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4 Mitgliederparteien in der Nachwuchskrise

4.5 Hemmnisse zum Parteibeitritt

Neben den genannten Beitrittsindikatoren, Anreizen und verschiedenen Mit-gliedschaftstypen existieren freilich auch Hemmnisse gegenüber dem Partei-beitritt. Häufig genanntes Hemmnis zum Parteibeitritt ist die Ressource Zeit, die insgesamt schwierig zu operationalisieren ist. Neben den Beschäftigungs-verhältnissen ist sie vor allem von der eigenen Disposition sowie den eigenen Präferenzen abhängig. Wenngleich Gaiser et al. (2012: 332) konstatieren, dass die Mitarbeit in einer Partei kontinuierliches Engagement voraussetze, muss an dieser Stelle korrigiert werden: die ‚stille‘ Mitgliedschaft in Parteien kostet keinerlei Zeit. Aus der Ressourcenperspektive hat die Parteimitglied-schaft zudem demokratietheoretische Vorteile. Sie bildet die ideale Betäti-gungsform für ressourcenschwache Bürger, gelingt es Parteien doch, „alle Mitgliedergruppen gleichermaßen am Parteigeschehen teilhaben zu lassen – auch diejenigen, die für ein solches Engagement nicht unbedingt prädestiniert sind“ (Biehl 2014: 116). Zudem sanktionieren Parteien inaktive Mitglieder nicht, wenngleich der Ortsverband bzw. Ortsverein einen gewissen sozialen Druck zur Aktivität erzeugen kann. Dennoch: vonseiten der Partei besteht keine Möglichkeit (und zumeist nicht der Wille), inaktive Mitglieder aus der Partei auszuschließen, sodass die Parteimitgliedschaft mitnichten kontinuier-liches Engagement voraussetzt. Auch die civic skills als Voraussetzung zur Parteiaktivität kommen erst dann zum Tragen, wenn es um die Bewerbung um ein öffentliches oder innerparteiliches Amt geht oder um die aktive Mit-99 Siehe zu diesem Gefühl der Wertschätzung auch Micus (2011: 22).

arbeit im Ortsverein bzw. Ortsverband. Ob bei potentiell beitrittsbereiten Bürgern jedoch die Auffassung besteht, kontinuierlich engagiert sein zu müs-sen und dies beitrittshemmend wirkt, ist unklar.

Hinzutreten weitere wahrgenommene sowie tatsächliche Kosten, letztere insbesondere in Form der Mitgliedsbeiträge. Zum einen die Opportunitäts-kosten, die dadurch entstehen, dass ein Mitglied alternative Aktivitäten zur Parteiaktivität nicht wahrnehmen kann, zum anderen die physische und psy-chische Arbeitsaktivität per se (vgl. Alemann und Spier 2008: 36)100; stille

‚Financiers‘ der Parteien betrifft dies nicht. Weitere Hemmnisse zum Partei-beitritt gehen von der viel beschworenen Parteien- und Politikverdrossenheit aus (vgl. Alemann und Spier 2008: 40), die bereits kritisch erwähnt wurde.

Klarer fasst es Biehl (2009b: 122), wenn er vom schlechten Image der Partei-en sowie dem möglichPartei-en AnsehPartei-ensverlust, der durch eine Parteimitglied-schaft entstehen kann, spricht. Dieses Beitrittshemmnis ist im Zeitverlauf stabil: dass das „schlechte Image“ der Parteien einen Beitritt eher verhindere, erkennt bereits Zeuner als eines von zwei Motiven gegen einen Parteibeitritt (1970: 34). Spannend ist die von ihm genannte erste Art „von Motiven gegen einen Parteibeitritt: [Diese] rührt daher, daß man die Funktion der Parteien nicht verstanden hat […]. Zur ersten Art gehört z.B. die Kritik an der Frakti-onsdisziplin. Daß ohne sie weder arbeitsfähige Regierungen noch die Durch-führung eines Parteiprogramms denkbar wären, ist diesen Kritikern nicht klar“ (Zeuner 1970: 34). Greven (1987) weist außerdem auf die Abgabe eines politischen Bekenntnisses mit dem Parteibeitritt hin, das „auch als unbequem empfunden wird“ (Greven 1987: 55).

