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Beurteilung der Gewebeperfusion und des anaeroben Metabolismus

Weitere wichtige Parameter zur Überwachung und Therapie brandverletzter Patienten stellen der Verlauf des Laktats und BEs dar. Diese Werte lassen Rückschlüsse auf eine Störung der Mikrozirkulation mit einer Gewebehypoxie zu [17].

Diskussion

Die BE-Werte der Gruppe 2008 lagen an 19 Tagen über denen der Gruppe 2005, an vier Tagen war dieser Unterschied signifikant (Abb. 12; Tab. 34). In Gruppe 2008 überstiegen die Mittelwerte an drei Tagen den BE-Grenzwert (keine Unterschreitungen). In Gruppe 2005 unterschritten dagegen die Mittelwerte an zwei Tagen den unteren Grenzwert (keine Überschreitungen). Bei der Anzahl der Normbereichsüberschreitungen der Konfidenzintervalle war zwischen den beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied zu verzeichnen (Tab. 35). Die Tagesmittelwerte des Gruppendurchschnittspatienten unterschieden sich dagegen mit p < 0,001 signifikant (Tab. 36). Mit einem durchschnittlichen BE von 1,16 mmol/l (Gruppe 2008) und -0,75 mmol/l (Gruppe 2006) lagen die Werte beider Gruppen aber im Normbereich (Tab. 36). In Gruppe 2005 trat vor allem an Tag 1 ein Basendefizit im Serum auf, was auf eine metabolische Azidose hindeutete [111]. Die Gruppe 2008 zeigte dagegen an einigen Tagen eher die Tendenz zu einem Basenüberschuss (Tag 3–5; Tab. 34).

Laut verschiedener Studien kommt es bei einer Verbrennung ohne weitere Therapie zu einem Abfall der pH- und Anstieg der Laktat-Werte [151; 152], was oftmals in eine Laktatazidose mündet [153]. Das Laktat wird bei einer anaeroben Stoffwechsellage gebildet. Diese wird bei Brandverletzungen zum einem durch den hypovolämischen Schock und zum anderen durch die Brandwunden-bedingte Gewebehypoxie verursacht [154]. Ein erhöhter Laktat-Wert ist somit ein Zeichen für einen anaeroben Metabolismus und unter bestimmten Voraussetzungen für eine Minderperfusion [39; 155; 156]. Laut Knichwitz ist beim gleichzeitigen Vorliegen einer metabolischen Azidose (pH < 7,35 + BE < -2 mmol/l) und erhöhten Laktat-Werten (> 2 mmol/l) am ehesten von einer hypoxischen Ursache der Hyperlaktämie auszugehen [156]. In diesem Fall sollte der Laktat-Wert schnellstmöglich auf £ 2 mmol/l normalisiert werden [24; 157]. Andel et al.

fanden, dass sich die Prognose der Verbrennungspatienten bessert, wenn der BE und das Laktat in den ersten 24 Stunden durch Flüssigkeitssubstitution normalisiert werden [158]. Der BE-Wert lag in beiden Gruppen nach 24 Stunden im Normbereich (Abb. 12;

Tab. 34). Beim Laktat-Wert traf dies nur für die Gruppe 2008 zu, bei Gruppe 2005 dauerte es drei Tage (Abb. 13; Tab. 37). Bei beiden Gruppen lag jeweils der erste Laktat-Wert deutlich über dem Grenzwert, ohne sich signifikant voneinander zu unterscheiden.

Somit scheint die Flüssigkeitssubstitution in Gruppe 2008 die Minderperfusion und den anaeroben Metabolismus besser ausgeglichen und die Patientenprognose effektiver verbessert zu haben.

Diskussion

Das gemeinsame Auftreten einer Hyperlaktämie und erniedrigter BE-Werte in Gruppe 2005 am Aufnahmetag sprechen für eine Gewebehypoxie [156]. In Gruppe 2008 war am Aufnahmetag lediglich eine Hyperlaktämie und kein erniedrigter BE zu verzeichnen.

Diese Konstellation deutet laut Knichwitz nicht zwingend auf eine Hypoxie hin [156].

Erhöhte Laktat-Werte können auch durch Katecholamine hervorgerufen werden [156;

159]. Auch wenn nicht zwingend von einer Hypoxie ausgegangen werden kann, spricht die Normalisierung des Laktat-Wertes für eine optimale Gewebeoxygenierung (Abnahme des anaeroben Metabolismus mit Laktat als Endprodukt [156]). Erhöhte Laktat-Werte treten im Rahmen des hypovolämischen Schockes und der Hypoxie in dem verbrannten Gewebe auf [154] und sind bei Aufnahme in die Klinik nicht ungewöhnlich [160]. Nach Erreichen des Normbereiches überschritten beide Gruppen an keinem der folgenden Tage im Mittel den Laktat-Grenzwert von 2 mmol/l. Die Anzahl der Konfidenzintervallüberschneidungen mit dem Normbereich wies ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen auf (Tab. 38). Die Tagesmittelwerte des Gruppendurchschnittspatienten beider Gruppen lagen unterhalb des Grenzwertes.

