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4 Sozioökonomische Faktoren: Zur Lebenslage der Frauen

5.3 Neue Welle 1998 – 2002

5.3.2 Bemühungen der Regierung

Die ersten Schritte zur Gleichstellung der Frauen in der zentralen Politik sind schon von der Regierung unter V. Mečiar gemacht worden. Diese hat den Ausschuss für Problematik der Frauen - KVPŽ gegründet, der einen Aktionsplan entworfen hat, der von der neuen Regierung Dzurindas zwar gebilligt wurde, aber dann auch für zwei Jahre zur Seite gelegt. Erst 2000 ist der Aktionsplan wieder diskutiert worden. Viel rascher reagierte die Regierung mit Erweiterung des administrativen Apparates. Nach den Herbst Wahlen 1998 wurde bereits im Februar 1999 neben dem schon existierenden Organ KVPŽ ein weiteres Organ auf Regierungsseite geschaffen. Die Sektion für

KVPŽ ein weiteres Organ auf Regierungsseite geschaffen. Die Sektion für Chancen-gleichheit von Frauen und Männer des Ministeriums für Arbeit, Sozialwesen und Familie. Sie sollte Gesetzentwurfe zu Frauenthemen erarbeiten und im Namen der Re-gierung dem Parlament vorlegen (was im Grunde genommen schon Aufgabe der KVPŽ war). Im gleichen Jahr wurde auch noch ein parlamentarisches Komitee gegründet289die Parlamentarische Kommission für Frauen.

Mit konkreten Vorschlägen begann die Sektion später, erste komplexe Konzeption der Chancengleichheit hat sie erst im Jahr 2001 vorgelegt, also zwei Jahre nach ihrer Ent-stehung, was in vierjähriger Legislaturperiode relativ spät ist.290 Die Regierung von M.

Dzurinda hatte sich in ihrem Regierungsprogramm aus dem Jahr 1998 verpflichtet, durch Änderungen im Wahlrecht den Frauenanteil in den politischen Institutionen zu erhöhen.291 Der erste Entwurf der Sektion des Ministeriums, den sie in Zusammenarbeit mit der KVPŽ ausgearbeitete, orientierte sich am belgischen Modell einer Quotenrege-lung. Nach ihm ist jeder dritte Platz auf den Wahllisten der Parteien für ein anderes Geschlecht (in diesem Fall die Frauen) vorzusehen.292 Der Minister für Familie, Arbeit und Sozialwesen P. Magvaši (der gleichzeitig auch Vorsitzender der KVPŽ war) hat im Oktober 2001 erstmals alle parlamentarischen Parteien zum Gespräch eingeladen, bei dem dieser Entwurf von den Parteien diskutiert werden sollte.293

Die Reaktion der Parteien war unterschiedlich. Zu den positiven und negativen Reakti-onen kam das Argument der Gegner, dass eine solche Regelung verfassungswidrig sei.

Damit begann eine lange Diskussion über die Verfassungswidrigkeit der Quotenrege-lungen. Seit dem war nicht mehr entscheidend, ob Parteien eine Wahllistenregelung prinzipiell akzeptieren, sondern ob eine solche Regelung im Einklang mit der Verfas-sung steht. Es gab immer mehr Stimmen, die damit argumentierten, dass diese Quote eine direkte Benachteiligung (der Männer) und die direkte Bevorteilung (der Frauen) bedeutete, was die slowakische Verfassung aber nicht erlaubt. Im Gegensatz dazu stand

289 Die beiden oben genannten sind Organe der Regierung.

290 Vgl. mit Berichten zur Sitzung des Ausschusses für gleiche Chancen der Parlamentsversammlung ER in Bratislava, 2001. Zusammengestellt von Z. Vranová und A. Reinerová, Internes Material vom Mi-nisterium für Arbeit, Sozialwesen und Familie.

291 Rundesová, T.: Nadvládu mužov v politike treba rozbíjať umelo. In: Sme 23.10. 2001, S. 5.

292 Vgl. ebd.: 291.

293 Vgl. ebd.: 291.

aber die in der Verfassung verankerte nachgeordnete Stellung der nationalen Gesetzte gegenüber den internationalen. Die Slowakei hatte das wichtige UNO Dokument (CEDAW, 1979) ratifiziert, das sich mit Behebung aller Formen der Diskriminierung von Frauen befasst. In seinem vierten Artikel steht, dass falls Staaten Regelungen ein-setzen, die eine Gleichstellung der Frauen beschleunigen sollen (also auch Quoten), wird dies nicht als eine Form der Diskriminierung gegen das andere Geschlecht ver-standen.294

