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1.   Genese, Zielsetzungen, Fragestellungen und Hypothesen

1.4     Fragestellungen

1.4.1 Wie häufig treten interkurrente Erkrankungen bei Müttern und bei Kindern auf, und wie intensiv sind sie?

Die epidemiologischen Analysen, die klären sollen, welche interkurrenten Erkrankungen bei Müttern und Kindern auftreten, beziehen sich auf die stationäre Durchführung einer präventiven oder rehabilitativen Maßnahme für Mütter und (bei Bedarf) für ihre Kinder. Oft sind die Mütter permanenten Belastungen ausgesetzt und erschöpft. Dadurch sind auch die Entwicklungssituationen der Kinder und die Mutter-Kind-Interaktionen tangiert und oft behandlungsbedürftig (Collatz et al. 1996). Viele Kinder müssen zudem ihre Mütter in die Maßnahme begleiten, da sie sonst nicht versorgt werden können.

Die besondere Situation innerhalb der Maßnahme, die durch das Aufeinandertreffen vieler Kinder und ihrer Mütter auf einer begrenzten Raumgröße gekennzeichnet ist, birgt klinisch gesehen, wie bereits beschrieben, ein spezielles Infektionsrisiko.

Deshalb ist eine gegenseitige Beeinflussung der mütterlichen und kindlichen Gesundheit bei Auftreten interkurrenter Erkrankungen wahrscheinlich.

Wie bereits erwähnt, muss mit einer durchschnittlichen Erkrankungshäufigkeit der Atemwege mit 2-4 Infekten pro erwachsener Person und bei Kleinkindern bis zum 5.

Lebensjahr 6-9 Infekten als Normfall im Jahr gerechnet werden. Davon werden rund 60% der Fälle „akuten respiratorischen Infektionen (ARI)“ zugeordnet und als nächsthäufigste Erkrankungsgruppe wird die „infektiös bedingte Diarrhoe“ genannt (BMBF 2010, Weigl 2003). Die Krankheitsgenese ist zu 90% viral, 10 % der Infektionen sind bakteriellen Ursprungs.

Nach einer Studie im Raum Kiel aus den Jahren 1996 bis 2000 (Weigl et al., 2005) ist bei Kindern eine hohe Morbiditätsrate bezüglich der tiefen Atemwegsinfektionen („LRI“) nachzuweisen. Die Erkrankungshäufigkeit wird als zunehmend beschrieben, wie bereits früher in den USA, Großbritannien und Schweden belegt. Gleichzeitig beträgt die durchschnittliche Hospitalisierungsdauer bei Kindern unter 2 Jahren mit einer akuten Atemwegsinfektion im gleichen Zeitraum 7 Tage (Weigl, et al, 2005), was die Ernsthaftigkeit solcher Infektionserkrankungen unterstreicht.

Alle diese Daten können kaum auf die Häufigkeit und Dauer interkurrenter Erkrankungen von Müttern und Kindern in Mutter-Vater-Kind-Maßnahmen übertragen werden.

Es ist daher zu klären, wie häufig und wie lange interkurrente Erkrankungen bei Müttern und ihren Kindern während dieser Maßnahmen auftreten.

Dazu sollen zwei Forschungsfragen überprüft werden:

F1: Interkurrente Erkrankungen sind aufgrund der klinisch wahrscheinlichen Übertragungs-/Infektionsgenese und des Erschöpfungs- und Krankheitszustandes bei Mütter und Kindern nicht ungewöhnlich. Erwartet wird, dass interkurrente Erkrankungen bei Müttern und Kindern häufig (häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt) auftreten.

F 2: Interkurrente Erkrankungen können im Rahmen der Maßnahme aufgrund der guten klinischen Versorgung beherrscht werden. Erwartet wird, dass interkurrente Erkrankungen weitgehend nur kurze Zeit (1-2 Tage) andauern und somit die Durchführung der Maßnahme nur kurzfristig tangieren, hingegen nosokomiale oder lang dauernde Erkrankungsprozesse eher selten auftreten.

