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Es gehört zum immanenten Sinn des Versprechens, daß der Versprechende den Bedarf des Versprechensempfängers notfalls mit Substitutionsgütern, insbesondere Geld deckt

(Baller-stedt, Festschrift Nipperdey [1955], S. 271). Die Vertragstreue endet also, wie beispielsweise der § 437 BGB und die rechtliche Identität von Naturalleistungs- und Schadensersatzpflicht aus § 325 BGB (Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts [SchR], Bd. I, 10. Aufl. S. 243 [anders 11. Aufl. S. 270]; Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse [SchR], S.208; Esser, Schuldrecht [SchR], Bd. I, 4. Aufl., S. 358; Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 227ff; Brehm, JZ 74, 575; ablehnend Meincke, AcP 171 [1971], 28ff m. w. Nachw., der die Schadensersatzpflicht vom Versprechen löst, indem er die Unmöglichkeit zum eigenständigen, anspruchsbegründenden Tatbestand erhebt) zeigen, nicht schon bei der Unmöglichkeit der Naturalerfüllung. (Rabel, Festschrift Bekker, S. 178 ff; Stoll, Die Lehre von den Leistungsstö-rungen, S. 31; Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 46f).

I. Die Gefahr nutzlosen Aufwandes bei Primärzweckstörungen und § 323 I BGB Zur ratio des § 323 I B G B , der d e m Schuldner bei Unmöglichkeit der L e i s t u n g (Primärzweckstörungen) den A n s p r u c h auf Vergütung entzieht u n d damit für i h n den Einsatz seiner sachlichen u n d personellen M i t t e l wertlos werden läßt, hat sich bislang n o c h keine einheitliche M e i n u n g herauskristallisiert. I m wesentlichen w e r -den z w e i W e r t u n g e n ins Feld geführt.

M a n c h e S t i m m e n i n der L i t e r a t u r6 sehen das tragende Wertungselement i n der Gleichheit der Gefahrenbelastung, m i t der Schuldner u n d Gläubiger i m Falle einer Primärzweckstörung z u rechnen hätten. § 323 I B G B habe die R i s i k e n so verteilt, daß die F o l g e n einer nicht z u vertretenden Leistungsunmöglichkeit stets jede der Parteien gleichmäßig treffe; keiner der Vertragspartner solle aus einem d u r c h eine Unmöglichkeit der Erfüllung gestörten Vertrag einen G e w i n n z u Lasten des ande-ren Teiles ziehen.

D i e i n § 323 I B G B realisierte Symmetrie der Risikobelastung bleibt jedoch for-m a l .7 I n wirtschaftlicher Betrachtungsweise fehlt die „Gleichheit" der R i s i k e n n a hezu gänzlich. W e r d e n w i e bei den meisten Austauschgeschäften Sach oder D i e n s t -leistungen gegen G e l d z a h l u n g erbracht, so sind nämlich die für den Gläubiger m i t der Erfüllung seiner Geldschuld verbundenen Gefahren regelmäßig bedeutend ge-ringer als die R i s i k e n , die bei der Erfüllung des A n s p r u c h s auf Dienste oder die Verschaffung v o n Sachwerten auftreten.

E b e n s o w e n i g k a n n man v o n einer Parität der R i s i k o f o l g e n sprechen, w e n n auf das Ausmaß der Verluste abgehoben w i r d . Z w a r w e r d e n die R i s i k o f o l g e n d u r c h § 323 I B G B auf beide Parteien verteilt: der Gläubiger hat den A u s f a l l der geplanten B e -dürfnisbefriedigung z u tragen, während der Schuldner auf die erhoffte Gegenlei-stung verzichten m u ß . Parität existiert also insoweit, als jeder T e i l die sich i n seinem Bereich auswirkenden Nachteile zugewiesen erhält. D i e Parität verhindert aber nicht, daß normalerweise gerade bei Kaufverträgen, an denen der Gesetzgeber offensichtlich die Regeln des funktionellen Synallagmas entwickelt hatte, die w i r t -schaftlichen A u s w i r k u n g e n einer Primärzweckstörung stark voneinander abwei-chen. W i r d das K a u f o b j e k t ohne V e r s c h u l d e n des Verkäufers zerstört, so bedeutet das nach der Regelung des § 323 I B G B noch nicht, daß der Gläubiger n u n auf die

6 Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, S. 118, 123; Esser, SchR I, 4. Aufl., S. 223f; Esser-Schmidt, Schuldrecht (SchR), Bd. I 1, S.252; ähnlich v.

