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Exkurs: Zur Baumeister-Rezeption bei Kögler

Willi Baumeister wurde unmittelbar nach Kriegsende als von den Nazis verfolgter Künstler anerkannt und rehabilitiert.281 Er trat im Jahr 1946 eine Professur an der Akademie der bildenden Künste Stuttgart an.282 Für seinen Unterricht entwickelte er Lehrmethoden, in denen das Studium der elementaren Gestaltungsmittel im Mittelpunkt stand.283 Im Jahr 1947 wurde seine kunsttheoretische Schrift „Das Unbekannte in der Kunst“ veröffentlicht, an der der Künstler bereits in den letzten Kriegsjahren gearbeitet hatte.284 Zu diesem Zeitpunkt galt er in Deutschland als der bekannteste abstrakt malende Künstler.285 Zwei Jahre später stellte er als erster deutscher Künstler nach dem Krieg in einer Pariser Galerie aus, dies wurde als gelungene Westintegration der deutschen Kunst gefeiert.286 1950 trat Baumeister als einer der Protagonisten im „Darmstädter Gespräch“ auf, in dem die in der deutschen Kunst ausgetragene Auseinandersetzung um Abstraktion und Figuration einen Höhepunkt erreichte.287

Der Württembergische Kunstverein richtete Baumeister im Jahr 1954 eine umfassende Retrospektive aus, es wurden 150 Arbeiten gezeigt. Die Ausstellung stieß auch überregional auf große Resonanz.288 Im gleichen Jahr trat Baumeister nach Meinungsverschiedenheiten mit dem konservativ gesinnten Karl Hofer aus dem Deutschen Künstlerbund aus, dessen Mitbegründer er war.289 Baumeister starb im Jahr 1955.

In seiner Schrift „Das Unbekannte in der Kunst“, die in der Kunstdebatte um die Mitte des Jahrhunderts eine zentrale Rolle einnahm,290 setzt sich Baumeister mit gestalterischen Grundlagen der Kunst ebenso auseinander wie mit der Rolle von Künstler und Betrachter.291

281 Vgl. Beat Wyss, a. a. O., S.55 ff., hier S.55 f.

282 Vgl. die Tagebuchnotiz Baumeisters zur Berufung, zitiert bei Boehm, a. a. O., S.224.

283 Vgl. zu Baumeisters Lehre Wolfgang Kermer, Zur Kunstlehre Willi Baumeisters. Ein Vorschlag Baumeisters zur Reform des künstlerischen Elementarunterrichts aus dem Jahr 1949, in: Willi Baumeister 1945-1955, AK, Stuttgart 1979 (im folgenden zitiert als AK, Stuttgart 1979), S.129 ff.

284 Vgl. Willi Baumeister, Das Unbekannte in der Kunst, Stuttgart 1947. Zur Arbeit an der Schrift von 1943 an vgl. Boehm, a. a. O., S.42.

285 Vgl. Wyss, a. a. O., S.55.

286 Vgl. ebenda, S.63.

287 Vgl. ebenda, S.63 ff.

288 Vgl. eine entsprechende Notiz aus der Stuttgarter Zeitung vom 25.1.1954, zitiert bei Boehm, a. a. O., S.237.

289 Vgl. den entsprechenden Tagebucheintrag Baumeisters, zitiert ebenda, S.240.

290 Vgl. Wyss, a. a. O., S.66.

291 Vgl. zu Baumeisters Schrift die eingehende Untersuchung von René Hirner-Schüssele, Von der Anschauung zur Formerfindung. Studien zu Willi Baumeisters Theorie moderner Kunst, Worms 1990.