1.4.2 Welche interkurrenten Erkrankungen treten bei Müttern und bei Kindern auf?

Vor diesem Hintergrund erscheint es umso wichtiger, den Ursprung von Erkrankungen zu klären, die im Rahmen einer stationären rehabilitativen Maßnahme auftreten. Den Hintergrund der mütterlichen Gesundheitssituation bildet hier das mütterliche Leitsyndrom (Collatz et al. 1996). Dies beinhaltet tiefe Erschöpfungszustände der Mütter, Multimorbidität, Überlastungskrisen sowie eine Mutter-Kind-Entität als Krankheitseinheit. Ca 80% der Mütter, die sich einer präventiven oder rehabilitativen Maßnahme unterziehen, zeigen solche Erschöpfungszustände. Sind es demnach Mütter mit hohen Belastungen und Erschöpfungszuständen, die überproportional häufig interkurrent erkranken?

Die zentrale Frage wäre somit: Welche interkurrenten Erkrankungen treten bei Müttern und Kindern auf? Sind eher infektiöse oder andere Erkrankungsprozesse für das Auftreten von interkurrenten Erkrankungen relevant?

Daher sollen erste epidemiologische Abklärungen erfolgen, welche interkurrenten Erkrankungen auftreten, und welche Eingangsdiagnosen bzw. therapeutischen

ob Zusammenhänge zwischen mütterlichen und kindlichen Erkrankungen nachweisbar sind. Ist also eine (familiäre) Krankheits-„Entität“ von Müttern und Kindern mit hohem Infektionsrisiko festzustellen?

Folgende Forschungsfragen sollen beantwortet werden:

F 3.1: Interkurrente Erkrankungen haben überwiegend einen infektiösen Hintergrund sowohl bei Müttern als auch Kindern. Erwartet wird daher, dass bei Müttern und Kindern interkurrente Erkrankungen häufig aus einem infektionsbedingten ähnlichen Diagnosebereich auftreten.

F 3.2: Die interkurrenten Erkrankungen treten eher vor dem Hintergrund des mütterlichen Leitsyndroms und nicht als Infektionen auf. Erwartet wird, dass bei der Diagnostik der interkurrenten Erkrankungen Diagnosen aus dem Bereich der Neurasthenie sowie Schmerzzustände und Erschöpfungen bzw. Belastungen eine Rolle spielen.

F 3.3: In reinen Mütterkuren ohne Kinder treten wesentlich weniger interkurrente Erkrankungen auf; das Infektionsrisiko der Kinder erhöht entscheidend das Risiko der Mütter, interkurrent zu erkranken.

F 3.4: Da Kinder unter 3 Jahren häufig noch keinen größeren Umwelteinflüssen und Personenkontakten ausgesetzt waren und noch keinen umfassenden Immunschutz (wie beschrieben Weigl 2003) aufgebaut haben, ist besonders bei ihnen mit erhöhten interkurrenten Erkrankungsraten zu rechnen.

1.4.3 Gibt es bedeutsame Risikofaktoren, die das Auftreten interkurrenter Erkrankungen beeinflussen?

Der Hintergrund von interkurrenten Erkrankungen könnte vielschichtig sein. Genauer zu untersuchen sind daher auch verschiedene Aspekte des anamnestischen Gesamtrisikorahmens der Mütter, zu dem die soziale Lage, die familienbiographischen und anamnestischen Risiken sowie auch Belastungen wie z.B. die Störungen der Entwicklung und der Gesundheit der Kinder gehören.

Weiterhin ist der Erschöpfungsgrad der Mütter im Zusammenhang mit dem Auftreten von interkurrenten Erkrankungen Gegenstand der näheren Betrachtung. Der hoch ausgeprägte Erschöpfungsgrad ist bei den Müttern gut belegt (Collatz et al, 1994).

