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Exkurs: Die Situation der angewandten Kunst in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Weltkrieg

Im zerstörten Deutschland bestand nach Ende des Krieges großer Bedarf an Wohnungen. Diese Situation löste eine rege Bautätigkeit aus, von der zahlreiche Architekten profitierten. Dabei stand nicht nur die Errichtung von kleineren Wohneinheiten im Vordergrund, auch die Planung neu zu errichtender urbaner Gestaltungen in großem Stil rückte in den Blick von Städteplanern, Architekten wie Politikern.122 Die HfbK in Berlin reagierte auf diese Situation mit der Gründung einer eigenen Architekturabteilung, in der die Ausbildung neuer Architekten mit Stadtplanungen verbunden werden sollte, denen Modellcharakter eignete. Auf die Rolle des Architekten Max Taut, der eine studentische Mitarbeit bei größeren städtebaulichen Vorhaben propagierte, wurde bereits hingewiesen.

Nicht nur auf dem Gebiet der Kunst am Bau, sondern auch im Bereich des Tapeten- und Textildesigns bot sich den Studenten der neugegründeten HfbK die Möglichkeit, neben dem Gelderwerb auch praktische Erfahrung zu sammeln, indem sie sich den Anforderungen der jeweils als Ausschreibungen veranstalteten Gestaltungswettbewerben stellten. In diesem Zusammenhang sei die ausdrückliche Erwähnung dieser technisch bedingten künstlerischen Herausforderung in der Tapetenzeitung von 1952 noch einmal hervorgehoben.

Der Aufschwung im Bereich der angewandten Kunst ging mit der Propagierung eines an Tendenzen abstrakter Kunst orientierten neuen Designs einher, dessen Abstraktionsgehalt sich in der freien Kunst jedoch noch keineswegs durchgesetzt hatte. Dies zeigt die Debatte um Abstraktion und Gegenständlichkeit, die im „Darmstädter Gespräch“ von 1952 einen Höhepunkt fand.123 Kögler bezog, soweit aus seinem Werk ersichtlich, in diesem Richtungsstreit nicht programmatisch Stellung.

122 Vgl. Christian Borngräber, Nierentisch und Schrippendale. Hinweise auf Architektur und Design, in: Dieter Bänsch (Hrsg.), Die fünfziger Jahre. Beiträge zu Politik und Kultur, Tübingen 1985 (Deutsche Text Bibliothek, hrsg. von Gotthart Wunberg, Bd.5),( im folgenden zitiert als Bänsch 1985), S.223 ff., hier S.224 f.

123 Vgl. ebenda, S.226, in bezug auf die Gestaltung von Banknoten. Zum Darmstädter Gespräch ist eine Fülle von Literatur erschienen. Vgl. zum Beispiel in jüngerer Zeit die detaillierte Analyse von Timo Skrandies,

„Verlust der Mitte“?, in: Körner 1996, S.20 ff. Eine knappe zeitgenössische Beschreibung der

unterschiedlichen Positionen findet sich bei Kurt Leonhard, Das Darmstädter Gespräch, in: Das Kunstwerk, H.8/9, Jg. IV, 1950, S.103, und auch in: Ders., Darmstädter Gespräche 1950. Das Menschenbild in unserer Zeit, in: Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939, AK, Köln 1981, S.183 ff. Vgl. auch die zeitgenössische Dokumentation bei Hans Gerhard Evers (Hrsg.), Das Menschenbild in unserer Zeit. Darmstädter Gespräch, Darmstadt 1950.

Die Debatte um die Ausrichtung, den Gehalt und die Formgebung in der freien Kunst begann unmittelbar nach Kriegsende. Dies zeigt eine Durchsicht der entsprechenden Jahrgänge der Zeitschrift „Das Kunstwerk“, die als eine wichtige Plattform für den Richtungsstreit genutzt wurde.124 Auf die umfangreiche Literatur zu diesem Thema kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen werden, doch sollen in Zusammenhang mit der Analyse einiger Arbeiten Köglers exemplarisch die dort geführten Diskussionen unterschiedlicher künstlerischer Strömungen zur Bewertung von Köglers stilistischen, gestalterischen und forma-len Ansätzen herangezogen werden.