Im Zentrum seiner Überlegungen steht der Begriff des „Unbekannten“. Baumeister stützt sich dabei auf Gedanken des Religionsphilosophen Leopold Ziegler.292 Mit diesen Überlegungen verbindet sich, wie bei diesem so auch bei Baumeister, eine umfassende Zivilisationskritik. Das

„Unbekannte“ wird bei Baumeister definiert als das sich schöpferisch manifestierende Abso-lute,293 das kollektiv erfahrbare Anteile enthält und im Akt der Bildschöpfung im Künstler freigesetzt wird.294 In gleichem Maß wird das „Unbekannte“ als schöpferische Kraft selbst definiert, die den Aufbau des entstehenden künstlerischen Werkes konstituiert. Es wird als rational nicht kontrollierbar beschrieben, es ist „Maßstab wie auch Quelle und Inspiration“

eines Werkes. Diese Konstruktion schließt ein, daß Kunst nicht für außerkünstlerische Zwecke vereinnahmt werden kann. Die Vorstellung eines „Unbekannten“ als Inhalt von Kunst verortet Baumeisters Theorie in der Nachmoderne.295

Die in der Schrift enthaltene Zivilisationskritik bezieht einen historischen Rückblick auf die Entwicklung des Menschen ein und beruft sich auf die Vorstellung, der Mensch empfinde sich in vorgeschichtlicher Zeit noch als eins mit der ihn umgebenden Natur.296 Diese Einheit habe sich im Laufe der Herausbildung der Ratio in Subjekt (Mensch) und Objekt (Schöpfung) aufgespalten. Baumeisters Intention geht dahin, diese verlorene Einheit über das künstlerische Schaffen wiederherzustellen. Die Analyse der gestalterischen Mittel spielt dabei eine wesentli-che Rolle, sie werden jenseits einer deskriptiven Funktion als Ausdrucksträger reklamiert.

Zugleich vertritt Baumeister die Überzeugung, daß allein die abstrakte Kunst eine adäquate Entsprechung zu den Erkenntnissen moderner Naturwissenschaft darstellt.297

Die Hinwendung zum Mythos und dessen Ausformulierungen in unterschiedlichen untergegangenen Kulturen beschäftigte den Künstler seit der Zeit der inneren Emigration unter dem Naziregime.298 Das Interesse für vor- und frühgeschichtliche Inhalte, insbesondere auf mythologischer Ebene, sowie für damit assoziierte Ausdrucksformen trat allerdings in der

292 Vgl. hier und im folgenden Wyss, a. a. O., S.66 und Hirner-Schüssele, a. a. O., S.109 f.

293 Vgl. Hirner-Schüssele, a. a. O., S.191.

294 Vgl. hier und im folgenden Peter Beye, Tilman Osterwold, Willi Baumeister ‚Das Unbekannte in der Kunst’, in: AK, Stuttgart 1979, S.9 (Beye), dort auch das Zitat.

295 Vgl. Wyss, a. a. O., S.70.

296 Vgl. hier und im folgenden Beye, Osterwold, a. a. O., S.12 (Osterwold).

297 Vgl Karin von Maur, Willi Baumeisters Spuren, in: AK, Stuttgart 1979, S.15 ff., hier S.18.

298 Vgl. Boehm, a. a. O., S.35.

Nachkriegszeit im Werk etlicher Künstler in Erscheinung.299 Eine Erklärung hierfür mag darin liegen, daß das von den Nazis für ihre Zwecke mißbrauchte Konstrukt des Nordisch-Mythischen und die damit verbundene ideologische Begründung des Vorherrschaftsanspruches mit gesellschaftlichen Institutionen und Funktionen in einem rationalen Gedankengebäude zusammengefaßt war, dessen Voraussetzungen mit der Zerstörung Deutschlands und dem Sieg über den Nationalsozialismus jede Gültigkeit verloren hatten. In der Hinwendung der Künstler zu scheinbar ahistorischen Inhalten und Ausdrucksformen lag das Bestreben, jenseits eines aktuellen Zeitbezuges die Kunst zu Wahrheit, Authentizität und nicht zu vereinnahmender Aussagekraft zurückzuführen. In der Diskussion um Aufgabe und Stellung der Kunst in der Gesellschaft, die in der Nachkriegszeit geführt wurde, trat bisweilen auch ein damit verbundener gesellschaftlicher Erneuerungsanspruch zutage, welcher der Kunst auf der Basis dieser Neuorientierung zufallen sollte.300 Jenseits dieser Überlegungen trat die Hinwendung zu einem vielfältig interpretierbaren „Archaischen“ auch unter dem Aspekt der Bewältigung der jüngsten zeitgeschichtlichen Vorfälle auf individueller, jedoch kollektiv geteilter Ebene in Erscheinung. Auf der Ebene des Sinnbildlichen ließen sich auf diese Weise kollektive Traumata verarbeiten und Sinnfindung leisten.301