Ein Zusammenhang zwischen Erschöpfungszustand und interkurrenten Erkrankungen der Mütter ist demnach zu erwarten.

Entscheidende Einflüsse sind auch von den Gesundheitszuständen der Mütter und Kinder, die sich in den Schwerpunktindikationen manifestieren, zu erwarten. Daher sollen die Zusammenhänge von Schwerpunktdiagnosen der Mütter und Kinder mit ihren interkurrenten Erkrankungen untersucht werden. Hier liegt die klinische Vermutung nahe, dass Eingangsdiagnose und Diagnose der interkurrenten Erkrankung von Müttern und Kindern aus einem ähnlichen Krankheitsbereich kommen könnten oder besondere Krankheits- oder Lebenshintergründe Erklärungen liefern.

Folgende Forschungsfragen sollen untersucht werden:

F 4.1: Die Schwerpunktindikationen von Müttern und Kindern zeigen Zusammenhänge zu interkurrenten Erkrankungen. Erwartet wird, dass ein Zusammenhang im Rahmen der Diagnosenbereiche sichtbar wird.

F 4.2: Es zeigen sich Korrelationen zwischen sozialen Risiken und interkurrenten Erkrankungen.

F 4.3: Familiäre Probleme könnten das Auftreten von interkurrenten Erkrankungen begünstigen.

F 4.4: Ein hoher Erschöpfungsgrad der Mütter könnte mit dem Auftreten von interkurrenten Erkrankungen korrelieren.

F 4.5: Es bestehen Zusammenhänge zwischen anamnestischen Risiken und dem Auftreten von interkurrenten Erkrankungen. Erwartet wird, dass Risikofaktoren, wie z.B. Übergewicht der Mutter, mit dem Auftreten von interkurrenten Erkrankungen zusammentreffen.

1.4.4 Welche Mütter weisen gehäuft interkurrente Erkrankungen auf?

Die Mütter, die eine Rehabiltationsmaßnahme antreten, weisen oft spezifische Vorerkrankungen sowie eine spezielle Belastungssituation auf. Dies könnte sich im gehäuften Auftreten interkurrenter Erkrankungen ausdrücken, insbesondere dann, wenn die Copingmöglichkeiten der betroffenen Mutter gering sind. Dies wiederum könnte speziell bei jüngeren Müttern der Fall sein, die noch im Betreuungsprozess von kleineren Kindern stehen. Deshalb sollen das Alter der Mütter und der Kinder sowie die Anzahl der Kinder in Zusammenhang mit dem Auftreten interkurrenter Erkrankungen untersucht werden. Lassen sich Risikogruppen abbilden? Vielleicht

am besten mit welchen Maßnahmen, an welchem Ort, bei welchem Klima geholfen werden kann.

Folgende Forschungsfragen sollen untersucht werden:

F 5.1: Weisen interkurrente Erkrankungen und das Alter der Mütter Korrelationen auf? Erwartet wird, dass interkurrente Erkrankungen in jüngeren Altersgruppen der Mütter (mit Kleinstkindern und stärkeren familiären Belastungen) häufiger auftreten als in anderen.

F 5.2: Treten interkurrente Erkrankungen vermehrt bei bestimmten Gruppen von Müttern auf? Erhöht z.B. die Anzahl der die Mütter begleitenden Kinder das Risiko einer interkurrenten Erkrankung?

1.4.5 Gibt es bedeutsame Zusammenhänge zwischen strukturellen oder prozessualen Qualitätsmerkmalen der Einrichtungen und interkurrenten Erkrankungen?

