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1. Einleitung

2.2 Patienten:

2.2.11 Igel

Der Igel ist das am häufigsten in der Tierarztpraxis vorgestellte geschützte einheimische Wildtier (SCHICHT- TINBERGEN 1995) und darf daher grundsätzlich nicht als Heimtier gehalten werden, außer wenn er krank und hilflos ist (GABRISCH u. ZWART 1998). Das steigende Interesse der Bevölkerung an Igeln drückt sich auch in einer immer häufigeren Vorstellung als Patienten in der Praxis aus (SCHOON, FEHR u. SCHOON 1992, SCHICHT-TINBERGEN 1995).

In Westeuropa ist der Braunbrustigel (Erinaceus europaeus) heimisch, der in den meisten europäischen Ländern ganzjährig unter Schutz steht (BEYNON u. COOPER 1997,

GABRISCH u. ZWART 1998). In der Praxis fällt dem Tierarzt insbesondere die Aufgabe zu, die Finder hinsichtlich Biologie, Ernährung, Plege und Unterbringung der Igel zu beraten. In der Regel sind sie zwar durchaus guten Willens, die Igel auf ein Leben in Freiheit

vorzubereiten, besitzen aber nur sehr wenig bis gar kein Wissen über die besonderen Ansprüche der Igel, so daß die Pflege ohne entsprechende Anleitung nicht erfolgreich sein wird, sondern eventuell sogar ernsthafte Krankheiten verursachen kann.

SCHICHT- TINBERGEN erwähnt 1995 eine eigene Statistik über die Vorstellung von Igeln in ihrer Praxis. Danach werden ihr von September 1982 bis Mai 1983 132 pflegebedürftige Igel jeweils durchschnittlich dreimal je Patient vorgestellt. Davon konnten im April / Mai 106 Tiere wieder ausgesetzt werden. Im Zeitraum von August 1988 bis Mai 1989 wurden bereits 216 Igel jeweils durchschnittlich zweimal vorgestellt. Von den ausgewerteten 187 Tieren wurden 141 im Frühjahr wieder ausgesetzt. Viele Igel wurden erst nach längerer, vergeblicher und leider oft auch falscher Pflege in der Praxis vorgestellt, so daß sie nicht mehr zu retten waren.

Folgende Gründe für eine Vorstellung der Igel in der tierärztlichen Praxis werden bei

SCHICHT- TINBERGEN 1995 (in der Reihenfolge der Häufigkeiten) aufgeführt: Prophylaxe (Beratung, Untersuchung, Vitamininjektion ...), Inappetenz, Schwäche, Körpermasseverlust, Endoparasiten, Ektoparasiten, Erkrankungen der Atmungsorgane, Vitamininjektion vor dem Aussezten, bakterielle Erkrankungen, Enteriris, Krallen kürzen, Lahmheiten, Ekzeme

(besonders im Kopfbereich), zentralnervöse Störungen, Wunden, Nachhandschwäche, Konjunktivitis, starker Stachelausfall, Zahnstein, Gingivitis, Zungennekrose, Hämatom, Hundebiß, Stacheldrahtverletzung und Verletzungen durch einen z.T. eingewachsenen Gummiring (SCHICHT-TINBERGEN 1995).

Einige physiologische Besonderheiten des Igels sind sicher wissenswert: Igel müssen ein Körpergewicht von mindestens 500 bis 600 g aufweisen, um den Winterschlaf im Freien gut zu überstehen (RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT-TINBERGEN 1995). Dem Winterschlaf geht etwa im Oktober / November ein ca. vierwöchiges Lethargiestadium voraus. Das Nest für den Winterschlaf wird aus Moos, Laub, Heu und kleinen Zweigen gebildet, die den eingerollt schlafenden Igel fest anliegend und fast filzartig umschließen. Dadurch isoliert das Nest gegen Kälte und Wärme und weist Regen und Schmelzwasser ab. Der Winterschlaf dauert von November / Dezember bis März / April (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Für einen normalen Winterschlaf ist neben der entsprechenden Umgebungstemperatur unter 10 °C (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998) auch wichtig, daß Brunst und Säuglingspflege abgeschlossen und ausreichende Fettreserven

angefressen sind. Dieses als Energievorrat notwendige braune Fett befindet sich in der Schulterregion. Während des Winterschlafs sind alle Stoffwechselvorgänge sowie Atmungs-und Herzfrequenz drastisch reduziert. Die Reaktion auf Reize Atmungs-und die Thermoregulation sind erheblich herabgesetzt (SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998).