Die Manifestation der Zivilisationskritik in Baumeisters künstlerischem Werk äußert sich im Hinblick auf Gestaltungsstrategie und Vokabular in der Abkehr von konstruktivistischen Gestaltungsstrategien und einer Hinwendung zu einem biomorphen Motivrepertoire um das Jahr 1938.302 Baumeisters Interesse an „primitiver“ Kunst verschob sich in der Nachkriegszeit vom Völkerkundlichen zum Vorgeschichtlichen. Ab dem Beginn der 40er Jahre entstanden Bilderserien, die auf antike Erzählungen Bezug nehmen, wie etwa die Arbeiten zum Gilga-mesch-Epos. Parallel dazu entstanden Serien von Arbeiten mit erfundenen, mythisch klingenden Namen, wie Montaru.303 Der Einfluß, den die Arbeiten dieser Serie auf Köglers Schaffen des Jahres 1954 ausübten, soll im folgenden eingehender untersucht werden.

299 Vgl. hier und im folgenden Kai-Uwe Hemken, Geschichte wird Natur. Zum mythischen Denken in der bildenden Kunst der 50er Jahre, in: Breuer 1997, S.101 ff., hier S.102. Vgl. auch Boehm, a. a. O., S.36, der das Bezugnehmen auf den Mythos bereits als „Strategie der Moderne“ benennt.

300 Vgl. etwa Damus 1995, S.102.

301 Vgl. Hemken, a. a. O., S.105.

302 Vgl. hier und im folgenden Wyss, a. a. O., S.68.

303 Vgl. Boehm, a. a. O., S.35. Vgl. zur Interpretation von Baumeisters Spätwerk Gudrun Inboden, Die Gemälde – entmythologisierend, in: AK, Stuttgart 1979, S.21 ff., hier S.21. Inboden betont die

Eigenständigkeit der Bildfindungen Baumeisters im Sinne des hinter den Bildern Gemeinten und lehnt eine

In Baumeisters Arbeiten traten ab dem Beginn der 40er Jahre nicht nur inhaltliche Bezüge zu vor- und frühgeschichtlichen Mythen in Erscheinung, der Künstler bediente sich auch gestalterischer Strategien, die er aus frühgeschichtlichen Kunststilen ableitete.304 So spielen neben der fingierten Wiedergabe von Reliefs und Sandzeichnungen auch Zeichen eine Rolle, die aus den Schriften fremder Kulturen entlehnt zu sein scheinen. Die Verwendung urtümlichen bildnerischen Materials wurde malerisch suggeriert oder dieses in Form von Beimischungen zur Malmaterie tatsächlich in die Bildfindungen integriert. Titel, Bilder und spezifische Gestaltungsstrategie entsprechen einander, ohne in eine illustrative Nacherzählung bestimmter Mythen zu münden.305

In den jüngeren Serien, etwa der Montaru-Serie, treten schriftartige, archaisierende Formulierungen, die häufig in einem landschaftlich konnotierten Szenario situiert sind, gegenüber flächenhaften, buntfarbigen und häufig in der Bildmitte angeordneten Formen zurück.306

Die Figur-Grund-Problematik, die Baumeister bereits in den 20er Jahren beschäftigt hatte,307 wurde in den jüngeren Serien in eine Verschränkung zweier gleichwertiger Parameter überführt.308 Dies bedeutet, daß die ein Bildelement umgebende Fläche nicht als ein mit illusionierenden Mitteln gestalteter Raum gedeutet ist, sondern beide bildkonstituierenden Qualitäten ausschließlich in der Fläche wahrgenommen werden. Abgeleitet ist dies aus der bereits in den 20er Jahren entwickelten Vorstellung einer Wand als Bildträger, die im Spätwerk zum Träger von Bildschrift wird. Diese Strategie kann als eine der Erscheinung vorge-schichtlicher Kunstformen entlehnte Vorgabe gelten.309

Kögler setzte sich ab dem Beginn der 50er Jahre in seinen Arbeiten mit einem landschaftlich eingebetteten Bildgeschehen verschiedenartiger Ausprägung auseinander. Dabei sind in Vokabular und gestalterischen Strategien gleichermaßen Einflüsse von Léger ebenso wie von

mythologisierende Interpretation im Sinne einer Zeitenthobenheit des Werkes ab. Sie stellt sich damit dem interpretatorischen Ansatz von Boehm entgegen.

