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Neben der chirurgischen Therapie der Brandwunden spielt bei Verbrennungspatienten die Kreislauftherapie eine große Rolle. Die Aufrechterhaltung des Kreislaufs stellt sicher,

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dass alle Organe ausreichend versorgt werden und dass die Wundränder nicht durch vasokonstriktive Medikamente sekundär geschädigt werden. Daher hat die Volumentherapie einen hohen Stellenwert in der Kreislauftherapie. Zielparameter sollen die Infundierung von zu kleinen und zu großen Volumenmengen verhindern [19]. Dazu zählen der Hb- und Hkt-Wert, der MAP-Wert, der zentralvenöse Druck, die Stundendiurese und die zentralvenöse Sättigung. Im Folgenden werden diese Parameter (ohne die zentralvenöse Sättigung) in den beiden Studiengruppen verglichen.

Der Hb-Wert dient der Vermeidung eines Volumenmangels im Rahmen einer Infusionstherapie bei Verbrennungspatienten. Der Verlauf des Hb-Wertes beschreibt (ebenso wie der Hkt-Wert) die Blutkonzentration. Der Anstieg des Hb-Wertes zeigt einen Volumenmangel an, dieser sollte vermieden werden [19]. In beiden Gruppen lag der Hb-Wert im Mittel nie über dem mittleren Aufnahme-Hb-Hb-Wert von knapp 14 g/dl (Abb. 3 und Tab. 7). Die lineare Regressionsanalyse wies in beiden Gruppen auf einen im Behandlungsverlauf signifikant abnehmenden Hb-Wert hin (p < 0,001, Tab. 8). Da die Regressionsanalyse aufgrund der geringen Fallzahl und der hohen Verteilungssensibilität nur eine begrenzte Stabilität aufwies, wurde zur Bestätigung des Ergebnisses ein Mittelwertsvergleich (die ersten 3 Hb-Werte geteilt durch die letzten 3 Hb-Werte der 2. Hälfte der Beobachtungszeit) durchgeführt. In beiden Gruppen war der erste Mittelwert signifikant höher als der letzte (Tab. 9), was die Aussage der Regressionsanalyse unterstützt. Die Hb-Werte unterschieden sich an keinem der 22 Tage signifikant zwischen den Gruppen (Tab. 7).

Der Hkt-Wert ist ein weiterer Parameter zur Abschätzung des Volumenbedarfs und soll wie der Hb-Wert nicht ansteigen [19]. In beiden Gruppen wurde der Ausgangs-Hkt-Wert im Verlauf der 22 Tage nicht überschritten (Tab. 10). Lediglich an Tag 9 und 19 lag der Mittelwert der Gruppe 2008 signifikant über dem Wert der Gruppe 2005 (Tab. 10). Die Regressionsanalyse ergab für beide Gruppen einen signifikant fallenden Verlauf (p < 0,001) der Hkt-Werte (Tab. 11). Auch hier zeigte der zusätzliche t-Test, dass die Mittelwerte der letzten drei Hkt-Werte signifikant niedriger lagen als die Mittelwerte der ersten drei Hkt-Werte (Tab. 12).

Die Hb- und Hkt-Werte lassen vermuten, dass die Patienten nicht unter einem Flüssigkeitsmangel litten. Die Abnahme der Werte im Beobachtungszeitraum sprechen für eine effiziente Volumengabe [116; 117]. Die beiden ersten Zielparameter wurden somit eingehalten.

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Ein weiterer Zielparameter ist der MAP. Er soll bei Verbrennungspatienten mindestens 65 mmHg betragen [19]. Dies wird auch von der Surviving Sepsis Campaign empfohlen [85]. Werte > 65 mmHg entsprechen laut Fachliteratur dem physiologischen Normwert [118]. Der MAP lag in beiden Gruppen innerhalb des Beobachtungszeitraums im Mittel deutlich über 65 mmHg (Abb. 5). Der MAP in Gruppe 2008 übertraf an 20 von 22 Tagen den MAP in Gruppe 2005, an 10 Tagen war dieser Unterschied signifikant (Tab. 13). Der mittlere MAP (Tag 1–22) der Gruppe 2008 lag mit 88,54 mmHg zudem hochsignifikant höher als der MAP in Gruppe 2005 (Tab. 15). An drei Tagen unterschritt das Konfidenzintervall der Gruppe 2005 den MAP-Minimalwert von 65 mmHg, in Gruppe 2008 war dies an keinem Tag der Fall. Dieser Unterschied zwischen den Gruppen war aber nicht signifikant (Tab. 14).

