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Instore-logistische Aufgaben auf der Store-Ebene

Im Dokument PerformanceMeasurementim Einzelhandel (Seite 197-200)

6 Qualitatives Design: Problemzentrierte Interviews

6.4 Ein Blick von innen – Praxistheoretische Perspektive

6.4.1 Arbeitsaufgaben von Store Manager/innen

6.4.1.1 Instore-logistische Aufgaben auf der Store-Ebene

Als oberste Priorität eines jeden Handelsunternehmens steht der Verkauf von Produkten an Endkund/innen. Daher genießen Shopper im täglichen Han-delsgeschäft besondere Aufmerksamkeit. Die Interaktion zwischen Kund/in-nen und Store Mitarbeiter/inKund/in-nen sollte neben dem turbulenten Arbeitsalltag und der Erfüllung organisatorischer Tätigkeiten wie Einschlichten so oft wie möglich durchgeführt werden. Andernfalls spricht ein Store Manager von ver-passten Möglichkeiten in der Kund/innenansprache: „Wenn 20 Kunden vorbei-gehen und dieser Mitarbeiter nur auf seine Arbeitsaufgabe fokussiert ist, nicht lächelt, nicht einmal „Hallo“ sagt, keinen Augenkontakt hat – dann haben wir da ein Problem. Weil das sind 20 verpasste Chancen von jemandem, der nicht einmal ein „Hallo“ bekommt, keine Begrüßung. Wir erwarten nicht, dass sie bei

Verena Harrauer - 978-3-653-96174-4

jedem Kunden engagiert sind. Das ist einfach nicht möglich. Aber du kannst einen Großteil der Kunden, die vorbei kommen, ansprechen“ (Store Manager, LEH, U.S., Ref 27:33). Bei einer kund/innenorientierten Strategie richten Han-delsangestellte den direkten Kontakt auf die Bedürfnisse der Kund/innen aus.

Damit soll Kund/innenloyalität zum Geschäft – im Idealfall sogar bis hin zu einem bestimmten Mitarbeiter bzw. einer bestimmten Mitarbeiterin – aufge-baut werden.

Neben der aktiven Verkaufsfunktion, die als Basisfunktion des Handels gilt und von den Interviewteilnehmer/innen auch an anderen Stellen in Form von kund/innenorientierten Geschäftsprozessen immer wieder angesprochen wird, nimmt vor allem die Organisation des Sortiments eine wesentliche Position ein. Folgende Aussage zeigt eine Position einer Store Managerin aus dem Fashionbereich: „Es ist halt schon manchmal relativ stressig, eben bei Reduzierungen oder wenn viel Ware geliefert wird. Weil man glaubt gar nicht, dass das Handling schon sehr aufwendig und sehr, sehr intensiv ist“ (Store Managerin, EH mit Bekleidung, AUT, Ref 43:76). Store Manager/innen sind gefordert, zeitlich und personell begrenzte Ressourcen im Arbeitsalltag effi-zient einzusetzen.

Der Prozess der physischen Warenübernahme und Einlagerung im dafür vorgesehenen Lagerbereich des Geschäftslokals ist hochgradig standardisiert und muss auf Store-Ebene genau dokumentiert werden. Trifft eine Lieferung ein, sind Store Mitarbeiter/innen angewiesen, die Liefermenge mit der Be-stellmenge abzugleichen, Fehler zu beanstanden, zu dokumentieren und zu melden. Diese Informationen bilden die Ausgangsbasis für zahlreiche waren-bezogene Kennzahlen, wodurch dieser Kontrollfunktion noch mehr Bedeutung zu Teil wird. Dennoch werden – als Konsequenz von straffen Personalstruktu-ren – die Wareneingangskontrolle vernachlässigt oder mangelhaft ausgeführt.

„Wenn wir Lieferungen bekommen und mir fehlt was, dann komme ich nicht gleich drauf, weil ich kann nicht fünf Euro-Paletten durch kontrollieren. Sicher nicht. Und jetzt komme ich nach einer Woche oder nach einem Monat drauf, was weiß denn ich wann, dass ich damals am 10.Juli sechs Stück von dem nicht mit-gekriegt habe, nachweislich. Die Sprungmenge ist sechs Stück und die sechs Stück fehlen mir, die hätte ich kriegen sollen. Das fällt auf meine Inventur in meiner Filiale. Und das kann ich auch nicht geltend machen. […] Aber in der Inventur habe ich ein Minus, so steigt meine Inventur hoch. Und das habe ich mit zwölf Windelpackungen und mit sechs Aptamilpackungen und das ist verdammt viel Geld und das muss aber ich alles als Fehlmenge haben. Und das fresse ich dann mit meiner Inventur in meiner Filiale (Store Managerin, DFH, AUT, Ref 45:112).