Dadurch sinkt die Körpertemperatur auf ca. 6 °C (BEYNON u. COOPER 1997). Während des Winterschlafs bilden sich die Geschlechtsorgane durch hormonelle Unterfunktion zurück, und die Igel verlieren ca. 15 bis 30 % ihres Körpergewichtes. Daher können Igel bei schlechtem Nahrungsangebot nach dem Winterschlaf im April und Mai an Entkräftung sterben

(SCHICHT-TINBERGEN 1995).

Nach dem Winterschlaf und einer kurzen Erhohlungsphase setzt die Paarungsbereitschaft der Igel im April ein und dauert bis September (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u.

COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998). Außerhalb der Paarungszeit leben die nachtaktiven Igel als Einzelgänger (BEYNON u. COOPER 1997). Die Paarung beginnt mit dem sogenannten „Igelkarussel“, bei dem das Männchen das Weibchen manchmal stundenlang umkreist.

Die Trächtigkeitsdauer beträgt 32 bis 36 Tage, nach denen ein- bis zweimal pro Jahr

durchschnittlich 2 bis 6 Junge (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998), im Extremfall bis zu 9 Junge, mit einem Körpergewicht von 15 bis 30 g geboren werden (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Diese öffnen mit 12 bis 18 Tagen die Augen und verlassen dann auch schon gelegentlich das Nest (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997). Die Jungen werden ca. 40 bis 45 Tage gesäugt ( RIESO-CARLSON 1990, SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998), und ab der 4. Woche beginnt schon die selbständige Nahrungssuche

(RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT-TINBERGEN 1995). Während der gesamten

Säugeperiode werden mit der Milch maternale Antikörper auf die Jungigel übertragen (RIESO-CARLSON 1990, BEYNON u. COOPER 1997), und mit ca. 6 Wochen wiegen die Igel etwa 230 g (BEYNON u. COOPER 1997). Die meisten Igel- Würfe werden in unseren Regionen im August geboren (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Eine Geschlechtsdifferenzierung ist schon bei neugeborenen Igeln möglich, da beim Männchen das etwa erbsengroße, knopfartige

Präputium in der Bauchmitte liegt, während die Geschlechtsöffnung des Weibchens unmittelbar vor dem After zu finden ist (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998). Die Geschlechtsreife tritt bei freilebenden Igeln mit 8 bis 10 Monaten (GABRISCH u. ZWART 1998) nach dem ersten Winterschlaf, in Gefangenschaft z.T. schon mit 5 Monaten ein (SCHICHT-TINBERGEN 1995).

Die erwachsenen Igel wiegen 700 bis 1400 g (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u.

COOPER 1997) und weisen eine Atemfrequenz von 20 bis 50 Atemzügen und eine Herzfrequenz von 170 bis 200 Schlägen pro Minute auf (SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998). Die Körpertemperatur beträgt bei erwachsenen Igel 34 bis 37

°C. Igel erreichen in der freien Natur eine Lebenserwartung von 3 bis 5 Jahren (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998). In

Gefangenschaft beträgt die Lebenserwartung 5 bis 7 (SCHICHT-TINBERGEN 1995) bzw. bis zu 10 Jahre (BEYNON u. COOPER 1997). Beim lebenden Igel kann man das Alter ungefähr an den Zähnen abschätzen. Beim toten Igel kann man das Alter anhand von Wachstumslinien in den Kieferknochen sicher bestimmen (SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u.

