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Da sich die vorliegende Masterarbeit mit dem Diagnoseinstrument Inklusionschart 4 beschäftigt und dieses im Zusammenhang mit dem Handlungsfeld der körperlichen Rehabilitation erforscht wurde, wird im folgenden theoretischen Teil auch ausschließlich auf die medizinische Rehabilitation eingegangen.

Rehabilitation bedeutet „[Wieder]eingliederung einer / eines Kranken, einer körperlich oder geistig behinderten Person in das berufliche und gesellschaftliche Leben; Kurzwort Reha“ (Duden online).

Auch Mühlum und Gödecker-Geenen (2003) definieren Rehabilitation als Wiedereingliederung, jedoch sprechen sie dabei von „Behinderten und von Behinderung Bedrohter“ und erkennen, dass dies zu einem doppelten Problembegriff führt. Hierbei wird von einem Problem, das geändert werden soll, per Definition ausgegangen. Darüber hinaus impliziert genau jene Ansicht, dass automatisch ein Problem vorliegt und dadurch es zu Etikettierungen und Stigmatisierungen der betroffenen Personen kommt (vgl.: 18).

Da im Laufe des Lebens und im Zusammenleben immer wieder Konflikte auftreten und die Möglichkeiten der Problembewältigung des Individuums eingeschränkt sind, ist Soziale Arbeit notwendig, um Überforderung sowie gesellschaftliche und soziale Ausgrenzung zu verhindern. Die Gesellschaft ist Teil der Problemerzeugung und der Lösung insbesondere bei Personen mit einer Behinderung (vgl. Mühlum, Gödecker-Geenen 2003: 24). Hierbei wird Behinderung so verstanden, dass jemand an etwas gehindert ist oder wird, unabhängig von der Ursache.

„Unter Rehabilitation werden in diesem Sinne alle Maßnahmen, Leistungen und Hilfen verstanden, die auf die Behinderungsbewältigung und soziale Eingliederung gerichtet sind, - mittlerweile organisiert in einem hochspezialisierten Leistungssystem mit ganzheitlichem, interdisziplinären Behandlungsansatz“

(Mühlum, Gödecker-Geenen 2003: 18).

Rehabilitation ist einerseits als Maßnahme zu sehen und ist daher auch eine der wichtigsten Grundformen psychosozialer Behandlungsmethoden. Darüber hinaus hat es andererseits in unserem Gesundheitswesen eine institutionelle Bedeutung. Es ist ein spezialisiertes Behandlungssystem im Rahmen spezifischer rechtlicher Bestimmungen.

Die Rehabilitation beinhaltet Zielsetzung, Arbeitsform und Institution zugleich. (vgl. Pauls 2013: 327).

„D.h. Klinische Sozialarbeit ist grundsätzlich in akzentuierter Weise für diejenigen Aufgabenstellungen der Rehabilitation zuständig, die die direkte psycho - soziale Arbeit mit den Subjekten betrifft“ (Pauls 2013: 327).

Sozialarbeit zielt auf Inklusionsförderung und Exklusionsvermeidung ab. Gerade jene Personen, die sich in Multiproblemlagen durch psychosozialen Belastungen befinden, die die gesamte Lebensführung beeinträchtigen, brauchen Unterstützung durch die Soziale Arbeit. Da dies jene Profession ist, die eingesetzt werden kann, wenn Spezialisten für einzelne Teilbereiche nicht mehr allein ausreichend sind und somit SozialarbeiterInnen für

„das Allgemeine“ einschreiten (vgl. Mühlum, Gödecker-Geenen 2003: 24). Die nachfolgende Behandlungsbeschreibung zeigt dies sehr anschaulich.

Konzentriert sich das Fachpersonal nach einem Unfall mit Rückenmarksverletzung bei der Einlieferung ins Krankenhaus vorrangig um die medizinische Versorgung – Notfallsambulanz, FachärztInnen der Orthopädie, so sind anschließend die MitarbeiterInnen der Rehabilitationseinrichtungen zuständig. Dabei wird auf die veränderte Situation in Bezug auf die Lebensführung, Alltagbewältigung, Umwelt und Lebensperspektiven eingegangen. Hierbei kann am ehesten die Soziale Arbeit Unterstützung bei jener Form der Nachversorgung leisten (vgl. Mühlum, Gödecker - Geenen 2003: 25).

