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Historisches Denken, historisches Lernen und historische Kompetenzen in Museum und historische Kompetenzen in Museum und

Historische Museen und Ausstellungen und deren Besuchende

3.3 Historisches Denken, historisches Lernen und historische Kompetenzen in Museum und historische Kompetenzen in Museum und

Ausstellung

In den vorangegangenen Abschnitten wurde deutlich, dass Ausstellungsbesuche ausgesprochen komplexe und herausforderungsreiche Prozesse sind – einerseits durch die Vielschichtigkeit der Manifestation selbst, andererseits durch ebensolche Vielschichtigkeit der darin ablaufenden Aneignungsprozesse, die einerseits durch die räumliche Struktur der Ausstellung und ihrer Elemente, aber auch durch in-dividuelle Bedingungsfaktoren aufseiten der Besuchenden geprägt werden kön-nen. Als Herausforderungen für Besuchende bzw. hier konkret Schülerinnen und Schüler identifiziert Olaf Hartung insbesondere den Umgang mit Objekten, in dem er eine Reihe von Schwierigkeiten und Fallstricken sieht, denn: «Das Betrach-ten authentischer Originale allein garantiert weder historisches Lernen noch die Ausbildung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins.»445 Dinge könnten Fragen evozieren, ebenso gut aber auch schweigen und eine Kontextualisierung notwen-dig machen.446 Deshalb warnt Hartung vor einem «substantialistischen Dingbe-griff» und der damit verbundenen Hoffnung, «über die Dinge einen Direktan-schluss zur Geschichte» zu erhalten, während er das Ziel von Museen vielmehr in

«der Aufklärung der Besucher über den Konstruktcharakter und die Deutungs-perspektiven sowie über die in einer Ausstellung verwendeten Methoden

histori-442 Alkemeyer/Brümmer 2016, S. 493.

443 Berg 2016, S. 710.

444 Heese 2014, S. 13.

445 Hartung 2009, S. 169.

446 Hartung 2009, S. 168.

scher Untersuchung und Erklärung» sieht, was umgekehrt nicht zwingend origi-nale Objekte erfordere.447

Ausgehend von solchen und anderen Überlegungen zum «Konstruktcharak-ter»448 von historischen Museen/Ausstellungen und zum manifestationsspezifischen Lernen ist im Rahmen der Kompetenzorientierung innerhalb der Geschichtsdidak-tik in den letzten Jahren verstärkt auch darüber nachgedacht worden, welche Kom-petenzen während eines Museums-/Ausstellungsbesuchs zum Einsatz kommen können.449 Es bietet sich an, dabei, ausgehend von Anregungen durch Bodo von Borries, Andreas Körber und Michael Sauer, idealtypisch zwei Bereiche von Kom-petenzen zu unterscheiden: zum einen solche, die während eines Museumsbesuchs erlernt werden können, zum anderen solche, die bereits vorgängig vorhanden sein sollten und für die Nutzung von Museen nützlich sein bzw. dort zur Anwendung kommen können.450

Es gehe, so Körber, vorrangig um Zweitere, nämlich gerade

«nicht nur um die Frage, was an und in Museen ‹historisch gelernt› werden kann und muss, und wie das geschehen kann. Zu fragen ist vielmehr gerade auch danach, welche Einsichten, Konzepte, Begriffe und Fähigkeiten Lernen-de für die Nutzung und ggf. Gestaltung von Museen, Ausstellungen etc. er-werben bzw. ausbauen müssen.»451

Die Autoren konstatieren, dass in Museen eher von bereits vorhandenen Kompe-tenzen ausgegangen werde, mehr als dass die KompeKompe-tenzentwicklung während des Besuchs möglich sei und zum zentralen Gegenstand der Museumsarbeit

er-447 Hartung 2009, S. 168 ff., direkte Zitate S. 168 u. S. 169.

448 Der Terminus findet sich neben Hartung (Hartung 2009, S. 169) zum Beispiel auch bei Sauer (Sauer 2009, S. 87), losgelöst von historischen Ausstellungen ausserdem bei Schrei-ber et al. (SchreiSchrei-ber et al. 2007, S. 26).