Schenck, Der Begriff der „Sphäre" in der Rechtswissenschaft, S. 265; Trautmann, Gruch 59, 451; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 28.

7 „Formal" ist die „ Gleichheit" freilich dann nicht, wenn man sie als Gegenposition zu älteren Regelungen begreift, denen zufolge die Verpflichtungen beider Parteien völlig selbstän-dig waren, so daß der andere Teil trotz der Ungültigkeit seiner eigenen Verpflichtung die Gegenleistung verlangen konnte. Insofern entspricht es der Gleichheit, daß der eine „nicht mehr einziehen solle, als er ausgebe" (Jörgensen, Festschrift Larenz, S. 553 f). Dieses Ziel wird durch einen Fortbestand der Gegenleistungspflicht jedoch nicht in Frage gestellt, wenn das zu leistende Gut untergegangen ist, die Partei also das Gut im Austauschprozeß schon „ausgege-ben" hat, auch wenn das Gut nicht beim Leistungsempfänger angelangt ist.

Befriedigung seines Bedürfnisses gänzlich verzichten müßte. I h m verbleibt ja das von i h m versprochene Entgelt, das er z u m E r w e r b eines gleichartigen Gegenstandes einsetzen k a n n . N u r recht selten w i r d das verkaufte O b j e k t so einzigartig sein, daß mit seinem U n t e r g a n g der Bedarf des Käufers ungedeckt bleiben müßte u n d der Käufer selbst unter A b s t r i c h e n sein Z i e l nicht mehr erreichen könnte. E i n e w i r k l i c h gleichmäßige Belastung mit dem R i s i k o der Unmöglichkeit k a n n n u r d u r c h eine 50-prozentige Beteiligung beider Parteien an der Summe aller R i s i k o f o l g e n erreicht werden. Diese F o r m der R i s i k o z u r e c h n u n g hat die erste K o m m i s s i o n8 indessen ausdrücklich abgelehnt: „ D i e Gefahr zwischen beiden Vertragsschließenden z u theilen, w i e neuerdings . . . aus angeblichen ethischen oder Billigkeitsgründen v o r -geschlagen w o r d e n (ist), hieße, einen jeder juristischen G r u n d l a g e entbehrenden Satz anzunehmen, welcher alle Schwierigkeiten u n d Streitfragen, welche das römi-sche P r i n z i p (seil.: p e r i c u l u m est emptoris) hervorgerufen hat, i n verstärkter u n d vermehrter A u f l a g e i m Gefolge hätte."

D i e herrschende M e i n u n g versucht denn auch die ratio des § 323 I B G B weniger v o n der formalen Gleichheit der Risikobelastung her als vielmehr i n p s y c h o l o g i -scher Betrachtungsweise d u r c h den A u s t a u s c h z w e c k b z w . die subjektive Äquiva-lenz z u erklären: Jede Partei verpflichte sich z u ihrer L e i s t u n g , u m dadurch die andere Partei z u r Gegenleistung z u verpflichten;9 mit dem eigenen Vermögensopfer werde der Leistungserfolg b e z w e c k t .1 0 D a s Streben nach subjektiver Äquivalenz w i r d herausgestrichen, w e n n betont w i r d , daß jeder Vertragspartner eine B e w e r t u n g von Leistung u n d Gegenleistung vornehme u n d der A u s t a u s c h zustande k o m m e , falls jedem T e i l die Leistung des anderen die eigene wert sei.1 1 D i e eigene Leistung werde als bestimmungsgemäßer Gegenwert i n der F o r m zugesagt, daß sie als Äqui-valent versprochen w e r d e .1 2 Daraus w i r d der Schluß gezogen, daß jeder d e m ande-ren erkennbar nur verpflichtet sein w o l l e , gegen Erhalt der Gegenleistung z u erfül-l e n .1 3 D e r § 323 I B G B trage m i t h i n einem „urwüchsigen E m p f i n d e n "1 4 R e c h n u n g , demzufolge jede Vertragspartei z u r L e i s t u n g nur unter der „ V o r a u s s e t z u n g "1 5 ver-pflichtet sei, daß auch der Gegner seinerseits erfüllt.