Die angefangene Diskussion zu diesen Regelungen wurde dadurch aber nicht beendet, die Parteien haben stärkere Argumente verlangt. So wurde der Entwurf von einem Mi-nisterium zum anderen geleitetet um seinen Inhalt zu prüfen. Der Entwurf wurde dem Innenministerium als kompetentem Ministerium zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit übergegeben. Das Innenministerium sollte den Entwurf überarbeiten und in Einklang mit der slowakischen Verfassung bringen. Der Entwurf des Ministeriums für Arbeit und Sozialwesen wurde allerdings bestätigt und das Innenministerium hat im Februar 2002 eine Novellierung des Wahlgesetzes vorgelegt, nach dem - ebenso wie vorher - jeder dritte Platz auf der Wahlliste einer Partei einem anderem Geschlecht gegeben werden soll. Darauf aber reagierte das Justizministerium, das die Verfassungswidrigkeit durch diese Formulierung nicht behoben sah. Die angebotene Argumentation des Innenminis-teriums (der Entwurf spricht allgemein über ein benachteiligtes Geschlecht und nicht ausdrücklich über Frauen) war für das Justizministerium nicht ausreichend und neue Argumente wurden nicht vorgelegt. Die Bearbeitung des Entwurfes ist danach ins Sto-cken geraten. Für die Parlamentsabgeordneten, die den Entwurf billigen sollten, war weiterhin nicht klar, ob solch ein Gesetz, aus verfassungsrechtlicher Sicht, überhaupt verabschiedet werden konnte. Diese Verwirrung in der Diskussion führten zur Ableh-nung nicht nur des Gesetzes, sondern auch der Diskussion über eine Quotenregelung für weibliche Kandidaten auf den Wahllisten der Parteien. Im Februar 2002 wurde dieser Entwurf vom Parlament definitiv abgewiesen und damit für die nächste Zeit stillge-legt.295 Die Ablehnung des Gesetzes vom Parlament kann aber nicht nur durch die angebliche Verfassungswidrigkeit (sie ist bis heute fraglich und ungeklärt geblieben)

294 Pietruchová, O.: Chlieb a hry a kvóty. In: Sme 14.2. 2002, S. 8.

295 Die Recherchen des Verlaufs der Diskussion um die Verfassungswidrigkeit wurden anhand verschie-dener Medienberichte (Presse, Fernsehen) aus der Periode Oktober 2001 – März 2002 zusammengestellt.

erklärt werden, vielmehr lässt sich hier der allgemeine Unmut der Parteien erkennen, auf pauschale Regelungen einzugehen.

Im Konflikt zwischen den Bemühungen der Regierung, eine Regelung für die Aufstel-lung der Wahllisten einzuführen und dem Unmut der Parteien diese RegeAufstel-lung, in ein Gesetz umzuwandeln, lässt sich eine Art politischer Schizophrenie erkennen. Die Par-teien, die nach den Wahlen 1998 zur Macht kamen, waren Parteien der breiten Anti-MečiarKoalition, die im Rahmen des Regierungsprogramms (nicht im Rahmen von Par-teiprogrammen) das Problem der Unterrepräsentation der Frauen in der nationalen Politik lösen wollten. Während Politiker der Koalition in der Regierung nach Lösungen suchten, suchten ihre Kollegen auf dem Feld des Parlaments nach Möglichkeiten diese Regelungen auszusetzen. Die parlamentarische Debatte, in der dieser Entwurf auch von den Abgeordneten der regierenden Parteien blockiert wurde, bietet ein Beispiel an Ü-bereinstimmung zwischen Regierung und Parlament. Es fehlt eine klare Vermittlung und gemeinsame Tendenz in ihrer Politik, sie scheinen als separate Elemente zu arbei-ten. Aufgrund dieser Spaltung hat die Regierung ihre programmatische Aufgabe, die Behebung der Benachteiligung der Frauen bei den Wahlen zu den zentralen Machtorga-nen durch Änderung des Wahlgesetzes, nicht geschafft.

Eine bedeutende Rolle bei der parlamentarischen Diskussion hat auch die Zeit gespielt.

Die Parlamentswahlen im September 2002, für die dieses Gesetz zuerst gelten sollte, waren schon in Vorbereitung. Viele Parteien hatten im Februar 2002, als der Entwurf dem Parlament vorgelegt wurde, ihre Kandidatenliste für die Parlamentswahlen schon vollständig und eine neue Bearbeitung war für sie nicht mehr denkbar.