„Der gesellschaftliche Ort der Sozialen Arbeit kann daher nur unter Bezug auf die Daseinsgrundfunktionen (Arbeit, Bildung, Wohnen, Versorgung, Kommunikation, Verkehr und Freizeit) und die großen gesellschaftlichen Funktionsbereiche, wie Sicherungssystem (Sozialpolitik), Bildungssystem (Bildungspolitik), Gesundheitssystem (Gesundheitspolitik) und Sanktionssystem (Rechtspolitik), bestimmt werden“ (Mühlum, Gödecker-Geenen 2003: 25).

Durch das Eintreten eines lebensverändernden Ereignisses kommt es bei Betroffenen zu Auswirkungen, auf persönlicher und sozialer Ebene. Die Bewältigung dieses hängt von der einzelnen Person („Persönlichkeitsvariable“) und dessen sozialen Umfeld ab. Die Frage ist, wie die jeweilige Person mit dieser veränderten Lebenssituation umgeht, diese bewältigt und welchen Nutzen sie daraus zieht. Um eine passende individuelle Unterstützung und bestmögliche Versorgung zu gewährleisten, müssen die psychosozialen sowie sozioökonomischen Gegebenheiten analysiert werden. Die Analyse und Bearbeitung dieser sollte unter Rücksichtnahme der betroffenen Person und nach dem Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ erfolgen (vgl. Mühlum, Gödecker-Geenen 2003: 77f).

Aufgrund ihrer Aufgabenstellungen und ihrer Arbeitsfelder steht die Rehabilitation in engstem Bezug zur Klinischen Sozialarbeit. Dazu zählen die bio-psycho-soziale Perspektive, das Wissen über die Salutogenese, Belastungsbewältigung und soziale Unterstützung, die Perspektive des „Person-in-environment“ und jene der lebenslangen Entwicklung. Diese Wissensbereiche sind grundlegend für die psycho-soziale Rehabilitation, genauso wie die Grundformen der psycho-sozialen Behandlung. Hierfür sind die soziale Diagnostik, Instrumente der Zielbestimmung oder Klassifikation sowie klinisch geprägte psycho-soziale Beratung, sozialtherapeutisches Vorgehen, Netzwerkarbeit, Case Management, Krisenintervention und psycho-therapeutische Methoden zu nennen (vgl. Pauls 2013: 327).

Ein Rehabilitationsaufenthalt ist meist ein längerer Prozess. Dabei besteht die Gefahr, dass zum einen die Reha an sich sowie zum anderen das gesamte Gesundheitswesen die PatientInnen überfordern. Soziale Arbeit dient hier als unterstützender, begleitender Ratgeber während des gesamten Prozesses. Im Fokus dessen liegt immer die Auseinandersetzung mit der Krankheit oder Beeinträchtigung sowie dessen Folgen in Bezug auf zukünftige Lebenssituationen, den persönlichen Alltag und die beruflichen Möglichkeiten. Dabei sind verschiedene Aspekte der individuellen Lebenswelt zu berücksichtigen und passende Lösungen für den Einzelnen / die Einzelne zu erarbeiten.

Der Verlauf der Beratung ist ein Prozess und lässt sich in unterschiedliche Phasen aufteilen:

1. Wie war das Leben vor der Erkrankung bzw. dem Ereignis?

2. Welche Bereiche haben sich durch die Krankheit verändert? Wodurch bin ich besonders belastet oder eingeschränkt? Was macht mir am meisten Gedanken und welche wichtigen Entscheidungen stehen bevor?

3. Wie kann ich mein Leben zukünftig meistern? Was muss ich verändern? Welche unterstützenden Maßnahmen oder Hilfen brauche ich dafür? Wie soll es beruflich weitergehen? (vgl. Mühlum, Gödecker-Geenen 2003: 109f).

„Psycho-soziale Rehabilitation ist nicht einfach eine ‚Grundform‘ psycho-sozialer Behandlung, sie hat mehrere Bedeutungen. Rehabilitation, also

‚Wiederbefähigung‘ ist ein zentrales Ziel Klinischer Sozialarbeit in der Arbeit mit kranken und behinderten Menschen“ (Pauls 2013: 327).