N u n ist die Aussage sicher richtig, daß die Parteien bei jedem vertraglichen A u s -tauschverhältnis eine Leistung n u r deshalb versprechen, weil sich i h r jeweiliger Vertragspartner auch seinerseits z u einer Leistung verpflichtet. E b e n s o richtig ist es auch, daß die A n g e b o t s - u n d Nachfrageentscheidungen auf einer Abwägung der

8 Motive zum Entwurf eines BGB (Mot.), Bd. II, S. 207; vgl. auch Dubischar, Festschrift L.

Raiser, S. 105.

9 Larenz, SchR I, S. 166; ähnlich betonen die finale Struktur des Versprechens Esser, SchR I, 4. Aufl., S. 103; Fikentscher, Schuldrecht (SchR), S. 37f; Medicus, Bürgerliches Recht, S. 94.

10 Heck, Schuldrecht (SchR), S. 126.

u A. Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, S. 105; Palandt-Heinriebs, BGB, vor §320 Anm. 1 caa.

12 Enneccerus-Lehmann, SchR, S. 138.

13 Larenz, SchR I, S. 166f, 253; Heck, SchR, S. 126; Fikentscher, SchR, S. 37.

14 Hedemann, Festschrift Rosenthal, S. 186, 211 f.

1 5 Wilburg, AcP 163, 353.

V o r - u n d Nachteile beruhen, die einerseits v o n der eigenen Leistung u n d anderer-seits v o n der Gegenleistung erwartet werden. N u r w e n n jeder der Kontrahenten sich v o n der Gegenleistung mehr Vorteile verspricht als v o m Behalten der eigenen L e i s t u n g b z w . ihrem Einsatz z u anderen Geschäften, w i r d er die subjektive Äquiva-lenz des Austausches bejahen u n d sich v o n seinem Leistungsobjekt trennen wollen.

Diese subjektive Äquivalenzentscheidung w i r d nachhaltig enttäuscht, sobald die Gegenleistung ausbleibt. V o n daher k a n n m a n i n der Tat eine1 6 W u r z e l des § 323 I B G B i n der D u r c h k r e u z u n g der subjektiven Äquivalenzentscheidung des jeweiligen Nachfragers erblicken. M a n darf allerdings nicht den Fehler begehen, hierin die alleinige W u r z e l z u sehen. § 323 I B G B schreibt nämlich nicht n u r vor, den Gläubi-ger aus seinem Gegenleistungsversprechen z u entlassen, falls die Gegenleistung aus-bleibt, sondern begrenzt zugleich auch die Relevanz subjektiver Äquivalenzstörun-gen auf das Unmöglichwerden der Leistung. Würde m a n der psychologisch begrün-deten Austauschidee u n d damit d e m subjektiven Äquivalenzgedanken w i r k l i c h den R a n g einräumen, der i h m z u r Erklärung des § 323 I B G B gemeinhin zuerkannt w i r d , so müßte m a n weit häufiger die Entgeltgefahr d e m Schuldner auferlegen; denn in psychologischer Sicht ist die eigene Leistung lediglich M i t t e l , u m einen konkreten Bedarf z u decken. D e r v o m Vertragspartner versprochene E r f o l g ist auf diesem Wege n u r Zwischenstation z u m eigentlich angestrebten Z i e l . Jede Verschiebung der für die Bedürfnisbefriedigung relevanten Faktoren, u n d sei es auch n u r , daß andere z u r Bedarfsdeckung besser geeignete Güter aufgetaucht sind, erschüttert mit der subjektiven Äquivalenz auch den W u n s c h nach A u s t a u s c h .1 6 3 Könnte sich der Sach-leistungsgläubiger frei entscheiden, so würde er auf den A u s t a u s c h verzichten u n d die A u f w a n d s - u n d Kapazitätsgefahr d e m Schuldner z u w e i s e n .1 7 Entscheidend für den Gerechtigkeitsgehalt des § 323 I B G B ist m i t h i n neben d e m G e d a n k e n , daß der Gläubiger die v o n i h m zugesagte Gegenleistung n u r hergeben w i l l , w e n n i h m der Schuldner seinerseits einen V o r t e i l verschafft, diejenige Wertung, die dazu führt, daß der Gläubiger aus seinem Versprechen entlassen w i r d , falls dieser gerade wegen der Unmöglichkeit der Leistung den erwarteten V o r t e i l nicht z u ziehen vermag, während er in anderen Konstellationen, i n denen der V o r t e i l ebenfalls ausbleibt, an seinem Versprechen festgehalten w i r d .