Bei den öffentlich und mit Vehemenz geführten Auseinandersetzungen wurden nicht ausschließlich künstlerische Belange diskutiert. Mit dem Streit um die Erscheinungsform zeitgemäßer Kunst verbanden sich auch gesellschaftspolitische Diskussionen über die erzieherische Rolle, die Kunst in einer neuen deutschen Gesellschaft demokratischer Prägung spielen sollte.

Die breite Bevölkerung nahm an diesen Diskussionen nur in geringem Umfang teil. Der künstlerische Geschmack derjenigen, die den Krieg überlebt hatten, orientierte sich in der Begegnung mit Kunst und in bezug auf die Einrichtung des eigenen Umfeldes eher an konservativen Vorstellungen.125 In den Mode- und Einrichtungszeitschriften vom Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre wurde jedoch ein modernes Design beworben, das neue gestalterische Ansätze zeigte. Dabei lag es im Interesse der künstlerisch Tätigen, angewandtes Design mit freier Kunst und neuer Architektur in Einklang zu bringen. Dies zeigt etwa die Untergliederung der Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln im Jahr 1949, die neben Exponaten aus dem Einrichtungsbereich auch aktuelle deutsche Kunst präsentierte.126 Im Jahr 1951 wurde die Gründung eines „Rates für Formgebung“ angestrebt.127 Die Künstler, die ihre Ideen in den Dienst der verschiedenen Bereiche der angewandten Kunst stellten, sahen sich angesichts neuer, künstlich herstellbarer Materialien Fragen nach der Materialgerechtigkeit ihrer Entwürfe gegenüber.128 Dies verweist auf die Wechselbeziehung neuer gestalterischer

124 Vgl. Beat Wyss, Willi Baumeister und die Kunsttheorie der Nachkriegszeit, in: Breuer 1997, S.55 ff., hier S.61.

125 Vgl. Wessel, a. a. O., S.74.

126 Vgl. Borngräber, in: Bänsch 1985, S.227.

127 Vgl. ebenda, S.229.

128 Vgl. ebenda, S.240.

Ansätze und Möglichkeiten, die erst durch den technischen Fortschritt, beispielsweise die Entwicklung von Kunststoffen, für den Designbereich erschlossen wurden.

Die auf diesen hier nur angedeuteten Ebenen propagierten neuen gestalterischen Ansätze zeigen Übereinstimmung in der symbolisch zu nennenden Deutung ihrer Erscheinung als „Stile der gefesselten kinetischen Energien“,129 in denen sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von technischem Fortschritt, Wissenschaft und aus der Natur entlehnten Formulierungen manifestieren. Als Ansatzpunkte für gestalterische Entwicklungen kamen geschwungene, aus mathematischen Darstellungen entlehnte Lineamente in Mode.130 Im Textilbereich lassen sich noch andere Quellen für die Entwicklung eines neuartigen Designs erschließen. Anleihen aus dem Bereich des französischen Kubismus, der ja bereits lange vor dem Zweiten Weltkrieg als Avantgardekunst gefeiert wurde, flossen in das Design in ein.131 Die 50er Jahre werden in der Selbstwahrnehmung der deutschen Gesellschaft, wie sie sich in Zeitschriftenartikeln und Werbung spiegelt, als „polystilistisches Jahrzehnt“ bezeichnet.132