Laut MAP wurde den Patienten somit eine ausreichende Menge an Flüssigkeit appliziert [14]. Die signifikant höheren MAP-Werte der Gruppe 2008 beruhten nicht unbedingt auf einer veränderten Volumengabe, da weitere Einflussfaktoren (z.B. Katecholamin-Therapie) den MAP ebenfalls positiv beeinflussen können. Die bisher vorliegenden Daten lassen insgesamt den Schluss zu, dass in beiden Gruppen kein Volumenmangel auftrat. Die höheren MAP-Werte in Gruppe 2008 deuten an, dass die Patienten in dieser Gruppe 2008 besser auf die Therapie reagiert haben.

Ein weiterer Parameter, der aktuell an prognostischer Bedeutung verloren hat, ist die HR, die unter 100/min liegen sollte (eine Tachykardie > 100/min galt traditionell als Schockzeichen [119]). Lange Zeit galt ein niedriger Blutdruck und eine hohe HR bei traumatisierten Patienten mit Flüssigkeitsverlust als Zeichen für das Voranschreiten eines Schockgeschehens. Bei einem Schockindex < 1 (Quotient aus HR und systolischem Blutdruck [120]) besteht Schockgefahr. 2009 postulierte Latenser in einem Artikel zur Versorgung von Schwerbrandverletzten, dass HR-Werte < 110/min einen adäquaten Volumenhaushalt repräsentieren, während Frequenzen > 120/min eine Hypovolämie anzeigen [121]. Aktuell mehren sich Äußerungen in der Literatur, dass HR-Werte keine zuverlässige Aussage über den Volumenstatus oder die Vorlast zulassen [19]. Vor allem bei jüngeren Patienten versagt der Schockindex [120] und die HR liegt häufig trotz ausreichender Vorlast > 100/min [19]. In der S3-Leitlinie „Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen“ der DGAI (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin) wird die HR nicht als diagnostischer Parameter zur Abschätzung des Volumenmangels verwendet [14]. Eine alternative Möglichkeit zur Volumenmangelabschätzung ist die Pulskonturanalyse zur Ermittlung des

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Herzzeitvolums. Diese auch bei Patienten mit Verbrennungsverletzung verwendete hämodynamische Überwachung [122] ist nicht Gegenstand der vorliegenden Studie.

In Gruppe 2008 lag der durchschnittliche HR-Wert an allen Tagen des Beobachtungszeitraums < 100/min, in Gruppe 2005 dagegen lediglich an 20 von 22 Tagen (Abb. 6, Tab. 16). An den ersten 13 Tagen zeigte die Gruppe 2008 niedrigere Mittelwerte als Gruppe 2005, an drei Tagen war dieser Unterschied signifikant (Tab. 16).

Ab dem 14. Tag lagen alle Tagesmittelwerte der Gruppe 2008 oberhalb der Werte in Gruppe 2005; allerdings waren die Unterschiede nicht signifikant (Tab. 16). Da die HR den Volumenstatus des Patienten nicht exakt abbildet, soll sie hier nur am Rande betrachtet werden. Die deutlich näher am physiologischen Normwert (60–80/min) liegenden HR-Werte der Gruppe 2008 zu Beginn der Volumentherapie (Abb. 6; Tab. 16) weisen dennoch mit Einschränkung auf eine normovoläme Kreislaufsituation hin.

Der Zielparameter CVP sollte laut dem Behandlungsstandard der vorliegenden Studie bei Verbrennungspatienten zwischen 10 und 20 mmHg liegen [19; 123]. Werte < 10 mmHg deuten auf einen Volumenmangel, Werte > 25 mmHg auf eine Volumen-überladung hin [19]. Andere Publikationen empfehlen einen CVP-Zielwert von lediglich