M a n kann sich hier des E i n d r u c k e s nicht erwehren, daß diese W e r t u n g weniger i m Bereich der materiellen Vertragsgerechtigkeit, denn auf d e m B o d e n der V e r k e h r s -und Rechtssicherheit angesiedelt ist. D a s D e f i z i t an materieller

Vertragsgerechtig-1 6 Vgl. auch Schmidt-Rimpler, Die Gegenseitigkeit bei einseitig bedingten Verträgen, insbe-sondere bei Versicherungsverträgen, S. 59, der der h. M . vorwirft, sie würde nur auf ein Motiv der Vereinbarung von Verträgen hinweisen.

1 6 3 Zutreffend im Ergebnis Dubischar, Festschrift Raiser, S. 106 f.

1 7 Kritisch auch Beuthien, Zweckerreichung aaO., S. 116; van den Daele, Probleme aaO., S. 15; v. Schenck, Sphäre aaO., S. 269; E. Wolf, Das Arbeitsverhältnis, S. 88. Die Ansicht Schmidt-Rimplers, Gegenseitigkeit aaO., S. 59ff, die subjektive Äquivalenz sei Geschäfts-grundlage, führt nicht weiter, da offen bleibt, warum die Geschäftsgrundlage rechtserheblich ist.

keit zeigt sich nämlich n u r z u deutlich i n den Fällen, i n denen die L e i s t u n g d u r c h eine Störung unmöglich w i r d , die aus der Sphäre des Gläubigers stammt. Stirbt beispielsweise der Schüler, so hat der Lehrer gemäß § 323 I B G B m i t d e m Fortfall des Vergütungsanspruches die K o n s e q u e n z e n einer nutzlosen B i n d u n g seiner L e i -stungskapazität1 8 auf sich z u nehmen, o b w o h l er an sich v o l l leistungsfähig ist u n d das Leistungshindernis i m Bereich des Gläubigers entstanden ist, w o es der S c h u l d -ner weder z u steuern n o c h besser als der Gläubiger e i n z u k a l k u l i e r e n in der Lage war.

D i e unzulängliche Berücksichtigung der materiellen Austauschgerechtigkeit k o m m t allerdings v o l l der Praktikabilität der R i s i k o v e r t e i l u n g s n o r m zugute.

Dies tritt besonders klar bei der A b g r e n z u n g z w i s c h e n der Gefahrtragung bei der nicht z u vertretenden Unmöglichkeit (§ 323 I B G B ) u n d d e m Gläubigerverzug ( § § 2 9 3 f f , 324 II B G B ) i n Erscheinung.

