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4. Das Phänomen Lernen

4.2. Formales, informelles und informales Lernen

Nach Faure et al. (1972, S. 4) erlernte der Mensch sich in der Vergangenheit in der Natur zurechtzufinden und sich mit weiteren Menschen sprachlich zu verständigen. Er entdeckte zum Beispiel Werkzeuge, wendete diese an und entwickelte sie weiter.

„Die Fähigkeit zum selbstständigen Überleben muss zunächst erlernt werden. Dieser Status ist nach circa einem Lebensjahr erreicht“ (Gardner, Thielen 2015, S. 38). Darüber hinaus müsse sich der Mensch nach der Geburt in einem umfangreichen sozialen Rahmen entsprechend anpassen sowie einleben und sich als autonome Komponente manifestieren (vgl. Zirfas 2004, S. 130, zit. n. Gardner, Thielen 2015, S. 38). Jedes Individuum würde während des Lebens differente soziale Auffassungen, die sich kontinu-ierlich weiterentwickeln und die reflektiert werden können, in divergenten Kontexten in der Gesellschaft, entwickeln (vgl. Dahrendorf 1963, S. 111; vgl. Gardner, Thielen 2015, S. 39). Menschen würden lebenslang lernen und die Mehrheit der Lernprozesse, in differenten Formen, würde nebenher und indirekt erfolgen (vgl. Weibel 2003, S. 47).

Lernen sei „(…) etwas Umfassendes und Lebensexistenzielles (…)“ (Gardner, Thielen 2015, S. 60) und für den Menschen zum Leben in biologischer, sozialer und organischer Hinsicht notwendig (vgl. Gardner, Thielen 2015 S. 60 und S. 63; vgl. Maurer 1992, S. 13).

Um überleben zu können und lebensfähig zu sein sowie sich an Umstände anzupassen, sei Lernen folglich für das Individuum maßgebend (vgl. Gardner, Thielen 2015, S. 38; vgl.

Siebert 2003, S. 73). „Lernfähigkeit ist eine basale Lebenskompetenz“ (Siebert 2003, S. 76). Für ein Überleben, sei eine Anpassung an die Umwelt relevant und dies führte zum informellen Lernen (vgl. Gardner, Thielen 2015, S. 66). Lernen sei eine aktive Ausein-andersetzung des Individuums mit seiner Umwelt (vgl. auch Siebert 2003, S. 73),

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die einen Aufbau und eine Repräsentation von mentalen Modellen ermöglicht (vgl. Herzig, Martin 2012, S. 26). Beim informellen Lernen lerne das menschliche Individuum für eine Weiterentwicklung der eigenen Person, sei aufgrund dessen selbstmotiviert und benötige in diesem Kontext keine organisierte Lehre zum Lernen. Das menschliche Wesen lerne darüber hinaus nicht für eine Situation, die geschehen könnte, sondern für den momen-tanen Zustand (vgl. Gardner, Thielen 2015, S. 111f.).

Bei informellen Lernprozessen, die im Alltag vorkommen, würde eine Beschreibung von Lernen und keine pädagogische Vorstrukturierung oder Anvisieren stattfinden (vgl.

Gardner, Thielen 2015, S. 32). Informelles Lernen sei demnach bezüglich Lernzielen, Lernzeiten und Lernförderungen nicht strukturiert und könne dennoch zielgerichtet sein (vgl. Overwien 2005, S. 346). Zudem sei keine explizite Definition bezüglich informellen Lernens vorhanden (vgl. ebd., S. 40).

Herzig und Martin (2012, S. 31) differenzieren zwischen formalen und informellen Lernen.

Formales Lernen finde bevorzugt in Bildungs- und Ausbildungsstätten, wie Schulen statt und informelles Lernen könne dagegen in alltäglichen Situationen und Umgebungen, wie in der Familie erfolgen (vgl. auch Overwien 2005, S. 346; vgl. auch Dittler 2011b, S. 9 und S. 14). Gardner und Thielen weisen darauf hin, dass Lernen insbesondere durch infor-melle Lernprozesse, die im Unterbewusstsein ablaufen, stattfinden würde (vgl. Hermanns 2007, S. 617, zit. n. Gardner, Thielen 2015, S. 64). Informelles Lernen könne beiläufig, nebenher, unbewusst und ohne Planung sowie in formalen und non-formalen Kontexten existieren und betreffe insbesondere das implizierte Wissen (vgl. Mack 2007, S. 10; vgl.