Auch deutsche Künstler, die nach dem Krieg in Ämter aufstiegen, die ihnen unter dem Naziregime versagt geblieben waren, oder denen sich nun die Möglichkeit eröffnete, frei zu arbeiten, stellten ihr Schaffen in den Dienst der angewandten Kunst. Der Entwurf von Bode für die Firma Göppinger Plastics wurde in diesem Zusammenhang bereits erwähnt. Auch Fritz Winter entwarf ein Textildesign für diese Firma. Heinz Trökes entwarf Teppiche und Buchumschläge.133 Im Jahr 1952, demselben Jahr, in dem Köglers Tapetenentwurf veröffentlicht wurde, veranstaltete die Pausa AG in Mössingen den ersten Wettbewerb für den textilen Dekorationsbereich, zu dem mehrere Tausend Beiträge eingesandt wurden.134 Willi Baumeister erstellte für diese Firma sechs Designs für Vorhangstoffe, so beispielsweise im Zeitraum 1953/1954 den Dekorationsstoff „Montouri“.135 Die Gestaltung dieses als Rapportmuster konzipierten Textildruckes unterscheidet sich nicht von den im Rahmen der

129 Vgl. Christian Borngräber, Die fünfziger Jahre. Kunst und Raumkunst, In: Design ist unsichtbar, AK, Wien 1981, S.217 ff., zitiert nach S.221.

130 Vgl. ebenda, S.221.

131 Vgl. Borngräber, in: Bänsch 1985, S.242 f.

132 Vgl. ebenda, S.241.

133 Vgl. ebenda, S.243.

134 Vgl. ebenda, S.243.

135 Vgl. den Dekorationsstoff „Montouri“, 1953/54, Viskose Rips, Handdruck, B 120 cm, Pausa AG, Mössingen, in: Kunst im Aufbruch. Abstraktion zwischen 1945 und 1959, AK, Ludwigshafen 1998, Abb.

S.293.

freien künstlerischen Tätigkeit erstellten Gemälden aus der zeitgleich entstandenen Serie

„Monturi“. So kann das Gemälde „Monturi, Diskus I B“ von 1954 (Öl und Sand auf Hartfaserplatte, 150 × 120 cm) zu einem direkten Vergleich zu der Arbeit aus dem angewandten Bereich herangezogen werden.136 Hier wie dort stellt eine weiße Kreisscheibe auf grauem Grund das Hauptmotiv der Gestaltung dar. Während im Gemälde am unteren Bildrand ein bergförmiges Motiv mit dem runden Element in einen Dialog zu treten scheint, findet sich ein solches Gebilde im Textildesign als schwebende Form im Wechsel mit der ebenfalls schwebenden Kreisscheibe aufgeführt. Dem dominierenden Motiv ist in beiden Fällen oben eine weißgrundige Keilform beigeordnet, die mit einem ähnlich formulierten, jedoch farbigen Gebilde an der linken Seite des Runds korrespondiert. Die Kreisscheibe selbst scheint an mehreren Stellen im Randbereich von farbigen Formen überlagert zu werden. Im Gemälde sind diese farbigen Partien in die Konturen der Rundform integriert, im Textildesign eignet ihnen ein über die Rundform heraustretender Umriß. Vergleichbar sind ebenso weitere figurative Formulierungen, die am Außenkontur des Rundes anzuhaften scheinen, so weicht beispielsweise die Gestaltung eines im Gemälde rechts oben als schwarzes Element gegebenen baumartigen Gebildes nur in der Formulierung des Blattpaares, das aus einem Stamm herauszuwachsen scheint, von der Gestaltung des an gleicher Stelle im Textildesign aufgeführten vegetabilen Elementes ab.