Die Forschung über Qualitätssicherung geht von der Hypothese aus, dass Struktur- und/oder Prozessqualitäten einen Einfluss auf die Effektqualität haben (Donabedian 1966). Daran anknüpfend sind in dieses Untersuchungsmodell einige Struktur- und Prozessmerkmale einbezogen worden, die es ermöglichen, auftretende Zusammenhänge zu interkurrenten Erkrankungen zu analysieren. Beeinflussen Strukturqualitäten oder Prozessqualitäten das Auftreten von Infektionskrankheiten während einer Maßnahme? Lassen sich daraus Hinweise zur Behandlung oder Prophylaxe von interkurrenten Erkrankungen ableiten? Könnten beispielsweise größere Einrichtungen einerseits andere Risiken (Anzahl und Ballung von Kleinkindern) und andererseits umfassendere Versorgungsbedingungen (flexiblere und kompensatorische Angebote bei akuter Erkrankung, umfassendere medizinische Versorgung, räumliche Trennungsmöglichkeiten, Quarantäneräume) bieten als kleinere Einrichtungen?

Den zuletzt genannten Analysen sind aufgrund der sekundäranalytischen Rahmenbedingungen dieser Arbeit Grenzen gesetzt. Es können lediglich komplexe Indikatoren der Struktur- und Prozessqualitäten in die Untersuchung einbezogen werden. Für die Strukturqualitäten konnten allerdings die genauen jahreszeitlichen und klimatischen Bedingungen der Maßnahmen neben den generellen

Lagebedingungen der Einrichtungen ermittelt werden. Die Prozessqualitätsindikatoren stützen sich vor allem auf die Angebotskompensation und deren Qualitäten. Kernfrage ist demnach, ob intervenierende Effekte von Struktur- und Prozessqualität in den Zusammenhangsanalysen sichtbar werden.

Diese in die Untersuchung einbezogenen Struktur- und Prozessmerkmale legen folgende Forschungsfragen nahe:

F 6.1: Spielt die Größe der Einrichtung (Bettenzahl) eine Rolle für die Beherrschung und das Auftreten interkurrenter Erkrankungen? Erwartet wird, dass sich in größeren Einrichtungen mehr Kleinstkinder ballen und daher häufiger interkurrente Erkrankungen auftreten.

F 6.2: Beeinflussen die Erholungsqualitäten der Lage der Einrichtung (z.B. Meer- oder Berglage) und vor allem die klimatischen Bedingungen (Reizklima) das Auftreten von interkurrenten Erkrankungen ?

F 6.3: Beeinflusst der jahreszeitliche Rahmen der Maßnahmen und die damit verbundenen spezifischen Wetter- und Klimabedingungen zum Zeitpunkt der Maßnahme das Auftreten von interkurrenten Erkrankungen?

F 6.4: Können Mütter, die interkurrent erkrankt sind bzw. die ein erkranktes Kind versorgen müssen oder deren erkrankte Kinder, weniger an Angeboten und damit an Prozessqualitäten teilhaben?

F 6.5: Inwieweit wirken interkurrente Erkrankungen auf Patientenzufriedenheit ein?

1.4.6 Welche Auswirkungen haben interkurrente Erkrankungen auf kurz-, mittel- und langfristige Effekte der Maßnahmen?

Diese Fragestellung ist von hohem Interesse, einerseits für die betroffenen Einrichtungen und andererseits für die Krankenkassen und Rentenversicherungen.

Was bedeutet es für die Mütter und für ihre Kinder eine interkurrente Erkrankung zu erleiden im Hinblick auf die Effekte der Maßnahme? Gibt es Unterschiede bei den Auswirkungen von interkurrenten Erkrankungen bezüglich der kurz-, mittel- und langfristigen Effekte bei den Müttern und bei den Kindern?

Folgende Forschungsfragen werden untersucht:

F 7.1: Haben Mütter und/oder Kinder, bei denen interkurrente Erkrankungen auftreten, häufig nachweisbar geringere Effekte direkt nach der Maßnahme?

F 7.3: Wie entwickelt sich nach interkurrenten infektiösen Erkrankungen die Infektanfälligkeit von Müttern und Kindern mittel- und langfristig?