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Funktion signifikanter Aminosäuren der ATP-Bindungsregion von GUK1

In den letzten Jahren wurden einige natürliche Mutanten der Guanylatkinase in der Hefe entdeckt, welche durch eine Vielfalt unterschiedlicher Phänotypen gekennzeichnet waren (Lecoq et al., 2000; Shimma et al., 1997). Die Klasse der bra3-Mutanten wurde ursprünglich aufgrund der Fähigkeit zur Deregulation der de novo Purin-Synthese-Gene identifiziert. Die Mutation der GUK1 führt in bra3-Mutanten zu einer Abnahme der Guanylatkinase-Aktivität um mehr als 90% im Vergleich zu Wild-Typ-Zellen. Die temperatursensitive Hefemutante nes25 ist durch einen Glykosylierungsdefekt gekennzeichnet, der auf einem Mangel an GDP-Mannose beruht, dessen Ursache eine Mutation der GUK1 ist (Shimma et al., 1997).

Die in vivo identifizierten natürlichen GUK1-Mutationen der bra3- und nes25-Komplementationsgruppen wurden in dieser Arbeit biochemisch und kinetisch charakterisiert.

In der nes25-Mutante wurde durch Sequenzanalyse eine Substitution des Glutamatrestes an Position 139 gegen ein Lysinrest (E139K) identifiziert. Das E139 ist in allen bisher bekannten Guanylatkinasen konserviert und im Kristallstrukturkomplex GUK1⋅GMP an der Peripherie mit Kontakt zum Lösungsmittel lokalisiert. Die E139K-Mutante war als einzige der getesteten GUK1-Mutanten nach Überexpression in E. coli unlöslich. Dies kann ein Hinweis darauf sein,

daß der Glutamatrest eine wichtige Rolle für die Aufrechterhaltung der Tertiärstruktur der GUK1 innehat. Der Austausch des Glutamats mit negativ geladener Seitenkette gegen das Lysin mit positiv geladener Seitenkette könnte zu eine falschen Faltung der Polypeptidketten und anschließender unspezifischer Aggregation der Mutante geführt haben.

Im Gegensatz zur nes25-Mutante waren die drei bra3-Mutanten in E. coli löslich. In den vier Mitgliedern der bra3-Komplementationsgruppe wurden durch Sequenzanalyse drei Punktmutationen der GUK1 identifiziert. In der bra3-1(guk1-1)-Mutante war der Argininrest an Position 132 gegen einen Lysinrest (R132K) ausgetauscht, bra3-2- und bra3-4-Mutanten (guk1-2) besaßen die gleiche G12S-Substitution und in der bra3-3(guk1-3)-Mutante war der Prolinrest an Position 10 gegen einen Leucinrest (P10L) ausgetauscht. Zwei der drei Punktmutationen, nämlich P10L und G12S sind Mutationen des charakteristischen NTP-Bindungsmotivs, dem Phosphat-Loop (P-Loop). Im Gegensatz zu den P-Loop-Mutanten P10L und G12S liegt der Argininrest an Postition 132 außerhalb der Substrat-Bindungsregionen. Sequenzvergleiche der GUK1 mit Adenylat- und Uridylatkinasen zeigen, daß das Arg132 sich im Gegensatz zu den beiden in der GUK1-Sequenz folgenden Argininresten an den Positionen 136 und 147 (korrespondieren mit Arg132 und Arg149 in der Hefe-Adenylatkinase bzw. Arg131 und Arg148 in der Dictyostelium-Uridylatkinase) außerhalb der sogenannten LID-Region befindet (Yan et al., 1990; Schlichting und Reinstein, 1997). Anhand von Mutagenese-Studien an der Adenylat-und Uridylatkinase wurde bereits in früheren Arbeiten gezeigt, daß die Argininreste der LID-Region eine Schlüsselfunktion in der Stabilisation des Übergangszustandes während der Katalyse besitzen, da sie die negative Ladung der übertragenen Phosphorylgruppe neutralisieren (Yan und Tsai, 1999; Schlichting und Reinstein, 1997). Der Austausch der beiden Arginine an den Positionen 131 und 148 gegen Methionin in der Dictyostelium-Uridylatkinase hatte einen 104 bzw. 105fachen Abfall der katalytischen Effizienz (kcat/KM) zur Folge. Im Gegensatz dazu führte der Austausch des zum Arg132 der Hefe-Guanylatkinase korrespondierenden Arg127, welches in der Dictyostelium-Uridylatkinase ebenfalls außerhalb der LID-Region positioniert ist, nur zu einem moderaten Abfall der katalytischen Effizienz (Schlichting und Reinstein, 1997). Die Konservierung dieses Argininrestes in allen bisher bekannten Nukleosid-Monophosphatkinasen weist vermutlich auch ihm eine wichtige Rolle in der Stabilisierung des Übergangszustandes während des Phosphoryl-Transfers zu.

