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Von jeher werden Fische als Nahrungsquelle vom Menschen genutzt und stellen somit eine der wichtigsten biologischen Ressourcen des Meeres. Die mit dieser Nutzung verbundene intensive Fischerei hat zum Teil erhebliche Folgen für die Fischbestände. Für die Fischfauna der Ostsee kommt erschwerend hinzu, dass neben den anthropogenen Beeinträchtigungen wie Überfi-schung, Schadstoffeinträge, Eutrophierung, Schifffahrt, Rohstoffabbau und Tourismus das Öko-system der Ostsee durch besondere topographische und hydrographische Verhältnisse einer starken Veränderlichkeit unterworfen ist. Seit ihrer Entstehung als Eisstausee vor rund 10.000 Jahren unterliegt die Fischgemeinschaft der Ostsee immer wieder Veränderungen, die durch Absterbe- und Wiederbesiedlungsphasen geprägt sind. Ökologisch gilt die Ostsee als junges Meer, das noch nicht mit seinen Umgebungsbedingungen im Gleichgewicht steht.

2.6.1 Räumliche Verteilung und zeitliche Variabilität Historische Entwicklung der Ostsee-Fischfauna

Im Laufe der Entwicklungsgeschichte des Ostseeraums haben sich die Fischgemeinschafts-strukturen immer wieder dramatisch verändert. Trotz dieser dramatischen Wechsel sind von den ehemals vorkommenden Vergesellschaftungen immer Arten reliktisch übrig geblieben.

Als vor mehr als 10.000 Jahren der Baltische Eisstausee als ein Süßwassermeer entstand, bot er wahrscheinlich Arten, die kaltes Wasser lieben oder wenigstens tolerieren, Lebensbedingun-gen. Zu ihnen gehören Saibling, Lachs, Forelle, Stint, Große und Kleine Maräne.

Meeresfische tauchten erst vor 9.000 bis 10.000 Jahren im Ostseeraum auf, als durch eine Verbindung des Ostseebeckens zur Nordsee und zum Weißen Meer das salzige Yoldia-Meer entstand. Arktische Meeresfische konnten jetzt in das Gebiet eindringen. Davon sind solche, die gegen nachfolgende Salzgehaltsschwankungen unempfindlich waren, bis heute in der Ostsee heimisch. Hierzu gehört der extrem euryhaline Vierhörnige Seeskorpion (Myxocephalus quad-ricornis), den man in der nördlichen und mittleren Ostsee findet. Auch eine sehr euryhaline Rasse des Herings sowie der Scheibenbauch (Liparis liparis) und der Spitzschwänzige Band-fisch (Lumpenus lampretaeformis) sind im östlichen Teil der Ostsee heimisch und dringen weit in ihre nördlichsten Gebiete vor. Der in der wärmeren Aussüßungsperiode vor 7.000 bis 9.000 Jahren entstandene Ancylussee schaffte die Voraussetzung für die Verbreitung einer großen Zahl von Süßwasserfischen im gesamten baltischen Raum, was zu dem gegenwärtigen Verteilungsmuster einer ganzen Reihe von Süßwasserfischen rings um die Ostsee in Küsten-gewässern, Seen und Flussmündungen geführt hat. Dazu gehören u. a. Äsche (Thymallus thymallus), Hecht (Esox lucius), Hasel (Leuciscus leuciscus), Elritze (Phoxinus phoxinus), Rot-feder (Scardinius erythrophthalmus), Stichling (Gasterosteus aculeatus), Flussbarsch (Perca fluviatilis), Zander (Sander lucioperca) und Wels (Siluris glanis). Für eine ganze Anzahl von Süßwasserfischarten bestehen engere Beziehungen zum Schwarzen und Kaspischen Meer als zur Atlantikküste.