449 Zu nennen ist insbesondere der Sammelband «Historische Kompetenzen und Museen»

von Popp/Schönemann 2009, darin wiederum insbesondere die konzeptionell an Kom-petenzmodellen ausgerichteten Beiträge von Borries 2009, Gautschi 2009b, Hasberg 2009, Körber 2009, Popp 2009, Sauer 2009; ausserdem die Beiträge von Zabold/Schrei-ber 2004 und KörZabold/Schrei-ber 2010b mit 2010a.

450 Körber 2009, S. 62; Borries unterscheidet diese beiden Perspektiven anhand der histori-schen Methodenkompetenzen (Borries 2009, S. 116 f.). Michael Sauer differenziert allge-mein in Kompetenzen als «Ziel und Voraussetzung» (Sauer 2009, S. 81 f., direktes Zitat S. 81).

451 Körber 2009, S. 62, Kursivsetzung analog zum Original.

klärt werde oder werden solle452 – wohingegen dies etwa Stefanie Zabold und Waltraud Schreiber dezidiert einfordern.453

Eine alternative Differenzierung der in der Geschichtsdidaktik diskutierten Kompetenzen lässt sich dahingehend vornehmen, ob diese als spezifisch für den Bereich der Museums-/Ausstellungs- bzw. allgemein Geschichtskulturnutzung angesehen werden oder ob in anderen Zusammenhängen, etwa für den Ge-schichtsunterricht, entwickelte und relevante Kompetenzen auf den Umgang mit ausserschulischer Geschichtskultur übertragen werden. Gemeinsamer Nenner der vorgeschlagenen Kompetenzen in Bezug auf Museen und Ausstellungen ist, dass sie von einem narrativen Geschichtsverständnis454 ausgehen und folglich histori-sche Ausstellungen nicht als Abbild der Vergangenheit, sondern als Erzählung über Vergangenheit begreifen, die medienspezifischen Konstruktionsbedingun-gen folgt.455 Kompetenz beinhaltet in diesem Zusammenhang im weitesten Sinn das Umgehenkönnen mit dieser Manifestation und der von ihr erzählten Ge-schichte, nicht ein unreflektiertes Übernehmen der darin enthaltenen Aussagen über Vergangenes.

Die Perspektive der als Voraussetzung notwendigen und dabei zugleich spe-zifisch auf das geschichtskulturelle Feld bezogenen Kompetenzen nimmt Hans-Jürgen Pandel ein, indem er eine «Geschichtskulturelle Kompetenz» ausweist.456 Pandel geht davon aus, dass die Geschichtskultur nach grundlegend anderen Prin-zipien funktioniert als die Geschichtswissenschaft.457 Geschichtskultur ziehe «ih-ren Reiz ja gerade aus der Abweichung von historisch Triftigem»,458 es gehe ihr

«nicht um den erforschten bzw. erforschbaren historischen Gegenstand, sondern um die Präsentation».459 Der Geschichtsunterricht habe «zur Geschichtskultur

452 Borries 2009, S. 100, 117; Sauer 2009, S. 81 f.; Körber 2010b, S. 44. Ebenso wird diese Frage erörtert bei Hasberg 2009, S. 226 ff.

453 Die Autorinnen formulieren strengere Erwartungen an Museen: «Aus der Sicht von Ge-schichtstheoretikern und Geschichtsdidaktikern gehört zu einer gelungenen Ausstellung auch, dass sie Geschichte nicht als Abbild der Vergangenheit darstellt; dass sie zeigt, wie Geschichte entsteht, dass sie den Rezipienten zum Nachdenken anregt, ihn dazu befähigt, sich adäquat in der Geschichtskultur zu bewegen» (Zabold/Schreiber 2004, S. 215).

454 Hierzu allgemein in Bezug auf geschichtsdidaktische Kompetenzmodelle, unabhängig vom Museumsbereich: Schreiber 2009, S. 46.

455 Vgl. für theoretische Ausführungen zu diesem Geschichtsbegriff die Anmerkungen in Fuss-note 3.

456 Pandel 2005, S. 40 ff., direktes Zitat S. 40.

457 Pandel 2005, S. 128 ff., insb. S. 131 u. 135 ff.

458 Pandel 2005, S. 130.

459 Pandel 2005, S. 133.

noch nicht den richtigen Zugang gefunden», beziehe sich vorrangig auf «das von der Geschichtswissenschaft bereitgestellte Wissen» und nehme die Geschichtskul-tur in der Alltagswelt der Schülerinnen und Schüler nur unzureichend zur Kennt-nis.460