3.1. Interdisziplinäre Zusammenarbeit

In der körperlichen Rehabilitation arbeiten viele verschiedene Professionen gemeinsam daran, die PatientInnen zu unterstützen und die bestmöglichen Ergebnisse in den einzelnen Professionsbereichen zu erzielen.

Diese sind ErgotherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen, ÄrztInnen, SozialarbeiterInnen, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen und PsychologInnen. Jede der Berufsgruppen trägt seinen / ihren Teil dazu bei, besonders in diesem institutionellen Kontext hat daher die interdisziplinäre Zusammenarbeit eine besondere Bedeutung.

Im Vordergrund steht mittlerweile das gemeinsame Agieren und nutzen von Synergieeffekten, um eine bestmögliche Betreuung und Behandlung zu gewährleisten. Es geht nicht alleine darum, das eigene fachliche Wissen und Handeln der jeweiligen Berufsgruppe umzusetzen, sondern die Offenheit für vernetztes Arbeiten zu haben, um so eine kombinierte Problembearbeitung möglich zu machen. Dafür ist es notwendig, dass

„unterschiedliche Berufsgruppen“ zusammenarbeiten. Es benötigt medizinische und pflegerische Behandlung, psychosoziale Beratung und Begleitung, Förderung von Selbsthilfegruppen, Gesundheitserziehung und Aufklärung sowie existenzielle Sicherung durch „sozialrechtliche Leistungen“. Die Klinische Soziale Arbeit hat dabei die Aufgabe psychosoziale sowie körperliche Probleme im Kontext des sozialen Zusammenhangs zu erkennen und zu verbessern. (vgl. Ningel 2011: 74ff).

„Die Dominanz medizinischer und psychologischer Deutungen, die sich unter anderem in deren (vereinfachter und verballhornter) Übernahme in den Alltagsdiskurs zeigt, bedarf einer offensiven fachlichen Gegenstrategie, da die Sozialarbeit sonst ihre spezifische Qualität verliert und ihre Möglichkeiten systematisch unterschreitet“ (Pauls 2012: 24).

Pauls (2012) betont, dass gerade in der Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team die Abgrenzung der einzelnen Aufgabengebiete von besonderer Bedeutung ist, andernfalls kommt es zu einer Hierarchisierung. Der Aufgabenbereich der Sozialen Arbeit muss klar definiert und für andere Professionen nachvollziehbar sein, damit eine Ergänzung und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen umgesetzt werden kann (vgl.: 24). Soziale Arbeit befindet sich auch in einem Spannungsfeld, gerade in Bezug auf die Rehabilitation von betroffenen Personen. Zum einen ist sie behandelnd, zum anderen organisatorisch tätig. Gerade im Reha - Kontext dominiert der Bereich der Medizin, dem das bürokratische administrative System gegenübersteht.

Die Profession der Sozialen Arbeit ist in der Praxis nicht dem medizinischen Bereich zugeordnet, befindet sich aber in einem Grenzbereich zwischen den Systemen, die in der rehabilitativen Behandlung vorhanden sind. Diese Position der Sozialen Arbeit kann zur Vermittlung gegenüber PatientIn und anderen MitarbeiterInnen der Rehabilitationseinrichtung genutzt werden. Somit hat diese Profession auch die Aufgabe des Netzwerkbauers oder auch jene des Case Managements (vgl. Wendt 2001 zit. in.

Mühlum, Gödecker-Geenen 2003: 43).

Gerade in Rehabilitationskliniken muss Soziale Arbeit mit anderen Professionen, wie Pflegekräfte, ÄrztInnen, behandelnde TherapeutInnen agieren. Aber auch außerhalb dieses institutionellen Kontexts ist eine Vernetzung notwendig. Die jeweiligen Professionen, welche am Rehabilitationsprozess beteiligt sind, arbeiten oftmals zu wenig miteinander und tauschen sich zu wenig aus. Die Soziale Arbeit hat die Verknüpfung zur Optimierung der Behandlung herzustellen (vgl. Mühlum, Gödecker-Geenen 2003: 108).