Vor etwa 7.000 Jahren begann wieder salzhaltiges Wasser aus der Nordsee durch die Rinnen der heutigen Beltsee in den Ancylussee einzudringen. Es entstand das Litorinameer, und eine neue, marine Fauna wanderte ein. Als diese Periode vor rund 5.000 Jahren ihren Höhepunkt erreicht hatte, lag der Salzgehalt der Ostsee wesentlich höher als heute. Dies und ein gleichzei-tig in unseren Breiten auftretendes postglaziales Wärmemaximum hatten vorübergehend einen großen Artenreichtum der marinen Fauna zur Folge. Im Verlauf der letzten 3.000 bis 4.000 Jahre wurde die Ostsee wieder zunehmend brackiger, und nur wenige marine Fischarten blieben. Diese sind in der Lage, das Brackwasser so zu nutzen, dass sie große Bestände in dem durch ungewöhnliche ökologische Verhältnisse gekennzeichneten Lebensraum aufbauen können.

Für limnische Arten wurde die Lebenssituation besonders in den nordöstlichen Gebieten, im Westen auch in den Förden und Strandseen, wieder günstiger. Der höhere Salzgehalt des Brackwassers in den offenen Teilen der Ostsee verhindert für sie aber eine großräumige Erobe-rung der Ostsee (NELLEN und THIEL, 1995).

Das erdgeschichtlich sehr geringe Alter der heutigen Ostsee ließ die Evolution einer eigenstän-digen spezifischen Fischfauna nicht zu. Nur anpassungsfähige Fischarten sind hier heimisch und zu Standfischen geworden. Wanderfischarten benutzen sie großräumig als Nahrungsraum, z. B. Lachs und Aal. Andere Arten treten unregelmäßig als Gäste auf. Das Erscheinen solcher Gastfische hat unterschiedliche Ursachen. Es kann auf einen Populationsdruck in den primären Lebensräumen - der Nordsee oder Zuflussgewässern - oder aber auf hydrographische Ereig-nisse wie Salzwassereinbrüche in die Ostsee zurückgehen. Diese Gäste können sich hier aber nicht fortpflanzen und verschwinden regelmäßig bald wieder, entweder durch Auswanderung oder dadurch, dass sie zugrunde gehen.

Datenlage

Die erste zusammenfassende Arbeit über das Vorkommen von Fischarten in der Ostsee und ihre regionale Verteilung schrieben 1883 Karl Möbius und Friedrich Heincke. In den 1970er und 80er Jahren erfolgten vor allem auf Betreiben des Internationalen Rats für Meeresforschung wesentliche Forschungsarbeiten, die die Situation der Fischbestände in der Ostsee darstellen (FRICKE, 1981; MÜLLER, 1982, 1993; BAGGE und RECHLIN, 1989). Neuere Darstellungen zur Fischfauna der deutschen Ostseeküste berufen sich vor allem auf diese Quellen, ergänzt durch aktuellere, zumeist lokale Beobachtungen und Nachweise (NELLEN und THIEL, 1995; THIEL et al., 1996; WINKLER und SCHRÖDER, 2003). Die wichtigsten kommerziell genutzten Fischarten (Hering, Sprotte, Dorsch sowie Plattfische) werden regelmäßig durch das Thünen-Institut für Ostseefischerei (TI-OSF) erfasst. In der aktuellen Rote Liste und Gesamtartenliste der etablier-ten Fische und Neunaugen (Elasmobranchii, Actinopterygii & Petromyzontida) der marinen Ge-wässer Deutschlands (THIEL et al., 2013) wurden für die Bewertung der Vorkommen in den äu-ßeren Küstengewässern und der deutschen AWZ in der Ostsee zusätzlich Daten herangezo-gen, die durch das TI-OSF im Rahmen verschiedener Surveys erhoben wurden.

Daneben liefern die Untersuchungen, die im Rahmen von UVS für die im Bereich der AWZ ge-planten Windpark-Vorhaben durchgeführt werden, wichtige Datengrundlagen.

Fischfauna der Ostsee

THIEL et al. (1996) beziffern die Ostseefischarten auf 144, die sich aus 97 Meeresfischarten, 7 Wander- und 40 Süßwasserfischarten zusammensetzen. Werden alle jemals in der Ostsee aufgetretenen Einzelnachweise mit berücksichtigt, besteht die Liste der Ostseefische derzeit aus 176 Arten (WINKLER et al. 2000).