Der Wert der Gruppe 2005 war allerdings signifikant höher (1,48 mmol/l vs. 1,27 mmol/l, p < 0,001; Tab. 39), möglicherweise aufgrund einer tendenziell schlechteren Gewebeoxygenierung und -perfusion. Dazu passt auch der teilweise signifikant niedrigere MAP (Abb. 5; Tab. 13). Dagegen spricht der normwertige BE-Tagesmittelwert des Gruppendurchschnittspatienten der Gruppe 2005 (Tab. 36) eher gegen eine Gewebehypoxie [156]. Eine weitere Ursache für den höheren Laktat-Wert der Gruppe 2005 könnte die Katecholamin-Therapie sein [156; 159]. Trotz vergleichbarer Dauer der Katecholamin-Gabe war die Therapiedauer im Verhältnis zur Gesamtverweildauer in Gruppe 2005 tendenziell höher (Tab. 33).

Der Laktat-Wert und der BE sind darüber hinaus Prädiktoren für die Mortalität bei Verbrennungsverletzungen. Laut einer Studie von Smith et al. beträgt die Mortalität bei BE-Werten < -4 mmol/l und/oder Laktat-Werten > 1,5 mmol/l am Aufnahmetag 41 %, bei Werten im Normbereich dagegen lediglich 10 % [161]. Der BE lag in Gruppe 2008 am ersten Tag mit -1,16 mmol/l über dem Grenzwert von -4 mmol/l und in Gruppe 2005 mit -4,91 mmol/l deutlich darunter (Tab. 34). Der Laktat-Wert überschritt in beiden Gruppen an Tag 1 den Grenzwert von 1,5 mmol/l erheblich (Gruppe 2008: 2,56 mmol/l, Gruppe 2005: 2,72 mmol/l; Tab. 37). Damit bestand vor allem in Gruppe 2005, aber auch in Gruppe 2008 ein erhöhtes Letalitätsrisiko.

Diskussion

Laut Abramson et al. verbessert sich die Überlebenswahrscheinlichkeit auf 75 %, wenn der Laktat-Wert innerhalb der ersten zwei Tage normalisiert wird [157]. Dies war bei beiden Gruppen möglich. In Gruppe 2008 überlebten 68,2 % der Patienten, in Gruppe 2005 73,7 % (Tab. 51). Diese Werte kommen denen von Abramson et al. postulieren Überlebensanteil recht nahe. Der abfallende Laktat-Wert deutet an (Abb. 13, Tab. 37), dass im Verlauf in beiden Gruppen kein Volumenmangel vorlag [24].

4.6 Beatmung und Tracheotomie

In weiterer wichtiger Parameter in der Intensivmedizin ist die Beatmung. Die allgemeinen anerkannten Empfehlungen zur Beatmung von Intensivpatienten gelten auch für Verbrennungspatienten, müssen aber vor allem bei einem akuten Lungenversagen (ARDS) angepasst werden [24; 162]. Jedoch führt auch bei diesen Patienten eine frühe maschinell unterstütze Spontanatmung zu einer kürzeren Intensivverweildauer [83].

Wenn kein akutes Lungenversagen vorliegt, sollte eine schnelle Entwöhnung vom Respirator mittels assistierter Spontanatmung angestrebt werden [19; 24]. In der vorliegenden Studie wurden die Patienten der Gruppe 2008 signifikant länger assistiert beatmet als Patienten der Gruppe 2005 (11,13 Tage vs. 1,03 Tage; p =0,007; Tab. 40).

Auch war der Patientenanteil, der sowohl assistiert als auch kontrolliert beatmet wurde, in Gruppe 2008 signifikant größer als in Gruppe 2005 (65,0 % vs. 17,6 %, p = 0,004;

Tab. 41). Somit lag in Gruppe 2008 der Schwerpunkt auf die assistierte Ventilation.

Dieses Vorgehen entspricht dem empfohlenen Behandlungsstandard [19] und aktuellen Studien [83; 162; 163].

Neben den erwähnten Vorteilen der assistierten Beatmung ist auch die Vermeidung einer Pneumonie erstrebenswert. Eine Inzidenzreduktion der ventilatorassoziierten Pneumonie wurde aber lediglich bei nicht invasiver Beatmung beschrieben [164]. Diese Form der Beatmung wurde nur einmalig bei einem Patienten der Gruppe 2008 durchgeführt und spielt somit in dieser Studie nur eine untergeordnete Rolle.