Um Nutzerinnen und Nutzern den reflektierten Umgang mit den vielfältigen Erscheinungen von Geschichtskultur in der Lebenswelt zu vermitteln, postuliert Pandel die Förderung von geschichtskultureller Kompetenz als wesentliche Auf-gabe des Geschichtsunterrichts.461 Er versteht darunter die

«Fähigkeit, sich in dem durch Geschichte geprägten Teil der Kultur zu bewe-gen, d. h. sich in der Vielzahl von kulturellen Situationen, Inszenierunbewe-gen, Tourismus, Verarbeitungen und auch Kommerzialisierungen bewusst – ge-schichtsbewusst – zu bewegen»,462

und nennt als Bestandteile geschichtskultureller Kompetenz:

«Faktualität, Fiktionalität und Fiktivität unterscheiden; mit Erinnerungskon-flikten umgehen; die ästhetische Dimension des Geschichtsbewusstseins wahr-nehmen; kontrafaktische Aussagen erkennen und bewerten (Interessen, Lüge, Imagination); moralische und ästhetische Werturteile fällen».463

Pandels geschichtskulturelle Kompetenz ist somit stark von der Idee geprägt, dass Geschichtskultur systematisch anders mit Historischem umgehe als Geschichtswis-senschaft und der übliche Geschichtsunterricht und dass dieser Unterschied unter anderem im Mass der Triftigkeit liege, wobei Pandel wohl vornehmlich die empi-rische Triftigkeit meint.464

460 Pandel 2013, S. 172.

461 Neben der geschichtskulturellen beinhaltet Pandels Kompetenzmodell eine «Narrative Kompetenz», «Interpretationskompetenz» und «Gattungskompetenz» (Pandel 2013, S. 221 ff., direkte Zitate S. 223 u. S. 226; Pandel 2005, S. 24 ff.).

462 Pandel 2013, S. 233.

463 Pandel 2013, S. 222.

464 Pandel 2005, S. 130. Zu den drei Formen von Triftigkeiten, der empirischen, narrativen und normativen Triftigkeit: Rüsen 2012, S. 90 ff.; in seiner Historik aus dem Jahr 2013 spricht Rüsen stattdessen von Plausibilitäten und unterscheidet vier Formen, nämlich Plau-sibilität im Hinblick «(a) auf Erfahrung, (b) auf Erklärung, (c) auf Bedeutung und (d) auf Sinn» (Rüsen 2013, S. 58 ff.).

Pandel ist derzeit der einzige Geschichtsdidaktiker, dessen Kompetenzmodell explizit eine geschichtskulturelle Kompetenz aufführt. In anderen Modellen wird der Umgang mit ausserschulischer Geschichtskultur nicht separat ausgewiesen, da Modelle entweder in der angestrebten Reichweite auf den Geschichtsunterricht fokussieren465 oder da, wie im Fall von Körber et al. oder Gautschi, der Umgang mit Geschichtskultur in allgemeinere Kompetenzbereiche integriert wird.466

Die theoretische Frage, ob der Umgang mit Geschichtskultur eher als anderen Kompetenzen eingelagert zu betrachten sei oder ob der Umgang mit Geschichts-kultur wie bei Pandel in eine eigenständige Kompetenz ausgegliedert werden sollte, hängt wesentlich damit zusammen, inwiefern historischem Denken im Geschichts-unterricht und im geschichtswissenschaftlichen Kontext auf der einen Seite und im Kontakt mit Geschichtskultur und spezifischer mit Museen auf der anderen Seite ein systematisch und wesentlich unterschiedlicher Charakter zugeschrieben wird467 bzw.

inwieweit ein breiteres oder engeres Verständnis von Geschichtskultur zugrunde gelegt wird.468 Wolfgang Hasberg und Andreas Körber sprechen sich – und ich

465 Z. B. Drie/Boxtel 2008; Verband der Geschichtslehrer Deutschlands 2006, wobei Sauer hierzu eine nachträgliche Übertragung auf Museumsbesuchende erarbeitet hat (Sauer 2009).