Dieser Vergleich zweier in unterschiedlichen Bereichen angesiedelter Arbeiten mag exemplarisch belegen, daß die im Bereich der freien Kunst angesiedelten gestalterischen Strategien in der Erstellung bildhafter Formulierungen in der Anwendung im Gebrauchsdesign nicht zwingend einer Modifikation unterworfen waren.137 Damit stimmt die Neubewertung des Designs im Erleben der täglichen Wohnsituation überein. In der Zeitschrift „magnum“ wird der

„selbständige, künstlerische Erlebniswert“ des neuen Designs für Tapeten und Stoffe hervorge-hoben.138

136 Vgl. Gottfried Boehm, Willi Baumeister, Stuttgart 1995, Abb. Nr.105, Text S.175.

137 Auf die Nähe von freier künstlerischer Gestaltung und Industrieprodukt im Hinblick auf formale und gestalterische Aspekte weist auch Damus hin. Vgl. Martin Damus, Moderne Kunst in Westdeutschland 1945-1959. Versuche, Vergangenheit und Gegenwart rückwärtsgewandt zu bewältigen und die Moderne in Harmonie zu vollenden, in: Breuer 1997, S.25 ff., hier S.34.

138 Zitiert nach Karl Heinrich, Neue bildhafte Funktionen im Raum, in: Magnum, H.17, 1958, S.56. Vgl. auch Wessel, a. a. O., S.75.

Die am Beispiel von Willi Baumeister gemachte Beobachtung besitzt im Rahmen der Analyse von Köglers Werken insofern Relevanz, als im folgenden zwei Arbeiten des Künstlers vorgestellt werden sollen, die wohl nicht dem angewandten Bereich zugerechnet werden können, formal aber auf dieselben im Modell bereitgestellten motivischen Vorgaben zurückgehen wie die zuletzt vorgestellte Arbeit.

Zunächst soll jedoch noch die Problematik der gesellschaftlichen Akzeptanz des neuartigen Designs erwähnt werden. Dieses entsprach Umfragen zufolge keineswegs dem Geschmack der Mehrheit der Bevölkerung. Das hier vorgestellte Design, das im Rückblick für die 50er Jahre charakteristisch erscheint, traf seinerzeit nicht auf ein rezeptionswilliges Publikum. Allerdings vermittelten Einrichtungsmagazine und Werbung den Eindruck, als habe sich das abstrakte Gestaltungsrepertoire bereits im angewandten Bereich durchgesetzt, während im Bereich der freien Kunst der erwähnte Richtungsstreit noch nicht zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz abstrakter Ansätze geführt habe.139

Im Vergleich von Köglers Arbeiten aus dem Bereich angewandter Kunst, in denen er sich bereits Ende der 40er Jahre einer ausschließlich abstrakten Formensprache bedient, mit seinen freien Arbeiten läßt sich einerseits für beide Bereiche eine Tendenz zur Anverwandlung gegenständlicher Motive unter dem Gesichtspunkt der Einbindung in übergeordnete Flächengliederungen feststellen, andererseits formuliert der Künstler in freien Arbeiten motivische Vorgaben in stilistischen Ansätzen aus, die sich jenseits der im Exkurs vorgestellten formalen Vorgaben für moderne Gestaltung bewegen.

Dies soll im folgenden anhand mehrerer Arbeiten aufgezeigt werden, deren Entstehung in das Jahr 1951 fiel.

139 Vgl. Wessel, a. a. O., S.74.

II.7. Arbeiten 1951-1952

Die Dimensionierung der im folgenden zu diskutierenden Arbeit (Öltempera auf Papier, 63 × 84,5 cm, Abb.13) läßt vermuten, daß es sich hier um ein eigenständiges Werk handelt, das nicht als Entwurf für den Bereich angewandter Kunst konzipiert ist. Möglicherweise ist diese auf der Rückseite nicht betitelte, vorderseitig jedoch signierte und in das Jahr 1951 datierte Arbeit identisch mit der im Ausstellungskatalog der Neuen Berliner Gruppe von 1952 genannten Arbeit „Schwarze Formen auf Blau“, deren Entstehungsjahr mit 1951 angegeben ist.140 Die Maße dieser ohne Abbildung erwähnten Arbeit sind im Katalog nicht vermerkt, so daß eine mögliche Übereinstimmung mit denjenigen des hier vorgestellten Werkes nicht nachprüfbar ist.