304 Vgl. hier und im folgenden Boehm, a. a. O., S.37 f. und Inboden, a. a. O., S.21.

305 Vgl. ebenda, S.35 und Inboden, a. a. O., S.22.

306 Vgl. Boehm, a. a. O., S.40.

307 Vgl. dazu Dieter Honisch, Der Beitrag Baumeisters zur Neubestimmung der Kunst in Deutschland, in: Willi Baumeister, AK, Berlin 1989, S.74 ff., hier S.84 ff. und Inboden, a. a. O., S.21.

308 Vgl. Inboden, a. a. O., S.23 und Joachim Heusinger von Waldegg, Willi Baumeister. Montaru III, 1953, AK, Mannheim 1980, S.4.

309 Vgl. Inboden, a. a. O., S.21.

Baumeister zu beobachten. Baumeisters genannte Hauptschrift stand bei Kögler jedoch nicht im Mittelpunkt der Rezeption. Allerdings läßt sich eine Orientierung Köglers an Baumeisters bildlichen Lösungen auf mehreren Ebenen aufzeigen. In Köglers Werk finden sich zum einen motivische und kompositorische Anleihen bei diesem, zum anderen aber auch eine archaisierende Bildsprache, die als Ausdruck einer Zivilisationskritik verstanden werden kann.

Bei Kögler ist letztgenannter Aspekt jedoch in einer von Baumeisters Bildfindungen abweichenden Weise bildlich ausformuliert.

Einige der Arbeiten von Kögler, die um die Mitte der 50er Jahre entstanden, zeigen Bildelemente, die schwebend im Bildraum angeordnet sind. Es handelt sich häufig um felsbrockenartig ausgeprägte Gebilde. Rohrelemente stehen dazu in einem als Formkontrast ausgebildeten gestalterischen wie motivischen Gegensatz; sie ragen stets aus dem Boden auf.

Im Hinblick auf die Gesamtkomposition stehen sich zunächst eine schrundige, erdhafte Formationen imitierende landschaftliche Gestaltung und farblich homogen ausgearbeitete Binnenelemente gegenüber. In den Arbeiten um die Mitte der 50er Jahre ist auch die Wiedergabe des Landschaftlichen einer Glättung unterzogen. Im Jahr 1954 entstand eine Reihe von Arbeiten, in denen disparate Bildelemente vor homogenem Grund schweben. Sie sind in unterschiedlichen gestalterischen Strategien miteinander kompositorisch verknüpft. Das Bild ist als Bildraum begriffen, in dem die Elemente in einem schwebenden Gefüge zueinander in Beziehung treten. Die Einzelelemente sind mit Hilfe illusionierender Darstellungsmodi in verschiedenartiger Stofflichkeit gestaltet.

Das Bildfeld ist durch die Angabe von Bodenformationen und vereinzelt durch eine in diesem bildlichen Zusammenhang als Gestirn zu lesende Rundform als Landschaft gekennzeichnet.

Manche der Titel, etwa „Am fremden Meer“ (Tempera, Bildträger unbekannt, 29 × 45 cm)310, verweisen darauf, daß Kögler das bildliche Geschehen weiterhin in einer Küstenlandschaft verortete.

