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Exkurs: Die Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe Berlin zu Beginn der 50er Jahre 50er Jahre

Im Jahr 1953 trat Kögler eine Stelle als Dozent an der Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe in Berlin an. Ihm wurde das einjährige Vorsemester übertragen.262 Er und ein Kollege werden in einem Rückblick auf die Arbeit in der Abteilung Graphik als „junge, aktive Kräfte“ bezeichnet.263 Dies zielt in Köglers Fall möglicherweise auf die außerschulische künstlerische Betätigung ab, die den erwünschten Praxisbezug der Lehrkräfte darstellte.264 Erfahrung in einem verwandten praktischen Beruf konnte Kögler auch durch seine vor dem Krieg ausgeübte Tätigkeit als Textildesigner aufweisen.

Die Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe war im Jahr 1958, in dem eine umfangreiche Darstellung der Institution in dem hauseigenen Mitteilungsblatt erscheint, die größte ihrer Art in Deutschland seit 1949.265 Sie hatte im Hinblick auf das werbetechnische und das gebrauchsgraphische Bildungswesen überregionale Bedeutung.266 Die Schule war vorübergehend provisorisch in Berlin-Friedenau untergebracht. Ein Neubau war geplant, der Umzug für 1960 vorgesehen.267 Dieser sollte mit einer erheblichen Erweiterung des Lehrangebotes aufgrund veränderter räumlicher Möglichkeiten und eines verbesserten Angebots an technischer Ausrüstung einhergehen. Das erweiterte Lehrangebot sollte sämtliche werbegraphischen Disziplinen umfassen, so Gebrauchsgraphik, Typographie, Werbung, Schaufenster- und Messegestaltung, Drucktechniken (Hoch-, Tief-, Flach- und Siebdruck) und die dazugehörigen fotografischen Reproduktionstechniken sowie Hand- und industrielle Buchbinderei und Verpackungswesen.268

Die Meisterschule bildete für die Berufsfelder Werbeassistent, Graphiker und Druckfachmann aus. In den entsprechenden Diszipinen wurden nicht nur fachspezifische Kenntnisse vermittelt,

262 Vgl. Seiler, a. a. O., S.93.

263 Vgl. Uli Huber, Die Arbeit in der Abteilung Graphik, in: der kreis, Mitteilungsblatt der Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe Berlin, H.1, Dezember 1958, o. S.

264 Vgl. zum Praxisbezug der Lehrkräfte Willi Gramann, Die Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe Berlin, in: der kreis, a. a. O., o. S. (im folgenden zitiert als Gramann 1958).

265 Vgl. Huber, a. a. O., o. S.

266 Vgl. Gramann 1958, o. S.

267 Im zweiten Heft der Zeitschrift, nun betitelt „der berliner kreis“, wird eine Verschiebung des Umzugs auf Sommer 1961 angekündigt, vgl. Willi Gramann, der berliner kreis, in: der berliner kreis, H.2, Januar 1960, o. S.

268 Vgl. hier und im folgenden Gramann 1958, o. S.

sondern auch mit den Grundlagen benachbarter Fächer vertraut gemacht. So wurde das gesamte werbliche und betriebswirtschaftliche Gebiet der Wirtschaft vermittelt. Dies geschah im Rahmen von Vorlesungen und fachlichem Experimentieren in den angrenzenden Fachgebieten.

Im Endsemester wurden gemeinschaftlich Aufgabenstellungen gelöst, die auch von seiten der Industrie an die Schule herangetragen wurden. Die Schüler nahmen auf diese Weise innerhalb der Fachklassen an außerschulischen Wettbewerben teil.

Innerhalb eines im Jahr 1953 von zwei auf vier Semester ausgebauten Studiums wurden die Auszubildenden in strengem Semesteraufbau an die jeweiligen Fachgebiete herangeführt. Die Anzahl der Wochenstunden wurde im Zuge der Verlängerung des Studiums von 44 auf 36 reduziert.269 Am Beginn der Ausbildung stand eine Aufnahmeprüfung, denen sich auch Bewerber stellten, die schon an anderen Fach- und Hochschulen studiert hatten.270 Die Ausbildung in den frühen Semestern, womöglich auch im Vorsemester, war insbesondere im gestaltenden Unterricht der Schulung des technischen Vermögens gewidmet. In den letzten Semestern wurden die Auszubildenden durch die genannten Aufgabenstellungen aus der Wirtschaft auf die Praxis vorbereitet. Der Lehrplan wurde in stetiger Absprache innerhalb der Dozentenschaft verbessert und aufgrund der gemachten Erfahrungen während der Semesterarbeit den Bedürfnissen des Ausbildung und der Praxis angepaßt.271

Ziel der Ausbildung war es, den gesamten Komplex werbegraphischer Formgebung in Zusammenhang mit betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen zu erfassen und im Hinblick auf die praktische Arbeit nutzbar zu machen.272

Die Ausbildung schloß spätestens im Jahr 1958 auch Führungen durch Berliner graphische Betriebe, Ausstellungsbesuche und von der Studentenvertretung organisierte Besichtigungsreisen ein.273

Der systematische Ausbau der Druck- und Reproduktionswerkstätten wird im Jahr 1958 als noch im Aufbau begriffen geschildert; demzufolge waren zu Beginn der 50er Jahre das Angebot und die technische Ausrüstung entsprechend eingeschränkt. Im Jahr 1953 wurden als neue Fächer Maschinensatz, Offsetdruck, Betriebslehre, Berufspädagogik, Reproduktion und