Die drei GUK1-Mutanten ließen sich als Fusionsproteine mit Histidinanhang aus E. coli aufreinigen. Ihre Löslichkeit lag jedoch weit unterhalb jener von Wild-Typ-GUK1. Alle drei Mutanten zeigten darüberhinaus im Vergleich zum Wild-Typ eine deutlich reduzierte

Guanylatkinase-Aktivität. Die Umsatzraten lagen bei 3,1 (R132K), 5,7 (P10L) und 7,8%

(G12S) der Wild-Typ-Aktivität. Die in vitro-gemessenen enzymatischen Aktivitäten entsprachen folglich den in Hefezell-Extrakten gemessenen spezifischen Aktivitäten von 5 – 10%, woraus geschlossen werden konnte, daß die reduzierte Aktivität nicht auf eine unkorrekte Faltung der Polypeptidkette während der heterologen Überexpression in E. coli zurückzuführen war. Alle drei Reste besitzen eine wichtige Funktion in der Katalyse-Reaktion, denn der Anstieg der Michaelis-Menten-Konstanten für das Substrat ATP (KM(ATP)) um den Faktor 13 in den Mutanten P10L und R132K sowie den Faktor 23 in der Mutante G12S im Vergleich zum Wild-Typ deutet daraufhin, daß die schwächere Aktivität auf eine verringerte Affinität der Mutanten zum Substrat ATP zurückzuführen ist. Dies wird durch den 300fachen Abfall der Spezifitätskonstanten kcat/KM(ATP) aller drei Mutanten im Vergleich zum Wild-Typ bestätigt. In Analogie zur Hefe-Guanylatkinase hat der Austausch der korrespondierenden Prolin- und Glycinreste gegen Leucin (P9L) bzw. Valin (G10V) im P-Loop der E. coli-Adenylatkinase einen annähernd übereinstimmenden Anstieg der KM(ATP)-Werte um den Faktor 15 im Vergleich zum Wild-Typ zur Folge. Im Gegensatz zur Guanylatkinase führten beide Mutationen allerdings nur zu einer schwachen Abnahme der spezifischen Aktivität. Der kcat-Wert der P9L-Mutante lag bei 70% und jener der G10V-Mutante bei 25% des Wild-Typs (Reinstein et al., 1988). Aus dem Vergleich der kinetischen Parameter mit der E. coli-Adenylatkinase kann gefolgert werden, daß beide P-Loop-Aminosäuren in der Guanylatkinase eine wichtigere Rolle in der Katalyse besitzen. Interessanterweise haben die Mutationen des ATP-Bindungsmotivs auch einen Einfluß auf die Bindung des zweiten Substrats GMP. Wenngleich die drei- bis vierfache Erhöhung der KM-Werte für die Bindung von GMP in allen drei Mutanten im Vergleich zu jener der Bindung von ATP nur moderat ausfällt, so scheint dies kein Einzelfall in NMPkinasen zu sein. Auch in den Adenylatkinasen aus E. coli und dem Hühnermuskel sowie den Cytidylat-/Uridylatkinasen aus E. coli- und Arabidopsis hatten Mutationen des P-Loops verringerte Affinitäten für das Substrat NMP zur Folge (Reinstein et al., 1990; Byeon et al., 1995; Bucurenci et al., 1996;

Zhou und Thornburg, 1998).

Während die funktionellen Reste der GMP-Bindungsregion anhand der Kristallstruktur der GUK1 in Komplex mit GMP identifiziert sind, liegen bisher erst wenig Daten zur funktionellen Signifikanz bestimmter Reste der ATP-Bindungsregion von Guanylatkinasen vor. Um ein möglichst vollständiges Bild der Auswirkung von Punktmutationen des P-Loops zu erhalten, wurde neben den beiden zuvor untersuchten natürlichen Mutanten auch der kritische Lysinrest an Position 15 der GUK1-Sequenz mutiert. Das konservierte Lysin des P-Loops ist eine der am

eingehendsten untersuchten Aminosäuren ATP- und GTP-bindender Proteine (Reinstein et al., 1990; Tian et al., 1990; Byeon et al., 1995; Sigal et al., 1986). Es bindet direkt an die Phosphatgruppe von ATP und GTP und spielt eine entscheidende Rolle in der Katalyse von Kinasen. Während der Phosphortransferreaktion von Adenylatkinasen sowie Uridylatkinasen interagiert das invariante Lysin des P-Loops zusammen mit den katalytischen Argininen der LID-Region (s.o.) sowie dem Mg2+-Ion mit der übertragenen Phosphorylgruppe und stabilisiert dadurch den Übergangszustand (Byeon et al., 1995; Schlichting und Reinstein, 1997; Yan und Tsai, 1999). In Analogie zur Kristallstruktur von AK3 im Komplex mit AMP (Diederichs und Schulz, 1991) interagiert das P-Loop-Lysin im GUK1⋅GMP-Komplex über eine Salzbrücke mit Asp98 (Asp88 in AK3). Das Asp98 (Asp93 in AK1) bindet über eine elektrostatische Interaktion das katalytische Mg2+-Ion, welches für die korrekte Positionierung des Phosphatgruppen-Donors und -Akzeptors in der Adenylatkinase während der Katalyse verantwortlich ist (Yan und Tsai, 1991; Byeon et al., 1995).