In bezug auf die Motivwahl in den Arbeiten der ersten Hälfte der 50er Jahre läßt sich folgendes zusammenfassen: In das Werk fanden zunächst Formfindungen Eingang, die aus technischen Gerätschaften entwickelt sind. Diese scheinen als Treibgut an Küstenlandschaften gestrandet zu sein. Das so erarbeitete motivische Vokabular wurde mit geometrischen Flächenformen und

310 Vgl. Deutscher Künstlerbund. Aquarelle, Zeichnungen, Graphik, Kleinplastik, AK, Baden-Baden 1955, Nr.86, Abb. o. S.

Lineament kompositorisch verschränkt. Ab 1952 traten Formen biomorphen Ursprunges hinzu, sie sind zum großen Teil aus Schnecken- und Pflanzenformen abgeleitet, die thematisch der landschaftlichen Verortung entsprechen. Im Jahr 1954 traten darüber hinaus fleckenförmige Gebilde hinzu, die in den in diesem Jahr entstandenen Arbeiten auch als felsbrockenartige Gebilde ausformuliert sein können. Häufig findet sich neben den aus technischen und organischen Zusammenhängen entlehnten Bildmotiven ein verräumlichtes Lineament, das die Elemente im Bildraum fixiert und Rudimente eines rechtwinklig strukturieren Rasters ausbildet.311

Sowohl motivische Ausformulierung als auch gestalterische Strategien der Arbeiten von Kögler aus dem Jahr 1954 lassen auf einen Einfluß von Baumeisters im selben Zeitraum entstandenen Werk schließen. Anhand einer Arbeit soll dieser Einfluß exemplarisch diskutiert werden.

Die datierte Arbeit (Öl, Bildträger unbekannt, 60 × 70 cm) trägt den Titel „Ergebnis einer Ausgrabung“. Sie wurde in der Jahresausstellung des Deutschen Künstlerbundes 1955 in Hannover gezeigt und im Katalog abgebildet.312 Im Jahr 1957 wurde sie auf der Pariser

„Biennale des Jeunes“ in der deutschen Sektion präsentiert und im Katalog unter dem Titel

„Déterrement“ abgebildet.313 Als Sondernummer der Kunstzeitschrift „Prisme des Arts“

erschien im selben Jahr ein Heft, das die „Biennale des Jeunes“ vorstellt. Köglers Arbeit ist unter dem Titel „Objets“ abgebildet.314

Die Arbeit zeigt auf querformatigem Bildfeld einen hellen Grund. Lediglich ein schmaler Streifen am unteren Bildrand mit unregelmäßig verlaufender Konturlinie zeigt eine grüne Farbgebung und ist somit als landschaftliche Formation ausgewiesen. Am unteren Rand des Bildfeldes sind zwei Elemente nebeneinander angeordnet. Das linke ist unregelmäßig begrenzt und annähernd querrechteckig formuliert. Es ähnelt einem Felsbrocken und ist mittig durch eine vertikal verlaufende Trennungslinie in eine schwarzgrundige und eine graugrundige Partie ge-teilt. Die schwarze Formpartie weist zum oberen Rand der Form hin eine Ausbuchtung auf, die als rote Farbform gestaltet ist. Die graue Partie wird von kleinen, schwebenden Elementen überlagert. Eines davon ist als organisch geformtes längliches und gebogenes Stück

311 Vgl. zum Beispiel AK, Berlin 1954, Nr.62, „Geteiltes“, Tempera, o. Bildträger und Maße, Abb. o. S.; AK, Berlin 1957, Nr.78, „Winterliche Vision“, Gouache, o. Bildträger, 46,5 × 67 cm, Abb. o. S. und AK, Bonn 1959, Nr.30, „Kleine Komposition“, Tempera, o. Bildträger, 33,5 × 49,1 cm, Abb. o. S.

312 Vgl. AK, Hannover 1955, Nr.53, o. S.

313 Vgl. AK, Paris 1957, Nr.20, o. S.

314 Vgl. Prisme des Arts, Sonderheft, H.11, 1957, Abb. o. S. Die Arbeit ist hier um 90 ˚ gedreht abgebildet.

ausgebildet, es vermittelt in einem Überlagerungsmotiv zwischen den am unteren Bildrand links und rechts angeordneten Elementen. Letzteres ist als eine durch Verschattung plastisch modellierte graubraune Halbröhre gestaltet, die mit der Öffnung zum Betrachter gekehrt ist.