D i e § § 300 bis 304 B G B sowie die § § 324 II, 615, 642 B G B z w i n g e n z u d e m Schluß, daß nach der ursprünglichen gesetzlichen K o n z e p t i o n n u r derjenige Schuldner den Vergütungsanspruch behält u n d damit v o n der G e f a h r nutzlosen A u f w a n -des befreit w i r d , der die infolge der mangelnden M i t w i r k u n g -des Gläubigers unter-bliebene L e i s t u n g nachzuholen imstande i s t .1 9 U n v e r s c h u l d e t e Störungen, die der Sphäre des Gläubigers entspringen, führen m i t h i n nur d a n n z u einer Z u r e c h n u n g des R i s i k o s an den Gläubiger, w e n n sie sich (zunächst) lediglich i n der F o r m v o n Leistungsverzögerungen ausgewirkt haben. W i r d die L e i s t u n g hingegen sofort u n -möglich, so hat der Schuldner die Preisgefahr unabhängig d a v o n auf sich z u nehmen, welcher Sphäre die Störung entspringt. D u r c h diese Lösung des R i s i k o v e r t e i -lungsproblems ersparte sich der Gesetzgeber die schwierige D e f i n i t i o n der , , i n der Sphäre des Gläubigers" liegenden Störungen b z w . der „abstrakten Leistungsfähig-k e i t " des Schuldners.2 0 B e i bloßen Leistungsverzögerungen taucht das P r o b l e m , die abstrakte Leistungsfähigkeit näher z u bestimmen u n d die hierfür relevanten K r i t e -rien z u entwickeln, nicht auf, da bei ihnen die K o n s t a n z der k o n k r e t e n Leistungsfä-higkeit Tatbestandsmerkmal ist. D i e E n t s c h e i d u n g über die A b g r e n z u n g der für die R i s i k o z u r e c h n u n g maßgeblichen Sphären fällt nämlich erst dann schwer, w e n n die Erfüllung der V e r p f l i c h t u n g endgültig unmöglich geworden ist. D i e s hat die D i s -kussion u m die Z w e c k v e r e i t e l u n g s p r o b l e m a t i k2 1 n u r z u deutlich gezeigt.

W i e sehr die Praktikabilität dieser Risikoverteilung dem historischen Gesetzgeber am H e r z e n lag, erhellen auch die M o t i v e . D o r t w i r d die Regel des § 323 I B G B mit

1 8 Zur Klarstellung sei angemerkt, daß in diesem Fall der Lehrer seine Arbeitskraft, die er bereitgehalten hatte, nicht mehr rechtzeitig anderweit einsetzen kann und daß davon auszuge-hen ist, daß er die Chance besessen hatte, seine Leistung ungestört an andere Nachfrager zu erbringen, die er nur deshalb nicht genutzt hatte, weil seine Arbeitskraft bereits vertraglich gebunden war.

19 Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage bei Zweckstörungen im Schuldverhält-nis, S. 25 f; Kress, Allgemeines Schuldrecht, S. 100.

20 Erman-Battes, BGB, vor § 293, Anm. 6ff.

2 1 Vgl. unten S.62ff.

dem A r g u m e n t verteidigt, daß sich anhand des § 323 I B G B zugrunde liegenden P r i n z i p s die aus d e m G e m e i n e n Recht bekannten Schwierigkeiten u n d Streitfragen leicht lösen ließen.2 2 D a d u r c h würde die Einfachheit u n d Klarheit des E n t w u r f e s wesentlich g e w i n n e n sowie die Rechtssicherheit i n h o h e m M a ß e gefördert werden.