In der umfassenden Übersicht von WINKLER und SCHRÖDER (2003) werden für die gesamte deutsche Ostseeküste 151 Arten aufgeführt. Hierbei umfasst das Bezugsgebiet die Ostseeküs-ten von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, äußerlich begrenzt durch die mit den Nachbarländern festgelegte Mittellinie (entsprechend der Definition von FRICKE et al., 1996). Die Dokumentation enthält alle Arten, für die aus dem deutschen Ostseeraum ein im wissenschaftlichen Sinne verbürgter Nachweis vorliegt. In Anlehnung an MÖBIUS und HEINCKE

(1883) werden die Arten nach der Art der Nutzung des Gebietes als Lebensraum in folgende vier Kategorien eingeteilt:

• Marine Standfische (stationär) (ständig im Gesamtgebiet, pflanzen sich in der Ostsee fort;

lokal können sie stationär sein oder auch migrieren),

• Marine Wander- u. Irrgäste (Regelmäßig, sporadisch oder extrem selten aus der Nordsee einwandernd, keine Reproduktion im Gebiet, Gastarten bzw. Irrgäste),

• Diadrome Wanderfische (regelmäßiger Lebensraumwechsel zwischen Salz- und Süßwas-ser, anadrome, z. B. Rundmäuler und Lachs, und katadrome Arten, Aal) und

• Süßwasserfische (Reproduktion im oligohalinen Brack- oder reinen Süßwasser, stationär und migrierend).

Der Begriff diadrome Wanderarten wurde ähnlich wie bei MOYLE und CECH (2000) etwas weiter gefasst und wird unterschieden in:

• anadrome (Laichplatz im Süßwasser, Weidegebiete im Brack- oder Seewasser; Beispiel:

Neunaugen, Maifische, Lachse),

• semianadrome (laichen im oberen Ästuar/salzarmen Brackwasser oder Süßwasser, Wei-degebiete im Brackwasser; Beispiel: Zährte, Ziege, Ostseeschnäpel, Stint) und

• katadrome Arten (Gegenteil des anadromen Typs, Beispiel: Aal, Flunder).

Während Gastarten biologisch bedingt mit gewisser Regelmäßigkeit im Gebiet vorkommen (meist Weidewanderung), ist das Auftreten von Irrgästen kaum vorhersehbar und in der Regel an ungewöhnliche hydrographische und meteorologische Bedingungen geknüpft. Insgesamt zählen nicht ganz die Hälfte aller Arten zu den im Gebiet stationären Fischen, 18% sind

regel-mäßige Gäste, 29% Irrgäste und 8% sind über beabsichtigte oder unbeabsichtigte Besatzmaß-nahmen zumeist nur zeitweilig in die Ostsee eingebracht worden. Die Autoren dokumentieren, dass sich die Gesamtartenzahl gegenüber dem Stand aus dem 16. Jahrhundert verdoppelt hat, wobei der Zuwachs in erster Linie im Bereich der marinen Arten erfolgte. Seit MÖBIUS und HEINCKE (1883) sind die Relationen in etwa ähnlich, 2/3 marine, und 1/3 diadrome und Süß-wasserfischarten. Diese Relationen werden auch durch die aktuelle Dokumentation von WINKLER und SCHRÖDER (2003) mit 2/3 marine Arten, 12% diadrome Wanderer und 21% Süß-wasserfische bestätigt.

Die Übersicht von WINKLER und SCHRÖDER (2003) ergibt hinsichtlich der Präsenz der Fischar-ten, dass 44 Arten sehr selFischar-ten, 36 selFischar-ten, 33 regelmäßig, 24 häufig und 13 Arten sehr häufig in der deutschen Ostsee auftreten. Damit treten ca. 46% der Fischarten (70 von 151) regelmäßig bis sehr häufig und rund 54% selten bis sehr selten in der deutschen Ostsee auf. Allerdings sind nach den vorliegenden aktuellen Nachweisen aus den letzten zehn Jahren 76% der aufge-führten 151 Arten wenigstens mit einem Fang im Vorkommen bestätigt. Für den Rest liegen nur Nachweise aus weiter zurückliegenden Zeiten bzw. aus der Literatur (z. B. DUNCKER und L ADI-GEs, 1960; FRICKE 1987; FRICKE et al., 1996) vor.