466 Körber et al. 2007; Gautschi 2009a, S. 51, S. 64 ff.

467 Die Unterscheidung der beiden Varianten findet sich bei Hasberg 2009, S. 214.

468 Zur Unterscheidung eines engeren und weiteren Geschichtskultur-Begriffs: Plessow 2015, S. 26 ff., insb. S. 27.

Von einer wesentlichen Unterschiedlichkeit von Schule/Wissenschaft einerseits und Ge-schichtskultur andererseits geht neben Pandel etwa auch Bergmann aus (Bergmann 1998, S. 21 ff.). Differenzen zwischen Geschichtsschreibung und Lebenswelt zeigt auch Schör-ken auf (SchörSchör-ken 1981, insb. S. 225, S. 59). Und spezifisch für Museen hält Pohl fest:

«Historische Museen weisen Strukturen auf, die nur partiell denen von (Hoch)Schule und Wissenschaft gleichen. Insofern können die dort geltenden geschichtsdidaktische[n] Kate-gorien sicherlich nur ansatzweise auf sie übertragen werden» (Pohl 2013, S. 28). Umge-kehrt definiert Schönemann «die Schule selbst [als] eine Institution der Geschichtskultur», ebenso wie Universitäten (Schönemann 2014, S. 18 ff., direktes Zitat S. 20).

Das Verhältnis von Geschichtswissenschaft, Geschichtsunterricht und Geschichtskultur ist in der geschichtsdidaktischen, -wissenschaftlichen und -theoretischen Literatur strittig und der zugehörige Literaturbestand umfangreich und unübersichtlich. Komplizierter wird das Feld noch dadurch, dass sich entsprechende Debatten vermengen mit denjenigen um Geschichts- vs.

Erinnerungskultur, um Geschichte vs. Erinnerung und um Positivismus vs. Konstruktivismus.

Letztgenannten drei Gegensatzpaaren rückt systematisierend Hasberg zuleibe (Hasberg 2006, v. a. S. 55 f.), die terminologische Lage allerdings weiter verkomplizierend dadurch, dass er unter Erinnerungskultur offenbar vor allem Theorien des kollektiven Gedächtnisses subsummiert (ebd., S. 36 ff.) und diese einem begrifflichen Konglomerat aus Geschichts-kultur, Geschichtsbewusstsein, historischem Bewusstsein und historischem Denken gegen-überstellt (ebd., S. 55).

Theorien zu Erinnerungskultur verstünden Geschichte positivistisch und als Gegensatz zu Gedächtnis (ebd., S. 55 f.), Geschichtskultur gehe umgekehrt von einem konstruktivistischen

schliesse mich dem an – dezidiert gegen eine solche Trennung aus.469 Hasberg stellt fest: «Da Vergangenheit und Geschichte nicht anders als in Form geschichtskultu-reller Artikulationen zugänglich sind, können spezielle geschichtskulturelle Kompe-tenzen schlechterdings nicht ausgewiesen werden.»470

So stellt auch das Kompetenz-Strukturmodell der Gruppe FUER Geschichts-bewusstsein eine Unterschiedlichkeit infrage, indem es, wie weiter oben bereits erwähnt, den Anspruch erhebt, «historisches Denken in allen Phasen von Lebens-läufen und in allen Bereichen des Lebens kategorial fassen» zu können.471 Über-einstimmungen mit den Überlegungen Pandels finden sich gleichwohl dahinge-hend, dass geschichtskulturelle Manifestationen als Medien ernst und in den Blick zu nehmen seien. So äussert Körber:

«Ein nach unserem Strukturmodell kompetenzorientiert angelegter Geschichts-unterricht in einem Museum oder einer Gedenkstätte nimmt jene als geschichts-kulturelle Institution wahr und reduziert sie nicht auf die Funktion der Vermitt-lung vermeintlich perspektivneutraler Informationen. Er gibt sich nicht damit zufrieden, dass Schülerinnen und Schüler nach einem Besuch Einzelinformati-onen über den dargestellten Zusammenhang wiedergeben können, sondern zielt darauf ab, die gegenwärtige gesellschaftliche Funktion der geschichtskul-turellen Institution in die Betrachtung und eigene Reflexion einzubeziehen.»472

Geschichtsbegriff aus, demzufolge Geschichte «im Prozess des Re-Konstruierens» entsteht (ebd., S. 55). Für den Stellenwert der Geschichtswissenschaft in diesem System schlussfolgert Hasberg: «Die strikte Dichotomie von Erinnerung/Gedächtnis auf der einen Seite entspricht nicht dem Modell des Geschichtsbewusstseins, das dem historischen Denken per se lebens-weltliche Funktion zuschreibt und zwischen dem historischen Denken des in der Geschichts-kultur sich bewegenden Laien und dem des der wissenschaftlichen Forschung obliegenden Historikers nur graduelle Unterschiede ausmachen kann» (ebd., S. 56).