Gardner, Thielen 2015, S. 40f. und S. 63f.; vgl. Europäische Kommission 2001, S. 9, zit.

n. Gardner, Thielen 2015, S. 41).

„Informelles Lernen hingegen findet unbewusst, ständig und nebenbei in der regulären Be-wältigung des Alltags statt. Individuen lernen unbewusst aus ihren Handlungen und verfügen in dessen Folge über ein impliziertes Handlungswissen. Informelles Lernen folgt dement-sprechend unbewusst einer eigenen Begründung für den Lernprozess. Durch eine Irritation zieht das Individuum Erkenntnisse aus einer bestimmten Situation und stellt sie implizit für ähnliche Situationen zur Verfügung. Individuen sind in diesem Zusammenhang also auch unbewusst motiviert“ (Gardner, Thielen 2015, S. 103).

Da digitale Medien ebenfalls außerhalb der Schule genutzt werden können, sei die Possibilität vorhanden, dass informelle sowie formelle Lernprozesse erfolgen können (vgl.

Magenheim 2015, S. 107) und Wissen für die Bewältigung des Alltags und des Berufs-lebens außerhalb von Bildungseinrichtungen erworben werden können (vgl. Dittler 2011b, S. 9). Informelles Lernen sei bei elektronischen Medien und Präsenzveranstaltungen unsystematisch und unbewusst (vgl. Gardner, Thielen 2015, S. 66). Medienangebote

könnten, insbesondere in informellen Kontexten, zu Lernprozessen führen (vgl. Herzig, Martin 2012, S. 31). "Dies kann in instrumentell-funktionaler Hinsicht (Lernen mit Medien) oder als Gegenstand des Lernens (Lernen über Medien) der Fall sein. In beiden Fällen beeinflussen Medien die Ergebnisse von Lernprozessen" (Herzig, Martin 2012, S. 31). Ein produktiver sowie kreativer Umgang mit neuen Medien sowie eine damit einhergehende beachtliche Kompetenz, könne sowohl im Unterricht, als auch in der Freizeit entstehen (vgl. Seel, Ifenthaler 2009, S. 15). „Dabei verwischen sich die Grenzen zwischen Lernen und Unterhaltung, ernsthaftem, zielgerichtetem Lernen in der Schule und spielerischem Lernen in der Freizeit“ (ebd.).

Medienbeiträge, die zu dem Lernen in informellen Kontexten inkludiert werden, könnten Orientierungsmuster für Kinder und Jugendliche sein und sich in mentalen Repräsentation widerspiegeln (Herzig, Martin 2012, S. 29). Die erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen aufgrund des Umgangs von Medien, vor allem in infor-mellen Zusammenhängen, die kognitive, affektive oder emotionale Ressourcen hervor-bringen, könnten realitätsfremd, sachgemäß sowie sozial unverträglich sein, eine Lernvoraussetzung darstellen und sollten zudem ergänzt, ausdifferenziert, weiterentwi-ckelt und korrigiert werden (vgl. Herzig, Martin 2012, S. 31). "Damit dies gelingt, bedürfen auch die, oftmals in informellen Kontexten entwickelten und vielfach durch medienvermit-telte Orientierungsmuster beeinflussten, moralischen Wertvorstellungen der Ergänzung, Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung in formalen Kontexten" (Herzig, Martin 2012, S. 30). Herzig und Martin (2015, S. 25f.) verdeutlichen, dass Medien Lernprozesse beeinflussen und Erfahrungen aus dem Umgang mit Medien das Lernen signifikant tangieren können sowie daraus folgernd ein Abbau von Erklärungsmustern für bestimmte Tatbestände oder Inhaltsbereiche stattfinden könne. "Nicht selten berichten Kinder oder Jugendliche auch von Erfahrungen in Comicfilmen, in denen Bewegungsabläufe von Comicfiguren, die beispielsweise über den Rand einer Schlucht hinauslaufen, ebenfalls zunächst waagerecht und dann erst senkrecht verlaufen" (Herzig, Martin 2012, S. 26).

Herzig und Martin weisen darauf hin, dass subjektiv-individuelle Konstruktionen von Wirklichkeit, die in informellen Kontexten unmittelbar oder über Medien vermittelt werden können, in formalen Zusammenhängen ergänzt, erweitert, ausdifferenziert und korrigiert werden sollten (vgl. Herzig, Martin 2015 , S. 27).

"Bleiben diese in der Freizeit erworbenen Wissensbestände in der Schule unberücksichtigt, nehmen Schülerinnen und Schüler Brüche in der Aufnahme und Verarbeitung ihrer Erfah-rungen und Kompetenzen wahr und es entsteht eine künstlich herbeigeführte Friktion von schulischen Lernprozessen" (Herzig; Martin 2012, S. 18).