Die aktuelle Rote Liste von THIEL et al. (2013) beschränkt sich bei ihrer Gefährdungsbewertung auf die etablierten Arten, da viele Meeresfischarten und die Neunaugen im Verlaufe ihrer Ent-wicklung ausgeprägte Wanderungen zwischen mitunter weit voneinander entfernten Fress-, Laich- und Aufwuchsgebieten durchführen. Als etabliert gilt eine Art daher nicht nur, wenn sie sich im Bewertungsgebiet regelmäßig fortpflanzt, sondern auch, wenn mindestens eines ihrer Entwicklungsstadien (juvenil, subadult, adult) im Gebiet einen Teillebensraum regelmäßig auf-sucht oder sie nur als regelmäßiger Wandergast hier auftritt. Insgesamt sind im Bewertungsge-biet Ostsee 90 etablierte Arten anzutreffen. Von diesen 90 Arten sind 47 Arten (52,8 %) selten bis extrem selten bzw. 40 Arten (45 %) mäßig häufig bis sehr häufig anzutreffen.

Zu den sehr häufigen Fischen gehören die marinen Fischarten Hering, Sprotte, Dorsch, Kleiner und Großer Sandaal, Sand- und Strandgrundel, die Plattfische Kliesche und Flunder sowie der Dreistachelige Stichling, der sowohl marin als auch im Süßwasser vorkommt. Der Hering in der Ostsee wird in der Literatur auch als eigene Unterart (Clupea harengus membras) geführt, glei-ches gilt für den sogenannten Ostseedorsch (Gadus morhua calaris). Die gegenüber der Nord-see abweichenden Umweltbedingungen bewirken andere Wachstumscharakteristika, Körper-proportionen etc. In der östlichen Ostsee bleibt der Hering z. B. deutlich kleiner, wird bei gerin-geren Körpergrößen geschlechtsreif und wird deshalb auch mit einem eigenen Namen („Ström-ling“) bezeichnet. Weiterhin gehören noch der Stint als diadromer Wanderer und die Süßwas-serfische Flussbarsch und Zander zu den sehr häufigen Arten. Häufige Arten sind z. B. die dia-dromen Wanderer Lachs und Meerforelle, die Süßwasserfische Aland, Blei und Güster sowie die marinen Arten Wittling, Hornhecht, Seehase und Scholle. Das Vorkommen der vielen nach-gewiesenen Cyprinidenarten (Karpfen- und Weißfische) beschränkt sich hauptsächlich auf die ausgesüßten Ostseerandgewässer. Die meisten Arten dieser Gruppe sind im Oderästuar zu finden. Die Großsalmoniden, von denen der Lachs im Binnenbereich den Status als FFH-Art hat, werden durch fischereiliche Fördermaßnahmen gestützt. Dazu zählt auch der Ostsee-schnäpel (Coregonus maraena), der als Unterart geführt wird. Durch umfangreiche Fördermaß-nahmen scheinen sich die Bestände dieser semianadromen Art in den vergangenen Jahren deutlich vergrößert zu haben.

Das diadrome Meerneunauge und das Flussneunauge kommen selten bzw. regelmäßig in un-seren Ostseeabschnitten vor. Zu den sehr seltenen Fischen zählen alle Vertreter der Knorpelfi-sche (Haie und Rochen). Es handelt sich dabei ausnahmslos um Irrläufer, deren Nachweise sich hauptsächlich auf das Schleswig-Holsteinische Gebiet am Ausgang der Belte bzw. im Sund beschränken.

Weiterhin gehören die beiden diadromen Wanderer Finte (Alosa fallax) und Alse (Alosa alosa) zu den seltenen bzw. sehr seltenen Arten. Weil aus früheren Zeiten keine Nachweise der Alse aus der Ostsee vorlagen, galt diese Art für unseren Bereich als potenziell nicht existent (vgl.

DUNCKER und LADIGES, 1960; WINKLER, 1991). Seit 1990 gibt es nur zwei aktuelle Einzelnach-weise aus deutschen Ostseegewässern, die im Rahmen des F&E-Vorhabens von THIEL und WINKLER (2007) zusammengetragen wurden. Historische Nachweise der Alse aus deutschen Ostseegebieten sind allerdings sehr selten, räumlich und zeitlich sehr variabel und nicht zwei-felsfrei (vgl. auch WINKLER et al., 2002).