Während der linke Rand der halbierten Form als glatte Schnittkante erscheint, ist der rechte Rand als rote Farbform mit unregelmäßiger Begrenzung ausformuliert. Diese weist am oberen Abschluß eine längliche Einbuchtung auf, die halbrund abschließt. Oberhalb dieser am Bildrand arretierten Elemente scheint eine vielfach zerklüftete Formfindung mit unregelmäßiger Umrißgestaltung im Bildraum zu schweben. In deren obere Partie sind zwei Versehrungen eingetragen, die schmale Stege in Form eines rechten Winkels ausprägen. Korrespondierend zu der Unterteilung der Form in rechtwinklige, schwarz, rot und grün gestaltete Felder ist in der derart gestalteten Aussparung der materiellen Substanz die Andeutung einer rudimentär vorhandenen und in die Gestaltung der Bildelemente integrierten orthogonalen Flächengliederung zu sehen. Die Form weist am rechten Rand eine halbrunde Ausbuchtung auf, neben der Aussparung befindet sich ein kreisförmiges Loch. Eine derartige Ausgestaltung weist nicht auf spezifische Materialqualitäten hin, doch können die kreisrunden Lochungen und die rechtwinklige Versehrung als Gestaltungen gelesen werden, die auf maschinelle Fertigung zurückgehen und die Herkunft der Formfindung im Bereich verwitterter Metallformen mit ehemals technischer Funktion ansiedeln. Über diese Formulierung legt sich ein ebenfalls schwebend dargestelltes Gestänge mit vielfältigen, sich in den Bildraum erstreckenden Verzweigungen. Sie treten partiell mit der Binnengestaltung der schwebenden Form in Beziehung, indem sie ebenfalls ein orthogonales Netz ausbilden, das gegenüber demjenigen der sich in den Farbfeldern der formalen Binnengestaltung manifestierenden Flächengliederung verschoben ist. Innerhalb dieser der Formgestalt anverwandelten Flächengliederung finden sich kleine Partikel, die zum einen durch die vertikale Überlagerung der rechtwinkligen Aussparung wiederum eine Figur bilden, die ein gegenüber der Flächengliederung verschobenes Gitter ausprägt, zum anderen durch die Umlagerung des kreisförmigen Lochs mit einer linienhaften Struktur dieses mit dem Netz der Trennlinien zwischen den Farbflächen verbinden. Die Partikel weisen eine flächenhafte Gestalt auf, sind formal aber dem dreidimensional gestalteten Gestänge verwandt. Ihnen fällt die Funktion der Vermittlung zwischen beiden Strukturen zu.

Die große schwebende Form wird von weiteren schwebenden Elementen überlagert, etwa von einer halbtransparenten länglichen Formfindung mit halbrundem Abschluß. Die rechte Partie der großen Form ist über einen sehr schmalen Steg mit einer ähnlichen Formulierung

verbunden, die vom oberen Bildrand stark angeschnitten erscheint. Links ist als formales Äquivalent eine ähnliche, aus mehreren zum Teil rechtwinkligen Feldern zusammengesetzte Form frei schwebend angeordnet. Eine Ansammlung parallel verlaufender horizontaler Linien vermittelt zwischen dieser Form und einem Arm des über die Hauptform gelegten Gestänges.

In dem Zwischenraum, der durch die Anordnung der Elemente zwischen schwebender Form-findung und felsbrockenartig ausgestalteter kleiner Form entsteht, ist eine als schwarzes Liniengebilde gestaltete Spirale vor einem graubraunen, diffus begrenzten Farbfleck plaziert.

Köglers Arbeit zeigt unter gestalterischen wie motivischen Aspekten Verwandtschaft zu den Arbeiten aus der „Montaru“-Serie von Baumeister.315 Kögler konnte dessen Werk zumindest in Auswahl in mehreren Ausstellungen in Berlin kennengelernt haben. So war Baumeister bereits im November des Jahres 1946 in der Galerie Rosen zusammen mit Oskar Schlemmer eine Ausstellung ausgerichtet worden, zu der ein Faltblatt mit einem Text von Will Grohmann erschien.316 Kögler pflegte, wie ausgeführt, in den folgenden Jahren möglicherweise Kontakt zur Galerie. Weitere Möglichkeiten, sich mit den Bildfindungen des süddeutschen Künstlers auseinanderzusetzen, boten sich Kögler über die Ausstellungsbeteiligung Baumeisters an der ersten Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes, die im Herbst 1950 in der Berliner HfbK stattfand. Auch nahm dieser an der Großen Kunstausstellung München im Jahr 1953 mit der Arbeit „Montaru-3“ teil.317 Kögler konnte auch Kenntnis von der im Januar 1954 eröffneten Retrospektive mit Baumeisters Werken in Stuttgart erlangt haben.