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Moralische Wertevorstellung, die als mentale Repräsentationen oder kognitive Strukturen erworben wurden, seien zu überprüfen, ob diese sozialverträglich sind und aufbereitet werden sollten (vgl. Herzig, Martin 2012, S. 29f.). „Unter dem Gesichtspunkt des Lernens als aktivem Konstruktionsprozess sollten zudem unangemessene (nicht viable) naive Theorien oder mentale Modelle berücksichtigt werden, die Anknüpfungspunkte und Erweiterungspotenziale für neue Modelle bieten (…)“ (Herzig 2001, S. 179).

Demzufolge lässt sich zusammenfassen, dass Kinder und Jugendliche in informellen Kontexten durch Medien Kompetenzen, die in dem formalen Kontext Schule nicht ausreichend beachtet werden, erwerben können (vgl. Gardner, Thielen 2015, S. 33). "Dort stellen sie eine Lernvoraussetzung dar, deren konstruktive Aufnahme und Bearbeitung Schule bisher nicht hinreichend geleistet hat" (Herzig, Martin 2012, S. 31). Lernprozesse könnten in formalen sowie in informellen Kontexten gleichermaßen sowie jederzeit und ortunabhängig stattfinden (vgl. Herzig, Martin 2012, S. 31).

Herzig und Martin erwähnen die Formulierung Lernen in formalen und informalen Kontexten, die inkludiert, dass Lernen ebenso auf der Ebene der non-formalen Kontexte und folglich in Sportstätten, Musikschulen und bei Kursen stattfinden kann. "Die auf dieser Ebene gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen, etwa im Bereich einer bestimmten Sportart oder eines Musikinstruments, finden weitaus häufiger Eingang in andere Kontexte" (Herzig, Martin 2015, S. 25).

Formale und non-formale Angebote seien hauptsächlich in der organisierten Lehre eingebettet, formale Angebote werden mit Zertifizierungen, wie beispielsweise Zeugnis-sen und Urkunden abgeschlosZeugnis-sen und bei non-formalen Angeboten könne ebenso eine Zertifizierung, die dennoch nicht zwingend sei, erfolgen (vgl. Gardner, Thielen 2015, S. 32). Beim formalen Lernen werde einem spezifischen Zweck nachgegangen und Ziele für das Lernen, Lerninhalten und dem Vorgehen, die für ein Kollektiv gelten, formuliert sowie definiert (vgl. ebd., S. 39f.).

„Formales Lernen bezeichnet institutionalisierte Lernprozesse innerhalb von dafür gegründeten Bildungseinrichtungen“ (Gardner, Thielen 2015, S. 39). Non-formale Lernprozesse könnten Ähnlichkeiten zu formalen Lernprozessen aufweisen. Entscheidend sei, dass keine formale Bildungsinstitutionen verantwortlich sind (vgl. ebd., S. 40). Bei non-formalen und formalen Angeboten könne es der Fall sein, dass keine Anknüpfung an den Interessen oder bereits vorhandenem Wissen erfolgt und explizites sowie deklarati-ves Wissen beachtet wird (vgl. Gardner, Thielen 2015, S. 103). Informelles Lernen könne in formalen und non-formalen Kontexten stattfinden. „Informelles Lernen findet somit ebenso im Kontext von formalen und non-formalen Angeboten statt. (…). Informelles

Lernen ist das Ereignis der natürlichen Fähigkeit. Die Ergebnisse der Lernprozesse sind abhängig von Individuum und Umwelt“ (Gardner, Thielen 2015, S. 63).

Nach Laurillard (2002) sei eine Differenzierung zwischen privaten und persönlichen sowie zwischen einem Lernen hinsichtlich formalen und öffentlichen Wissens und ein Reflex-ionswissen, das eine Verbindung zwischen diesen beiden Wissensfundus sei, konstitutiv (vgl. Laurillard 2002, zit. n. Petko 2014, S. 25). Beim Lernen mit neuen Medien sei diese Unterscheidung zu beachten, da Lernen demzufolge nicht ausschließlich aufgrund von primären Erfahrungen abhängig sei (vgl. Petko 2014, S. 25). „Es ist ein wesentliches Element des kulturellen und wissenschaftlichen Fortschritts, dass Menschen Wissen durch mündliche oder mediale Überlieferung weitergeben können“ (Petko 2014, S. 25).