Diese Erwägung hinderte später die zweite K o m m i s s i o n2 3 an einer stärkeren Beto-nung d e r materiellen Austauschgerechtigkeit. B e i einer V e r w e n d u n g des Begriffes

„ S p h ä r e " befürchtete sie zahlreiche Z w e i f e l u n d Streitigkeiten, die es z u vermeiden gelte. A u c h das für eine spezifisch werkvertragliche Risikoverteilung vorgeschlagene K r i t e r i u m des „bei dem Besteller eingetretenen U m s t a n d e s " , das eine großzügige D u r c h b r e c h u n g des § 323 I B G B u n d eine verfeinerte Risikobelastung ermöglichen sollte, entbehrte ihrer A n s i c h t zufolge der notwendigen Bestimmtheit. E s sei völlig unpraktikabel. D i e zweite K o m m i s s i o n konnte sich daher nur dazu bereit finden, i n

§ 645 I B G B für einige kasuistisch erfaßte F o r m e n der Leistungsstörung eine besser den Beherrschungs- u n d Kalkulationsmöglichkeiten der Parteien angepaßte Sonder-regelung einzuführen. D i e D i s k r e p a n z z w i s c h e n dem G e d a n k e n einer materiell an-gemessenen R i s i k o z u r e c h n u n g u n d der Rechtssicherheit blieb somit i m G r u n d s a t z bestehen.

II. Die Verteilung des Risikos der Aufwandserhöhung

D i e gleiche U b e r b e w e r t u n g der Rechts- u n d Verkehrssicherheit z u Lasten mate-rieller Zurechnungsgesichtspunkte läßt sich auch bei der V e r t e i l u n g des R i s i k o s der Aufwandserhöhung konstatieren. D e r B e z u g z u r materiellen Austauschgerechtig-keit m u ß unzulänglich bleiben, w e n n m a n die F u n k t i o n des in den § § 275, 279 B G B verwendeten Unmöglichkeitsbegriffes ausschließlich darin erblickt, daß er eine v o r gegebene Schranke des Versprechens klarstellt, u n d dabei übersieht, daß damit z u -gleich d e m Schuldner das volle R i s i k o der Aufwandserhöhung bis z u r G r e n z e der Unmöglichkeit zugerechnet w i r d . Diesen Standpunkt hat aber die erste K o m m i s -s i o n2 4 e i n g e n o m m e n . In A n l e h n u n g an die römisch-rechtliche T r i v i a l l o g i k2 5 der K l a g e f o r m e l ,2 6 derzufolge das Versprechen seine W i r k u n g nur zeitigen k a n n , so-lange die L e i s t u n g „in n a t u r a " möglich ist,2 7 begnügte sie sich, den § 275 B G B mit dem A r g u m e n t z u begründen, „daß diese Unmöglichkeit, solange u n d soweit sie reicht u n d v o m Schuldner nicht z u vertreten ist, die V e r b i n d l i c h k e i t ausschließt,

2 2 Mot. II, S. 206f; vgl. auch Dubischar, Festschrift L. Raiser, S. 105, 118.

2 3 Protokolle der Kommission für die Lesung des zweiten Entwurfes des BGB (Prot.), S.334.

2 4 Mot. II, S.45.

25 Wollenschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 184; Röbel, Festschrift Bek-ker, S. 176ff.

26 Rubel, Festschrift Bekker, S. 193 ff; ebenso Wieacker, Festschrift Nipperdey (1965) Bd. I, S. 802; Wollenschläger, Unmöglichkeitslehre aaO., S. 10f, 37; kritisch Medicus, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Rom. Abt., Bd. 86 (1969), S. 70ff.

2 7 So auch deutlich Staudinger-Weber, BGB, § 242 Anm. B 74f; Kiel, Gruch 66, 142; Soer-gel-R. Schmidt, BGB, vor § 275 Anm. 20.

entspricht der N a t u r der Sache u n d d e m geltenden R e c h t " . D i e Frage der Z u o r d -nung v o n R i s i k e n der Aufwandserhöhung w u r d e i n diesem Z u s a m m e n h a n g offen-sichtlich als nicht weiter problematisch angesehen, da die Z u r e c h n u n g sämtlicher R i s i k e n der Aufwandserhöhung als selbstverständliche Folge des Versprechens z u betrachten s e i .2 8

Eine nähere A n a l y s e der auf dem Unmöglichkeitsgedanken aufbauenden Z u r e c h -nung der Leistungserschwerungsrisiken legt die V e r m u t u n g nahe, daß weitere2 9