Gewisse Unschärfen in Bezug auf die Auslotung dieser von Hasberg sogenannten

«graduelle[n] Unterschiede» habe ich weiter oben bereits für Rüsen konstatiert (vgl. Ab-schnitt 2.2). Unentschlossen in der Einordnung bleibt auch Grütter. Einerseits konstatiert er: «Der Begriff ‹Geschichtskultur› synthetisiert so unterschiedliche Institutionen wie Uni-versität, Schule, Archive, Museen, Denkmalpflege, Gedenkstätten und Geschichtsvereine […]» (Grütter 1997a, S. 601). Wenig später scheint dann, trotz des beschriebenen Bedin-gungsgefüges, doch eine angenommene Dichotomie in seinen Ausführungen auf, wenn er schreibt: «Insofern bedingen sich Schule und Universität auf der einen und die Geschichts-kultur einer Gesellschaft auf der anderen Seite» (ebd.).

469 Hasberg 2009, S. 235; Körber 2009, S. 79 f.

470 Hasberg 2009, S. 235.

471 Schreiber et al. 2007, S. 19 und S. 22.

472 Körber 2009, S. 73.

Allerdings geht Körber im Gegensatz zu Pandel nicht so weit, für den Umgang mit Geschichtskultur systematisch andere Aspekte historischen Denkens als rele-vant zu propagieren. Im Gegenteil stammen von Körber Vorschläge, die im Kom-petenz-Strukturmodell473 enthaltenen Kompetenzen historischen Denkens auf Museums-/Ausstellungsbesuchende zu adaptieren.474 Er unterscheidet jeweils in ein basales, intermediäres und elaboriertes Niveau, wobei ich auf eine detaillierte Wiedergabe der einzelnen Niveaus verzichte und stattdessen jeweils die Bandbrei-te zwischen den Polen wiedergebe.475

Im Bereich der historischen Sachkompetenzen unterscheidet Körber in einer Publikation aus dem Jahr 2009 die «Verfügung über ein Konzept der ‹Ausstellung›

und des Museums» und über ein «Konzept des ‹Objekts›» sowie überdies eine

«Strukturierungskompetenz»476:

Vorstellungen über Museen bzw. Ausstellungen können dabei reichen von einer Wahrnehmung als «Darstellung vergangener Wirklichkeit» über eine Einsicht in deren Bindung an Zeit und Forschungsstand bis hin zu einer Reflexion und Hinterfragung der «in einer Ausstellung verwendeten Kategorien».477

Wahrnehmungen von Objekten reichen von einer Wahrnehmung der «aus-gestellten Objekte nur als ‹Gegenstände›» über deren Betrachtung «als Re-präsentanten eines historischen Zusammenhangs» und Unterscheidung «zwi-schen ‹Original› und ‹Fälschung›» bis hin zu einer Reflexion des Konzepts von Originalität und der durch die Ausstellung getroffenen Objektauswahl.478

Strukturierungskompetenz umfasst das Wahrnehmen des Ausstellungsauf-baus als «nicht wahllos» über das Wiedererkennen von bekannten Strukturie-rungsweisen mit zunehmender Fähigkeit zu deren Kommentierung bis hin zur Reflexion der Effekte einer bestimmten Präsentationsweise.479

473 Körber et al. 2007.

474 Körber 2009, Körber 2010a, Körber 2010b.

475 Ich bediene mich dabei eklektisch aus mehreren Veröffentlichungen Körbers mit ähnlicher Ausrichtung. In Körber 2009 wird nur ein Teil der Kompetenzbereiche in Niveaustufen ausdifferenziert, was in der späteren Variante bei Körber 2010b mit Anhang 2010a dann vollständig und in tabellarischer Form der Fall ist (Körber 2010a, S. 3 ff.), dabei in der Ausführung aber teilweise auch abweichend zur früheren Publikation aus dem Jahr 2009.

In Körber 2010a sind neben Stufungen zur «Kompetenzdiagnostik» auch Fragen zur je-weils zugehörigen Förderung aufgelistet, ich beziehe mich jedoch nachfolgend bei Ver-wendung von Körber 2010a nur auf seine diagnostischen Überlegungen.

