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1.2 Aktueller Wissensstand

1.2.1 Allgemeine Pathophysiologie der Brandverletzungen

Verbrennungstiefe

Als physische Barriere schützt die Haut den Körper u. a. vor Flüssigkeitsverlusten und äußeren Reizen. Sie besteht aus drei Schichten:

● Die äußerste Schicht, die Epidermis, ist je nach Region zwischen 0,05 mm (Augen-lider) und 1 mm (Fußsohlen) dick [15]. Sie enthält die Keratinozyten und umschließt die Hautanhangsorgane.

● Die Dermis liegt unterhalb der Epidermis und besteht vor allem aus Kollagen und Fibroblasten. Die Schichtdicke variiert je nach Körperregion und erreicht am Rücken eine maximale Dicke von 4 mm [16].

● Die Subkutis bildet die unterste Schicht und besteht aus Fettgewebe und lockerem Bindegewebe. Darunter liegen Muskeln, Sehnen und Faszien [16].

Anhand der betroffenen Hautschichten werden die Verbrennungsgrade abgeleitet (Abb.

1) [13, 17]:

● Grad I: Oberflächliche Verbrennung der Epidermis mit Erythembildung, Schmerz und Juckreiz; die Abheilung erfolgt spontan und ohne Narbenbildung.

● Grad II a: Oberflächliche Verbrennung der Dermis mit Erythem- und Blasenbildung und starken Schmerzen. Die dermale Durchblutung ist noch vorhanden (Blutung bei Nadelstichtest). Die Abheilung erfolgt spontan und ohne Narbenbildung.

Einleitung und Fragestellung

● Grad II b: Tiefe Verbrennung der Dermis mit Blasenbildung mit reduziertem Schmerz. Die dermale Durchblutung ist nur minimal intakt bis fehlend, der Nadelstichtest erzielt variable Ergebnisse. Die Wundheilung verläuft verzögert und unbehandelt mit Narbenbildung.

● Grad III: Verbrennung der kompletten Dermis bis in die Subkutis. Die Haut ist gelb-weißlich bis schwarz, der Patient empfindet keine Schmerzen und der Nadelstich-test verursacht keine Blutung. Eine epitheliale Regeneration ist unmöglich; ohne Behandlung kommt es zu einer verzögerten narbigen Abheilung.

● Grad IV: Vollschichtige Verbrennung/Verkohlung (Haut, Muskulatur und Knochen).

Abb. 1: Verbrennungsgrade I bis IV (aus [18]).

Einleitung und Fragestellung

Verbrannte Körperoberfläche (VKOF)

Das Ausmaß der VKOF wird mit der Neuner-Regel nach Wallace ermittelt [2], wobei erstgradige Verbrennungen nicht berücksichtigt werden (Abb. 2). Bei Erwachsenen entspricht die komplette Handfläche 1 % der Körperoberfläche, bei Kindern umfasst die Palmarfläche etwa 1 % der Körperoberfläche [19].

Abb. 2: Neuner-Regel nach Wallace (aus [17]).

Prognose

Zur ersten Abschätzung der Prognose des Schwerbrandverletzten wird der Baux-Score verwendet [20]:

VKOF [%] + Alter [Jahre]) = Mortalität [%]

Einleitung und Fragestellung

Darüber hinaus hat sich der Abbreviated Burn Severity Index (ABSI) nach Tobiasen [21, 22] etabliert (Tab. 1).

Parameter Punkte Verbrannte Körperoberfläche

(VKOF) [%] Punkte

Mann 0 1–10 1

Frau 1 11–20 2

Alter 0–20 Jahre 1 21–30 3

Alter 21–40 Jahre 2 31–40 4

Alter 41–60 Jahre 3 41–50 5

Alter 61–80 Jahre 4 51–60 6

Alter > 80 Jahre 5 61–70 7

Inhalationstrauma (IHT) 1 71–80 8

Verbrennungstiefe Grad III 1 81–90 9

Tab. 1: Punkteskala Abbreviated Burn Severity Index (ABSI).

Teilweise findet auch ein modifizierter ABSI Anwendung, bei dem bei der Berechnung der Überlebenswahrscheinlichkeit Vorerkrankungen berücksichtigt werden. Dabei werden kardiale und pulmonale Erkrankungen mit 1 Punkt, renale, gastrointestinale und endokrinologische Erkrankungen mit 0,5 Punkten, Alkohol- und Nikotinabusus mit 1 Punkt und Medikamenten-Abusus mit 0,5 Punkten bewertet [23].

Gesamtpunktzahl Überlebenswahrscheinlichkeit [%]

2–3 > 99

4–5 98

6–7 80–90

8–9 50–70

10–11 20–40

12–13 < 10

Tab. 2: Überlebenswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Gesamtpunktzahl des Abbreviated Burn Severity Index (ABSI).