Zurechnungsgesichtspunkte, die über die bloße Tatsache, daß der Schuldner die Leistung zugesagt hat, hinausgehen, eine R o l l e gespielt haben. So spricht vieles dafür, daß der Gesetzgeber mit der Z u r e c h n u n g des R i s i k o s v o n Aufwandserhöhun-gen b z w . M o d i f i z i e r u n g e n des A u f w a n d e s bis z u r G r e n z e der Unmöglichkeit die Wettbewerbsintensität auf den Märkten fördern u n d die individuelle Leistungsfä-higkeit des Schuldners belohnen wollte. Dieser Zurechnungsgedanke w u r d e aller-dings nicht konsequent entfaltet, da hier ebenfalls Rechtssicherheitserwägungen der V o r r a n g eingeräumt w u r d e .

D e r Wettbewerbsgedanke u n d die Idee einer O p t i m i e r u n g der W a r e n p r o d u k t i o n und -Verteilung durch d e n ungestörten Einfluß der Marktkräfte setzte sich i m 19. Jahrhundert auch i m R a h m e n der Unmöglichkeitslehre durch u n d führte z u einer M o d i f i z i e r u n g des Ausmaßes, i n d e m das R i s i k o v o n Aufwandserhöhungen dem Schuldner zugerechnet w u r d e .

D i e K a n o n i s t i k u n d die scholastische M o r a l t h e o l o g i e hatten wie v o n W o l l e n -schläger3 0 herausgearbeitet w u r d e - z u d e m Unmöglichkeitsgedanken einen v o m römischen Recht unabhängigen Z u g a n g gewonnen. Sie setzten den Unmöglichkeitsgedanken z u m Schutz des leistungsschwachen Schuldners ein, der selbst d u r c h -schnittlichen A n f o r d e r u n g e n nicht gewachsen war. Ihre Überlegungen konzentrier-ten sich v o n einem willenstheoretischen A n s a t z her auf das subjektive Erfüllungs-vermögen, die potestas des Versprechenden. D i e auf dieser G r u n d l a g e gewonnenen Resultate w u r d e n später in die Naturrechtsgesetzbücher eingebracht, die den Begriff der Unmöglichkeit i m Sinne v o n Unvermögen verwendeten.3 1 I m 19. Jahrhundert machte sich jedoch ein Bedeutungswandel des Begriffs der Unmöglichkeit bemerk-bar. Während S a v i g n y3 2 noch eine F i k t i o n z u H i l f e nehmen mußte, u m die

befrei-2 8 Vgl. auch Esser, SchR I, 4. Aufl., S. 202, der die Befreiung erst bei Unmöglichkeit und nicht schon bei Leistungserschwerungen als „sinnvoll" bezeichnet. Vgl. aber Fikentscher, SchR, S. 188, demzufolge die Unmöglichkeitsregel eine Konkretisierung von Treu und Glau-ben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte darstellt.

2 9 Zweck des Unmöglichkeitsbegriffes ist natürlich auch die Regelung des Verhältnisses zwischen Naturalerfüllungs- und Geldanspruch, d.h. die Fixierung des Zeitpunktes, von dem an der Gläubiger zum Geldanspruch überwechseln darf. Himmelschein, AcP 135, 258.

30 Wollenschläger, Unmöglichkeitslehre aaO., S. 82ff, 110, 116f.

3 1 Deshalb kann auch nicht der Ansicht Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 135 ff, die subjektive Unmöglichkeit sei nur ein mißglückter Ausdruck für Leistungser-schwerung, gefolgt werden. Näher dazu unten S. 54 ff.

