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Der europäische Einfluss in der Definition zur Frauenrolle im 19. und Anfang

3 Politisch - kulturelle Faktoren

3.2 Frauen im Spiegel der politisch-kulturellen Werte

3.2.1 Der europäische Einfluss in der Definition zur Frauenrolle im 19. und Anfang

Bevor die slowakischen Besonderheiten angesprochen werden, soll die allgemeine Sichtweise der Frau und ihrer Rolle in der Gesellschaft aus dem Blickwinkel der euro-päischen Philosophie kurz geschildert werden, da ihr Einfluss auf die politisch-kulturellen Werte in der Slowakei vor allem in intellektuellen Kreisen bedeutend war.

Bis zum Ersten Weltkrieg war die Slowakei Teil der Habsburger Monarchie. Die deut-schen und österreichideut-schen Philosophen hatten mit ihren Gedanken zentrale Bedeutung für die slowakische Intelligenz. Vor allem Hegel und Schopenhauer haben das Denken der intellektuellen Kreise bestimmt. Ihre Einstellungen zur Frauenrolle in Familie, Part-nerschaft und Gesellschaft haben die Einstellungen der slowakischen Literaten und Philosophen gelenkt. Der Einfluss des kommunistischen Russland mit seinen Ideen der Gleichberechtigung der Frauen verbreitete sich erst später, in der Ersten Tschechoslo-wakischen Republik. Doch bedeutsame Änderungen in der Betrachtung der Frau und damit klare Unterschiede zu den traditionellen westlichen Ideologien brachte erst die kommunistische Ära, die einen Emanzipationsprozess startete und ideologischen Ab-schied von der traditionellen Dichotomie von „privater Frau“ und „öffentlichen Mann“

nahm.

3.2.1.1 Die minderwertige Frau – ein festes Fundament

Die Frau wurde in den westeuropäischen Philosophien seit der Antike sehr unterschied-lich gesehen. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Ergebnis der Überlegungen keine Individualisierung, sondern eine pure Substanzierung der Frau in der philosophischen Theorie.91 Die Frau genoss lange kein Ansehen als Wesen mit selbständiger Individuali-tät. Sie galt weithin als eine zweitklassige Art von Mensch, die bei weitem nicht die intellektuellen Qualitäten besäße wie ein Mann. Unberechenbar und von Instinkten ge-trieben stelle die Frau einen Gegensatz zum intellektgesteuerten Mann dar.

91 Mészáros 1996: 47.

Der Frau wurde ein Mangel an mentalen Voraussetzungen für politische Tätigkeit zuge-schrieben, und damit blieb die Partizipation der Frau in der Politik unakzeptabel.

Heywood fasst zusammen: Durch die gesamte europäische Geschichte der politischen Gesellschaft zieht sich die Trennung in einen „öffentlichen Mann“ und eine „private Frau“. Die öffentliche Sphäre, die aus Politik, Arbeit, Kunst und Literatur besteht, war traditionell eine Domäne des Mannes, während der Frau nur eine private Existenz ges-tattet wurde, in deren Mitte Haushalt und Familie standen. Frauen, die auf die Rollen von Hausfrauen und Mütter beschränkt wurden, blieben im Prinzip von der Politik aus-geschlossen.92 Diese Dichotomie der Rollen resultierte darin, dass die rational-kreative Männlichkeit sich nur im Bereich der Öffentlichkeit von Erwerbsleben und politischer Teilhabe entfalten konnte. Dem entgegen entfaltet sich die emotional-passive Weiblich-keit im Bereich des Hauses, und der Ehe, von Familie und Mutterschaft.93

Diese Sicht einer umfassenden, insbesondere intellektuellen und gesellschaftlich-politischen Unterordnung der Frauen fand Eingang in den literarischen und gesellschaftlich-politischen Kreisen der slowakischen Intelligenz, ob am Ende des 18. Jahrhunderts die bedeutende kulturell-politische Gruppe rund um Anton Bernolák oder im 19. Jahrhundert die politi-sche Štúr–Gruppe, sie waren für Frauen nicht offen. Die politisch orientierten Vereine aus dieser Zeit waren Männervereine. Eine vorübergehende Ausnahme bot der Frauen-verein Živena, als im Jahr 1875 die wichtige politisch-kulturelle Institution Matica slovenská geschlossen wurde. Dieser Verein slowakischer Frauen hatte die Förderung der Bildung für Frauen aus allen sozialen Schichten zum Ziel. Nach dem Matica ge-schlossen worden war, wurde die alljährliche Tagung des Vereins Živena zum Treffpunkt politischer Aktivisten, die sich früher bei Matica trafen.94 Allerdings bedeu-tete die Nutzung der Tagung von Živena zu politischen Meetings nicht gleichzeitig den Einbezug von Frauen in die politischen Aktivitäten des Landes. Das hing teilweise da-mit zusammen, dass der Bildungsvorsprung der Männer damals groß war und die Frauen nicht mithalten konnten. Die erste Frau mit Abiturabschluss in der Slowakei er-reichte diesen erst im Jahr 1918,95 während zu der Zeit für Männer ein Universitätsstudium schon möglich war. Gleichzeitig wirkte sich die Tatsache aus, dass

