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Vielleicht werden Sie mir nicht glauben,aber ich habe ihn ver- ver-gessen

Im Dokument nach 1945 Die rum änische Dramatik (Seite 90-94)

Der Philosoph: War es ein schöner Name?

Chitimia I: Ein normaler Name. Haben sie nicht den Eindruck, daß dieser Na-me Chitimia eine düstere und erdrückende Resonanz hat? Glauben Sie mir, ich ertrage es sehr schwer.

Der Philosoph: Chitimia?! Tatsächlich, mir ist das Wort auch unangenehm, es läuft mir kalt über den Rücken. Es ist ein drakulischer Name, der Name ei-nes Vampirs.

Aus Angst vor den Nachkriegsverdächtigungen übernahm Chitimia I nicht nur den Namen,sondern auch die Identität, die Verlobte und letztlich die Pläne und 9) Anton Pann, Scrieri literare, hrsg. von Radu Albala und I.Fiacher, (Prej\Paul

Cornea), 3 Bde> Bucuregti, Editura pentru literaturd 1963

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Ideen seines verstorbenen Freundes. Und jetzt konmt, nach zwanzig Jahren rei-bungsloser Substitution» der wahre Chitimia, nacht seine nächtlichen Besuche und wie vom lode auferstanden, sprengt er als junger, reiner Chitimia II (10)

den banalen Alltag der Familie Chitimia und versichert sich jedesmal äußerst höflich, ob er nicht störe. Oer Philosoph prägt gemäß seiner dramatischen Funk-tion die Unvereinbarkeit der zwei sich gegenüberstehenden Chitimias:

»FitoBOfUl: Dacä domul Chipima eete normt, iar eu nu md fndoieec de aeta, fi dacd ceca ce ne-a relatat este exactp tiput vd va lä&a cu buza xenflatä, Ppofe&orul: Dmneata crezi cd, £ntr-adevdr, persoana e Ckifima cel

auten-tic sau...

Chipimia I: Sau ce?

Profeeorul: $tiu pt eu? 0 at>6t£... 0 dublurd... Nu-«ti dau eeana ce.

PilczofUl: ftvmtlör, nu aeta cre impörtanpd, adicd ce este eau ce nu este.

Inrportant e cd nu mai &£nte$i preprietarii tcfeti... Cd c apdrut proprieta-rul cel adevdrat*.. Care ee mi$cä f i j mai des, vorbegte.. • Din punct de vedere juridic, ideea nu vd mai apartine, (Pauzd) Din fericire, cred cd po-sed aolu$ia cu care putefi ie$i din incurcdturd. Da, cred cd am solupia cu care luerurile pot fi luminate gi toatc confuziile lichidate."

"Oer Philosoph: Wenn Herr Chitimia normal ist» und ich bezweifle es nicht, und wenn alles stirmit, was er uns erzählt hat, wird euch der Typ einen Streich spielen.

Der Professor: Glauben Sie, daß die Person der authentische Chitimia ist, oder...

Chitimia 1: Oder was?

Der Professor: Was weiß ich! Eine Erscheinung...Ein Doppelgänger... Ich kann mir nicht vorstellen,was.

Der Philosoph: Heine Herren, nicht dieses ist wichtig, also was er ist oder was er nicht ist. Wichtig ist, daß Sie nicht mehr die Besitzer der Idee sind... Daß der wahre Besitzer erschienen ist. Welcher sich bewegt, ja so-gar spricht..- Vom juristischen Standpunkt aus gesehen, gehört die Idee nicht mehr Ihnen. (Pause) Zum Glück glaube ich die Lösung gefunden zu ha-ben, mit deren Hilfe Sie aus dieser schwierigen Situation herauskommen könnten. Ja, ich glaube, daß ich die Lösungsformel für die Beseitigung aller Schwierigkeiten und Verwirrungen habe" (S. 60).

Die Oberbetonung des Besitzes in dieser Situation wird noch zu erläutern sein, genau wie auch die Problematik der Durchführbarkeit der Idee an sich (per-petuum mobile) und ihres Wertbezugs. Wichtig ist im Moment die Tatsache, daß durch den Philosophen Chitimia II die Realität, ja mehr: die Möglichkeit der Artikula-tion seiner Rechte eingeräumt wird, und dieses auf eine äußerst pragmatische Art und Weise.