ZWART 1998). Offensichtlichere Alterserscheinungen beim alternden Igel sind Stachelverlust, Taubheit, Gebißschäden, Ergrauen und Verschwinden der Gesichtshaare, Abnahme des

Körpergewichtes und verkürzte nächtliche Aktivitätsphasen.

Eine Besonderheit des Igels ist das Stachelkleid, das zur Verteidigung gegen eventuelle Feinde aber auch zur Isolation gegen Witterungseinflüsse dient. Auch eine mögliche Pufferwirkung z.B. bei Stürzen wird erwähnt (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Bei den Neugeborenen besteht ein Stachelkleid als Juvenilkleid 1. Kategorie. Diese Stacheln sind während der Geburt in der aufgequollenen Rückenhaut eingelagert, so daß der Geburtsweg der Igelin nicht verletzt wird. Kurz nach der Geburt bis zum 4. oder 5. Tag ist das Juvenilkleid 2. Kategorie sichtbar (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997). Das Jugendkleid zeigt sich schon zwei bis drei Tage bis Wochen nach der Geburt, und das Erwachsenenkleid besteht aus 8100 ± 800 Stacheln und wird über mehrere Jahre hinweg gebildet. Die Anzahl der

Erwachsenenstacheln nimmt ständig zu, besonders stark zwischen dem 2. Monat und dem 2.

Lebensjahr. Nach Verletzungen o.ä. wachsen die Stacheln im Narbenbereich nur noch spärlich oder gar nicht mehr, so daß Probleme in der Feindabwehr und eventuell aufgrund des

Narbenzuges auch Einrollprobleme auftreten können. Aus diesen Gründen sollten Igel mit großflächigen Narben lieber nicht wieder ausgesetzt werden (SCHICHT-TINBERGEN 1995).

Der Einrollmechanismus, der zusammen mit dem Stachelkleid die einzige

Verteidigungsmaßnahme bildet, ist eine weitere Besonderheit des Igels (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998). Das Einrollen wird durch das Zusammenspiel mehrerer Muskeln eingeleitet und durch Kontraktion dieses Ringmuskels abgeschlossen.

Igel können zwar verschiedene Farben unterscheiden und weit sehen, doch für die

Nahrungssuche ist das Sehen nicht so wichtig (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Dafür hat der Igel ein scharfes Gehör in einem Hörbereich zwischen 250 und 60000 Hz, das im

Ultraschallbereich besonders sensibel ist. Daran sollte man auch hinsichtlich der

Geräuschkulisse in der Tierarztpraxis denken (SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u.

ZWART 1998). Ebenfalls sehr empfindlich ist der Tastsinn des Igels. Durch für den Igel angenehmes Streicheln über die Rückenhaare kann man ihn am besten zum Ausrollen bringen.

Der Geschmack des Igels ist verschieden. Bittere, salzige oder saure Komponenten werden jedoch grundsätzlich verschmäht, was die orale Applikation von Medikamenten sehr erschwert.

Süße Speisen wie Honig und Traubenzucker werden dagegen gerne gefressen (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Der Geruchssinn ist sehr wichtig (SCHICHT-(SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998), nicht nur für die Nahrungssuche, sondern auch für die Partnersuche während der Brunst und zur Warnung vor Feinden (SCHICHT-TINBERGEN 1995).

Als weiteres Sinnesorgan liegt im Gaumendach das Jacobsonsche Organ, das mit dem eigentümlichen Sicheinspeicheln in Verbidung steht (SCHICHT-TINBERGEN 1995,

GABRISCH u. ZWART 1998). Dieses manchmal fälschlicherweise für ein Tollwutsymptom gehaltene Verhalten dient der intensiven Reizaufnahme (RIESO- CARLSON 1990,

SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998). Ebenfalls gelegentlich für ein Tollwutsymptom gehalten wird der sogenannte Kontaktbiß, der ein Teil des Beute- bzw.