Gleichermaßen unsicher ist deren Identifizierung mit der Öltemperaarbeit „Komposition mit kegelförmigen Körpern“, die in der Großen Kunstausstellung München im Jahr 1953 zu sehen war.141

Der querformatige Bildträger ist mit einem unregelmäßig ausgeführten Auftrag blauer Farbe versehen, der möglicherweise zusätzlich mit einem mit trockenem Pinsel aufgetragenen Schwarz übergangen ist oder auf dem eine schwarz eingefärbte Struktur mit linear verlaufendem Muster abgedruckt ist. Dadurch erschließt sich der Bildgrund nicht als Fläche, sondern tritt als malerisch erschlossener Raum in Erscheinung. In diesem Bildraum sind unterschiedliche, in Blau, Braun und mit Weiß abgemischtem Ocker, überwiegend jedoch in Schwarz gestaltete geometrische Formen in einer Weise angeordnet, die als Schweben im räumlichen Kontinuum bezeichnet werden kann. Ein großer Teil dieser Elemente ist durch lineare Verspannungen miteinander verbunden. Diese als Linienbündel ausgebildeten Verbindungselemente knüpfen jeweils in regelmäßigen Abständen an unterschiedlichen Punkten der Ränder der betreffenden Formen an, um auf engem Raum im Randbereich eines benachbarten Elementes zusammenzulaufen. Auf diese Weise ergeben sich wie aufgefächert erscheinende, durch das Nebeneinander einzelner Linien gebildete dreieckige Formulierungen, die jedoch nicht in jedem Fall symmetrisch gestaltet sind. Durch diese linearen Verbindungen werden auf unterschiedliche Weise zwei oder drei geometrische Elemente miteinander verbunden. Diese Formen sind durch einen homogenen Farbauftrag partiell als Flächenformen

140 Vgl. Neue Berliner Gruppe, AK, Berlin 1952 (im folgenden zitiert als AK, Berlin 1952), Nr.106, o. Abb., o.

S.

141 Vgl. Große Kunstausstellung München, AK, München 1953 (im folgenden zitiert als AK, München 1953), S.60, Nr.752, o. Abb.

ausgebildet, denen kein dreidimensionaler Charakter eignet. Einige der Formen sind jedoch durch modellierende Verschattung zu stereometrischen Körpern ausgearbeitet. Das formale Repertoire dieser Elementarformen reicht von geviertelten Kreisscheiben, deren Segmente in alternierender Farbgebung gestaltet sind, über Dreiecke, plastisch ausformulierte bogenförmige Elemente und einseitig bogenförmig eingezogene Rechtecke bis hin zu gekrümmten Kegeln, deren perspektivisch konzipierte Flächen in Aufsicht wiedergegeben sind. Eine derartige Formulierung findet sich am linken Bildrand, sie ist durch ein perspektivisch lesbares Liniennetz mit einer vom oberen Bildrand angeschnittenen Kreisscheibenform verbunden. Eine ebenfalls dort plazierte Form stellt ein in der Mitte vertikal geteiltes liegendes Spitzoval dar. Es ist mit dem Kegel durch eine lineare Verspannung verbunden.

