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Importierte Herkünfte und die einheimische Fauna

6 VERWENDUNG VON SAATGUT UNTERSCHIED- UNTERSCHIED-LICHER HERKÜNFTE

6.4 Importierte Herkünfte und die einheimische Fauna

6.4.1 Zusammenfassung

Buntbrachen sollen beispielsweise Säugern, Vögeln, Insekten und Pilzen als Lebensraum oder Substrat dienen. Viele dieser Organismen ernähren sich von den angesäten Wildpflanzen.

Deshalb stellt sich die Frage, ob eingeführte Pflanzen als Nahrungsgrundlage und Substrat gleich gut nutzbar sind wie einheimische Herkünfte, zumal aus dem biologischen Pflanzenschutz einige Beispiele bekannt sind, wo die Kompatibilität zwischen Wirt und Konsument eine grosse Rolle spielt. Zur Abklärung solcher Fragestellungen wurden Schnecken als Modellherbivoren ausgesucht, da sie ausgeprägte Vorlieben für bestimmte Nahrungspflanzen zeigen. Wichtige Faktoren für den Schutz vor Schneckenfrass scheinen von den Pflanzen produzierte Sekundärstoffe wie Phenole oder cyanogene Glukoside zu sein. In unseren Frassexperimenten erhielten wir bei den vier den Schnecken angebotenen Pflanzenarten ähnliche herkunftsspezifische Frassintensitäten. Die schweizerischen und englischen Pflanzen wurden deutlich weniger gern gefressen als die deutschen und vor allem die ungarischen. Einzelheiten zu dieser Studie sind in KELLER et al. (1999) zu finden.

6.4.2 Methoden

Schnecken

Jungpflanzen von Wegwarte (Cichorium intybus), Möhre (Daucus carota), Margerite (Leucanthemum vulgare) und Weisser Waldnelke (Silene alba) wurden in Schalen gepflanzt, wobei die verschiedenen Herkünfte in lateinischen Quadraten angeordnet waren. Von jeder Art wurden im Laufe des Sommers 1997 drei bis fünf solche Schalen pro Schneckenart und Pflanzenart getestet. Für die Versuche mit der Genetzten Ackerschnecke (Deroceras reticulatum) wurde im Gewächshaus ein Zelt mit Vorhangstoff um die Schalen errichtet, während den grösseren Spanischen Wegschnecken (Arlon lusitanicus) die Schalen in einem Gebüsch des Versuchsgartens in Zürich-Höngg hingestellt wurden, wo diese Schnecken besonders zahlreich waren. Sobald einige der Pflanzen starke Schäden aufwiesen, wurde der BiomasSeverlust in 10%-Stufen geschätzt. Für die Datenanalyse über alle Arten mussten Schätzwerte für die einheimischen wilden Wegwarten (Cichorium intybus) eingesetzt werden, weil für diese Art kein Material für die Versuche zur Verfügung stand. Da aus der Literatur bekannt ist, dass die Frostintensität im Winter und die Trockenheit im Sommer Schneckenpopulationen limitieren können, wurden entsprechende Klimadaten herbeigezogen, um die herkunftsspezifischen Resultate zu erklären. Als Mass für die Trockenheit wurde die Wasserbilanz als Differenz zwischen Niederschlagsmenge und potentieller Evaporation berechnet.

Andere Schadorganismen

In einem weiteren Versuch zu unterschiedlicher Resistenz gegen andere Schadorganismen wurden im Mai 1997 junge Rosetten von Margeriten (Leucanthemum vulgare) und Waldnelken (Silene alba) in lateinischen Quadraten mit je drei Wiederholungen (je 1.5 m x 1.5 m) auf einer Versuchsfläche in Zürich-Höngg gepflanzt. Danach wurden die Schäden an den Margeriten durch den Blattminierer Phytomyza leucanthemi (Diptera) und der Befall der Weissen Waldnelken durch den Rostpilz Puccinia behenis aufgezeichnet. Die Befallsdaten wurden bei Margerite als Prozentsatz Pflanzen mit minierten Blättern und beim Rostbefall der Weissen Waldnelke in drei Schadensstufen aufgenommen. Es interessierte in erster Linie, ob die Herkünfte unterschiedlich stark befallen wurden, ob der Befall mit den Schneckendaten korreliert war und ob ein bestimmtes geographisches Muster auftrat.

6.4.3 Ergebnisse

Schnecken

Die herkunftsspezifischen Schadensintensitäten ergaben ein relativ einheitliches Bild für beide Schneckenarten und die 4 Pflanzenarten. Die einheimischen Pflanzen aus FENACO- und Wildsaatgut sowie die englischen Pflanzen wurden weniger gefressen als diejenigen aus Deutschland und Ungarn. Letztere wurden zusammen mit den Waldnelken-Jungrosetten aus Bayern offenbar bevorzugt (Figur 34).

0.6 (b)

Schneckenfrass (±SE)

—X— Cichorium

—0— Daucus

—*—Leucanthemum

—0— Silene

GB CH CH* D H GB CH CH* D

Figur 34: Experimenteller Schneckenfrass als prozentuale Blattverluste. Die Werte sind least square means (Abgleichung aller Faktoren der Varianzanalyse). a) Herkunftsspezifischer Schneckenfrass für die 4 Pflanzenarten und beide Schneckenarten zusammen; b) Interaktions-Grafik (ART*HERKUNFT) mit den Werten der einzelnen Pflanzenarten. Für Herkünfte siehe Kapitel 6.2.2.

