverletzungen [75; 76; 77; 78]. Nicht zu vernachlässigen sind die Komplikationen bei einer Tracheotomie (z.B. Blutungen, Hypoxie während der Anlage, Trachealkanülen-Dislokation, Infektion [79]). Diese sollten in Gesamtschau mit den Risiken der Intubationsbeatmung abgewogen werden.

Bei Vorliegen eines durch ein IHT verursachten, akuten Lungenversagen (acute respiratory distress syndrom, ARDS [80]) galt lange Zeit eine lungenprotektive kontrollierte Beatmung mit Atemhubvolumina von 4–8 ml/kg KG und niedrigen Plateaudrücken < 30 cm H2O als Goldstandard [81; 82]. Laut Untersuchungen führt aber eine frühe, maschinell unterstützte Spontanatmung zu einer besseren arteriellen Oxygenierung, einer intrapulmonalen Shuntreduktion und einer kürzeren Intensivverweildauer [83].

Einleitung und Fragestellung

Ernährung

Die Darmmotilität sollte durch eine möglichst frühe enterale Ernährung erhalten bleiben [84]. Bei intubierten Patienten wird über eine Magensonde zunächst Tee appliziert. Die enterale Ernährung erfolgt auch bei fehlenden Darmgeräuschen. Der tägliche, über verschiedene Formeln ermittelbare Kalorienbedarf liegt zwischen 2.500 und 3.000 kcal [84]. Die Blutzucker-Konzentration soll nicht höher als 150 mg/dl (8,3 mmol/l) liegen [85].

Im Schockgeschehen ist der Erhalt der Darmintegrität zur Abwehr einer Keimeinschwemmung unerlässlich [19]. Eine parenterale Ernährung sollte nur ergänzend und im weiteren klinischen Verlauf durchgeführt werden [86].

Behandlungsstandards

Therapiestandards (Standard Operating Procedure, SOP) senken in der Intensivmedizin die Morbidität und Mortalität [87; 88; 89]. In den Standards für Schwerbrandverletzte [19]

sind chirurgische Eingriffe und evidenzbasierte intensivmedizinische Verfahren zur Aufrechterhaltung von Atmung und Kreislauf implementiert. Die Behandlungsstandards [19] ermöglichen auf der Basis der aktuellen Datenlage ein bestmögliches Behandlungsergebnis für den Patienten mit minimalen Komplikationen [90]. Neben der Qualitätsoptimierung sichern sie auch die Kosteneffizienz [91]. Im deutschsprachigen Raum nutzen viele Verbrennungszentren individuelle Behandlungsstandards; laut Münzberg et al. fehlen zentrenübergreifende Standards [92]. Zur Entwicklung standardisierter Richtlinien für die Behandlung von Verbrennungsopfern sind weitere evaluative Untersuchungen erforderlich.

Typische Komplikationen bei einem Verbrennungspatienten

Aufgrund der verbrennungsbedingten Aufhebung der natürlichen Hautbarriere können sich auch unter Wundprotektion Bakterien und Pilze auf den Wundflächen sammeln, vermehren und im weiteren Verlauf zu einer Bakteriämie/Mykämie und Sepsis führen.

Darüber hinaus schwächen große Brandwunden potenziell die zelluläre und humorale Immunfunktion [93]. Die Mortalität bei einer Sepsis beträgt > 50 % [94]. Das Ziel aller Maßnahmen (Wundprotektion, zügiger Wundverschluss, Therapie okkulter Infekte, Vorbeugung/Ausgleich einer Hypovolämie, Erhalt einer ausreichenden Organperfusion, antibiotische Therapie) ist es, eine Sepsis zu vermeiden [93].

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Eine weitere typische Komplikation bei Verbrennungspatienten sind zirkuläre Verbrennungen, die häufig einen einschnürenden Charakter aufweisen. Bei Grad II b Verbrennungen sollen diese Hautareale bei kritischer Indikation durch eine Escharotomie entlastet werden; bei höhergradig verbrannten Hautarealen muss dies regelhaft geschehen [95]. Im Bereich des Thorax und des Abdomens kann die Einschnürung ein Kompartmentsyndrom mit deutlicher Minderung der pulmonalen Compliance und somit mit höheren Beatmungsdrücken sowie ventilationsbedingten Komplikationen zur Folge haben. Bei der Escharotomie wird die Dermis einschließlich des Eschars (verbrannte Hautareale) zur Entlastung durchtrennt [96]. An den Extremitäten kann in seltenen Fällen ein Kompartmentsyndrom zu einer schweren Minderperfusion führen. Bei erhöhtem subfaszialen Druck (≥30 mmHg) ist dann eine Fasziotomie erforderlich [22; 97]. Bei weiter steigendem intraabdominellen Druck sollte zur Vermeidung eines Multiorganversagens (multi organ failure; MOF) eine dekompressive Laparotomie durchgeführt werden [22].

Die Pneumonie-Inzidenz ist bei Patienten mit Verbrennungen und IHT mit bis zu 86 % erheblich [98]. Laut de la Cal et al. tritt eine Pneumonie bei Patienten mit IHT signifikant häufiger auf als bei Patienten ohne IHT. Sie ist die häufigste infektionsbedingte Komplikation [99]. Die Pneumonie erhöht die Mortalität der Patienten mit und ohne IHT [100]. Daher hat die Vermeidung bzw. adäquate Therapie der Pneumonie neben der Behandlung der Brandwunden und der Kreislauftherapie eine große Bedeutung. Eine frühzeitige Tracheostoma-Anlage und eine schnelle Beendigung der maschinellen Beatmung senkt die Pneumonie-Inzidenz [101]. Da die Pneumonie bevorzugt in Verbindung mit einem IHT auftritt, wird nach Adams et al. bei einem bronchoskopisch gesicherten IHT zunächst mit einer kalkulierten antibiotischen Therapie begonnen und später dem Antibiogramm angepasst [19].

Die Inzidenz des MOF bei erwachsenen Schwerbrandverletzten liegt zwischen 18 % und 40 % [102; 103; 104]. Laut Nguyen et al. sind die drei häufigsten Ursachen einer Multiorgandysfunktion (multi organ dysfunction syndrom; MODS) mit nachfolgendem MOF der Ausfall des Respirations-, Kreislaufs- oder Nieren-Systems [105]. In der Studie von Kallinen et al. wiesen alle Patienten, die im Rahmen eines MOF verstarben, ein Nierenversagen auf [104]. Auch eine Sepsis kann in ein MOF münden [104; 105]. Daher gilt es eine Sepsis zu verhindern und die Organe durch geeignete Maßnahmen zu schützen.

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