Die Abwicklung von Retouren wird ähnlich der Warenanlieferung streng for-malisiert durchgeführt, vermerkt und dokumentiert. Neben der Herausforde-rung der akkuraten Warenübernahme werden auch räumliche Engpässe in den Interviews angesprochen. In einem informellen Zweitgespräch mit einer Store Managerin kritisierte diese, dass sie sich gerade in der Weihnachtszeit durch permanente Lieferungen nicht mehr im Stande sieht, diese im Verkaufsraum zu platzieren. Store Manager/innen stehen demnach vor der Herausforderung die gelieferte Ware im begrenzt zur Verfügung stehenden Verkaufsraum über-haupt unterzubringen.

Dies führt auch zum nächsten Punkt, nämlich der Regalbestückung. Vor allem in Einzelhandelsunternehmen des FCMG-Marktes wurde auf den hohen Formalisierungsgrad bei der Regalgestaltung hingewiesen. Von der Zentrale bereitgestellte Schlichtpläne, sog. „Planogramme“, beschleunigen und erleich-tern nicht nur das Wiederfinden von Produkten für Store Mitarbeiter/innen;

etablierte Sortimentsgestaltungskonzepte wie Category Management sollen auch zur Umsatzmaximierung durch optimale Produktbestückung auf Kund/in-nenseite beitragen. Im Widerspruch dazu zeigt die Analyse der Interviews, dass besonders umsatzorientierte Store Manager/innen diese strengen Vorgaben – auch wenn deren Einhaltung regelmäßig von Rayonsleiter/innen kontrolliert wird – umgehen und durch zusätzliche Anstrengungen versuchen, Impulskäufe zu erhöhen und damit Filialumsätze (incremental sales) zu steigern. Store Mana-ger/innen, die mit weniger strengen Vorgaben von der Unternehmenszentrale konfrontiert sind, führen an, dass sie rasch Änderungen bei Zweitplatzierungen durchführen, wenn es bspw. zu nicht vorherbestimmbaren Wettereinflüssen kommt. Als Beispiel wird die Sortimentsänderung im LEH bei Hitzeperioden erwähnt, die eine verstärkte Bereitstellung von Salaten, Getränken oder der weißen Palette mit sich bringen.

Um Out-of-Stock-Raten zu vermeiden, gilt, eine uneingeschränkten Verfüg-barkeit der Ware im Regal zu gewährleisten. Daher ist es eine zentrale Aufgabe auf der Store-Ebene, Produkte in den Regalen regelmäßig nach zu schlichten, Kontrollen über Produktverfügbarkeit durchzuführen und manuell Out-of-Stock-Berichte zu kreieren. Die Sichtkontrolle bildet vereinzelt auch die Ent-scheidungsbasis für daran angeknüpfte Bestellungen. Eine Interviewpartnerin führt an, 900 bis 1000 Produkten täglich zu „durchforsten“. Weiters werden Store Mitarbeiter/innen über Preisänderungen oder Änderungen in der Produktbe-zeichnung von der Unternehmenszentrale in Kenntnis gesetzt. In einem Fall spricht eine Store Managerin von 300 bis 400 Preisschildern, die täglich aus-getauscht und kontrolliert werden müssen. Dabei ist es wiederum Aufgabe der

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Store Manager/innen, die akkurate Preisauszeichnung nachzuprüfen. Falsch ausgezeichnete Produkte fließen negativ in die Performance Evaluierung der Store Manager/innen ein. Verderbliche Produkte prüfen Store Mitarbeiter/in-nen regelmäßig hinsichtlich des Ablaufdatums. Identifizieren sie Produkte, die nahe dem Ablaufdatums liegen, müssen sie diese elektronisch markieren und preislich reduzieren, um die Frische des Sortiments zu gewährleisten, Abver-käufe zu maximieren und damit Totalabschreibungen zu minimieren. Insge-samt liegt es aber im Verantwortungsbereich der Store Manager/innen, diese Abschreibungsrate so gering wie möglich zu halten und damit die Store Per-formance zu optimieren. Um Lücken im Warenwirtschaftssystem aufzudecken und Lagerbestandskennzahlen aktuell zu halten, sind Store Mitarbeiter/innen zusätzlich angewiesen permanent Sortimentsteile zu inventarisieren. Dies ist ein weiteres Sicherheitsnetz im Bereich Performance Measurement auf der Store-Ebene und ermöglicht Out-of-Stock Situationen zu vermeiden.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass die Prozesse rund um die Bereit-stellung, Verfügbarkeit und Kontrolltätigkeiten des Sortiments sehr zeitintensiv sind, aber gleichzeitig wesentlich zur Umsatzgenerierung beitragen. Diese Er-kenntnis steht im Einklang mit den Ergebnissen von Ton (2009, 18), der zeigt, dass die präzise Ausführung von Arbeitsaufgaben durch die Store Mitarbeiter/innen auch zu einer erhöhten Servicequalität führt. Abbildung 42 fasst die einzelnen instore-logistischen Arbeitsprozesse zusammen und reflektiert diese hinsichtlich implementierter Kenzahlen und Performance Measurement Prozessen. Darauf wird auch noch im nächsten Abschnitt, wenn es um die Führungsaufgaben von Store Manager/innen geht, verwiesen.

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