Die mittlere Gesamtbeatmungsdauer war in beiden Gruppen vergleichbar (10,52 Tagen vs. 10,72 Tage, p = 0,620; Tab. 40), das Gleiche galt für die Dauer der mittleren kontrollierten Beatmung (p = 0,112, Tab. 40). Patienten der Gruppe 2008 wurden aber tendenziell kürzer (5,01 Tage vs. 10,56 Tage; Tab. 40) zu Gunsten der assistierten Beatmung kontrolliert beatmet.

Diskussion

Patienten, die länger beatmet werden müssen, sollten im Verlauf tracheotomiert werden um intubationsbedingte Komplikationen zu vermeiden. Eine Früh-Tracheotomie (7–10 Tage nach Intubation) führt im Vergleich zu einer Spät-Tracheotomie zu einer Abnahme des Pneumonie-Risikos [72; 73; 74]. Die Patienten beider Gruppen wurden im Sinne einer frühen Tracheotomie kanüliert; die Patienten der Gruppe 2008 deutlich, aber nicht signifikant früher als die Patienten der Gruppe 2005 (4,62 vs. 8,50 Tage, p = 0,140; Tab.

40). Bei den tracheotomierten Patienten in Gruppe 2008 war die Pneumonie-Inzidenz tendenziell geringer (54,14 % vs. 88,89 %; Tab. 46), dieser Unterschied war vermutlich aber – auch wegen der kleinen Subgruppe – nicht signifikant. Auch die Anzahl der tracheotomierten Patienten war zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant verschieden (Tab. 42). In Gruppe 2008 wurden tendenziell weniger Patienten kanüliert als in Gruppe 2005, möglicherweise aufgrund der häufigeren Entscheidung für eine assistierte Beatmung (siehe oben). Natürlich können auch tracheotomierte Patienten assistiert beatmet werden, aber in der Regel geht man bei dieser Beatmungsform von einer kürzeren Beatmungszeit aus, so dass die mit einer Tracheotomie einhergehenden Risiken möglicherweise vermieden werden sollten. Auch könnten die kleinen Gruppengrößen zu einer Verzerrung der Daten geführt haben.

Die Patienten der Gruppe 2008 wurden somit vermehrt assistiert beatmet und früher tracheotomiert. Die tracheotomierten Patienten wiesen tendenziell eine geringere Pneumonie-Inzidenz auf. Diese Trends entsprechen den für diese Studie vorliegenden Behandlungsvorgaben [19] und aktuellen Studien [72; 73; 74].

4.7 Verbrennungstypische Komplikationen

Neben der Schaffung einer optimalen Kreislaufsituation, einer suffizienten Atmung und einer lokalen (chirurgische oder konservative Behandlung) Versorgung der Brand-wunden soll die intensivmedizinische Therapie helfen, die typischen Komplikationen bei einer Verbrennungsverletzung zu vermeiden. Daher wurde in der vorliegenden Studie die Häufigkeit des Auftretens dieser Komplikationen analysiert.

Pneumonien sind mit 43 % die häufigsten nosokomialen Infektionen bei Verbrennungsverletzungen [165]. Laut Brusselars et al. liegt die Pneumonie-Inzidenz bei IHT-Patienten bei bis zu 86 % [98]. In beiden Gruppen traten Pneumonien auf (Gruppe 2008: 27,3 %, Gruppe 2005: 47,4 %). Der Häufigkeitsunterschied war nicht signifikant (Tab. 43). Die im Verhältnis zu den Ergebnissen von Brusselars et al. niedrigere Inzidenz

Diskussion

lässt sich damit erklären, dass in der vorliegenden Arbeit anders als bei Brusselars et al.

auch Patienten ohne IHT berücksichtigt wurden. Die antibiotische Behandlung der Pneumonie war in Gruppe 2008 mit 8,40 ± 5,18 Tagen deutlich, aber nicht signifikant kürzer als in Gruppe 2005 mit 14,75 ± 5,42 Tagen (Tab. 44). Die kürzere Behandlungsdauer der Gruppe 2008 deckt sich mit den Therapieempfehlungen der S3 Leitlinie [166]. Dort wird die Dauer einer antibiotischen Behandlung der nosokomialen Pneumonie mit acht Tagen angegeben, da eine 15-tägige Therapie keinen Vorteil bringt.