In der Realisation des Textes folgt dieser sozialistischen Umformung der handlungsbegleitenden Funktion des Chores - alleinige Möglichkeit der notwendi-gen Umgehung der Identitätskrise -, eine Parabel des Philosophen, welche Form und Inhalt des Brechtschen Theaters weiterführt {S. 61-62).Die Konfliktsituation auf der Familienebene Chitimias I könnte demnach gelöst werden, indem man den Spuk, den sublimen, jungen und echten Chitimia tötet. Aber die Ehefrau Vica hat den Betrug von Anfang an entdeckt (S. 57). Die Verwechslung konnte nicht per-fekt sein, ja sie durfte es in der zeitorientierten Symbolik des Stückes nicht werden: während seiner Alpträume hatte Chitimia I im Schlaf seiner durch Substi-tution erworbenen Frau das Pendant zum Alltag, jene schwer umschreibbare Wahrheit

10) Die Figur des jungen Helden, welcher durch sein Auftreten Mißstände entdeckt und beseitigt, hat Ion BSiesu erneut in einem Stück eingesetzt: vgl. Marius Robeecu, Comedie fdrd titlu, in: Luceafdrul 4S/19??,

ihrer konkreten Situation offenbart, Vica hat aber trotzdem den Kompromiß gewählt und sich scheinbar selbst betrogen:

"Chifimia I: Atunci pentru ce od acuzi acwr cd i-am furat unui om nunele, Zo-godnica ?£ ideile? De ce acuzi?

Vica: Dar toate ace&tea le-a£ recimoscut chiar tu! Tu at vrut &ä scopt ade vi-ral la iv&alä?! Tu ai dcBchis diecufia! Eu putearrt ed~fi suport mnciunile Cn continuarej putean eä träim a$a ptnä la aftvgitul viefii, färä sä-$i spurt nimic*"

"Chitimia l: Weswegen verurteilst Du mich, daß ich einem Menschen den Namen, die Verlobte und die Ideen gestohlen habe?

Vica: Aber all dies hast gerade Ou zugegeben. Du wolltest die Wahrheit ans Licht bringen! Du hast das Gespräch eröffnet. Ich hätte Deine Lügen weiter-hin ertragen können» Ich hätte es so bis zum Lebensende gekonnt, ohne Dir das Geringste zu sagen-'1 (S, 56)

Mit dem Erscheinen ChUimias II muß eine Entscheidung i h r e r s e i t s ge-troffen werden. Mitte der sechziger Jahre - es wird oft darauf hingewiesen, daß sich die Handlung im Drama zu dieser Zeit abspielt - stellt sich also für Vica die Wahl zwischen jenem Alltag, der ihr alles verdinglicht hat» und der Utopie»

im Namen derer sie sich verlobt hatte. Besitz und Wert, Verdinglichung oder Subli-mes erreichen dramatische Formung* Zäsur ist eindeutig das Ende des Zweiten Welt-krieges - es markiert den Anfang der Täuschung» die o h n e die Hilfe des

Pro-fessors undenkbar ist. Daß Vica durch ihren Kompromiß und ihre bewußte Selbst-täuschung nicht nur die Banalität Chitimias I» sondern auch das pervertierte So-zialisationssystem des Professors akzeptierte» hebt verfremdend wiederum der

Phi-losoph hervor, der das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen Chitimia I und dem Professor sarkastisch bloßstellt:

"(TWftmta /.* OCndul de a-i Ina ideile rni-a venit mai ttrziu, iar tn valoarea lor genialä n-am crezut niciodatd^ nzci chiar acun, ctnd profesorul pretin—

de cä voi lua, vrCnd-nevrtnd, Premiul Hobel, Profeeorul: 0 sä-l iei !

Pilozoful: lht-l iaf Profesorul: De ce?

Filozoful: Am sä vä epun cCnd vom rämtne ßinguri."

"Chitimia I: Der Gedanke» seine Ideen zu übernehmen» kam mir später» und an ihren genialen Wert habe ich nie geglaubt» auch jetzt nicht» wo der Pro-fessor behauptet» daß ich, ob ich's will oder nicht, den Nobelpreis bekom-men werde.

Oer Professor: Du wirst ihn bekommen!

Der Philosoph: Er wird ihn nicht bekommen!

Der Professor: Warum nicht?

Der Philosoph: Ich werd's euch sagen» wenn wir alleine bleiben." (S- 59).

Hie hier wird die dramaturgische Doppeldeutigkeit des Philosophen einem subtilen Spiel untergeordnet; der distanzierte Kern seiner Kommentare zerstört alltägli-che Gewohnheiten oder festgefahrene Vorurteile - dies geschieht aber konkret gegen Entgelt» da die Konvention des verkauften Rates ideales Mittel für die Betonung der Unmündigkeit Chitimias I u n d des Professors ist. Folgende Ab-sicherung gegenüber der Literatur:

"Filozofül (cätre Profesor): Tot ce aud e sublim §i straniu. Totul pare o in-venfie literarä de cm nai bunä calitate* n

"Der Philosoph (Zum Professor): Alles» was ich höre» ist sublim und seltsam.