Bei einem ABSI von ≥ 8 Punkten besteht mit einer Mortalität von ≥ 30 % eine ernsthafte Bedrohung für das Überleben [Tab. 2; 21; 24].

Einleitung und Fragestellung

Inhalationstrauma (IHT)

Ein IHT kann durch eine direkte chemische Verletzung der Schleimhäute durch Schadstoffe im Brandrauch, systemisch-toxisch durch Kohlenstoffmonoxid (CO) und Zyanide sowie in seltenen Fällen durch Hitzeeinwirkung entstehen [24]. Verschiedene Schädigungsmechanismen verursachen Atemwegsobstruktionen, Ödeme, Atelektasen sowie Ventilations- und Perfusionsstörungen [24]. Mit steigender Lipophile dringen die inhalierten Noxen tiefer in die Atemwege ein und schädigen diese nachhaltig [19]. Oft setzen die Beschwerden erst nach einem symptomfreien Intervall ein [19]. Ein Schleimhautödem kann bis zu 48 Stunden nach dem Trauma entstehen und zu einer bedrohlichen Verlegung der Atemwege führen [25]. Daher ist bei Patienten mit Verdacht auf ein IHT grundsätzlich eine stationäre Überwachung indiziert. Das IHT kann durch eine verbrennungstypische kapilläre Permeabilitätssteigerung und nachfolgende Verschiebung von Volumina zum Schockgeschehen beitragen [26], was mit einem entsprechenden Volumenbedarf verbunden ist [25]. Ein IHT erhöht die Letalität einer Verbrennungsverletzung um bis zu 30 % [27].

Ein IHT wird bei entsprechender Symptomatik (Bronchospastik usw.) mit β2-Mimetika und ggf. mit Theophyllin behandelt. Die prophylaktische Gabe von Glukokortikoiden wird nicht empfohlen [19, 26, 28]; die Gabe ist lediglich bei manifester Symptomatik und in Ergänzung zu β2-Mimetika indiziert. Die Adrenalin-Gabe ist eine Ultimo Ratio Maßnahme und führt neben der Bronchodilatation zu einer Vasokonstriktion, die schleimhautabschwellend wirkt [19]. Eine prophylaktische Intubation ist nicht angezeigt;

die Indikation zur Atemwegssicherung muss aber im Hinblick auf eine mögliche Ödembildung rechtzeitig gestellt werden.

Verbrennungskrankheit

Der hypovolämische Schock wird als Zustand unzureichender Durchblutung vitaler Organe mit konsekutivem Missverhältnis von Sauerstoff-(O2)-Angebot und -verbrauch infolge intravasalen Volumenmangels mit kritisch verminderter kardialer Vorlast definiert.

Der traumatisch-hypovolämische Schock bildet eine Unterform und ist durch eine kritische Abnahme des zirkulierenden Plasmavolumens ohne akute Blutung bei gleichzeitiger ausgedehnter Gewebeschädigung mit Mediatorfreisetzung gekennzeichnet [29]. Folgende Pathomechanismen fördern in der Frühphase die Ausbildung des Schocks:

Einleitung und Fragestellung

● Verlust von Erythrozyten und Plasmaproteinen in der Nekrose- und Stasezone sowie begleitende Aktivierung der Gerinnungskaskade [29].

● Störung der Kapillarschranke im Bereich der Brandwunde mit lokalem Verbren-nungsödem [29].

● Ab etwa 20 % VKOF: Ausbildung eines generalisierten Verbrennungsödems infolge eines mediatorinduzierten Kapillarlecks. Das Ödem enthält Plasmaproteine (vor allem Albumin), was zu einem Absinken des kolloidosmotischen Druckes (KOD) im Plasma führt. In den ersten 8 Stunden ist der Verlust von Plasma und Proteinen am größten, nach 12 bis 18 Stunden ist das Ödem maximal ausgebildet, und nach 24 Stunden bildet es sich langsam zurück [29; 30].

Durch den Volumenverlust und die Mediatoren-induzierte Myokarddepression fällt das Herzzeitvolumen (HZV) ab, während der systemisch-vaskuläre Widerstand (systemic vascular resistance; SVR) durch eine Katecholamin-Freisetzung infolge des Traumas ggf. steigt. Die Folge kann eine normo- oder hypertone Kreislauflage sein, die nicht als stabil fehlinterpretiert werden darf. Weitere Folgen können Gerinnungsstörungen, Hy-permetabolismus und tubuläre Nierenschädigung sein [19; 29].

Diese genannten Vorgänge sowie weitere Pathomechanismen werden unter dem Begriff

„Verbrennungskrankheit“ zusammengefasst [19].