Demgegenüber belegen die Ergebnisse des F&E-Vorhabens von THIEL und WINKLER (2007) sehr deutlich, dass die südliche Ostsee ein wichtiges Verbreitungsgebiet der verwandten Finte (Alosa fallax) war und inzwischen wieder ist. Nachdem diese zwischen 1960 und 1989 bis auf wenige Nachweise an unserer Küste verschwunden waren (WINKLER, 1991), nahmen die Fin-tennachweise seit Mitte der 1990er in der südlichen Ostsee wieder zu. Die Mehrheit der Nach-weise aus den deutschen Ostseegewässern stammt aus Gebieten nordöstlich von Rügen, aus der Pommerschen Bucht und aus dem Oderästuar. Diese Entwicklung läuft parallel zu Be-obachtungen in den östlichen Nachbarstaaten Polen, Litauen und Russland (vgl. u. a. REPEČKA, 2003; SKÓRA, 2003 und MAKSIMOV, 2004).

Als ursächlich für den in den 1960er Jahren verstärkt einsetzenden Rückgang der Fintenbe-stände in der südlichen Ostsee werden die zunehmende Wasserverschmutzung in den Küsten-gewässern, gegenüber der diese Fischart sehr empfindlich ist und die Errichtung von Wander-hindernissen angesehen (z. B. REPEČKA, 1999). Möglicherweise beeinflussen aber auch klima-tische Faktoren die Größe der Fintenpopulation der Ostsee (z. B. THIEL et al., 2007).

Gegenwärtige Struktur der Ostsee-Fischgemeinschaften

In der Ostsee lassen sich sowohl lebensraumtypische als auch regionaltypische Fischgemein-schaften unterscheiden. Die Struktur der FischgemeinFischgemein-schaften hängt einerseits von der Aus-prägung des Lebensraumes ab. Der marine Lebensraum gliedert sich in die Zone des freien Wassers, das sog. Pelagial und das Benthal, das den Boden und den Rand der Meere umfasst.

Der ufernahe Bereich des Benthals wird als Litoral bezeichnet. Die Zahl der Fischarten im Pelagial beträgt nur etwa ein Zehntel der Zahl benthischer Fische (SOMMER, 1998).

Andererseits bestimmen abiotische Faktoren wie z. B. Salzgehalt, Sauerstoffgehalt und Was-sertemperatur die Struktur der Fischgemeinschaften. In der Ostsee hat der Salzgehalt für die Struktur der Fischgemeinschaften eine große Bedeutung. Da der Salzgehalt in der Ostsee ei-nen horizontalen Gradienten aufweist (Abnahme von West nach Ost) haben sich dementspre-chend regional unterschiedliche Fischgemeinschaften entwickelt.

Lebensraumtypische Fischgemeinschaften

Nach NELLEN und THIEL (1995) haben sich in der Ostsee drei unterschiedliche lebensraumtypi-sche Fischgemeinschaften herausgebildet, eine pelagilebensraumtypi-sche, eine benthilebensraumtypi-sche und eine litorale.

Die Grenzen sind fließend, d.h. es besteht ein Austausch von Individuen zwischen den Ge-meinschaften. Eine bedeutende Vermischung der pelagischen und litoralen Fischgemeinschaf-ten tritt alljährlich auf, wenn pelagische Fische, allen voran der Hering, ihre Laichgründe in den Küstengewässern aufsuchen. Viele Fischarten der Ostsee haben ihre Laich- und auch Fress-gebiete in den Küstengewässern:

• Die pelagische Fischgemeinschaft wird durch den in der gesamten Ostsee vorkommenden Hering dominiert. Sprotte, Lachs und Meerforelle sind weitere charakteristische Vertreter.

• Die wirtschaftlich wichtigsten Vertreter der benthischen Fischgemeinschaft sind Dorsch (Gadus morhua), Flunder (Platichthys flesus) und Scholle (Pleuronectes platessa). Neben den genannten, kommerziell genutzten Arten sind verschiedene Kleinfischarten (z. B. Grun-deln) wichtige Glieder innerhalb der Fischgemeinschaften der Ostsee.