269 Vgl. Willi Brix, Die Druckabteilung, in: der kreis, H.2, Januar 1960, o. S.

270 Vgl. hier und im folgenden Gramann 1958, o. S.

271 Vgl. Huber, a. a. O., o. S.

272 Vgl. Gramann 1958, o. S.

273 Vgl. Huber, a. a. O., o. S.

Fotochemie eingeführt und bereits bestehende im Angebot erweitert. Ebenso wurde zu diesem Zeitpunkt der Lehrkörper vergrößert. Diese Tendenz setzt sich über die Jahre hinweg fort.274 So sind in der Abteilung Graphik im Jahr 1958 24 Lehrkräfte tätig.275

Vor dem Ablegen einer Abschlussprüfung war im Herbst des jeweils vorangehenden Jahres die Meisterprüfung vor der Handwerkskammer angesetzt.276

Seiler gibt in seinem Beitrag über Kögler in der vom Kulturkreis im BDI herausgegebenen Monographie „Junge Künstler 59/60“ einen knappen Einblick in dessen Tätigkeit an der Meisterschule.277 So weist er auf die Durchdringung von praktischer und theoretischer Arbeit im Vorsemester hin. Die Grundlehre, die in diesem Stadium der Ausbildung vermittelt wurde, machte sowohl mit Formvorstellungen als auch mit Materialien vertraut. Der Autor erwähnt ein individuelles Erarbeiten der Lehrmethode durch die Dozenten. Seiler hebt in diesem Zusam-menhang hervor, daß Kögler eine solche erarbeitet habe, die „Form- und Farbgefühl“ als voneinander isolierte Kategorien vermittelte. Materialkunde war ebenso Bestandteil des Lehrplans wie eine Grundlehre, die mit allgemeinen Formvorstellungen vertraut machen sollte.

Kögler sah diese Elemente einer künstlerischen Ausbildung als „unumgängliche Vorstufe“

auch des eigenen Werdegangs an.

Der Einfluß von Lehrinhalten, die Kögler an der Meisterschule vermittelte, auf dessen eigenes künstlerisches Werk läßt sich möglicherweise genauer benennen.

Eine Fotografie im ersten Heft des Mitteilungsblattes der Meisterschule ist betitelt als

„Kompositionsübung mit plastischen geometrischen Elementen aus der Arbeit des Vorsemesters“.278 Sie zeigt eine Ansammlung verschiedener stereometrischer Gebilde, die mittels eines metallenen oder hölzernen Gestänges miteinander verbunden sind. Es finden sich neben Kuben und Pyramiden auch kugelförmige Gebilde unterschiedlicher Größe. Die Anordnung erfolgt dabei nach freien kompositorischen Prinzipien, die Komposition ist in sich ausgewogen, jedoch nicht statisch. Innerhalb der Konstruktion sind die Formen wie frei schwebend plaziert; sie werden durch das Gestänge auf unterschiedlichen Raumebenen fixiert.

274 Vgl. Brix, a. a. O., o. S.

275 Vgl. Huber, a. a. O., o. S.

276 Vgl. Gramann 1958, o. S.

277 Vgl. hier und im folgenden Seiler, a. a. O., S.93 f.

278 Vgl. der kreis, H.1, a. a. O., o. S.

Das Gestänge selbst ist in Form eines dreidimensionalen orthogonalen Rasters gebildet. Die Stangen können frei im Raum enden oder in ein stereometrisches Gebilde münden.

Diese Art von Modellen fand in Köglers Unterricht Verwendung bzw. wurde dort erstellt. Im Nachlaß des Künstlers finden sich mehrere undatierte Farbaufnahmen, die ähnliche Gebilde zeigen.279

Verwandte Zusammenstellungen von bildlichen Motiven, die als stereometrische Körper formulierten sind, mit orthogonal ausgebildetem Lineament treten in Köglers Werk ab 1954 auf. Einige der stereometrischen Formen können dabei ins Organische abgewandelt sein und felsbrockenartigen Charakter annehmen. Das orthogonale Liniengerüst kann räumlichen Charakter haben, indem es zum einen in drei Dimensionen auszugreifen scheint und zum anderen als rundplastisch gestaltetes Gestänge formuliert ist. So weist etwa die noch eingehender zu analysierende Arbeit „Ergebnis einer Ausgrabung“280 von 1954 ein felsbrockenartiges Gebilde auf, dem ein räumlich gestaltetes Gestänge vorgelagert ist. Es zeigt in der Formulierung der einzelnen Abschnitte Ansätze eines orthogonalen Rasters; jedoch sind einige Teilelemente auch als kurvilineare Formulierungen gestaltet. Dieses Motiv könnte das Resultat einer Auseinandersetzung des Künstlers mit den im praktischen Unterricht verwendeten stereometrischen Modellen darstellen, deren darin enthaltene konstruktive Lösungen er dem eigenen Werk schöpferisch anverwandelte.

In anderen Arbeiten tritt die im Modell als Gestänge ausformulierte orthogonale Ordnungsstruktur als Liniengerüst auf; sie ist dann nicht raumhaltig konzipiert. Beide Varianten finden sich etwa in der bereits vorgestellten Arbeit „Am Zentrum Rot-Grün“ aus dem Jahr 1955.

Kögler entwickelte in den Jahren der Lehrtätigkeit die zuvor in seinen Werken erarbeiteten gestalterischen Ansätze und das motivische Vokabular weiter. Dabei lassen sich auf beiden Ebenen Einflüsse anderer Kunstströmungen feststellen. Anhand einer Arbeit aus dem Jahr 1954 soll der Einfluß von Willi Baumeister auf Kögler exemplarisch untersucht werden. Dieser Vergleich ist in einen Exkurs über Baumeister integriert.

279 Vgl. zum Beispiel die unfarbig reproduzierte Fotographie im AK, Ettlingen 2006, Abb. S.165.

280 Vgl. Petzet, a. a. O., Abb. S.446.