Diese Resultate erinnern an die Entdeckung durch DADAY (1954), dass bei Weissklee (Trifolium repens) die Frequenzen für die beiden Gene, die die Cyanidproduktion bestimmen, von 100% in atlantischen und mediterranen Populationen auf 0% in skandinavischen und osteuropäischen Populationen mit einer relativ scharfen Grenze durch Deutschland abnehmen. JONES (1972) entdeckte später, dass cyanogene Pflanzen von Hornklee (Lotus comiculatus) von den meisten Schneckenarten weniger gern gefressen werden als acyanogene. Er mutmasste, dass im kontinentalen Europa Schnecken wegen der Spätfröste erst später im Frühling auftreten und die Pflanzen dann die kritische Keimlingsphase schon durchlaufen haben. Wir nehmen zusätzlich an, dass Schnecken in kontinentalen Gebieten geringere Populationsdichten haben und dadurch weniger grossen Einfluss auf Pflanzen ausüben. Untersuchungen über den Einfluss klimatischer Faktoren auf Schnecken zeigen, dass Trockenheit im Frühling oder Spätsommer sowie Winterkälte die Populationsdichte reduzieren (SouTH 1992). Dabei spielt für die Frassschäden an Pflanzen nicht nur die Häufigkeit der Schnecken, sondern auch deren Aktivität eine wichtige Rolle. Diese steht wiederum in Beziehung mit der Bodenfeuchtigkeit (YOUNG et at. 1993). Falls diese vermutete Beziehung zwischen Klima, Schneckendichte und Frassschutz der Pflanzen besteht, war der geringe Frass an englischen Pflanzen eine indirekte Folge der dort milderen Winter, während die vergleichbar tiefen Schadenswerte an den Schweizer Pflanzen mit der geringen Tendenz zu Trockenperioden im Sommer zusammenhängen. Zürich hatte als einzige Messstation keinen Monat mit negativer Wasserbilanz. Unsere Daten zeigen, dass die klimatischen Faktoren „Wintertemperatur" und „Wasserbilanz in der Vegetationsperiode" gleich gut mit dem Grad der Resistenz gegen Schneckenfrass korrelieren (aber untereinander nicht, Tabelle 16), so dass wohl beide einen ähnlichen Einfluss auf die Schneckendichte ausüben.

Tabelle 16: Korrelationsmatrix mit der Variablen "Schadensintensität der Populationen" und drei klimati-schen Variablen gemäss Populationsherkunft.

Mittl. Tägl. Tiefsttemperatur Januar

Wasserbilanz Frühling (März-Mai)

-0.50***

-0.47** 0.09I1S

Andere Schadorganismen

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Die Befallsintensitäten der zwei anderen Schadorganismen Phytomyza leucanthemi und Puccinia behenis waren ebenfalls abhängig von der Herkunft, jedoch mit unterschiedlichen Mustern. Die Minierfliege auf Margerite (Leucanthemum vulgare) befiel die beiden Typen aus England und der Schweiz am stärksten, welche sich als besonders resistent gegen Schneckenfrass erwiesen hatten. Die ungarischen Pflanzen wurden dagegen nur halb so oft befallen (Figur 35a). Solch unterschiedliche Muster könnten auf eine zwischen verschiedenen Resistenzen schon mehrfach beobachtete Trade off-Situation hinweisen. Eine bestimmte Anpassung, wie hier der Frassschutz, führt dabei zu Einbussen in einem anderen Bereich, zum Beispiel zu verminderter Widerstandsfähigkeit gegen andere biotische oder abiotische Faktoren. Der Pilzbefall auf Waldnelke (Silene albs) hingegen war am geringsten beim einheimischen Wildtyp und nahm mit grösserer Entfernung der Herkunftsorte zu • (Figur 35b). Dieses Muster weist auf spezifische Resistenz gegen lokale Pathogen-Stämme hin, die mit zunehmender genetischer Distanz der Wirtspflanze zu den lokalen Pflanzenherkünften sinkt.

a) Silene b)

Anteil minierter Pflanzen und Attaktivität für Schnecken - • Arlon

-Deroceras (Phytomyza

Pilzbefall-lntensität und Attraktivität für Schnecken

HF 0.5 -

Figur 35: Pathogen-Befall der Herkünfte im Vergleich mit den Werten aus dem Schnecken-Bioassay (Figur 34a). a) Puccinia behenis auf Silene alba, Befallsintensität normiert auf 1 = stärkster Befall. b) Phytomyza leucanthemi auf Leucanthemum vulgare, % Individuen mit nninierten Blättern (Mittelwerte ± Standardabweichung).

Auch wenn die Unterschiede in der Resistenz gegen Schneckenfrass bei Verwendung von fremdem Saatgut weder für die Buntbrache noch für die Schnecken ernsthafte Auswirkungen mit sich brächten, zeigt dieses Beispiel, dass schon zwischen Pflanzen mit mässigen Herkunftsdistanzen solche Unterschiede vorhanden sind. Für spezialisierte Konsumenten mit einer engen Bindung zur Wirtspflanze können jedoch physiologische oder auch phänologische Unterschiede von grösserer Bedeutung sein, sei es durch stärkere oder durch verminderte Resistenz der Pflanze.