Abwehrverhaltens ist (RIESO- CARLSON 1990, GABRISCH u. ZWART 1998).

Igelhaltung:

Ein Igel in Gefangenschaft braucht auf jeden Fall ein oben geschlossenes Schlafkistchen mit Schlupfloch, das von unten mit Zeitungen isoliert und mit reichlich Lappen zum Verkriechen ausgestattet ist. Styropor- oder Blechunterlagen sind ungeeignet. Junge bzw. geschwächte Tiere muß man bei einer Raumtemperatur von 18 bis 22 °C und / oder mit einer Wärmequelle halten. Die Temperatur am Boden sollte auch bei gesunden Igeln immer mindestens 16 °C betragen. Das Gehege sollte bei möglichst häufigem Freilauf mindestens 2 m2 groß sein (SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998) und eine mindestens 40 cm hohe, senkrechte Begrenzung haben, da Igel gut klettern können.

Wenn man den Igel im Winterschlaf halten möchte, braucht man eine gut isolierte Schlafkiste, die ausreichend vor Schnee, Regen und Wind schützt. Diese wird mit reichlich Blättern, Heu, Moos usw. ausgestattet (SCHICHT-TINBERGEN 1995) und an einen unter 5 °C kalten Standort, wie Balkon oder Schuppen gestellt. Im Optimalfall verwendet man eine zweigeteilte Kiste, in deren „Vorraum“ man länger haltbare Futtermittel und Trinkwasser lagern kann (RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998).

Bei schwankenden Temperaturen zwischen 8 und 16 °C entsteht ein kräftezehrender Zustand zwischen Schlaf und Wachsein, in dem aber kein Futter aufgenommen wird (GABRISCH u.

ZWART 1998). Wenn der Igel im Frühjahr nicht rechtzeitig wach wird, kann er zum

Aufwachen in einen wärmeren Raum gebracht werden (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Der Winterschlaf ist für Igel in Gefangenschaft auch zu empfehlen, wenn sie erst später, z.B. im Dezember, schlafbereit sind. Bei Zimmertemperaturen von ca. 20 °C können Igel zwar auch ohne Winterschlaf überwintern, zeigen dann aber im April oft Verhaltensstörungen (RIESO-CARLSON 1990). Da Igel Einzelgänger sind, sollten sie mit Ausnahme von Jungtieren auch einzeln gehalten werden (GABRISCH u. ZWART 1998).

Igelernährung:

Auch über die Ernährung des Igels kursieren noch viele unrichtige Angaben (SCHICHT-TINBERGEN 1995). So ist der Igel, der einen einhöhligen Magen und keinen Blinddarm besitzt (BEYNON u. COOPER 1997), zwar ein Insektenfresser, zusätzlich nimmt er in der Natur aber auch Schnecken, Regenwürmer, Frösche, Eidechsen, Schlangen, nestjunge Säugetiere und Vögel, Obst, besonders Beeren, Nüsse, Fisch, tierisches Aas und Eier von Bodenbrütern zu sich (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998).

Daher sollte auch in Gefangenschaft das Nahrungsangebot möglichst vielseitig sein: Hunde-und Katzenfertigfutter, süßes, weiches Obst, geschälte Nüsse, gekochte Karotten, gekochte Eier, Rührei, Hackfleisch, kleingeschnittenes, nicht zu fettes, rohes Fleisch von Rind, Schwein und Pferd (wird manchmal auch gekocht gefressen), roher und gekochter Fisch, Schnittkäse und Quark. Zusätzliche harte Kost wie Knochen zum Abknabbern beugt Zahnstein vor, und eine regelmäßige Zugabe von Pflanzenöl zum Futter führt zu einem ausreichenden Fettgehalt der Ration. Bei wachsenden Igeln sind zusätzlich noch Mineralstoff- und Vitamingaben notwendig (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Generell benötigen Igel eine Eiweiß- und energiereiche Nahrung (GABRISCH u. ZWART 1998).