³ 8 mmHg [24; 124] oder 2–7 mmHg [125]. In der aktuellen S3-Leitlinie „Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen“ der DGAI (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin) wurde eine Grad A-Empfehlung ausgesprochen den CVP nicht zur Diagnose eines Volumenmangels zu nutzen [14]. Die Begründung ist, dass auch andere Faktoren (peripherer Gefäßtonus, intrathorakaler Druck) den CVP beeinflussen, so dass eine CVP-Veränderung nicht zwangsläufig eine Änderung des Volumenstatus anzeigt. Ein erniedrigter CVP kann lediglich auf einen Volumenmangel hinweisen und ein hoher CVP schließt diesen nicht komplett aus [14]. Greenwood und Orloski empfahlen neben dem CVP weitere Parameter zur Abschätzung des Volumenbedarfs heranzuziehen [126]. Die mittleren CVP-Tageswerte beider Gruppen lagen während des gesamten Beobachtungszeitraums im Zielbereich (10–20 mmHg) ohne signifikante Gruppenunterschiede (Abb. 7 und Tab. 17). Auch die Zahl der Grenzüber- oder -unterschreitungen der Konfidenzintervalle unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen (Tab. 18). Die Einhaltung des CVP-Zielbereichs weist auf das Fehlen eines fulminanten Volumenmangels in beiden Gruppen hin.

Bei dem Zielparameter Urinproduktion sollten die Werte laut den gültigen Behandlungsrichtlinien mindestens 0,5 ml/kg KG/h (Gruppe 2008) bzw. 1,0 ml/kg KG/ h

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(Gruppe 2005) betragen. Baxter und Shires beschrieben schon 1968 gute therapeutische Ergebnisse bei Verbrennungspatienten bei einer Urinausscheidung von mindestens 0,5 ml/kg KG/h [12]. Auch die Guideline der European Burns Association empfiehlt für erwachsene Patienten eine Urinausscheidung von mindestens 0,5 ml/kg KG/h, die durch die Anwendung der Parkland-Formel und durch eine frühzeitige Gabe von Ringer-Laktat-Lösung erreicht werden soll [127]. Die American Burn Association [36]

und andere Institutionen bzw. Wissenschaftler [25, 85, 128, 129, 130] nennen den gleichen Zielwert. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin empfiehlt unter anderem ebenfalls den Zielwert von mindestens 0,5 ml/kg KG/h Urinausscheidung als Monitoring der Schocktherapie. [13].

In der vorliegenden Studie lagen die mittleren Urinausscheidungswerte beider Gruppen innerhalb des gesamten Beobachtungszeitraums über den jeweiligen Mindestwerten und schwankten im Bereich von 1,2–2,3 ml/kg KG/h (Tab. 19). Diese Mengen entsprechen eher einer Polyurie als einer Oligurie [131]. Die überdurchschnittlich gute Urinausscheidung in beiden Gruppen sprechen ebenfalls gegen einen Volumenmangel.

Laut Cohen ist eine Polyurie im Rahmen der Infusionstherapie bei Verbrennungspatienten in der Regel unbedenklich und wird durch die Mobilisation der Ödeme hervorgerufen [132]. Signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen gab es weder bei den Tagesmittelwerten (Abb. 8, Tab. 19) noch bei der Unterschreitung der Zielparameter durch die Konfidenzintervalle (Tab. 20).

Kritisch anzumerken ist aber, dass der Zielparameter Urinausscheidung im Behandlungsstandard der Gruppe 2008 im Vergleich zu Gruppe 2005 halbiert wurde.

Der Zielwert der Gruppe 2008 entsprach dem 1968 von Baxter und Shires [12] und 2008 von der American Burn Association [36] empfohlenen Wert. Somit war die Einhaltung des Zielbereichs einfacher. Derzeit fehlen Studien, die die für eine ausreichende Perfusion benötigte stündliche Mindest-Urinausscheidung quantifizieren [133]. Darüber hinaus belegen einige Untersuchungen, dass die Urinausscheidung kein zuverlässiger Indikator für die globale Perfusion ist [134, 135]. Die Abschätzung der benötigten Flüssigkeitsmenge sollte daher allein nicht auf Basis der stündlichen Urinausscheidung erfolgen, sondern – wie in den aktuellen Behandlungsstandards [19] und in dieser Studie – auch weitere Parameter berücksichtigen.

Zusammenfassend scheint die Analyse der Zielparameter zu belegen, dass die Schocktherapie in Gruppe 2008 teilweise bessere Ergebnisse erbrachte als in Gruppe

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2005. Unbeantwortet bleibt aber die Frage, ob tatsächlich die veränderte Volumentherapie dafür verantwortlich ist, oder ob noch weitere Maßnahmen daran beteiligt sind.