Sämtliche Arbeiten der „Montaru“-Serie weisen in der Mitte der Komposition einen schwarzen Block auf, dessen Konturen nicht geradlinig verlaufen, sondern Einkerbungen und Erhebungen an den Rändern des zentralen Bildmotivs ausbilden. An das Bildmotiv angelagert sind kleine, als Lineament oder Farbform ausgebildete Formulierungen. Auch sind Teilbereiche der großen Form in Gestalt orthogonal definierter Elemente farblich kontrastierend in die Form eingeschrieben, wie etwa in der Arbeit „Phantom mit roter Figur III“ von 1953, die in Voka-bular und Arrangement der Bildelemente mit den „Montaru“-Arbeiten übereinstimmt.318 Weitere Farbformen können die große Form überlagern. Stets bildet eine Partie dieser überlagernden Formulierungen eine Formbegrenzung in Gestalt eines rechten Winkels,

315 Zu der Serie allgemein vgl. Heusinger von Waldegg, a. a. O.

316 Vgl. Vierneisel, Berliner Galerien, Dokumentation a. a. O., S.166.

317 Vgl. AK, München 1953, Nr.610, Abb. o. S.

318 Vgl. Boehm , a. a. O., Nr.101, Abb. o. S.

während andere Partien gerundet erscheinen. In der Überlagerung vollzieht sich innerhalb der kleiner dimensionierten Elemente ein Farbwechsel. In der Arbeit „Montaru 2a“ von 1953 (Öl auf Karton, 130 × 100 cm)319 wird die linke Seite der zentralen schwarzen Farbform von einer kleineren Form überlagert, die durch diesen Wechsel als halbtransparente Formulierung kenntlich gemacht ist.

Das große Bildelement schwebt stets in einem räumlichen Kontinuum, das jedoch nicht durch eine räumliche Erschließung der Bildfläche oder eine derartige Charakterisierung der Einzelmotive definiert, sondern allein aus der Konstellation von Flächenformen erzeugt ist, die in Überlagerungssituationen miteinander verschränkt sind. In sämtlichen „Montaru“-Bildern tritt eine felsartige kleine Erhebung am unteren Bildrand in einen formalen Dialog mit der zentralen Formfindung. Dieses Nebenmotiv ist ebenfalls als schwarze Farbform gebildet;

angelagert finden sich außerdem kleine farbige Formulierungen. Zwischen beiden schwarzen Flächenformen vermittelt stets eine als Liniengebilde gestaltete schwarze Spirale.

Köglers Arbeit „Ergebnis einer Ausgrabung“ nimmt auf diese Gestaltungen Bezug. Zum einen spiegelt sich in der Anordnung der großen, schwebenden Form und der kleineren, felsbrockenartigen Formulierung am unteren Bildrand, zwischen denen eine als Lineament ausgebildete Spirale vermittelt, die für die „Montaru“-Bilder charakteristische Plazierung der Bildelemente. Auch in der Binnengestaltung der Bildelemente griff Kögler auf Gestaltungen zurück, die sich bei Baumeister finden. Die Aufteilung der Farbformen in einer nach

Köglers Arbeit „Ergebnis einer Ausgrabung“ nimmt auf diese Gestaltungen Bezug. Zum einen spiegelt sich in der Anordnung der großen, schwebenden Form und der kleineren, felsbrockenartigen Formulierung am unteren Bildrand, zwischen denen eine als Lineament ausgebildete Spirale vermittelt, die für die „Montaru“-Bilder charakteristische Plazierung der Bildelemente. Auch in der Binnengestaltung der Bildelemente griff Kögler auf Gestaltungen zurück, die sich bei Baumeister finden. Die Aufteilung der Farbformen in einer nach