Zur Untersuchung der funktionellen Rolle des Lysinrestes in Guanylatkinasen wurde in die GUK1-Sequenz die K15R-Mutation durch Mutagenese eingeführt. In Analogie zu den bra3-Mutanten ließ sich auch die K15R-Mutante in E. coli überexprimieren und aufreinigen. Die konservative Substitution des P-Loop-Lysins gegen ein Arginin hatte einen dramatischen Abfall der enzymatischen Aktivität zur Folge. Die spezifische Aktivität fiel auf 0,03% der Wild-Typ-Aktivtität. Darüberhinaus zeigte die Mutante eine im Vergleich zum Wild-Typ um den Faktor 8 verringerte Affinität zum Substrat ATP. Vergleicht man die Spezifitätskonstante kcat/KM(ATP)

aller vier GUK1-Mutanten miteinander, so weicht jene der K15R-Mutante um den Faktor 104 vom Wild-Typ und um den Faktor 102 von den bra3-Mutanten ab. Von den vier mutierten Resten besitzt demnach das Lysin des P-Loops im Vergleich zu P10, G12 und R132 die mit Abstand wichtigste Funktion in der Katalyse. Im Gegensatz zu der katalytischen Effizienz weicht der KM(ATP)-Wert der K15R-Mutante nicht signifikant von jenen der P10L und R132K-Mutanten ab. Der drastische Abfall der Guanylatkinase-Aktivität der K15R-Mutante kann folglich nur zum Teil mit einer verringerten Affinität für das Substrat ATP erklärt werden. Da in der K15R-Mutante die Anzahl an positiven Ladungen, welche die negative Ladung der Phosphorylgruppe im Übergangszustand neutralisieren weiterhin konstant bleibt, beruht der drastische Abfall der Guanylatkinase-Aktivität vermutlich weniger auf der Instabilität des Übergangszustandes, sondern eher auf signifikanten sterischen Veränderungen der ATP-Bindungsregion hervorgerufen durch die im Vergleich zum Lysin verlängerte Arginin-Seitenkette. Es ist auch denkbar, daß in der K15R-Mutante die Interaktion mit Asp98

unterbrochen ist, was negative Auswirkungen auf die korrekte Positionierung der beiden Substrate während der Katalyse haben sollte. Die hier getroffenen Aussagen müssen an weiteren Kristallstrukturen der Guanylatkinase, insbesondere im Komplex mit ATP und Substratanaloga überprüft werden. Sie konzentrieren sich im wesentlichen auf vergleichbaren Mutagenese-Studien sowie Struktur-Funktionsuntersuchungen an Adenylatkinasen und Uridylat-/Cytidylatkinasen (Reinstein et al., 1990; Zhou und Thornburg, 1998; Scheffzek et al., 1996;

Schlichting und Reinstein, 1997; Byeon et al., 1995). Die Mutation des konservierten P-Loop-Lysins in der E. coli-Adenylatkinase gegen ein Glutamin (K13Q) hatte einen drastischen Abfall der spezifischen Aktivität um den Faktor 104 zur Folge, welcher ebenfalls auf einer lokalen Konformationsänderung der ATP-Bindungsregion des Enzyms und der daraus folgenden erniedrigten Affinität für das Substrat ATP zurückzuführen war (Reinstein et al., 1990). Durch Mutation des P-Loop-Lysins gegen ein Arginin (K21R) in der Adenylatkinase aus dem Hühnermuskel wurde ferner mit NMR-Studien gezeigt, daß der Abfall der katalytischen Effizienz (kcat/KM) um den Faktor 105 im Vergleich zum Wild-Typ auf einer strukturellen Veränderung des P-Loops und der daraus folgenden Aufhebung wichtiger Interaktionen der katalytischen Aminosäuren mit den Substraten und dem Mg2+-Ion beruhte (Byeon et al., 1995).

Die Übereinstimmung mit den Ergebnissen kinetischer Untersuchungen an Mutanten der Adenylatkinase deuten daraufhin, daß das konservierte Lysin des P-Loops in Guanylatkinasen eine ähnlich entscheidende Rolle im Katalysemechanismus spielt. Im Vergleich zur K27R-Mutante der Uridylat-/Cytidylatkinase aus Arabidopsis, welche noch 50% der Wild-Typ-Aktivität besaß (Zhou und Thornburg, 1998), ist der Austausch des invarianten P-Loop-Lysins in der Hefe-Guanylatkinase in Übereinstimmung zu den Adenylatkinasen allerdings ungleich dramatischer.

Zur Unterscheidung von strukturellen und funktionellen Rolle der mutierten Aminosäuren in der Guanylatkinase sind weitere spektroskopische, aber auch thermodynamische Untersuchungen zur Stabilität der Mutanten notwendig.