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Fazit: Eine neue soziale Ordnung nach 1989/90 und neue Schwierigkeiten

4 Sozioökonomische Faktoren: Zur Lebenslage der Frauen

4.4 Politische und soziale Wende

4.4.5 Fazit: Eine neue soziale Ordnung nach 1989/90 und neue Schwierigkeiten

Mit dem sozialen Wandel sind viele Probleme aufgetreten, denen vor allem Frauen aus-gesetzt sind. Einer Umfrage aus dem Jahr 1995 nach gab die Hälfte der Bevölkerung an, dass Frauen in der neuen sozialen Ordnung objektiv benachteiligt sind und damit ihre Lebenssituation schwieriger ist als die der Männer. 64 Prozent der Frauen glauben, dass Männer sich größerer sozialer Vorteile erfreuen als Frauen. Von den Männern stimmen 35 Prozent ihrer besseren Lage zu.241 Die Vorteile für die Männer im Gegensatz zu den Frauen wurden genannt:

bessere berufliche Stellung, bessere Bezahlung der Arbeit, bessere Möglichkei-ten sich im Beruf zu verwirklichen und eine Karriere aufzubauen;

239 Kliment 2001: 88.

240 Kvapilová, E.: Ďalší útok na ľudské práva žien.In: Sme, 30.7. 2002, S. 9.

241 Bútorová 1996: 144–145.

besserer Status und höhere Autorität in der Gesellschaft, mehr Macht und Ges-taltungsmöglichkeiten;

weniger Aufgaben im Haushalt, geringere Belastung in der Fürsorge für die Familie, damit mehr Zeit für sich, bessere Freizeitmöglichkeiten, mehr Freiheit im Leben;

liberalere Moralnormen für Männer, höhere Toleranz der Gesellschaft gegen-über männlichen „Abweichungen“ (nach traditionellen Vorstellungen ist eine Frau verpflichtet sich streng moralisch zu benehmen, während bei einem Mann, vieles verziehen wird).242

Im Vergleich der sozialen Lage der Frauen aus der Vergangenheit lässt sich heute schwer irgendeine Besserung erkennen. Eine große Blockade für die Entwicklung und Entfaltung der Frauen stellen kulturelle Stereotype dar, die eine Minderwertigkeit und Unterordnung der Frau am Arbeitsplatz und in der Familie weiterhin dulden, wenn nicht sogar fördern. Der Mann soll weiterhin der finanzielle Versorger der Familie bleiben, Frauen gelten weniger am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft. Sie werden sogar aus dem Arbeitsmarkt gedrängt und bleiben von Leitungspositionen weitgehend ausge-schlossen. Interessant ist, dass sich mit diesem Vorgehen selbst viele Frauen kaum auseinandersetzen. Es ist erstaunlich, wie viele Frauen eine Benachteiligung der Frau bei der Entlohnung der Arbeit und bei den Aufstiegmöglichkeiten tolerieren und bessere Chancen für die Männer vorsehen. Zwei absolut unterschiedliche Tendenzen sind unter den Frauen zu beobachten. Einerseits bemühen sich viele Frauen um bessere Bildung und höhere Qualifikation, anderseits verneinen noch viele von ihnen das Recht der Frauen, ihre Kenntnisse auch angemessen in Karrieren umzusetzen. Zum Vorteil ge-reicht den Frauen (vor allem der älteren Generation), dass sie unter den neuen wirtschaftlichen und sozialen Umständen gelernt haben, flexibel zu bleiben und mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen. Auch die interviewten Politikerinnen zeigten eine hohe und ausgeprägte Fähigkeit, mehrere Aufgaben parallel zu bewältigen. Neben ih-rem Berufsleben pflegen alle auch noch enge Kontakte zu ihren Familienangehörigen, die auf ihre Hilfe angewiesen sind (Kinder, Enkelkinder, Eltern). Heute sind sie, dank ihrer Flexibilität, nicht nur Parlamentarierinnen, sondern alle von ihnen arbeiten

242 Vgl. ebd.: 241.

zeitig in verschiedenen Ausschüssen des Parlaments und gehen mehreren Tätigkeiten innerhalb der Parteien nach. Diese Bereitschaft, mehrere Aufgaben gleichzeitig wahrzu-nehmen, begründet eine hohe Leistungsfähigkeit der Frauen in der Politik. Doch damit Frauen ihre Flexibilität und Professionalität auch aktiv umsetzen können, müssen vor allem die tradierten Rollenbilder abgebaut werden.