92 Heywood 1994: 208.

93 Schöler-Macher 1994: 21.

94 Buchvaldek et al. 1986: 350.

95 Kovačevičová 1998: 16.

die politischen Kreise meist durch katholische und evangelische Pfarrer aufgebaut wur-den und so schon im Keim die Tradition der Männervereine in sich trugen. Erschwerend kam noch das Vorurteil der niedrigeren politischen Begabung der Frauen dazu, das vor allem aus westlichen Philosophien übernommen wurde. Auf Grund dieser drei Faktoren war für politisch tätige Männer eine politische Kooperation mit Frauen schwer vorstell-bar. Man kann sagen, dass sich in den Kreisen rund um Ľudovít Štúr eine gewisse Frauenfeindlichkeit entwickelte.

3.2.1.2 Von den liberalen Ideen zum Frauenwahlrecht (1920)

Trotz dieser nur schwer durchbrechende Dichotomie – „öffentlicher Mann“ und „priva-te Frau“ – begann das neue Jahrhundert mit ers„priva-ten Versuchen den Frauen das Tor zur Politik zu öffnen. Die politischen Grundrechte erhielten Frauen aus mehrerer Länder im Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert, in der Slowakei nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1920. Obwohl das Positivum dieses Schritts unbestritten ist, waren seine realen Auswirkungen für eine aktive politische Partizipation von Frauen weithin begrenzt.

Frauen erhielten die politische Rechte viel später als die Männer, deshalb „hatten sie als

‚Nachzüglerinnen’ nur geringe Chancen die Formen politischer Arbeit, die Regeln des politischen Umgangs und die Definition politischer Probleme mitzubestimmen.“96 Die politischen Rechte ermöglichten den Frauen den ersten Schritt in das öffentliche Leben, Frauen durften wählen und gewählt werden, aber es änderte nichts daran, dass sie sich in den politischen Formen, die von den Männern stammen, nur schwer orientierten und häufig für die Politik als ungeeignet präsentierten.

Auch deshalb wurden die Frauen wieder mit dem „Argument der weiblichen Natur und Unterlegenheit in die Privatheit verwiesen und (deshalb) gleichzeitig von der Öffent-lichkeit ausgeschlossen; Männer werden durch die protektive Existenz der bürgerlichen Privatheit für die politische Öffentlichkeit ausgestattet.“97 Schöler-Macher hält in ihrer Überlegungen fest, dass wenn wir auch das moderne bürgerliche Bild des „homo politi-cus“ untersuchen, erkennen wir, in Bezug zu den vorherigen Philosophien und Definitionen von männlichen und weiblichen Eigenschaften, dass es eindeutig männli-che Züge trägt.98 Es wurden ihm die Eigenschaften zugeordnet, die den Frauen die

96 Cornelissen in Hoecker 1995: 16.

97 Rosenberger 28/1997: 121.

98 Schöler-Macher 1994: 20.

ganze Zeit bestritten worden waren. Und so bekam der „homo politicus“ komplett männliche Konturen. Dem entsprechend wurde die Trennung der Wirkungsbereiche von Männern und Frauen nicht beseitigt. Der Mann behält sein gesellschaftliches Selbst, was ihm schon Hegel zugeschrieben hatte, und das durch die Betätigung des Regierens und des Herrschens bestimmt wird, während der Frau ein naturhaftes Selbst zugeordnet wird, dessen zentrale Betätigung das Gebären ist.99

Es wurde klar, dass für die Umsetzung der neuen Perspektiven einer politischen Partizi-pation der Frauen nicht nur der institutionelle, sondern viel mehr ein kultureller und normativ-ideologischer Wandel nötig wird. „Angesichts der unterschiedlichen formati-ven Erfahrungen wird das weibliche Defizit in der politischen Partizipation höchstwahrscheinlich erst nach einem vollständigen Generationswechsel in der Bevöl-kerung ausgeglichen sein.“100

Der Prozess der Angleichung begann im slowakischen Raum eindeutig nach dem Zer-fall der Monarchie, jedoch musste er sich weiterhin mit vielen hartnäckigen nationalspezifischen kulturellen Widerständen auseinandersetzen.

3.2.2 Slowakische Spezifika in der Volkskultur der