• Innerhalb der litoralen Fischgemeinschaft finden sich fast nur die juvenilen Individuen der pelagischen Arten. Dieser Lebensraum ist in der Ostsee durch dichten Bewuchs mit Algen und Seegras gekennzeichnet. Er bietet auch viele Schlupfwinkel für kleine Arten, die wiede-rum die Nahrung für größere Fische bilden. Die ruhigen, flachen Gewässer der Bodden und Haffe sind nahrungsreiche Aufwuchsgebiete vieler, ökonomisch wichtiger pelagischer und benthischer Fische (NELLEN, 1968).

Regionaltypische Lebensgemeinschaften

Das Vorkommen der Ostsee-Organismen wird weitgehend durch ihr genetisch bedingtes abioti-sches Potenzial bestimmt, d.h. durch die Toleranz gegenüber verschiedenen abiotischen Fakto-ren wie Salzgehalt, Temperatur und Sauerstoffgehalt. Dabei sind nicht nur die Adulten, sondern besonders die meist empfindlicheren Entwicklungsstadien zu berücksichtigen. Insgesamt setzt sich die heutige Fischfauna der Ostsee aus Süßwasserfischen sowie alten und neuen Einwan-derern aus marinen Gebieten wie der Nordsee zusammen. Die Verteilung der Ostseefische ist vorrangig vom Salzgehalt abhängig, wobei dieser in Richtung Osten und Norden abnimmt. Dies hat zur Folge, dass sowohl die Anzahl der Arten als auch die Individuenzahl der Meeresfische nach Osten und Norden hin abnimmt. Dies gilt besonders für die Meeresfische. Die Süßwas-serarten haben ihr Maximum in den Küstengewässern der mittleren Ostsee. Der wichtigste Le-bensraum der Fische der Ostsee sind die Flachwassergebiete. Hier ist das Nahrungsangebot sowohl für die Larven als auch für die erwachsenen Bodentierfresser am günstigsten.

Während in der Nordsee 120 Meeresfischarten heimisch sind, findet man in der Kieler und Mecklenburger Bucht noch 70, in der südlichen und mittleren Ostsee 40 bis 50 und in der Alandsee, im Finnischen Meerbusen und in der Bottensee 20 Arten (REMANE, 1958).

In der westlichen Ostsee herrschen die marinen Fischarten vor (NELLEN und THIEL, 1995). Die meisten leben am Boden im flachen Wasser. Viele sind klein und ohne wirtschaftliche Bedeu-tung. Nur drei Arten, Hering, Sprotte und Dorsch, nehmen eine kommerziell wichtige Stellung ein. Interessant ist ein Blick auf die Herkunft der in die Ostsee eingewanderten Fischarten. Die Nordsee ist ein Mischgebiet von Fischen, deren Verbreitungsschwerpunkt entweder weiter im Norden (Norwegen - Island) oder im Süden (Englischer Kanal - Biskaya) liegt. In der westlichen Ostsee sind mit wenigen Ausnahmen alle häufigen Meeresfische typische „Nordfische“, insbe-sondere Dorsch, Wittling, Scholle und Kliesche. Sie vertragen die niedrigen Wintertemperaturen der Ostsee offenbar besser als die „Südfische“. Gäste aus der Gruppe der „Nordfische“ sind vor allem im tieferen Wasser anzutreffen, wo sie besonders im zeitigen Frühjahr zu beobachten sind. Unter den seltenen Gästen der westlichen Ostsee finden sich mehr „Südfische“ (Makrele, Stöcker, Schellfisch, Knurrhahn, Sardelle, Meeräsche). Aber auch einige Standfische dieses Gebietes sind Südfische (Steinbutt und Hornhecht, Sprotte, Schwarz- und Sandgrundel). Das Vorkommen von Süßwasserfischen beschränkt sich in diesem Gebiet der Ostsee auf die Flus-sästuare, Bodden- und Haffgewässer.

