• Keine Ergebnisse gefunden

2 SCHRIFTTUM

2.3 Genetisch identische Nachkommen

Der Begriff Klon kommt aus dem Griechischen, bedeutet Ast oder Zweig und ist deshalb meist für eine asexuelle Vermehrung, wie Knospung und Sprossung, gebraucht worden, was beinhaltet, dass die Nachkommen genetisch identisch zu dem Elternteil sind. Im Pflanzenreich treten häufig Klone auf (z. B. Kartoffeln). Beim Säuger wird der Begriff für die Erstellung genetisch identischer Nachkommen gebraucht. In der Natur wird dieses Phänomen selten beobachtet, jedoch werden bei bestimmten Gürteltierarten bis zu 10 genetisch identische Nachkommen festgestellt.

Bei landwirtschaftlichen Nutztieren treten monozygote (eineiige) Zwillinge dagegen selten auf. Die Häufigkeit ihres Auftretens ist jedoch nicht exakt bekannt, da Nachkommen im allgemeinen nicht auf den Grad ihrer Verwandschaft hin analysiert werden (NIEMANN u. MEINECKE 1993). Auf artifizielle Art können beim Säuger genetisch identische Mehrlinge durch verschiedene Eingriffe bei frühen Embryonalstadien erzeugt werden. Hierzu gehören die Isolierung frühembryonaler Blastomeren und die mikrochirurgische Embryonenteilung zur Erzeugung monozygotischer Zwillinge, sowie das Klonen durch Kerntransfer. Bei monozygoten Zwillingen ist davon auszugehen, dass sie genetisch weitestgehend identisch sind, im Gegensatz zum Kerntransfer, bei dem Variationen auf Seiten der Eizelle in Kauf genommen werden müssen.

2.3.1 Monozygote Zwillinge durch Blastomeren-Isolierung

Die ersten Versuche zur Isolierung frühembryonaler Blastomeren wurden in den 60er und 70er Jahren an Labornagern durchgeführt. Im Gegensatz zur Situation bei den landwirtschaftlichen Nutztieren, waren damals bereits für Embryonen der Labortiere Kulturmedien verfügbar, die es erlaubten, einen Embryo über mehrere Tage zu inkubieren, sein Schicksal zu verfolgen, und ihn anschließend zu transferieren. Erst 1979 wurde diese Barriere für landwirtschaftliche Nutztiere, durch die Entwicklung einer temporären in vivo Kultur für Embryonen im Eileiter von Schafen oder Kaninchen, überwunden (WILLADSEN 1979). Dazu wird zuerst die Zona pellucida enzymatisch oder chemisch entfernt, gefolgt von einer kurzzeitigen Inkubation in

kalzium- und magnesiumfreien Medium, um die interzellulären Verbindungen zu lockern. Danach schließt sich die mechanische Separation der Blastomeren des frühen Embryos durch sanftes Pipettieren an. Die vereinzelten Blastomeren werden dann in eine leere Zona pellucida übertragen, und anschließend in Agarzylinder verpackt. Daraufhin wird eine Übertragung in die abgebundenen Eileiter, beispielsweise von Schafen und Kaninchen, vorgenommen, aus denen die Embryonen nach 4-6 tägiger in vivo Kultur zurückgewonnen werden. Blastomeren, die sich bis zur Blastozyste entwickelt haben, können dann aus dem Agar befreit und auf die endgültigen Empfängertiere übertragen werden (WILLADSEN 1979). Dieses Verfahren ist erfolgreich bei der Spezies Rind (WILLADSEN u. POLGE 1981), Schaf (WILLADSEN 1979; WILLADSEN 1980), Schwein (ROBL u. FIRST 1985) und Pferd (ALLEN u. PASHEN 1984) angewandt worden, und hat gezeigt, dass beide Blastomeren des 2-Zellembryos die Potenz besitzen, sich zu einer Blastozyste und nach Transfer in normale Jungtiere zu entwickeln. Beim Rind ist es gelungen durch Isolation der Blastomeren eines 4-Zellembryos 4 genetisch identische Kälber zu erhalten (JOHNSON et al. 1995). Bei Schaf und Schwein können sich mit dieser Methode sogar isolierte Blastomeren des 8-Zellembryonen zu normalen Jungtieren entwickeln (WILLADSEN 1980; SAITO u. NIEMANN 1991). Die Zeitpunkte der Teilungen und der Blastozystenbildung sind durch die Zellreduzierung am Anfang nicht verändert. Die Halben-, Viertel- oder Achtelembryonen bildeten zum gleichen Zeitpunkt wie normale Embryonen ein Blastozoel aus, wobei jedoch die Anzahl der Zellen in der ICM, in Abhängig vom Teilungsstadium der isolierten Stammblastomere, reduziert ist (WILLADSEN u. POLGE 1981). Hierauf führt man die fehlende Entwicklungsfähigkeit isolierter Blastomeren aus fortgeschritteneren Entwicklungstadien zurück (zum Überblick: NIEMANN & MEINECKE 1993).