Weitere Studien bestätigen dies [167]; bei speziellen Ätiologien sollte aber eine längere Behandlung erwogen werden [166]. Die Gruppe 2005 wurde deutlich länger als empfohlen antibiotisch therapiert (Tab. 44). Eine zu lange Antibiose bietet im Allgemeinen keine Vorteile und kann Resistenzen fördern [168]. Darüber verursacht eine unnötig lange antibiotische Therapie vermeidbare Kosten. Kritisch anzumerken ist, dass in Gruppe 2008 bei drei der sechs Patienten die Dauer der antibiotischen Therapie durch den Eintritt des Todes begrenzt wurde. Damit war die kürzere Antibiotikatherapiedauer möglicherweise nicht geplant. Zwischen den assistiert/kontrolliert und nur-kontrolliert beatmeten Patienten bestand kein Unterschied in der Pneumonie-Inzidenz (Tab. 45).

Zumindest in der vorliegenden Studie führte somit die vermehrte assistierte Beatmung zu keiner Reduktion der Ventilator-assoziierten Pneumonie. Weiterführende Studien mit größeren Gruppen sollten diese Fragestellung erneut untersuchen.

Eine weitere typische Komplikation bei Verbrennungspatienten ist die Sepsis. Die Haut verliert durch Brandwunden die natürliche Barrierefunktion, so dass Erreger ungehindert in den Organismus eindringen können. Die Mortalität bei einer Sepsis liegt mit 50 % hoch [94]. In Gruppe 2008 trat keine Sepsis auf, in Gruppe 2005 dagegen bei drei Patienten.

Dieser Unterschied war mit p = 0,091 knapp nicht signifikant (Tab. 47). Trotz des Fehlens einer Signifikanz scheinen die Maßnahmen zur Vermeidung einer Sepsis in Gruppe 2008 tendenziell zu einem besseren Ergebnis geführt zu haben als in Gruppe 2005. Neben der Wundpflege und Vermeidung weiterer Infekte zählt auch der Ausgleich einer Hypovolämie und somit das Erreichen einer guten Organperfusion durch eine normotone Blutdrucklage zur Sepsis-Prophylaxe [93]. Der MAD lag in Gruppe 2008 an den meisten Tagen zum Teil signifikant höher als in Gruppe 2005. Dieser Befund deutet zusammen mit der Urinausscheidung auf eine Normovolämie in Gruppe 2008 hin und unterstützt die Annahme einer effektiveren Sepsis-Prophylaxe.

Ein Kompartmentsyndrom entsteht bei höhergradigen Verbrennungen mit einschnürendem Charakter. Es kann an Extremitäten zu folgenschweren

Diskussion

Minderperfusionen und Ischämien führen und im Rumpfbereich pulmonale und abdominelle Komplikationen hervorrufen [95]. Ein Kompartmentsyndrom kann durch eine Ödembildung infolge eines unreflektiert durchgeführten Flüssigkeitsregimes begünstigt oder ausgelöst werden [45; 96; 169]. Weder in Gruppe 2008 noch in Gruppe 2005 trat ein Kompartmentsyndrom auf (Tab. 48), was gegen eine exzessive, über das nötige Substitutionsmaximum hinausgehende Flüssigkeitstherapie spricht [45].

Eine weitere fatale Komplikation bei Patienten mit Verbrennungsverletzungen ist das MOF. In einer zehn Jahre dauernden Studie der American Burn Association war diese Komplikation für 27,5 % der Todesfälle verantwortlich [170]. In einer Studie aus Helsinki war der Anteil mit fast 40 % noch höher; das MOF war immer mit einer Sepsis vergesellschaftet [104]. Laut Cumming et al. sind ein höheres Alter, eine höhere VKOF und das männliche Geschlecht Risikofaktoren für ein MOF [102]. Nguyen et al. zeigten zudem, dass bei Patienten mit einem IHT, einer Sepsis oder einem septischen Schock ein MOF signifikant häufiger auftritt [105]. Somit ist das MOF eine häufige Ursache für den letalen Ausgang bei Brandverletzungen, wobei die meisten Risikofaktoren nicht zu beeinflussen sind. Lediglich die Vermeidung einer Sepsis bzw. eines septischen Schockes ist durch die Aufrechterhaltung einer adäquaten Hämodynamik und durch eine optimale IHT-Therapie möglich [171; 172]. In Gruppe 2008 kam es bei zwei (9,1 %) und in Gruppe 2005 bei drei Patienten zu dieser Komplikation (15,8 %). Dieser Unterschied war nicht signifikant (Tab. 49).

Zusammenfassend belegen die Daten, dass die Gruppe 2008 insgesamt tendenziell weniger verbrennungstypische Komplikationen zeigte als Gruppe 2005, ohne dass diese Unterschiede statistisch abgesichert werden konnten. Kritisch anzumerken ist die jeweils kleine Gruppengröße. Somit besitzen diese Daten nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Für eine Überprüfung wären weitere Studien und größere Gruppen erforderlich.