In der mittleren Ostsee gibt es nur 36 ständig in größerer Zahl anwesende Fischarten (NELLEN

und THIEL, 1995, THIEL et al., 1996). Bei den Meeresfischen handelt es sich meist um Nordar-ten. Die Hälfte aller Arten sind hier schon Süßwasserfische, die sich vorwiegend in unmittelba-rer Küstennähe aufhalten. Die Anzahl der selteneren Standfische und der marinen Gäste nimmt nach Osten hin stark ab. Im Sommer wandern manchmal einzelne Südformen wie Thun- und Schwertfisch bis in die mittlere Ostsee hinein, wo sie sich an der deutschen Küste aufhalten, während Gäste aus der Gruppe der Nordarten, wie Barsche, wenige Weißfischarten, Maränen, Lachs, Meerforelle, Aal, früher auch Stör und Maifische, häufiger an der schwedischen Küste beobachtet werden. Sie besiedeln die flachen Meeresgebiete und die mittleren und oberen Wasserschichten. Auf den tieferen, schlammigen Gründen finden sich nur wenige Fische.

Günstigere Bedingungen bieten die Sandgründe vor der mecklenburgischen und pommerschen Küste. Hier lebt eine größere Anzahl Kleinfischarten. Über ihre Verbreitung ist bisher wenig be-kannt. Sie sind nicht von fischereilichem Interesse, ihrer möglicherweise großen ökologischen Bedeutung ist erst in jüngster Zeit nachgegangen worden. WINKLER und THIEL (1993) fanden 18 Kleinfischarten für die Küste von MV.

In der östlichen und nördlichen Ostsee dominieren neben den euryhalinen marinen Arten, wie Bandfisch und Scheibenbauch sowie den Küstenformen des Herings, die Süßwasserfischarten, vor allem Maränen (Coregonus sp.), Hecht (Esox lucius), Flussbarsch (Perca fluviatilis) und Brassen (Abramis brama), die aber nur selten in der offenen Ostsee anzutreffen sind. Dagegen bilden die Küstenformen des Herings Massenbestände. Insgesamt werden gegenwärtig 40 Süßwasserfischarten im Bottnischen Meerbusen gezählt (NELLEN und THIEL, 1995).

Fischfauna im Untersuchungsraum (östliche AWZ)

Da der Salzgehalt die Artenzusammensetzung der Fischfauna maßgeblich beeinflusst, lässt sich die AWZ in eine westliche und östliche Naturraumeinheit gliedern, wobei die Grenze von der Darßer Schwelle gebildet wird. Entsprechend den Festlegungen des BFO-O umfasst der Untersuchungsraum für die Umweltprüfung den Teil der deutschen AWZ östlich der Darßer Schwelle. Während der Kenntnisstand über die Fischbestände der gesamten AWZ mit Aus-nahme der wichtigsten kommerziell genutzten und durch das TI-OSF erfassten Fischarten ge-ring ist, ist die Datenlage für die östliche AWZ umfangreicher. Zusätzlich zu den Untersuchun-gen von ERICH et al. (2006) und KLOPPMANN et al. (2003) liegen weitere Untersuchungen von THIEL und WINKLER (2007) aus den früheren FFH-Gebieten sowie aktuelle Untersuchungen, die

Da der Salzgehalt die Artenzusammensetzung der Fischfauna maßgeblich beeinflusst, lässt sich die AWZ in eine westliche und östliche Naturraumeinheit gliedern, wobei die Grenze von der Darßer Schwelle gebildet wird. Entsprechend den Festlegungen des BFO-O umfasst der Untersuchungsraum für die Umweltprüfung den Teil der deutschen AWZ östlich der Darßer Schwelle. Während der Kenntnisstand über die Fischbestände der gesamten AWZ mit Aus-nahme der wichtigsten kommerziell genutzten und durch das TI-OSF erfassten Fischarten ge-ring ist, ist die Datenlage für die östliche AWZ umfangreicher. Zusätzlich zu den Untersuchun-gen von ERICH et al. (2006) und KLOPPMANN et al. (2003) liegen weitere Untersuchungen von THIEL und WINKLER (2007) aus den früheren FFH-Gebieten sowie aktuelle Untersuchungen, die