2.3.2 Monozygote Zwillinge durch mikrochirurgische Teilung

Für die mikrochirurgische Embryonenteilung werden meist Morula- oder Blastozystenstadien (ca. 40-80 Zellen) verwendet, da diese Stadien die Zona pellucida für ihre weitere Entwicklung nicht mehr unbedingt benötigen (WARFIELD et al. 1987) und direkt im Anschluss an die mikrochirurgische Teilung in den Uterus eines Rezipienten transferiert werden können (OZIL et al. 1982). Die Teilung der Embryonen erfolgt dabei mikrochirurgisch möglichst exakt in zwei Hälften, bei annähernd gleichgroßer Aufteilung der ICM. OZIL et al. (1982) ermittelten nach Transfer von 28 „Hälften“ 15 implantierte bovine Feten, was einer Trächtigkeitsrate von 53,5% entspricht. In einem weiteren Versuch teilte diese Arbeitsgruppe 11 Blastozysten und erhielt nach Transfer der 22 „Hälften“ 11 gesunde Kälber (OZIL 1983). Bezogen auf 11 Blastozysten vor der Teilung entspricht dies einer Geburtenrate von 100%. Da nach Transfer ungeteilter Embryonen Trächtigkeitsraten von etwa 60-70% erreicht werden können, kann die mikrochirurgische Teilung beim Rind zu einer deutlichen Effizienzsteigerung führen. Vergleichbare Entwicklungsraten können auch bei den kleinen Wiederkäuern (WILLADSEN u. GODKE 1984) erzielt werden. Im Gegensatz dazu ist die Effizienz beim Schwein, wo sich aus 100 transferierten „Hälften“ etwa 20 Ferkel entwickeln können, deutlich geringer (NAGASHIMA et al. 1989; REICHELT u. NIEMANN 1994). Eine wiederholte Teilung der Hälften zur Generierung einer größeren Anzahl genetisch identischer Nachkommen scheitert zumeist am Unterschreiten einer kritischen Zellzahl, die für die Aufrechterhaltung einer Embryonalentwicklung erforderlich ist (zum Überblick:

NIEMANN & MEINECKE 1993; NIEMANN & RATH 2001b).

2.3.3 Genetisch identische Mehrlinge durch Kerntransfer

Das Verfahren des Kerntransfers geht auf Arbeiten von Hans Spemann zurück, in denen er nachweisen konnte, dass sich normale Nachkommen aus einem der vielen embryonalen Kerne beim Wassermolch entwickeln konnten. Er berichtete 1938, dass er bereits 1905 mit einem Babyhaar eine Ligatur durch die befruchtete Eizelle (Zygote) eines Wassermolchs gelegt hatte. Daraufhin begann sich die Hälfte mit dem