Alles scheint eine literarische Erfindung von bester Qualität zu sein!"(S,58)

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ist als theamtisierte Selbstreflektion einer bestimmten Art Literatur ira Verhält-nis zur folgenden Szene zu sehen» in der selbstverständliches Reden Uber Mord

ge-rade im Kontext der Intrige dieses Stückes {das Erscheinen des 'toten' Chitinria II) das Erkenntnispotential der Verfremdung mittels Groteske verstärkt:

"Filozofui: . . - / a W nid un zgoa&t... (Sugereazd, printr-un geot, augnaoarea cuiva) A&ta e tot, (Pausa, Profesorul gi Chipimia I ee gfndeac tndelung,) Chipimia I: (cdtre Filozof, tngtndurot): Credepi cd,

Profesorul: Mai tncet!

Chipimia I: Credepi cd ar fi cazul cd tncercdm ö . . .

Filozofui: Nu agteptapi rrurd-n gurd de la mine* Sper cd etntepi deetul de in-teligenpi ca sd tnpelegepi cd, fn astfei de eituapü, nu exietd dectt o va-riantd.

Profeeorul (cdtre Chipimia I): Din pdcate9 prietenul nostru are perfectd dreptate."

"Der Philosoph: . . . ohne einen Laut.-. (Deutet durch eine Geste das Erdros-seln eines Menschen an) Das ist alles.(Pause. Chitimia I und der Professor denken lange Zeit nach.)

Chitinria I (Zum Philosphen, nachdenklich): Glauben Sie...

Der Professor: Leiser!

Chitinria I: Glauben Sie» daß in diesem Fall versucht werden müßte...

Der Philosoph: Erwarten Sie nicht von mir, daß ich Ihnen alles vorkaue. Ich hoffe, daß Sie intelligent genug sind, um zu verstehen, daß es in solchen Fällen eine einzige Möglichkeit gibt.

Der Professor (Zu Chitinria I): Leider hat unser Freund vollkonmen recht."(S.6;

Der Mann, der am Kriegsende seinen toten Freund nochmals tötete* indem er ihn sich substituierte, zögert bei dem neu organisierten Mordplan, als hätte er unbewußt die Konsequenz der damaligen ersten Substitution erfaßt. Dadurch ist die für dra-matische Komik grundlegende Diskrepanz zwischen Schein und Sein derjenigen Wirk-lichkeit angepaßt, in der eine radikale und brutale Gegenüberstellung vergangener und gegenwärtiger Werte kaum möglich war und ist.

Im folgenden sollen die wichtigsten Stellungnahmen des Professors schwer-punktmäßig aufgezeigt werden: wegen des Verlustes einer natürlichen und

selbst-verständlichen Kontinuität im Realen durch die Verwandlung einer jugendlichen Utopie und Hoffnung durch Betrügerei, Beschränktheit und Unbeweglichkeit, kann er von Chitimia I nicht getrennt werden - die so entstandene Symbiose funktioniert dermaßen perfekt, daß der Philosoph eigentlich dem abwägenden Selbstgespräch ei-nes einzelnen sein Zuraten zum Mord vorhält:

"Profesorul: Tl vei lucra pe indiüid.,* (Imitd gestul ßtrCngerii de gtt,) Chpimia I (decis): Nu!

Filozofui: De ce?

Chipimia I: Nu pot, Filozofui: fi-e fricd??

Chipimia I: Nu sCnt capabil.

Profesorul: Din moment ce ai mai fdcut-o odatd...

Chipimia I: Nu insistapi! Dacd vd spurt cd nu pot3 Cnseamnd cd nu pot! Nu nä ajutd nervii! la ducepi gi voi Cn spinare o obse&ie tt«p de doudzeci

de ani gi ed vedem dacd vd mai convine ed riscafi tncd und SCnt la capd-tul puterilor. N~am tnchis ochii toatd noaptea. Mi-e fricd!

Filozofui: fi-e fricd de el?

Chipimia I: Firegte, Degi pare bltnd gi la locul lui, eine gtie ce reacpie poate avea la un moment dat. Dacd are gi el aceeagi intenpie? (Profesorul

gi Filozofui se privesc ilwrinapi»)

Profesorul :Ai dreptate. Vom proceda altfei*"

"Der Professor:.., Du wirst den Typen bearbeiten, (Macht die Geste des Er-würgens nach.)

Chitimia I (Entschlossen): Nein!

Der Philosoph: Warum?

Im Dokument nach 1945 Die rum änische Dramatik (Seite 90-94)