476 Körber 2009, S. 65, 66, 67.

477 Körber 2009, S. 65.

478 Körber 2009, S. 66 f.

479 Körber 2009, S. 67 f., direktes Zitat: S. 67.

In einer späteren Veröffentlichung aus dem Jahr 2010 wählt Körber einen abwei-chenden Zugang zum Bereich der Begriffskompetenz. Dort nimmt er ein Verfü-genkönnen und Reflektieren über diejenigen Begriffe und Konzepte in den Blick, mit denen eine konkrete Ausstellung arbeitet und die für deren Erschliessung notwendig sind (z. B. «Konzentrationslager», «Zeitzeuge»), verlässt also die Ebe-ne der für alle Arten historischer Ausstellungen notwendigen Konzepte.480 Sinn-voll und der Idee einer Sachkompetenz Rechnung tragend erscheint mir eine Integration beider Perspektiven.

Im Bereich der historischen Fragekompetenzen, die im Kompetenz-Struktur-modell in das Entwickeln eigener Fragestellungen und das Erkennen von bereits vorliegenden Fragestellungen unterschieden werden,481 verweist Körber für den Fall von historischen Museen/Ausstellungen vor allem auf die Relevanz des zwei-ten Bereichs; denn Orientierungsbedürfnisse seien

«zunächst nur auf Seiten der Ausstellungsmacher, ihrer Auftraggeber und Be-rater aktiv, auch bei ihnen allerdings in der vermittelten Form, dass sie nicht nur ihre persönlichen Bedürfnisse einfließen lassen, sondern die von ihnen wahrge-nommenen Bedürfnisse der ‹Gesellschaft› (oder relevanter Teile von ihr)».482 Ausgehend davon, sieht Körber einen Kompetenzbereich in der «Entzifferung des in der Ausstellung ‹bedienten› Interesses», weist daneben aber auch das Stellen eigener Fragen als Bereich aus.483

Ersteres reicht vom Erkennen dessen, «dass der Ausstellung eine Form von Frage an die Vergangenheit zu Grunde liegt», über das Wahrnehmen einer

«Absicht» und «Relevanz» der Ausstellung bis hin zur Reflexion und Hinter-fragung vorhandener Fragestellungen und der Fähigkeit, diese «umzuformu-lieren, fortzuschreiben, Alternativen zu entwickeln».484

Zweiteres umfasst «die Fähigkeit, das eigene Interesse in eine Frage zu ‹ver-wandeln›», und zwar zunächst auf eine «spontane und unsystematische» Wei-se über eine ÜberWei-setzung «in die Begriffe und Konzepte […], mit denen die

480 Körber 2010a, S. 3 ff., direkte Zitate: S. 4.

481 Schreiber et al. 2007, S. 26.

482 Körber 2009, S. 68.

483 Körber 2009, S. 69. In seiner Systematisierung aus dem Jahr 2010 benennt Körber die beiden Bereiche als «Selbst Fragen stellen (können)» und «Fragen verstehen (können)»

(Körber 2010a, S. 3 ff.).

484 Körber 2010a, S. 3 ff., direkte Zitate: S. 3, S. 4, S. 5.

Ausstellung arbeitet», bis hin zur Reflexion darüber, «inwiefern eine solche Ausstellung überhaupt das eigene Bedürfnis befriedigen kann».485

Den Bereich der historischen Methodenkompetenzen unterscheidet Körber analog zum FUER-Modell in Re-Konstruktionskompetenz und De-Konstruktionskom-petenz, wobei er wiederum für den konkreten Fall des historischen Denkens im Museum die besondere Bedeutung eines der beiden Bereiche, der De-Konstruk-tionskompetenz, hervorhebt.486 Dies erscheint nachvollziehbar, da eine Ausstel-lung in der Logik des Kompetenz-Strukturmodells eine Narration über Vergan-genes darstellt, mit der die Besuchenden zwangsläufig durch ihren Besuch in Kontakt kommen.