Teile des formalen Repertoires dieser Arbeit weisen Verwandtschaft zu Köglers Entwürfen für den Bereich angewandter Kunst auf. So findet sich das hälftig geteilte Spitzoval ebenso in dem 1952 veröffentlichten Tapetenentwurf; der perspektivisch gestaltete Kegel erinnert an die diese stereometrische Figur variierende, in Kombination mit einem volumengebenden Lineament gestaltete Formulierung in der bereits diskutierten Gouache. Die erwähnten stereometrischen Modelle, die auch als in den Flächen verschmolzene, durch die Umlagerung mit gespannten Schnüren als Körper definierte Doppelkegel gelesen werden können, könnten von Kögler in der hier vorgestellten Arbeit auf eine Weise bildlich umgesetzt sein, die sich von der Art der Gestaltung in der bereits analysierten, mutmaßlich dem angewandten Bereich zuzurechnenden Arbeit unterscheidet. Im Rahmen der Diskussion dieser Arbeit wurde bereits auf die teilweise räumlich lesbare Gestaltung des Motivs der an der Spitze miteinander verbundenen doppelten Kegel verwiesen. Kögler deutet die im stereometrischen Modell durch Schnüre erzeugten Verspannungen hier als volumenhaltige Körper aus, die durch ein diese Körperhaftigkeit maßgeblich anzeigendes Lineament mit einer Binnenstruktur versehen werden. Diesen Formfindungen sind asymmetrisch geformte Flächenelemente beigegeben, die als Verschmelzung zweier Kegelflächen zu einer in Aufsicht wiedergegebenen Fläche interpretiert werden können. Im Fall einer Formulierung am rechten Bildrand stellt sich die Flächenform als eine einfache, in eine bildplane Position geklappte Fläche des durch Lineament gestalteten Kegelkörpers dar.

In der Arbeit findet sich die in diesen stereometrischen Modellen vorgebildete Formulierung eines durch Linienbündel definierten Kegelkörpers mit scheibenförmiger Fläche in anderer Weise interpretiert. Ist im mutmaßlich dem angewandten Bereich zuzurechnenden Entwurf

diese Formfindung mit einer Flächengliederung zusammengestellt, die den Bildgrund in Form von flächenhaften Streifenelementen strukturiert, so findet sich eine aus den gleichen Modellen abgeleitete, jedoch unter anderen gestalterischen Absichten formulierte Formfindung in der hier vorgestellten freien Arbeit in eine als Bildraum definierte, in sämtlichen Teilen perspektivisch gestaltete Situation eingestellt. Kögler stellt auf diese Weise nicht zwei konkurrierende Gliederungssysteme nebeneinander, nämlich Flächenstruktur und Dreidimensionalität, sondern überträgt die möglicherweise bereits als dreidimensionale Modelle vorgegebenen Formfindungen in eine räumlich interpretierte Situation. Durch die Verspannungen der geometrischen Bildelemente, die sich in der Konzeption nicht von den ebenfalls aufgeführten stereometrischen Elementen unterscheiden, ist deren Anordnung im Bild zumindest in Teilen fixiert. Diese gestalterische Strategie stellt ein Äquivalent zu der Flächengliederung in Form übergeordneter, mehrheitlich orthogonal formulierter Strukturen dar, die in anderen, dem angewandten Bereich künstlerischer Betätigung zuzurechnenden Arbeiten entwickelt wurden.

Diese Strukturen sind häufig als Liniennetz ausgebildet. Dem steht in der hier vorgestellten Arbeit das Lineament der Verspannung gegenüber. Ein auffallender Unterschied zu den Arbeiten aus dem angewandten Bereich besteht darin, daß der mutmaßlich freien Arbeit die Auffassung des Bildes als räumliches Kontinuum zugrunde liegt, während die Entwürfe für den Textil- und Tapetendruck ein vergleichbares formales Vokabular stärker an die Fläche zurückbinden.

Eine weitere Arbeit aus dem Jahr 1951 (Öltempera auf Karton, 64 × 89 cm, Abb.14) ist der zuvor diskutierten sowohl in formaler wie gestalterischer Hinsicht sehr ähnlich. Auf blauem Grund finden sich flächenhaft oder räumlich konzipierte geometrische Formulierungen in Braun und Schwarz, Grün und Weiß, die sich teilweise aus den Elementarformen Dreieck oder Kegel und Halbkreis oder Halbkugel zu komplexen Gebilden zusammensetzen. Auch werden kandelaberartige, vegetabil anmutende Formfindungen mit geometrischen Elementen kombiniert. Besonders gehäuft treten Zusammenstellungen aus Halbkreis und gehälftetem Spitzoval auf, auch eine Kombination aus Halbkreis und gekrümmter, flächenhaft formulierter Kegelform findet sich am oberen rechten Bildrand. Die in unterschiedlicher Größe im Bild aufgeführten Formulierungen überlagern einander und verweisen damit auf die räumliche Deutung der Bildfläche. Diese Interpretation liegt auch der Überlagerung zweier großer schwebender Rundformen, die sich in tieferen Bildschichten zu befinden scheinen, durch die kleineren geometrischen Elemente zugrunde. Diese sind durch schwarze Linienbündel