32 Savigny, Obligationenrecht als Teil des heutigen römischen Rechts, Bd. I, S. 384f. Vgl.

hierzu Wollenschläger, Unmöglichkeitslehre aaO., S. 130f, 148, 151, 166.

ende W i r k u n g des Unvermögens bei den für die M a s s e n p r o d u k t i o n u n d die D i s t r i -butionsstufe typischen Gattungsschulden z u verneinen, postulierte B r i n z ,3 3 daß die H a f t u n g alleiniger Gegenstand des Schuldverhältnisses sei. D a m i t verlegte er das Schwergewicht des Schuldverhältnisses v o n den Fähigkeiten des individuellen Schuldners auf das Interesse des Gläubigers an der Bedarfsdeckung u n d entlastete den Gläubiger so v o n der Gefahr, daß sich der Schuldner als ungewöhnlich lei-stungsschwach3 4 erweisen werde. D i e h i e r d u r c h statuierte Irrelevanz persönlicher Leistungsmängel entsprach v o l l k o m m e n der Idee der K o n k u r r e n z u n d Wettbe-werbsauslese i n einer v o n Zunftwesen u n d M e r k a n t i l i s m u s befreiten Wirtschaft. D i e erste K o m m i s s i o n hat sich abgesehen v o m Spezieskauf dem objektiven V e r ständnis des Unmöglichkeitsbegriffes angeschlossen. In bewußter A b k e h r v o m G e -meinen Recht formulierte sie: Reicht das Vermögen des Schuldners nicht h i n , „die Erfüllung z u b e w i r k e n , m a g diese i n der L e i s t u n g v o n G e l d oder anderen Sachen u n d Rechten oder i n der V o r n a h m e einer H a n d l u n g bestehen",3 5 so darf dies die V e r b i n d l i c h k e i t des Schuldners nicht tangieren. „Das entgegengesetzte P r i n z i p würde z u unhaltbaren K o n s e q u e n z e n f ü h r e n . "3 5 W e n n auch die zweite K o m m i s s i o n milder gestimmt war, so unterwarf sie d o c h M a s s e n p r o d u z e n t e n u n d den H a n d e l , die i n der Regel Gattungsschulden vereinbaren, d e m vollen Wettbewerbsdruck, i n d e m sie den Schuldner erst bei objektiver Unmöglichkeit der Leistung aus der V e r b i n d l i c h k e i t entließ.

D i e Z u r e c h n u n g der R i s i k e n erhöhten A u f w a n d e s , gegebenenfalls i n F o r m v o n Schadensersatz, bis z u r G r e n z e der allgemeinen Leistungsfähigkeit schießt freilich über das Z i e l h i n a u s ,3 6 dem Schuldner auch solche R i s i k e n aufzubürden, die ein leistungsfähigerer K o n k u r r e n t hätte bewältigen können. Sie belastet nämlich den Schuldner m i t Störungen, wie Kriegsfolgen oder hoheitlichen Eingriffen, die außer-halb des v o n i h m z u verantwortenden Organisationsbereiches entstanden sind u n d die vielfach offensichtlich unvorhersehbar u n d unüberwindbar sind. In solchen Fäl-len kann nicht allein die Tatsache, daß andere A n b i e t e r derselben Güter leistungsfä-hig geblieben sind, als Indiz für eine unzulängliche Leistungsfäleistungsfä-higkeit dienen. Sie spiegelt lediglich den blinden Z u f a l l w i d e r , der unter Umständen sogar ein an sich leistungsschwaches, k u r z vor dem A u s s c h e i d e n aus dem M a r k t stehendes U n t e r n e h -men verschont hat, während er selbst den bestorganisierten M a r k t t e i l n e h m e r n die Leistungsfähigkeit raubt.

D e r V e r z i c h t auf die A u s f o r m u n g v o n stärker am Wettbewerbs- u n d Leistungs-p r i n z i Leistungs-p ausgerichteten Zurechnungskriterien u n d die ausschließliche V e r w e n d u n g des Unmöglichkeitsbegriffes als Zurechnungsschranke dürfte auch hier stark durch V e r k e h r s u n d Rechtssicherheitserwägungen gefördert w o r d e n sein. D e r U n m ö g -lichkeitsbegriff liefert i m U n t e r s c h i e d z u einer differenzierteren R i s i k o z u r e c h n u n g