Besonders vor einem geplanten Wiederaussetzen sollten auch lebendige Futtertiere wie Mehlwürmer angeboten werden, wobei Futtertiere aus freier Wildbahn oft Parasiten enthalten (SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998). Igel sollten in

Gefangenschaft nicht überfüttert werden und ein Körpergewicht von 800 bis 900 g nicht überschreiten (GABRISCH u. ZWART 1998). Die üblichen Angaben über die benötigte Futtermenge sind meist zu gering. Der Igel soll sich satt essen können. Ab einem

Körpergewicht über 1000 g kann die angebotene Nahrung reduziert werden. Auch nach dem Wiederaussetzen ist es sinnvoll, den Igel noch einige Zeit zu füttern (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Mit dem Aussetzen in ein geeignetes Revier sollte im Frühjahr nicht zu lange gewartet werden (RIESO- CARLSON 1990).

Zum Trinken sollte stets frisches Wasser bereitstehen, während Milch unter Umständen letale Durchfälle verursachen kann (SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998).

Bei gefundenen Igelsäuglingen darf man ab einem Gewicht von 80 g bei erfahrenen Pflegern auf Überlebenschancen hoffen (RIESO- CARLSON 1990). Wegen der fehlenden

olfaktorischen Reize darf man bei Nesthockern wie Igeln meist keine selbständige Futteraufnahme erwarten (VERVUERT 1999). Für die Fütterung eines gefundenen Igelsäuglings ist zu beachten, daß normale Kuhmilch ungeeignet ist. Hundemilch ist der Igelmilch einigermaßen ähnlich, so daß Welpenersatzmilch, verdünnt mit ungesüßtem

Fencheltee, und mit einigen Tropfen Planzenöl, einer Messerspitze Mineralstoffmischung und einigen Tropfen Vitamin B- Komplex versetzt, gut für die Igelaufzucht eingesetzt werden kann (SCHICHT- TINBERGEN 1995). Dagegen wird an anderer Stelle dargestellt, daß wegen der Lactoseintoleranz des Igels ausschließlich Katzenmilchersatz vermischt mit 1/3 Boviserin oder Humana- Heilnahrung geeignet ist (RIESO- CARLSON 1990). Igelmilch besteht aus 79 % Wasser, 10 % Fett, 7 % Protein, 2 % Kohlenhydraten und 2 % Asche. Daher kann man auch eine Mischung aus Schlagsahne und Fencheltee mit einer Prise Schlämmkreide verfüttern (GABRISCH u. ZWART 1998). Bei der Fütterung müssen sich die Igelbabies in Rückenlage befinden, nach jeder Mahlzeit müssen Bauch- und Afterregion massiert und die Exkremente abgetupft werden (RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT- TINBERGEN 1995). Wegen des damit verbundenen Zeitaufwandes ist es also sinnvoll die kleinen Igel möglichst bald an selbständige Nahrungsaufnahme zu gewöhnen (SCHICHT- TINBERGEN 1995). Dazu dient das Einmischen dünnflüssigen Kindernährbreis, später mit Bananen und anderer zerkleinerter Nahrung (GABRISCH u. ZWART 1998). Nach anfänglich guten Fortschritten mit Zunahmen von ca. 50 g pro Woche treten Probleme meist nach ein bis zwei Wochen auf (RIESO-CARLSON 1990). Entsprechend dem Tagesrhythmus der Igel sollten ältere Igel möglichst abends gefüttert werden (GABRISCH u. ZWART 1998).

Interessant ist auch die Resistenz des Igels gegen bestimmte Gifte (SCHOON, FEHR u.

SCHOON 1992, SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998), die vermutlich pränatal von der Mutter auf die Jungen übertragen wird (GABRISCH u. ZWART 1998). Recht empfindlich dagegen soll der Igel auf Schneckengifte, sofern er sie überhaupt aufnimmt, oder auf in Futterkerbtieren angereicherte Insektizide reagieren (SCHICHT-TINBERGEN 1995). Es gibt aber auch andere Untersuchungen, aus denen geschlossen wird, daß Schneckengift Igel nicht vergiften könnte. Dagegen wird die Möglichkeit einer Vergiftung

mit Phosphorsäureestern, chlorierten Kohlenwasserstoffen, Metaldehyd und Alkohol betont (SCHOON, FEHR u. SCHOON 1992).