miteinander verknüpft, die jedoch in diesem Fall aus parallel angeordneten Linien bestehen, in deren Verlauf Brüche auftreten können. Einige dieser Linienbündel setzen an geometrischen Elementen an und enden frei im Raum, indem sie knopfartige Verdickungen ausbilden. Sowohl dieses Motiv als auch die in der Mitte geteilten, aus Spitzoval und Halbkreis gebildeten Formulierungen finden sich in dem 1952 veröffentlichten Tapetenentwurf wieder. Sind die geometrischen Formen dort jedoch in die aus Linien konstruierte Gitterstruktur eingepaßt, so erstellt Kögler in der hier vorgestellten Arbeit mit demselben formalen Vokabular eine Bildgestaltung, die Verwandtschaft zu konstruktiven Bildschöpfungen von Kandinsky zeigt.

So zeigt etwa Kandinskys Arbeit „Flüsternd (Chuchoté)“ (Öl auf Karton, 29 × 27,5 cm)142 auf einem malerisch erschlossenen, in Brauntönen gestalteten Bildgrund eine Ansammlung von Rundformen, eine spitze Dreiecksform und ein halbrund eingezogenes Rechteck, die jeweils vom Bildrand angeschnitten sind. Einige der in dem durch die Gestaltung als Bildraum definierten Oval in einem Schwebezustand präsentierten Elemente sind untereinander durch Bögen paralleler Linien und Linienbündel verbunden. Geometrische Formulierungen werden in einem Bildraum auf eine Weise miteinander verknüpft, die eine Fixierung der schwebenden Elemente innerhalb der Komposition gewährleistet. Kosmische Schwebezustände und technoid anmutende Detailgestaltung treten zu einer bildlichen Einheit zusammen. Diese Strategie steht in Einklang mit Kandinskys theoretisch formulierter Forderung für abstrakte Bildgestaltung, die Fläche jenseits einer Raumdarstellung durch Illusionierung als ideelle Fläche und Raum zugleich auszudeuten.143

Die sich in dieser Arbeit manifestierenden gestalterischen wie formalen Ansätze spiegeln sich in Köglers sehr viel später entstandenem Werk, wenn auch zum Teil die die Elemente körperhaft ausdeutenden Detailgestaltungen beibehalten werden. Kögler scheint unterschiedliche Strategien ungeachtet der Geschlossenheit ihrer theoretischen Ausformulierungen in zurückliegenden Epochen miteinander zu kombinieren.

In Schritten, die der systematischen Analyse bildnerischer Mittel folgen, können aus dem dadurch gewonnenen Material an Formen und dem gestalterischen Repertoire neue Bildschöpfungen entstehen, die den aktuellen Tendenzen der Kunst in Deutschland folgen. Der

142 Vgl. Kandinsky. Hauptwerke aus dem Centre Georges Pompidou Paris, AK, Tübingen 1999, S.134, Abb.

Nr.88.

143 Vgl. Wassily Kandinsky, Über das Geistige in der Kunst (1912), Nachdruck Bern 1965, o. S.

Aspekt des Kosmischen, der in Kandinskys theoretischen Überlegungen zur Kunst ebenso eine Rolle spielt wie in seinem künstlerischen Werk, manifestiert sich nicht nur in den

Aspekt des Kosmischen, der in Kandinskys theoretischen Überlegungen zur Kunst ebenso eine Rolle spielt wie in seinem künstlerischen Werk, manifestiert sich nicht nur in den