Kern normal zu teilen, und im 16-Zellstadium wanderte ein Kern in die kernlose Hälfte. Nachdem beide Hälften durch vollständiges Festziehen von einander getrennt wurden, entwickelten sich aus beiden Hälften zwei identische Larven. Auf Grundlage dieser Befunde entwickelte Spemann das Konzept des Kerntransfers, wie es noch heute bekannt ist. Später konnte durch Transfer von Kernen differenzierter Zellen in aktivierte unbefruchtete Froscheier eine Embryonalentwicklung induziert werden (BRIGGS u. KING 1952). Bei der Gattung Xenopus (Krallenfrosch) führte der Transfer einzelner Kerne zu lebenden Fröschen (GURDON 1962). Bei der Amphibienart Rana pipiens (Leopardenfrosch) wurden sogar fortgeschrittene Kaulquappenstadien erreicht, wenn Kerne aus Erythrozyten und Leukozyten in entkernte Empfängeroozyten injiziert worden waren (LEONARD et al. 1982;

DIBERARDINO 1987). Diese Erkenntnisse flossen jedoch erst in den 70er-Jahren in Arbeiten mit kleinen Säugern ein, nachdem verfeinerte optische und mikrochirugische Geräte und Techniken zur Verfügung standen. Illmensee und Hoppe entfernten mit einer feinen Glaspipette in einem Arbeitsgang den Vorkern einer Mauszygote und injizierten im Austausch einen Kern der ICM-Zelle eines frühen Embryos. Dieses Verfahren erbrachte bei niedriger Effizienz lebende Nachkommen (HOPPE u. ILLMENSEE 1982), löste jedoch aufgrund fehlender Reproduzierbarkeit (McGRATH u. SOLTER 1984) kontroverse Diskussionen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft aus. Wesentliche Innovationen waren der Zusatz von Cytochalasin B, einem Pilzprodukt, das die Oozyte durch Abbau des Zytoskelettes weitestgehend resistent gegen den mikochirurgische Eingriff macht (McGRATH u. SOLTER 1983), sowie der Transfer des membranumschlossenen Spenderkerns per Fusion durch das Sendai-Virus (GRAHAM 1969). Im Rahmen dieser Versuche konnte nach Austausch von Vorkernen durch Kerne im 2-Zellstadium eine normale Entwicklung beobachtet werden, nach Transfer von Kernen im 8-Zellstadium jedoch nicht (McGRATH u.

SOLTER 1984). Andere Arbeitsgruppen wählten die kernlose Hälfte einer unbefruchteten Eizelle (MII-Oozyte) als Empfänger, was aber eine artifizielle Aktivierung erforderlich macht. Aus einer solchen geteilten Empfängeroozyte wurde nach Transfer des Kernes eines 8-Zellers im Jahre 1986 das erste geklonte

landwirtschaftliche Nutztier, ein Schaf, geboren (WILLADSEN 1986). Auf der Suche nach einem Spenderzelltyp, der sowohl eine Entwicklung nach Kerntransfer unterstüzt, als auch in großer Anzahl zur Verfügung steht, konzentrierten sich nachfolgene Autoren auf ICM-Zellen (COLLAS u. BARNES 1994). Dies resultierte im Jahre 1994 in der Geburt von Kälbern nach Kerntransfer von ICM-Zellen (KEEFER et al. 1994), sowie in der Geburt von Lämmern nach Kerntransfer in vitro kulivierter ICM-Zellen eines 13 Tage alten Embryos (CAMPBELL et al. 1996b). Im darauf folgendem Jahr wurden schließlich lebende Lämmer aus in vitro kultivierten fetalen Fibroblasten, sowie ein lebendes Lamm, das auf eine in vitro kultivierte adulte Euterzelle zurückging, geboren (WILMUT et al. 1997). Letztgenanntes Lamm, das auf den Namen „Dolly“ getauft wurde, erlangte weltweite Bekanntheit. Es war, nachdem seine Identität durch die Ergebnisse von DNA-Mikrosatelliten-Analysen (ASHWORTH et al. 1998) und DNA-Fingerprinting (SIGNER et al. 1998) eindeutig belegt werden konnte, der lebende Beweis, dass die Zelldifferenzierung späterer Entwicklungsstadien nicht auf Genverluste oder irreversible Abschaltung von Gensequenzen zurückzuführen ist, und dass selbst ein hochdifferenzierter Zellkern zurückprogrammiert werden und danach eine vollständige Embryogenese durchlaufen kann (WILMUT et al. 1997).