Bei der klinischen Untersuchung des Igels ist auf eine akustisch ruhige Umgebung zu achten, da es dann einfacher ist, ihn durch Streicheln über den Rücken zum Ausrollen zu bewegen (SCHICHT- TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998). Als weitere Methode zum Ausrollen des Igels empfehlen BEYNON u. COOPER (1997), den Igel mit dem Kopf nach unten über eine flache Oberfläche zu halten, die er dann meist mit den Vorderfüßen zu erreichen versucht. Dann kann man die Hinterbeine vorsichtig anheben und das Tier in dieser „Schubkarrenhaltung“ in Ruhe untersuchen. Eine gründliche Untersuchung bei verletzten Tieren ist meistens nur in Sedierung erfolgreich. Regelmäßig durchgeführt werden parasitologische und bakteriologische Kotuntersuchungen und Hautgeschabsel. Darüberhinaus können auch Röntgenuntersuchungen, Sektionen, histopathologische Untersuchungen und hämatologische Untersuchungen vorgenommen werden (SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998).

Besondere Bedeutung kommt dem Vorbericht (SCHICHT- TINBERGEN 1995, BEYNON u.

COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998) mit Fragen nach Ernährung, Art der

Unterbringung, Auslaufmöglichkeiten und Raumtemperatur zu. Medikamente können oral oder per injectionem bzw. bei Ektoparasiten oder einigen Verletzungen auch lokal verabreicht werden, und chirurgische Eingriffe sind nur in wenigen Fällen indiziert (SCHICHT-TINBERGEN 1995).

Als mögliche Krankheiten beim Igel werden erwähnt:

1. Hautkrankheiten: Die häufigsten tierärztlichen Bemühungen beim Igel sind Diagnostik und Therapie von Ektoparasitosen (SCHOON, FEHR u. SCHOON 1992,

SCHICHT-TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998). Besonders häufig werden verschiedene Flöhe, aber auch Zecken und Hautmyiasis beobachtet (FEHR 1990a, RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT- TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u.

ZWART 1998). Milben konnte SCHICHT- TINBERGEN (!995) bei ihren Patienten nicht diagnostizieren, nennt aber in der Literatur erwähnten Befall mit verschiedenen Arten.

Wunden kommen oft als Schnitt-, Stich-, Biß- oder Brandwunden vor, gelegentlich auch durch Fremdkörper wie einen festgeschnürten Gummi o.ä. ( RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998). Weitere mögliche Erkrankungen sind Ekzeme (SCHICHT- TINBERGEN 1995), Stachelverlust, Krallenschäden (SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998) und Dermatomykosen, die auch als Zoonose eine Rolle spielen (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998). Eine natürliche Infektion des Igels mit der Maul- und Klauenseuche wurde ebenfalls beobachtet (SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998).

2. Herz- und Kreislauferkrankungen werden z.B. als Cor pulmonale bei Pneumonien erwähnt. Dieses entsteht durch Herzdilatation bei einem Lungenemphysem (RIESO-CARLSON 1990)

3. Erkrankungen der Atmungsorgane treten in Form von Pneumonien, Endoparasitosen, besonders durch Lungenwürmer (RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998) und Pleuropneumonien, verursacht durch eine Pasteurellose, auf (SCHICHT- TINBERGEN 1995).

4. Als Erkrankungen der Verdauungsorgane werden Krankheiten der Mundhöhle als Gingivitiden, Zahnstein und Verletzungen durch Fremdkörper (RIESO- CARLSON 1990 ,SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998), Soor und

Plattenepithelkarzinome erwähnt (GABRISCH u. ZWART 1998).