An diesem Prozess sollte der Staat mitwirken, der Richtung und Regeln beim Abbau der sozialen Diskriminierung von Frauen vorgeben kann. Einen positiven Ansatz, diesen Wandel einzuläuten, stellen die neuen Regelungen auf dem Arbeitsmarkt dar, die besse-re Chancen für Frauen bei Bewerbungen, beim Karriebesse-reaufstieg und bei der Entlohnung vorsehen. Auch wenn ihre Auswirkungen noch gering sind, sind sie doch ein wichtiges Signal für die Gesellschaft.

Viel geringer sind die Bemühungen des Staates, den Frauen im privaten Bereich behilf-lich zu sein. Obwohl die Gewalt an Frauen ein bekanntes und weitverbreitetes Problem ist, fehlen immer noch effektive Lösungen. Ein negativer Angriff auf die Privatsphäre der Frau wird auch in der neuen Diskussion um das Abtreibungsgesetz sichtbar, in dem das Recht der Frauen zur freien Wahl zwischen Schwangerschaft und Abtreibung abge-schafft werden soll.

5 Institutionelle Faktoren

Die politischen Institutionen, durch die in jedem Land die politische Partizipation und politische Repräsentation der Bürger geprägt werden, haben im Laufe der Zeit auch in der Slowakei mehrere Formen angenommen. Der entscheidende Ausgangspunkt zu ih-rer Analyse kann in der ersten staatlichen Formation der Tschechen und Slowaken gefunden werden. Im Tschechoslowakischen Staat der Zwischenkriegszeit hat nämlich die Institutionalisierung der politischen Partizipation von Frauen in den politischen In-stitutionen einen Durchbruch erlebt. Neue Regeln mit einer klaren Definition politischer Grundrechte von Frauen wurden verabschiedet, Frauen erhielten gesetzliche Gleichstel-lung mit den Männern. „The declaration of independence of the Czechoslovak Republic on 18th October 1918 says: Women will be politically, socially and culturally on the same level as men.“243 Dies bestätigte anschließend die Konstitution aus dem Jahr 1920.

Im Artikel 108 wurde festgelegt: „There shall be no privileges pertaining to sex, family or calling.“244 Die tschechischen und slowakischen Frauen erhielten das Recht, zu wäh-len und gewählt zu werden, und ihr Zugang zu politischen Funktionen war ab diesem Moment auf Dauer institutionell gesichert.

In diesem Kapitel wird dargestellt, wie sich die Institutionalisierung des Rechtes der Frauen politisch aktiv zu sein weiter entwickelte, welche neuen Inhalte es in den fol-genden Regimes bekam, und welche Auswirkung es auf die reale Beteiligung der Frauen in den zentralen politischen Institutionen hatte. Es wird davon ausgegangen, dass, obwohl die institutionellen Bedingungen für die Frauen günstig waren, wurden sie in der politischen Realität mangelhaft genutzt. Dies wird an der Beteiligung der Frauen in Regierung, Parlament und politischen Parteien während der drei verschiedenen Peri-oden vom Jahr 1918 bis zur Revolution 1989 geschildert. Anschließend wird die Wirkung der historischen Erfahrungen auf die postkommunistische Politik untersucht und anhand der neuesten Entwicklungen der politischen Institutionen nach dem Jahr 1998 werden die institutionellen Voraussetzungen für die politische Partizipation von Frauen diskutiert.

243 Musilová 2/1999: 199.

244 Vgl. ebd.: 243.

5.1 Frauen in den politischen Institutionen der Slowakei 1918 –