De-Konstruktion umfasst Körber zufolge, «überhaupt […] das Dargestellte als eine heutige Aussage über Geschichte zu erkennen», und reicht über die Verwendung hierfür «gängiger Konzepte und Begriffe (‹Perspektive›, ‹Inte-resse›, ‹Inszenierung›, ‹Auswahl›, ‹Re-Kontextualisierung› …)» bis hin zu einer Reflexion der «verwendeten Deutungs- und Erklärungsmuster».487

Re-Konstruktion beinhaltet die Fähigkeit, «überhaupt aus dem Präsentierten Informationen zu entnehmen und zueinander in Beziehung zu setzen», die-se «unter Rückgriff auf bekannte Vorbilder, Verfahren, Frageraster, Muster zu neuen Sinnzusammenhängen zu verbinden» und schliesslich sogar «Informa-tionen zur Erschliessung eigener, innovativer oder spezieller Fragen zu nut-zen, eigenständige Sinnbildungen zu erstellen».488

Im vierten und letzten Kompetenzbereich, bei den historischen Orientierungskom-petenzen, differenziert Körber in Analogie zum Kompetenz-Strukturmodell in vier Bereiche, die er wiederum museumsspezifisch wendet. Da es sich bei dem Bereich der Orientierung um denjenigen handelt, der in besonderem Mass das

Kerninte-485 Körber 2009, S. 69 f., Kursivsetzung analog zum Original. In der Fassung von 2010 spricht Körber stattdessen für das elaborierte Niveau davon, Besuchende seien «in der Lage, in Abgrenzung zu herkömmlichen Interessen eine eigene, ihrer eigenen Perspektive entspre-chende Fragestellung zu formulieren, und diese in die gesellschaftliche Perspektive einzu-ordnen» (Körber 2010a, S. 3), sieht hier also keinen Abgleich mit dem Grad an Befriedi-gung der eigenen Frage durch die Ausstellung vor.

486 Körber 2009, S. 70. In den Überlegungen aus dem Jahr 2009 wird dann auch die Re-Konstruktionskompetenz gar nicht ausdifferenziert, jedoch finden sich Überlegungen dazu in Körber 2010a, S. 3 ff.

487 Körber 2010a, S. 3 ff., Kursivsetzung analog zum Original.

488 Körber 2010a, S. 3 ff., Kursivsetzung analog zum Original.

resse meines Forschungsvorhabens tangiert, weil sich vor allem darin die Bezüge historischen Denkens auf die eigene Person und Lebenswelt der Besuchenden manifestieren, gebe ich die von Körber vorgeschlagenen Niveauausprägungen im Anhang in ausführlicherer, tabellarischer Form wieder (siehe Tabelle A). Die Ta-belle zeigt, dass das Spektrum an Aussagen in diesem Kompetenzbereich von überhaupt vorhandenen Äusserungen in Bezug auf die Veränderung eigener Kon-zepte, Vorstellungen und Verhaltensanregungen über das Kommunizieren dieser Veränderungen mittels Rückgriff auf «gängige» und «bekannte» Begriffe und Ka-tegorien und im Abgleich mit Angeboten, die in der Ausstellung zum jeweiligen Thema vorhanden sind, bis hin zur innovativen Erweiterung oder kritischen Re-flexion der Begrenztheit eigener Konzepte und Handlungsmöglichkeiten reicht.

Zusammenfassend definiert Körber «Kompetenz historischen Denkens in Be-zug auf Ausstellungen und Museen» als die

«Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft, das in einer Ausstellung Dargebotene in seinen Einzelheiten wie in der durch die Auswahl der Exponate, das Arran-gement und die Inszenierung getroffene Aussage wahrzunehmen und zu ent-schlüsseln und die so gewonnenen Informationen und Einsichten für eigene historische Orientierung zu nutzen».489

Körbers Übersicht stellt eine aufschlussreiche erste Auslegeordnung dessen dar, was in Anlehnung an das Kompetenz-Strukturmodell als historisches Denken bzw. als Kompetenzen historischen Denkens in einer Ausstellung gefasst werden könnte. In dreierlei Hinsichten erweist sich der Vorschlag jedoch als ergänzungsbedürftig.

Zum einen fällt auf, dass die vorgenommenen Stufungen stellenweise an Ko-härenz vermissen lassen. So werden beispielsweise im Bereich der Orientierungs-kompetenzen nicht systematisch Reflexion und Veränderung eigener Konzepte und Handlungsdispositionen gestuft, Formulierungen beziehen sich nicht

Zum einen fällt auf, dass die vorgenommenen Stufungen stellenweise an Ko-härenz vermissen lassen. So werden beispielsweise im Bereich der Orientierungs-kompetenzen nicht systematisch Reflexion und Veränderung eigener Konzepte und Handlungsdispositionen gestuft, Formulierungen beziehen sich nicht