Sehr oft werden auch Endoparasitosen wie Coccidiosen, Infektionen mit Trematoden, Bandwürmern oder mit Lungen- und Darm- Nematoden festgestellt (RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998). Bei den

Darmerkrankungen stehen Enteritiden verschiedener Ursachen im Vordergrund (SCHICHT-TINBERGEN 1995, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998).

Bakterielle Infektionen, besonders mit Escherichia coli, Salmonellen und Leptospiren sowie Proteus sind beim Igel häufig (RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998). Infektionen mit E. coli haben eine erhebliche Bedeutung als Todesursache durch Koliseptikämie (SCHICHT- TINBERGEN 1995). Auch die Salmonellose in ihrer klinisch manifesten Form (Enteritis und Septikämie) spielt eine wichtige Rolle, zumal sie als Zoonose auch für den Menschen bedeutsam ist. Bei gemeinsam mit an Panleukopenie erkrankten Katzen gehaltenen Igeln kam es zu einem Ausbruch von Parvovirose. Als

Erkrankungen der Leber treten Entzündungen oder degenerative Veränderungen auf (SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998).

5. Erkrankungen der Harnorgane: Beim Igel recht oft zu finden sind Nephritiden,

Leptospirose, die als Zoonose für andere Haustiere und den Menschen gefährlich ist, seltener Cystitis und Urolithiasis (SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998).

6. Erkrankungen der Geschlechtsorgane: Gelegentlich kann bei Igeln eine Pyometra beobachtet werden (SCHICHT- TINBERGEN 1995).

7. Erkrankungen der Sinnesorgane und des Zentralnervensystems: Am Auge sind besonders Erkrankungen der Adnexe und der Cornea wie Liderkrankungen, Conjunctivitiden, Corneaerkrankungen, Augapfelvorfall (SCHICHT- TINBERGEN 1995), Katarakte und Xerophthalmie zu beobachten.

Am Ohr kann man gelegentlich eine Otitis externa feststellen (GABRISCH u. ZWART 1998).

Der physiologische Vorgang des Selbstbespeichelns führt manchmal zum Verdacht der

Tollwut, die beim Igel aber eine untergeordnete Rolle spielt (SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998).

8. Als weitere Erkrankungen: kommen bei Igeln gelegentlich Mißbildungen wie Wirbelsäulendeformationen CARLSON 1990) und selten Tumoren (RIESO-CARLSON 1990, SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998) vor (SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998). Recht oft kommt es durch Unkenntnis bezüglich der Bedürfnisse des Igels zu Mangelerscheinungen, besonders

Hypovitaminosen (RIESO- CARLSON 1990, SCHICHT- TINBERGEN 1995, BEYNON u.

COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998), aber auch Mineralstoffmangel oder Mangel

an essentiellen Fettsäuren (SCHICHT- TINBERGEN 1995). Vergiftungen mit Cumarin, Phosphorsäureestern und chlorierten Kohlenwasserstoffen und Metaldehyd werden

gelegentlich beobachtet (RIESO- CARLSON 1990, SCHOON, FEHR u. SCHOON 1992, BEYNON u. COOPER 1997, GABRISCH u. ZWART 1998). Auch eine perakute, letale Alkoholvergiftung nach excessiver Eierliköraufnahme wird beschrieben (SCHOON, FEHR u.

SCHOON 1992). Lähmungssymptome, die besonders im Februar / März beobachtet werden, sind oft die Folge von Fehlern bei der Aufzucht (SCHICHT- TINBERGEN 1995, GABRISCH u. ZWART 1998). Ein häufiges Problem der Jungigel ist Unterkühlung (RIESO- CARLSON 1990). Weitere Erkrankungen beim Igel sind Traumata diverser Ursachen

(RIESO-CARLSON 1990, FEHR 1994, BEYNON u. COOPER 1997), Tollwut, Aujeszkyscher Krankheit, Newcastle Disease (GABRISCH u. ZWART 1998) und Hernien (BEYNON u.

COOPER 1997).