Traditionelle Organisationsstile und das Verharren im Ortsverein bzw.

Ortsverband wirken zudem unattraktiv und überkommen. Der Wandel politi-scher Kommunikation befördert zudem die sinkende Attraktivität von Partei-en: So wird die Parteiorganisation nach innen zunehmend fragmentierter, da sich eine Top-Down-Steuerung der Wahlkämpfe feststellen lässt, die die Mitgliedschaft umgeht und auf Expertise zurückgreift, die von dritter Seite

‚eingekauft‘ wird (vgl. Bastgen et al. 2009: 213). Dies erhöht zugleich die Anfälligkeit für parteiinternen Krisen, denn: „Die starke Ausrichtung auf den Wahlkampf und der Wählerwünsche [sic!] lockert die Bindungen zwischen den Parteimitgliedern und der Parteizentrale“ (Bastgen et al. 2009: 213).

Auseinandersetzungen innerhalb der Parteien können wiederum zu Austritten und ausbleibenden Eintritten sowie zum Verlust von Wählerstimmen führen.

Einige Autoren sehen daher die Notwendigkeit, zumindest an kleinen Stellschrauben zu drehen und gewisse Hemmnisse zu beseitigen bzw. einzu-hegen. Marschall (2013b: 277) schließt, dass die Möglichkeit des Online-Beitritts wenigstens ein Online-Beitrittshemmnis – das Anfordern, Ausfüllen und Absenden eines Aufnahmeantrages – eliminiert, doch stehen diesem Hemm-100 Nochmal sei darauf hingewiesen, dass die Literatur eine Parteimitgliedschaft teilweise mit Parteiaktivität gleichsetzt oder verbindet. Dies ist jedoch nicht notwendigerweise der Fall.

nis die genannten weiteren gegenüber, die qualitativ gewichtiger sind. Des Weiteren verfügen Parteien nicht über direkte Gratifikationsmöglichkeiten,

„[e]in Mitglied kann nicht sicher sein, dass das Wenige, was als Lohn der Anstrengung in Aussicht gestellt wird, tatsächlich auch ausgezahlt wird“

(Wiesendahl 1997: 363; siehe auch Wiesendahl 2009a: 238). Neben der Viel-zahl der Möglichkeiten, anderweitig politisch zu partizipieren (vgl. Wie-sendahl 2001: 617), existiert demnach eine Reihe an Kosten und Hemmnis-sen, die den Parteibeitritt erschweren. Faucher (2015: 14) ist daher äußerst pessimistisch und schließt: „Experiences in the past 20 years show that it is unlikely that selective incentives or blurring the boundaries of membership will be enough to bring people back in“.

Dies findet sich im ‚Teufelskreis‘ der Parteimitgliedschaft nach Wie-sendahl (2003: 33) wieder:

Abbildung 5: Der Teufelskreis der Parteimitgliedschaft

Quelle: Abbildung in Anlehnung an Wiesendahl (2003: 33); siehe auch Stock (2008: 59) Zusammenfassend gilt insgesamt für die (zumindest aktive) Parteimit-gliedschaft: Sie beansprucht alle Arten partizipationsrelevanter Ressourcen und ist damit vergleichsweise aufwendig, wenn nicht gar überfordernd (vgl.

Bauknecht 2012: 76). Kommunizieren Parteimitglieder dies Nicht-Parteimit-gliedern, kann das dazu führen, dass ein Beitritt auch mit der Verpflichtung zu hoher Aktivität konnotiert wird. Umgekehrt sollte geschickte Mitglie-derwerbung aufzeigen, dass die Ressourcen Zeit und Geld (teilweise) nach eigenem Ermessen aufgewendet werden können, was die Hemmnisse

relativiert. Andere Hemmnisse wie das schlechte Image oder die Frage nach dem ‚Lohn‘ einer Parteimitgliedschaft können nur von der Parteiorganisation bzw. ausgehend von der Parteispitze beseitigt werden und sind nicht kurzfris-tig zu beheben.